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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server, A. Tschentscher | |||
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44. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 26. Mai 1981 i.S. Hans Merz gegen Regierungsrat des Kantons Luzern (verwaltungsgerichtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Eidg. Fleischschauverordnung (EFV) vom 11. Oktober 1957. |
2. Soweit Art. 75 Abs. 5 EFV den Handverkauf von Fleischwaren zum sofortigen Verzehr auf das Innere von Bahnhofanlagen und auf besondere Anlässe im Freien beschränkt, ist er nicht gesetz- und verfassungsmässig (Erw. 4). | |
Sachverhalt | |
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Hans Merz verlangte mit Verwaltungsbeschwerde beim Regierungsrat des Kantons Luzern, an seinem Stand neben Bratwürsten auch Hamburger verkaufen zu dürfen. Der Regierungsrat wies die Beschwerde ab und bestätigte das auf die Eidg. Fleischschauverordnung gestützte Verbot des Verkaufs von Hamburgern.
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Hans Merz erhob gegen den Entscheid des Regierungsrates des Kantons Luzern verwaltungsgerichtliche Beschwerde.
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Auszug aus den Erwägungen: | |
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a) Nach Art. 75 Abs. 1 EFV ist der Verkauf von Fleisch und Fleischwaren nur innerhalb von solchen Räumen erlaubt, die den ![]() | 6 |
Für den Verkauf von Hamburgern erfüllt der Grill-Stand des Beschwerdeführers keine dieser abschliessenden Bedingungen. Er stellt eindeutig keine Metzgerei, kein Comestibles- oder Traiteurgeschäft und auch kein Lebensmittelgeschäft dar. Würde er einem Kiosk gleichgestellt, wie dies der Regierungsrat im angefochtenen Entscheid tat, so könnten nicht nur die als leichtverderblich zu qualifizierenden Hamburger nicht verkauft werden, sondern auch Bratwürste nicht, weil Art. 90 Abs. 2 EFV den Verkauf von leichtverderblichen Fleischwaren an Kiosken nicht zulässt. Der Grill-Stand stellt auch keinen Automaten im Sinne der Verordnung dar. Den Grill-Stand als Fahrzeug zu bezeichnen, kann ebenfalls nicht zur Bewilligung führen, weil das Warenangebot nach Art. 75 Abs. 6 EFV den Verkauf von leichtverderblichen Fleischwaren ausschliesst. Der Grill-Stand ist schliesslich auch nicht als bestehender Verkaufsstand im Sinne von Art. 75 Abs. 4 EFV zu betrachten; zudem ist der Verkauf nicht nur an den üblichen Markttagen, sondern immer während der Öffnungszeit des "Pilatusmarktes" vorgesehen.
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b) Neben dem erwähnten traditionellen Verkauf von Fleisch und Fleischwaren, die zu Hause zubereitet und zu sich genommen werden, enthält die Fleischschauverordnung auch Bestimmungen über den Handverkauf von Fleischwaren zum sofortigen Verzehr. Dieser ist nach Art. 75 Abs. 5 EFV im Innern von Bahnhofanlagen und bei besonderen Anlässen gestattet. Im übrigen behält die Verordnung die kantonalen Wirtschaftsgesetze vor.
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Diese Regelung des Handverkaufs zum sofortigen Verzehr erscheint in dem Sinne abschliessend, als nur die beiden vorgesehenen Formen zugelassen sein sollen; Reisende in Bahnhöfen und Besucher von besondern Anlässen allein sollen sich auf diese Weise verpflegen können. Andere Formen des Handverkaufs von Fleischwaren zum sofortigen Verzehr werden demnach von der ![]() | 9 |
Der Grill-Stand des Beschwerdeführers ist für den Verkauf von Fleischwaren zum sofortigen Verzehr eingerichtet. Da er sich nicht im Innern einer Bahnhofanlage befindet und nicht nur bei besondern Anlässen geöffnet ist, kann er unter dem Titel von Art. 75 Abs. 5 EFV nicht zugelassen werden. Es liesse sich fragen, ob der Grill-Stand nicht zu den traditionellen Wirtschaften zu zählen ist, damit der vorbehaltenen kantonalen Wirtschaftsgesetzgebung unterliegt und somit vom Verbot von Art. 75 Abs. 5 EFV gar nicht erfasst wird; doch kann diese Frage offen gelassen werden, wenn sich die Regelung der Fleischschauverordnung als gesetz- und verfassungswidrig erweisen sollte (unten Erw. 4).
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c) Diese Überlegungen zeigen, dass die Fleischschauverordnung den Verkauf von Hamburgern am Grill-Stand des Beschwerdeführers nicht zulässt. Es stellt sich indessen im folgenden die Frage der Gesetz- und Verfassungsmässigkeit der in der Fleischschauverordnung enthaltenen Regelung.
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Das Bundesgericht kann Verordnungen des Bundesrates auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen (BGE 106 Ib 186, BGE 105 Ib 369 E. 11b, BGE 104 Ib 420). Bei Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft es, ob sie sich in den Grenzen der dem Bundesrat im Gesetz eingeräumten Befugnisse halten. Soweit das Gesetz den Bundesrat ermächtigt, von der Verfassung abzuweichen, schliesst die Bindung an die Bundesgesetze die Prüfung der Verfassungsmässigkeit der Verordnungen aus; soweit der Bundesrat nicht befugt ist, von der Verfassung abzuweichen, befindet das Gericht auch über die Verfassungsmässigkeit der Verordnung (BGE 106 Ib 186, BGE 105 Ib 369 E. 11b, BGE 104 Ib 420 E. c, 423 E. 5a, mit Hinweisen).
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Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsebene eingeräumt, ist dieser Spielraum für das Bundesgericht nach Art. 113 Abs. 3/Art. 114bis Abs. 3 BV verbindlich. Das ![]() | 14 |
a) Die Fleischschauverordnung stützt sich auf das Bundesgesetz betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 8. Dezember 1905 (Lebensmittelgesetz; SR 817.0). Das Lebensmittelgesetz umschreibt in Art. 1 den Geltungsbereich und bestimmt, dass der Verkehr mit Lebensmitteln und der Verkehr mit Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen, soweit diese das Leben oder die Gesundheit gefährden können, der Beaufsichtigung unterliegen. Im weitern ordnet es die kantonale und die eidgenössische Aufsicht (Art. 3 ff., Art. 25 ff.) und enthält die Strafbestimmungen (Art. 36 ff.). In den Schlussbestimmungen wird dem Bundesrat mit Art. 54 Abs. 1 die generelle Kompetenz eingeräumt, zum Schutze der Gesundheit und zur Verhütung von Täuschung die nötigen Vorschriften zu erlassen. Das Lebensmittelgesetz schreibt somit nicht vor, in welcher Weise der Verkauf von Fleisch und Fleischwaren zu ordnen ist, sondern überlässt die Regelung unter Hinweis auf den Schutzzweck ganz dem Bundesrat. Dem Bundesrat wird damit ein sehr weiter Spielraum des Ermessens eingeräumt, indessen ohne dass ihn das Lebensmittelgesetz ermächtigen würde, eine von der Bundesverfassung abweichende Regelung zu treffen.
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b) Nach Art. 54 Abs. 1 Lebensmittelgesetz hat der Bundesrat die zum Schutze der Gesundheit notwendigen Vorschriften zu erlassen. Die von ihm in der Fleischschauverordnung getroffene ![]() ![]() | 16 |
c) Die Regelung des Handverkaufs von Fleischwaren zum sofortigen Verzehr nach Art. 75 Abs. 5 EFV behält besondere kantonale Vorschriften und die kantonalen Wirtschaftsgesetze vor. Dieser Vorbehalt gilt nach den Ausführungen in Erwägung 4b nicht nur für den Verkauf im Innern von Bahnhofanlagen und bei besondern Anlässen, sondern auch für andere, nunmehr nicht mehr generell verbotene Formen des Handverkaufs von Fleischwaren zum sofortigen Verzehr. Die Kantone sind demnach befugt, zum Schutze der Gesundheit Vorschriften zu erlassen oder im Einzelfall die notwendigen Auflagen und Bedingungen anzuordnen. Diese haben dem gesetzlichen Zweck des Schutzes der Gesundheit zu dienen und müssen überdies das Prinzip der Verhältnismässigkeit beachten.
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Bei dieser Sachlage ist der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an den Regierungsrat zurückzuweisen. Es wird abzuklären sein, ob der Grill-Stand des Beschwerdeführers in bezug auf den Verkauf von Hamburgern dem vorbehaltenen kantonalen Recht entspricht und ob er den notwendigen hygienischen Anforderungen genügt; allenfalls sind die erforderlichen Auflagen und Bedingungen anzuordnen.
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