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36. Urteil vom 22. Juni 1955 i.S. Stransky gegen Zivnostenska Banka und Obergericht des Kantons Zürich. | |
Regeste |
Schweizerisch-tschechoslowakisches Abkommen betreffend die Entschädigung der schweizerischen Interessen in der Tschechoslowakei, wonach gewisse Forderungen schweizerischer und auch tschechoslowakischer Gläubiger gegenüber tschechoslowakischen Schuldnern seit dem 1. Januar 1950 in der Schweiz in keinerWeise mehr geltend gemacht werden können (Art. 2 Abs. 3, Art. 6 Abs. 1). |
2. Anwendung des Abkommens auf solche Bankguthaben tschechoslowakischer Staatsangehöriger, die infolge der tschechoslowakischen Währungsreform des Jahres 1945 gesperrt wurden. |
3. Nachweis, dass der Gläubiger am 1. Januar 1950 tschechoslowakischer Staatsangehöriger war. |
4. Das Abkommen ist auch auf Prozesse anwendbar, die am 1. Januar 1950 bereits hängig waren. |
5. Verletzung des schweizerischen ordre public? Berücksichtigung der tschechoslowakischen Währungsreform des Jahres 1953, durch die der Gläubiger ohne Entschädigung enteignet wurde (clausula rebus sic stantibus)? | |
Sachverhalt | |
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Durch ein Dekret vom 19. Oktober 1945 ordnete der Präsident der Tschechoslowakischen Republik eine Währungsreform an. Infolge des Dekrets wurden sämtliche auf alte tschechoslowakische Kronen lautende Bankguthaben mit Wirkung vom 1. November 1945 an blockiert; sie konnten nur noch mit Bewilligung der Tschechoslowakischen Nationalbank freigestellt werden.
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Auch jene Guthaben Stranskys wurden gesperrt. Da seine Versuche, gewisse Beträge ausbezahlt zu erhalten, fehlschlugen, liess er im November 1948 für eine Forderungssumme von Fr. 63'123.96 nebst Zins und Kosten Guthaben und Depots der Zivnostenska Banka bei verschiedenen schweizerischen Banken in Zürich mit Arrest belegen. In der nachfolgenden Betreibung erhob die Zivnostenska Banka Rechtsvorschlag. Der Audienzrichter des Bezirksgerichts Zürich erteilte die provisorische Rechtsöffnung.
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Mit Eingabe vom 11. Februar 1949 erhob die Betriebene Aberkennungsklage. Das Bezirksgericht Zürich und das Obergericht des Kantons Zürich, dieses mit Urteil vom 5. Juni 1953, hiessen die Klage gut in Erwägung, dass der Beklagte seine Forderung gegenüber der Klägerin seit dem 1. Januar 1950, dem Tage des Inkrafttretens des am 22. Dezember 1949 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Tschechoslowakischen Republik abgeschlossenen Abkommens betreffend die Entschädigung der schweizerischen Interessen in der Tschechoslowakei (AS 1950, 21), in der Schweiz nicht mehr geltend ![]() | 4 |
B.- Auf die Berufung, die Stransky gegen das Urteil des Obergerichts vom 5. Juni 1953 eingelegt hat, ist das Bundesgericht (I. Zivilabteilung) nicht eingetreten (BGE 81 II 79).
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C.- Neben der Berufung hat Stransky beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde eingereicht mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts vom 5. Juni 1953 sei wegen Verletzung des schweizerisch-tschechoslowakischen Abkommens betreffend die Entschädigung der schweizerischen Interessen in der Tschechoslowakei aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an das kantonale Gericht zurückzuweisen.
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Er macht geltend, das Abkommen sei schon deshalb nicht anwendbar, weil er am 1. Januar 1950 nicht mehr tschechoslowakischer Staatsangehöriger gewesen, sondern vorher staatenlos geworden sei. Das Obergericht nehme zu Unrecht an, dass ihn die Beweislast in diesem Punkte treffe und dass anderseits die Klägerin den Gegenbeweis erbracht habe.
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Auch wenn der Beschwerdeführer an jenem Stichtage noch tschechoslowakischer Staatsangehöriger gewesen wäre, fielen die in Frage stehenden Forderungen nicht unter das Abkommen, insbesondere nicht unter Art. 5 Ziff. 2 lit. a; denn diese Bestimmung spreche lediglich von Bankguthaben von Schweizerbürgern.
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Das Abkommen dürfe nicht auf Prozesse angewendet werden, die im Zeitpunkt seines Inkrafttretens bereits hängig waren; es enthalte keine Rückwirkungsklausel.
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Die Anwendung des Abkommens auf den vorliegenden Fall verstosse gegen den schweizerischen ordre public. Es sei anzunehmen, man habe mit dem Abkommen den darunter fallenden tschechoslowakischen Staatsangehörigen die Geltendmachung ihrer Ansprüche in der Schweiz ![]() | 10 |
D.- Die Zivnostenska Banka beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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"Nach dem Tage des Inkrafttretens des vorliegenden Abkommens (1. Januar 1950, AS 1950, 394) können die schweizerischen natürlichen oder juristischen Personen und Handelsgesellschaften sowie die natürlichen und juristischen Personen und Institutionen, die zu jenem Zeitpunkt die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit oder ihren Sitz in der Tschechoslowakei hatten, ihre Ansprüche ![]() | 14 |
Nach Art. 6 Abs. 1 sind die Bestimmungen des Art. 2 ebenfalls anwendbar auf die in Art. 5 aufgezählten Forderungen. Die in Art. 2 Abs. 3 getroffene Ordnung leuchtet ein, soweit sie die schweizerischen Gläubiger betrifft, da diese durch jene Globalentschädigung endgültig abgefunden werden (Art. 2 Abs. 1). Weniger verständlich ist, dass Art. 2 Abs. 3 auch tschechoslowakische Interessen erfasst, obwohl sie an der im Abkommen vorgesehenen Entschädigung nicht teilhaben (BGE 81 II 80).
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Art. 5 erwähnt in Ziff. 2 lit. a unter anderm "die Bankguthaben von Schweizerbürgern, die infolge der Währungsreform des Jahres 1945 blockiert sind". Aus Art. 6 Abs. 1 ergibt sich, dass auch natürliche Personen, die am 1. Januar 1950 die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit besassen, seit diesem Zeitpunkt Ansprüche, die sie aus infolge jener Währungsreform gesperrten Bankguthaben herleiten, in der Schweiz nicht mehr geltend machen können. Der Beschwerdeführer wendet vergeblich ein, Art. 5 Ziff. 2 lit. a spreche nur von Bankguthaben von Schweizerbürgern. Art. 2 Abs. 3, worauf Art. 6 Abs. 1 für die in Art. 5 umschriebenen Forderungen verweist, stellt die natürlichen Personen, die am Tage des Inkrafttretens des Staatsvertrages tschechoslowakische Staatsangehörige waren, in bezug auf die Verfolgung von Ansprüchen, welche ihrer rechtlichen Natur nach unter das Abkommen fallen, den Schweizern gleich. Da die Forderung, die der Beschwerdeführer gegenüber der Zivnostenska Banka erhebt, auf Bankguthaben beruht, welche infolge der tschechoslowakischen Währungsreform von 1945 blockiert wurden, kann sie seit dem 1. Januar 1950 in der Schweiz in keiner Weise mehr geltend gemacht werden, sofern der Beschwerdeführer - der nicht Schweizerbürger ist - zu jenem Zeitpunkt die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit besass.
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In der Tat erklärt das tschechoslowakische Justizministerium in einem dem Obergericht auf dessen Rechtshilfegesuch erstatteten Bericht vom 14. Januar 1953, dass der Beschwerdeführer nach den Erhebungen, die das Innenministerium bei den zuständigen Behörden angestellt habe, am 1. Januar 1950 tschechoslowakischer Staatsbürger gewesen sei und diese Staatsangehörigkeit nie verloren habe. Gegen die Beweiskraft dieser Bestätigung bringt die Beschwerde nichts Triftiges vor. Freilich ist die ursprünglich gesandte Ausfertigung der Bescheinigung nicht mit dem Stempel des ausstellenden Ministeriums versehen; dagegen tragen diesen Stempel die Begleitnote vom 14. Januar 1953, die vom gleichen Beamten wie die Bescheinigung selbst unterzeichnet ist, ferner ein Schreiben des tschechoslowakischen Justizministeriums vom 27. Februar 1953, worin die Authentizität des Berichtes vom 14. Januar 1953 bestätigt wird, und namentlich eine weitere Ausfertigung dieses Berichtes, die dem Obergericht nachträglich zugekommen ist. Die Bescheinigung des tschechoslowakischen Justizministeriums bedarf daher zum Gebrauch in der Schweiz keiner Beglaubigung, wie sich aus Art. 6 Abs. 2 des schweizerisch-tschechoslowakischen Abkommens über die gegenseitige Rechtshilfe in Zivil- und Handelssachen vom 21. Dezember 1926 (bestätigt durch Notenaustausch vom 2. September/11. Oktober 1946) ergibt (BS 12, 335). Sie steht inhaltlich im Einklang mit einer auf Betreiben des Beschwerdeführers ![]() ![]() | 18 |
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Wie das Obergericht zutreffend ausführt, ergibt sich dieser Sinn auch daraus, dass nach Art. 2 Abs. 1 des Abkommens durch die von der tschechoslowakischen Regierung zu zahlende Globalentschädigung die Entschädigungsforderungen ![]() | 20 |
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Es kann auch nicht mit Grund eingewendet werden, infolge der tschechoslowakischen Währungsreform von 1953, durch die gewisse Guthaben tschechoslowakischer ![]() | 22 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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