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2. Auszug aus dem Urteil vom 14. Februar 1968 i.S. Esso Research and Engineering Company gegen Hafner AG und Mitbeteiligte sowie Zivilgerichtspräsident des Kantons Basel-Stadt. | |
Regeste |
Patentrecht, vorsorgliche Massnahme, Willkür. |
Darf im Hinblick auf eine von der Gegenpartei angebotene Sicherheit gemäss Art. 79 Abs. 2 PatG von der vorsorglichen Massnahme abgesehen oder im Sinne von Art. 77 Abs. 2 PatG angenommen werden, der Nachteil könne nicht nur durch eine solche Massnahme abgewendet werden? (Erw. 10). | |
Sachverhalt | |
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Am 1. Februar 1967 ersuchte sie den Zivilgerichtspräsidenten von Basel-Stadt, den Firmen Hafner AG und Hafner & Co. sowie Ernst Misteli, Alfred Hafner und Wilhelm Vögtlin die Benützung der patentierten Erfindung vorsorglich und unter Strafandrohung zu verbieten. Sie berief sich auf Art. 77 PatG und in der Verhandlung vom 1. März 1967 ausserdem auf Art. 9 UWG.
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Der Zivilgerichtspräsident wies das Gesuch am 14. März 1967 ab.
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B.- Die Gesuchstellerin führte gegen dieses Urteil beim Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt Beschwerde, doch trat das Appellationsgericht mit Entscheid vom 13. April 1967 darauf nicht ein.
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Die staatsrechtliche Beschwerde der Gesuchstellerin gegen den Entscheid des Appellationsgerichtes wurde am 22. November 1967 abgewiesen.
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C.- Die Gesuchstellerin hat gegen das Urteil des Zivilgerichtspräsidenten rechtzeitig auch eine staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV eingereicht.
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D.- Die Gesuchsgegner beantragen, die Beschwerde abzuweisen. Den gleichen Antrag stellt, unter Hinweis auf die Erwägungen des angefochtenen Entscheids und Verzicht auf zusätzliche Bemerkungen, der Zivilgerichtspräsident von Basel-Stadt.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt die Verfügung des Zivilgerichtspräsidenten vom 1. März 1967 auf.
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Aus den Erwägungen: | |
5. Im Kommentar BLUM/PEDRAZZINI, Art. 77 Anm. 2 Abs. 2, wird die Auffassung vertreten, die beantragte Massnahme und das zu erreichende Resultat müssten in einem gewissen Verhältnis zueinander stehen, erstere dürfe nicht über letzteres weit hinausgehen. Auf diese Stelle beruft sich der Zivilgerichtspräsident, wobei er den letzten Halbsatz unterdrückt. Er folgert aus dem so verstümmelten Zitat, der Richter habe beim Entscheid über die vorsorgliche Massnahme die beidseitige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Er weist ![]() | 9 |
Die Beschwerdeführerin scheint demgegenüber die Auffassung zu vertreten, das im öffentlichen Recht anerkannte Gebot der Verhältnismässigkeit polizeilicher Eingriffe dürfe auf Massnahmen des Zivilrichters in Patentsachen überhaupt nicht angewendet werden.
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In diesem Punkte kann ihr nicht beigestimmt werden. Art. 77 PatG verpflichtet zwar den Richter zu vorsorglichen Massnahmen, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 erfüllt sind, stellt aber die Art der zu treffenden Massnahme in sein Ermessen. Der Richter handelt nicht willkürlich, sondern gegenteils richtig, wenn er in der Auswahl der Massnahme dem Zwecke Rechnung trägt, den Art. 77 PatG verfolgt. Er darf dem Gesuchsgegner nicht eine Beschränkung auferlegen, die zum vorläufigen Schutze des glaubhaft gemachten Rechtes des Gesuchstellers nicht nötig ist.
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Nur in diesem Sinne besteht indessen ein Gebot der Verhältnismässigkeit, und auch nur in diesem Sinne verstehen es BLUM und PEDRAZZINI; sie sprechen vom zu erreichenden Resultat, also vom Zweck der Massnahme, nicht von den Folgen, die sie für den Betroffenen hat. Der Zivilgerichtspräsident hat das erwähnte Gebot nicht so gehandhabt. Er hat nicht abgewogen, ob zum vorläufigen Schutze des Unterlassungsanspruches der Beschwerdeführerin nötig sei, das beantragte Verbot auszusprechen, oder ob eine mildere Massnahme genüge. Er hat der Beschwerdeführerin den Schutz kurzerhand verweigert, weil er für glaubhaft hält, dass die Beschwerdegegner schwer benachteiligt würden, wenn sie die dem Patent der Beschwerdeführerin widersprechenden Handlungen nicht fortsetzen könnten. Diese Begründung hält vor Art. 4 BV nicht stand. Art. 77 Abs. 2 PatG bestimmt nicht, Massnahmen dürften keine getroffen werden, wenn der Gesuchsgegner durch sie schwer benachteiligt würde. Wenn die Patentverletzung glaubhaft ist und die in Art. 77 Abs. 2 genannten Voraussetzungen ![]() | 12 |
Die Beschwerdeführerin war zur Leistung von Sicherheit denn auch bereit. Der Zivilgerichtspräsident hat sich aber über das Angebot mit der Begründung hinweggesetzt, die hinterlegte Summe würde erst nach Beendigung des Hauptprozesses frei und die Stillegung des Betriebes der Hafner AG könne dadurch nicht ausgeglichen werden. Diese Überlegung verträgt sich mit Art. 77 PatG offensichtlich nicht. Da sich Art. 79 Abs. 1 PatG mit der Leistung einer Sicherheit begnügt, nicht die sofortige Auszahlung an den Gesuchsgegner verlangt, ist es willkürlich, die Frage der Sicherheitsleistung mit der Begründung zu übergehen, dem Gesuchsgegner nütze ein bloss hinterlegter, nicht sofort ausbezahlter Geldbetrag nichts. Wer eine patentierte Erfindung nachmacht, ohne beweisen oder mindestens glaubhaft machen zu können, dass das Patent nichtig sei, hat es nach dem Willen des Art. 77 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 1 PatG hinzunehmen, dass ihm der Richter die weitere Nachmachung vorläufig verbietet und für den dadurch möglicherweise entstehenden Schaden lediglich Sicherheit leisten lässt. Nichts hindert den Richter, die Sicherheit so hoch zu bestimmen, dass nach Erledigung des Hauptprozesses der volle Schaden des obsiegenden Gesuchsgegners, also gegebenenfalls auch der aus der Stillegung seines Betriebes entstandene Schaden ersetzt werden kann.
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a) und b) (Ausführungen darüber, dass als Nachteil nur der Ausfall von Gewinnen oder Lizenzvergütungen bis zur Einstellung des Vertriebs der von den Beschwerdegegnern hergestellten, patentverletzenden Geräte in Betracht fällt.)
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c) Fragen kann sich also nur, ob diese Schadenersatzforderung nicht leicht einzutreiben sein werde. Die Beschwerdeführerin verneint die Eintreibbarkeit mit der Begründung, die Hafner AG und die Hafner & Co. seien kleine Firmen, die ![]() | 16 |
Das angefochtene Urteil versucht diese Auffassung nicht zu widerlegen, sondern scheint die Befürchtung der Beschwerdeführerin gegenteils anzuerkennen. Es sagt nämlich nach der Wiedergabe des betreffenden Anbringens: "Mangels anderer näherer Angaben ist deshalb anzunehmen, dass der von der Klägerin zu befürchtende Nachteil in der Einbusse von Lizenzgebühren besteht, für deren Ersatz die Beklagte wegen mangelnder Zahlungsfähigkeit nicht mehr belangt werden könnte." Die Wendung "der von der Klägerin zu befürchtende Nachteil" deutet an, dass dieser Nachteil von der Beschwerdeführerin nicht nur befürchtet wird, sondern von ihr wirklich zu befürchten ist. Es kann denn auch nicht wohl anders sein, nachdem der Zivilgerichtspräsident selber davon ausgeht, ein vorsorgliches Verbot patentverletzender Handlungen wäre für die Beschwerdegegner existenzvernichtend, so dass sie nicht einmal mehr die Mittel hätten, sich auf den Hauptprozess einzulassen oder ihn zu Ende zu führen. Es ist nicht zu ersehen, weshalb das Unterliegen im Hauptprozess für die Beschwerdegegner nicht ebenfalls existenzvernichtend wäre, so dass ihnen die Mittel zur Tragung der finanziellen Folgen, d.h. insbesondere zur Entschädigung der Beschwerdeführerin, fehlen würden. Eine gegenteilige Auffassung des Zivilgerichtspräsidenten würde an einem derartigen Mangel an Logik leiden, dass sie als offenkundig widersprüchlich und damit als willkürlich bezeichnet werden müsste.
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Sei dem wie ihm wolle, erklärt das angefochtene Urteil jedenfalls nicht, die Beschwerdegegner würden nach dem Unterliegen im Hauptprozess ohne weiteres in der Lage sein, der Beschwerdeführerin den voraussichtlichen Schaden zu ersetzen. Das Gesuch ist mit der Begründung abgewiesen worden: "Nun handelt es sich aber bei der Klägerin um ein weltweites Unternehmen. Eine allfällige durch die Tätigkeit der Beklagten verursachte Einbusse an Lizenzgebühren wird in ihrem Gesamtumsatz und -gewinn kaum spürbar in Erscheinung treten. Anderseits geht es bei den Beklagten doch um eine Existenzfrage. Der für die Klägerin zu erzielende Vorteil steht daher in keinem Verhältnis zu dem den Beklagten drohenden Nachteil." Der Zivilgerichtspräsident verweigert also der Beschwerdeführerin das Recht, weil der Ausfall, den ihr die Handlungen der Beschwerdegegner verursachten, angesichts ![]() | 18 |
Die Beschwerdeführerin sieht auch in diesen Erwägungen eine klare Verletzung des Patentgesetzes und damit einen Verstoss gegen Art. 4 BV.
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Die vorsorgliche Massnahme setzt nach Art. 77 Abs. 2 PatG voraus, dass der dem Gesuchsteller drohende nicht leicht ersetzbare Nachteil nur durch sie abgewendet werden kann. BLUM/PEDRAZZINI, Art. 77 Anm. 4 lit. d, halten diese Voraussetzung schon dann für erfüllt, wenn dem Gesuchsteller zur Wahrung seiner Interessen kein anderes Mittel rechtlicher Natur zur Verfügung steht. Sie sagen, eine vorsorgliche Massnahme zum Zwecke der Beweissicherung könne z.B. nicht deswegen verweigert werden, weil der Gesuchsteller den patentverletzenden Gegenstand kaufen könnte.
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