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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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51. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 25. August 1989 i.S. B. gegen Bundesamt für Polizeiwesen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 1 und 12 Ziff. 2 lit. a EAÜ; Auslieferung zur Vollstreckung einer Strafe, deren Vollzug im ersuchenden Staat bedingt aufgeschoben wurde. | |
Sachverhalt | |
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B. erhob gegen diesen Entscheid Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintreten kann. Es bewilligt die Auslieferung unbedingt mit Bezug auf die vorläufige Festnahme des B. zur Vollstreckung des Haftbefehls des Amtsgerichts Alfeld (Leine) vom 5. September 1986 (der zur Sicherung des Vollzuges der Reststrafe gemäss Urteil des Schöffengerichtes Hildesheim vom 31. Mai 1985 erlassen wurde) sowie zur Verfolgung des B. wegen der ihm im Haftbefehl des Amtsgerichts Alfeld (Leine) vom 19. Dezember 1988 zur Last gelegten Straftaten. Hinsichtlich der Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe gemäss Urteil des Schöffengerichtes Hildesheim wird die Auslieferung unter der Suspensivbedingung des Widerrufs des in diesem Urteil zur Bewährung ausgesetzten Strafvollzuges bewilligt.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Gegen die Bewilligung der Auslieferung des Beschwerdeführers zur Vollstreckung der Reststrafe wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde in erster Linie eingewendet, der bedingte Strafvollzug gemäss Urteil des Schöffengerichtes Hildesheim vom 31. Mai 1985 sei nicht widerrufen worden, weshalb die Voraussetzungen für die Auslieferung nicht gegeben seien. Das Auslieferungsersuchen laute ausdrücklich auf "Sicherung der Vollstreckung der aus dem Urteil des Schöffengerichtes Hildesheim vom 31.5.1985 noch zu verbüssenden Freiheitsstrafe von 346 Tagen". Die Auslieferung könne gemäss Art. 32 IRSG zur Strafverfolgung oder zum Vollzug einer freiheitsbeschränkenden Sanktion bewilligt werden. Von einer Sicherung im Sinne des gestellten Begehrens ![]() | 4 |
aa) Die Schweiz und die BRD sind aufgrund von Art. 1 EAÜ verpflichtet, nach den Vorschriften des Europäischen Auslieferungsübereinkommens einander die Personen auszuliefern, die von den Justizbehörden des ersuchenden Staates wegen einer strafbaren Handlung verfolgt oder zur Vollstreckung einer Strafe gesucht werden. Gemäss Art. 2 Ziff. 1 EAÜ wird wegen Handlungen ausgeliefert, die sowohl nach dem Recht des ersuchenden als auch nach demjenigen des ersuchten Staates mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmass von mindestens einem Jahr oder mit einer schwereren Strafe bedroht sind. Ist im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates eine Verurteilung zu einer Strafe erfolgt, so muss deren Mass mindestens vier Monate betragen. Einem Auslieferungsersuchen sind nach Art. 12 Ziff. 2 lit. a EAÜ beizufügen: Die "Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift eines vollstreckbaren verurteilenden Erkenntnisses, eines Haftbefehls oder jeder anderen, nach den Formvorschriften des ersuchenden Staates ausgestellten Urkunde mit gleicher Rechtswirkung".
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bb) Die BRD verlangt in ihrem Ersuchen vom 3. Januar 1989 die Auslieferung des Beschwerdeführers "zur Vollstreckung des Haftbefehls des Amtsgerichts Alfeld (Leine) vom 5.9.1986", welcher "der Sicherung der Vollstreckung der aus dem Urteil des Schöffengerichtes Hildesheim vom 31.5.1985 noch zu verbüssenden Freiheitsstrafe von 346 Tagen dient". In diesem dem Ersuchen beigefügten Haftbefehl wird ausgeführt, der Beschwerdeführer sei durch rechtskräftiges Urteil des Schöffengerichtes Hildesheim vom 31. Mai 1985 wegen fortgesetzten Betruges zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden. Die Vollstreckung der Strafe sei zur Bewährung ausgesetzt worden. Das Amtsgericht Hildesheim habe mit Beschluss vom 31.5.1985 die Bewährungszeit auf 5 Jahre festgesetzt; sie habe am 31.5.85 begonnen. Der Widerruf der Aussetzung komme in Betracht, weil der Verurteilte untergetaucht sei und den Kontakt mit seinem Bewährungshelfer abgebrochen habe. B. solle auch bereits neue Straftaten begangen haben. Am 9. Juni 1986 solle er in Holzminden einen Personenkraftwagen gemietet und diesen unterschlagen, und am 27. Juli 1986 in der Sportpension "Tyrol" in Kirchberg (Österreich) bei einem Einbruch ![]() | 6 |
Die Handlungen, derentwegen der Beschwerdeführer vom Schöffengericht Hildesheim verurteilt wurde (fortgesetzter Betrug), sind auch nach schweizerischem Recht mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmass von mehr als einem Jahr bedroht (Art. 148 Abs. 1 StGB), und das Mass der vom deutschen Gericht ausgesprochenen Strafe übersteigt das in Art. 2 Ziff. 1 EAÜ festgelegte Minimum. Die in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen der Auslieferung sind somit erfüllt. Indessen trifft es zu, dass nach den Akten zur Zeit noch kein Entscheid vorliegt, wonach die Aussetzung auf Bewährung betreffend die vom Schöffengericht Hildesheim am 31. Mai 1985 gegen den Beschwerdeführer ausgefällte Strafe widerrufen worden ist. Das Urteil des Schöffengerichtes stellt daher im gegenwärtigen Zeitpunkt noch kein "vollstreckbares verurteilendes Erkenntnis" im Sinne von Art. 12 Ziff. 2 lit. a EAÜ dar. Bei dieser Situation kann die Auslieferung zur Vollstreckung der Reststrafe aus dem erwähnten Urteil nicht unbedingt bewilligt werden, sondern nur unter der Suspensivbedingung des Widerrufs des vom Schöffengericht Hildesheim zur Bewährung ausgesetzten Strafvollzuges. Dagegen ist es aufgrund von Art. 1 in Verbindung mit Art. 12 Ziff. 2 lit. a EAÜ zulässig, die Auslieferung unbedingt zu bewilligen mit Bezug auf die vorläufige Festnahme des Beschwerdeführers zur Vollstreckung des Haftbefehls des Amtsgerichts Alfeld (Leine) vom 5. September 1986. Dieser Haftbefehl dient der Sicherung der Vollstreckung der Strafe im Hinblick auf einen allfälligen Widerruf des vom Schöffengericht Hildesheim bedingt aufgeschobenen Strafvollzuges. In Art. 12 Ziff. 2 lit. a EAÜ wird als formelles Erfordernis der Auslieferung die Vorlage eines "Haftbefehls oder jeder anderen, nach den Formvorschriften des ersuchenden Staates ausgestellten Urkunde mit gleicher Rechtswirkung" genannt. Aus dieser allgemeinen Formulierung kann geschlossen werden, dass nicht nur ein Haftbefehl zwecks Sicherung der Strafverfolgung Grundlage der Auslieferung bilden kann, sondern auch ein Haftbefehl, der zur Sicherung der Strafvollstreckung im Hinblick auf den allfälligen Widerruf des im ausländischen Urteil zur Bewährung ausgesetzten Vollzugs der Strafe erlassen worden ist. Es bestehen entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht keine Gründe für die Annahme, dass ![]() | 7 |
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