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51. Urteil vom 2. Oktober 1968 i.S. Dietziker gegen Heinrich Denzler AG und Justizkommission des Kantons Zug. | |
Regeste |
Staatsrechtliche Beschwerde. Zwischenentscheid. Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges. |
- der Entscheid kein Zwischenentscheid, sondern ein Endentscheid im Sinne des Art. 87 OG ist (Erw. 3; Änderung der Rechtsprechung); |
- weder die dem Schuldner bei Bewilligung der Rechtsöffnung offen stehende Aberkennungsklage (Art. 83 Abs. 2 SchKG) noch die vom Gläubiger im Falle der Verweigerung zu erhebende Forderungsklage (Art. 79 SchKG) ein "kantonales Rechtsmittel" im Sinne des Art. 86 Abs. 2 OG darstellt (Erw. 4). |
Provisorische Rechtsöffnung. Willkür. |
Unter welchen Voraussetzungen darf in der Betreibung gegen die nicht existierende Firma "X & Co." provisorische Rechtsöffnung gegen X. erteilt werden? (Erw. 6). | |
Sachverhalt | |
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Am 29. Februar 1968 erteilte das Kantonsgerichtspräsidium "im Rechtsöffnungsverfahren Nr. 25 des Klägers Heinrich Denzler AG ... gegen den Beklagten A.J. Dietziker" für den Betrag von Fr. 20'108.-- nebst Zins die provisorische Rechtsöffnung.
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Gegen diesen Entscheid erhob A.J. Dietziker Beschwerde bei der Justizkommission des Kantons Zug. Zur Begründung machte er u.a. geltend, die Erteilung der Rechtsöffnung gegen A.J. Dietziker stütze sich weder auf einen Zahlungsbefehl noch auf ein Rechtsöffungsgesuch, da sich beide gegen die Firma A.J. Dietziker & Co. richteten; sie sei daher ungesetzlich.
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Die Justizkommission wies die Beschwerde am 1. April 1968 ab, inbezug auf den erwähnten Einwand mit folgender Begründung: ![]() | 4 |
B.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde stellt Albert J. Dietziker den Antrag, es sei der Entscheid der Justizkommission des Kantons Zug vom 1. April 1968 aufzuheben und das Rechtsöffnungsbegehren der Firma Heinrich Denzler AG abzuweisen; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die kantonale Instanz zurückzuweisen. Er macht Verletzung des Art. 4 BV geltend und rügt als willkürlich, dass gegenüber der Einzelperson Rechtsöffnung erteilt worden sei, obwohl sich Betreibung und Rechtsöffnungsbegehren gegen die Firma A.J. Dietziker & Co. gerichtet hätten.
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C.- Die Justizkommission des Kantons Zug und die Heinrich Denzler AG beantragen unter Hinweis auf die Erwägungen des angefochtenen Entscheides Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Der Beschwerdeführerbemerkteinleitend, die Beschwerde sei "nach Art. 87 OG zulässig", setzt sich aber nicht auseinander mit der derzeitigen Rechtsprechung des Bundesgerichts. Dieses ist zwar während Jahrzehnten eingetreten auf staatsrechtliche Beschwerden wegen Verletzung des Art. 4 BV, die sich gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide über Bewilligung oder Verweigerung der provisorischen Rechtsöffnung richteten (BGE 26 I 4,BGE 30 I 300,BGE 59 I 255,BGE 75 I 3,BGE 78 I 56und zahlreiche nicht veröffentlichte Urteile). Im Jahre 1953 hat es seine ![]() | 8 |
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Kantonale Entscheide im Sinne des Art. 84 OG kommen regelmässig in einem bestimmten Verfahren (Prozessverfahren, Steuerveranlagungsverfahren usw.) zustande. Der Entscheid, der das Verfahren abschliesst, ist ein Endentscheid, mag er sich als Sachentscheid erweisen oder das Verfahren aus prozessualen Gründen beendigen (vgl. BGE 93 I 452, BGE 87 I 172; BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege S. 353). Vor dem Endentscheid der letzten kantonalen Instanz sind im Laufe des Verfahrens häufig gewisse Entscheide zu treffen, welche Verfahrensfragen, mitunter auch vorausnehmend eine materielle Frage zum Gegenstand haben (BGE 69 I 16 mit Hinweisen). Solche im Laufe des Verfahrens zu treffende Entscheide sind (von hier nicht zu erörternden Ausnahmen abgesehen; vgl. BGE 87 I 177 /8 und dort angeführte frühere Urteile, BGE 94 I 201 Erw. 1) Zwischenentscheide. Sie können nach Art. 87 OG nur dann mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV angefochten werden, wenn sie für den Betroffenen einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge haben. Diese Ordnung geht auf die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichts zurück, das vor der Revision des OG von 1943 auch ohne dahingehende Vorschrift die staatsrechtliche Beschwerde aus Art. 4 BV gegen einen Zwischenentscheid nur zuliess, wenn dieser für den Betroffenen Nachteile mit sich brachte, die auch ![]() | 10 |
Da Zwischen- und Endentscheide in Art. 87 OG Gegensätze bilden, lässt sich der Begriff des Zwischenentscheides nicht losgelöst von dem des Endentscheides fassen. Es ist vielmehr im Einzelfall zu prüfen, was Gegenstand des das Verfahren abschliessenden Endentscheids ist, und von daher ergibt sich, ob ein vorausgegangener Entscheid im Verhältnis zu ihm als Zwischenentscheid erscheint. Das ist in der Regel dann der Fall, wenn er im Laufe des gleichen Verfahrens getroffen wird, das durch den Endentscheid abgeschlossen wird, so dass er einen blossen Schritt auf dem Wege zum Endentscheid bildet. Der Begriff des gleichen Verfahrens darf freilich nicht rein formalistisch aufgefasst werden. Ein bestimmtes Verfahren kann derart auf ein anderes bezogen und ihm untergeordnet sein, dass beide Verfahren wenn nicht formell, so doch ihrem Gegenstand nach als Einheit erscheinen (vgl. BONNARD, a.a.O. S. 411 und 413, wo von einem "rapport nécessaire" gesprochen wird). So hat das Bundesgericht in der Bewilligung der Nachlassstundung einen blossen Zwischenentscheid erblickt (vgl. die in BGE 87 I 369 angeführten nicht veröffentlichten Urteile). Betrachtet man das Verfahren über die Bewilligung der Nachlasstundung und über die Bestätigung des Nachlassvertrages nicht schon formell bloss als zwei Abschnitte eines und desselben Verfahrens, so ist das Bewilligungsverfahren jedenfalls derart auf das Bestätigungsverfahren bezogen und ihm zugeordnet, dass man beide ihrem Gegenstand nach als Einheit und damit die Bewilligung der Stundung als blossen Zwischenentscheid im Verhältnis zum Endurteil über die Bestätigung des Nachlassvertrages betrachten kann (vgl. auch BGE 93 I 62 Erw. 2). Ähnliche Überlegungen mögen das Bundesgericht dazu geführt haben, den Rechtsöffnungsentscheid als blossen Zwischenentscheid zu betrachten im Verhältnis zum Urteil, durch das auf Forderungsklage (Art. 79 SchKG) oder Aberkennungsklage (Art. 83 Abs. 2 SchKG) hin über den materiellen Bestand der in Betreibung gesetzten Forderung ![]() | 11 |
Dass es nicht angeht, den Entscheid über die provisorische Rechtsöffnung als blossen Zwischenentscheid zu behandeln, zeigt auch ein bisher unbeachtet gebliebener Gesichtspunkt. Die Aberkennungsklage kann auch durch ein Schiedsgericht beurteilt werden (BGE 56 III 234), und ebenso verhält es sich mit der Forderungsklage nach Art. 79 SchKG (vgl. BGE 91 II 111 b). Würde auf eine gegen den Rechtsöffnungsentscheid gerichtete staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten aus der Erwägung, dass es sich um einen Zwischenentscheid handle und der Schuldner den Mangel noch durch Anfechtung des im Aberkennungsprozess ergehenden Endentscheides rügen könne, so versagt diese Konstruktion gänzlich, wenn die Aberkennungsklage durch ein Schiedsgericht beurteilt wird, da nach ständiger Rechtsprechung gegen Schiedsgerichtsurteile die ![]() | 12 |
Es ist somit die in BGE 79 I 44 und 153 eingeleitete Rechtsprechung aufzugeben und der Entscheid über die provisorische Rechtsöffnung als Endentscheid im Sinne des Art. 87 OG zu betrachten. Bei dieser Sachlage stellt sich die in jenen Urteilen verneinte Frage nicht mehr, ob er (als Zwischenentscheid) für den Gläubiger bzw. Schuldner einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge hat. Dagegen ist noch zu prüfen, ob er als letztinstanzlich im Sinne des Art. 87 OG zu gelten hat, wenn er von derjenigen Instanz ausgeht, die als letzte des Kantons über Rechtsöffnungssachen zu befinden hat.
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Die Justizkommission des Kantons Zug, die den mit der vorliegenden Beschwerde angefochtenen Entscheid gefällt hat, ist nach dem Prozessrecht des Kantons Zug die letzte kantonale Instanz in Rechtsöffnungssachen. Als Rechtsbehelf, der dem Beschwerdeführer zur Verfügung stände und mit dem sich der behauptete Rechtsnachteil beseitigen liesse, käme nur die Aberkennungsklage in Frage. Sie als ein gegenüber der provisorischen Rechtsöffnung zur Verfügung stehendes "Rechtsmittel" im ![]() | 15 |
5. Im Hinblick auf die Ausführungen in BGE 87 I 367 Erw. 3 a rechtfertigt es sich, noch kurz zu prüfen, ob es einem Bedürfnis entspricht, die staatsrechtliche Beschwerde aus Art. 4 BV gegen Entscheide über die provisorische Rechtsöffnung zuzulassen. Die Frage ist zu bejahen. Lässt sich auch mit diesem Rechtsmittel keine einheitliche Praxis in Rechtsöffnungssachen erzielen, so kann das Bundesgericht doch wenigstens einschreiten, wenn eine kantonale Behörde den Art. 82 SchKG in unhaltbarer Weise auslegt oder anwendet. Es dient in bedeutendem Masse dem Rechtsschutzbedürfnis des Einzelnen, wenn er einen so groben Verstoss auf einfachem Wege rügen kann und nicht erst einen Prozess um den Bestand der Forderung austragen muss. Dazu kommt, dass mit der staatsrechtlichen Beschwerde aus Art. 4 BV nicht nur willkürliche Rechtsanwendung, sondern auch die Verweigerung des rechtlichen Gehörs und die rechtsungleiche Behandlung im engern ![]() | 16 |
6. Das Betreibungsbegehren und dementsprechend der Zahlungsbefehl richteten sich gegen die Firma "A.J. Dietziker & Co." in Baar, während der Entscheid, mit dem der Gläubigerin die provisorische Rechtsöffnung gewährt wurde, gegen A.J. Dietziker persönlich erging. Nach Art. 82 Abs. 2 SchKG spricht der Richter die Rechtsöffnung aus, sofern der Betriebene nicht bestimmte Einwendungen glaubhaft macht. Daraus ist zu schliessen, dass im Rechtsöffnungsverfahren der Betriebene passiv legitimiert ist und der Entscheid sich gegen ihn richten muss. Das ergibt sich auch aus der Natur des Rechtsöffnungsverfahrens als eines reinen Vollstreckungsverfahrens, in dem darüber entschieden wird, ob eine bestimmte Betreibung, die ein bestimmter Gläubiger für eine bestimmte Forderung gegen einen bestimmten Schuldner eingeleitet hat, fortgesetzt werden darf oder nicht. Die Justizkommission stellte im angefochtenen Entscheid fest, die Firma "A.J. Dietziker & Co." existiere nicht, was der Beschwerdeführer nicht bestreitet, entspricht dies doch seiner eigenen Darstellung. Existiert die Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft aber nicht, so fehlt es an einer tauglichen Partei. Das Vorhandensein einer solchen ist eine wesentliche Voraussetzung einer Betreibung, bei deren Fehlen trotzdem vorgenommene Betreibungshandlungen nichtig sind und jederzeit aufgehoben werden können (BGE 67 III 140/1; FRITZSCHE a.a.O. S. 53). Es lässt sich daher die Ansicht vertreten, es hätte die gegen eine nicht existierende Gesellschaft eingeleitete ![]() | 17 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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