BGE 95 I 451 | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
65. Auszug aus dem Urteil vom 1. Oktober 1969 i.S. X. und Bank Y. gegen Vereinigte Staaten von Amerika, Bezirksanwaltschaft Zürich und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. | |
Regeste |
Akteneinsichtsrecht des Geschädigten im Strafverfahren. Art. 4 BV. |
Verhältnis des Akteneinsichtsrechts zum Bankgeheimnis (Erw. 3 c). | |
Sachverhalt | |
Gegen den Entscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich vom 31. Juli 1969, gegen den sich die im Urteil Nr. 64 (S. 439 ff.) beurteilte staatsrechtliche Beschwerde des N. richtete, haben auch X. und die Bank Y. mit zum Teil abweichender Begründung eine staatsrechtliche Beschwerde eingereicht, die vom Bundesgericht ebenfalls abgewiesen wird.
| 1 |
Aus den Erwägungen: | |
2 | |
b) Die Beschwerdeführer behaupten, die USA hätten kein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht. In der Tat kann Akteneinsicht nur verlangen, wer ein rechtliches Interesse daran hat, die Akten einzusehen. Da das Einsichtsrecht eines Prozessbeteiligten mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör im Zusammenhang ist (BGE 83 I 155) und der richtigen Ausübung des Äusserungsrechts dient, ist ein Interesse zu bejahen, wenn die Prozesspartei berechtigt ist, sich gegenüber der Behörde zu äussern (TINNER, a.a.O. S. 349). Es ist ausser Frage, dass den USA als einem Geschädigten dieses Äusserungsrecht zusteht; das ergibt sich aus verschiedenen Vorschriften der StPO (vgl. §§ 10, 192, 280, 395, 423, 425). Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet kann deshalb nicht behauptet werden, es fehle ein rechtliches Interesse der USA. Dass die Akteneinsicht für die Abklärung der allenfalls in den USA begangenen Straftaten nicht notwendig sein soll. wie es die Beschwerdeführer behaupten, ist unerheblich. Nicht deshalb wird dem Rechtsvertreter der USA Akteneinsicht gewährt, damit er für einen amerikanischen Strafprozess Beweismaterial sammeln kann, sondern damit er sich als Vertreter des Geschädigten ein Bild machen kann über die Aktenlage des schweizerischen Prozesses und gestützt darauf seine Parteirechte wirksam zu wahren in der Lage ist. Es ist deshalb auch unwesentlich, ob die amerikanischen Gerichte das Beweismaterial, das ihnen auf Grund der Akteneinsicht vermutlich zugänglich gemacht wird, "formgerecht" verwenden könnten, wie sich die Beschwerdeführer ausdrücken. Die Rüge, die kantonalen Instanzen hätten mit der Gewährung der Akteneinsicht zumindest bis zur Anklageerhebung zuwarten müssen, ist unbegründet. Die StPO beschränkt das Recht auf Akteneinsicht in zeitlicher Hinsicht nicht, und im übrigen kann es für den Geschädigten gerade im Stadium vor dem Entscheid über Einstellung oder Anklageerhebung wichtig sein, sich über das Beweismaterial orientieren zu können, um seine Rechte wirksam zur Geltung zu bringen.
| 3 |
c) Die Beschwerdeführer behaupten, die amerikanischen Behörden wollten in Wirklichkeit bloss erfahren, ob und wenn ja wohin gewisse Gelder aus amerikanischen Firmen abgeflossen seien, und erkunden, ob eine Durchlöcherung des Bankgeheimnisses auf diesem Weg möglich sei. Es ist in der Tat denkbar, dass jemand das Bankgeheimnis zu umgehen sucht, indem er gegen eine bestimmte Person grundlos Strafanzeige einreicht und sich auf dem Weg über die Akteneinsicht die Kenntnisse zu verschaffen sucht, die zu erlangen ihn sonst das Bankgeheimnis hindern würde. Auf diese Gefahr wurde in Publikationen mit Recht hingewiesen. Die Strafgerichtsbehörden haben deshalb im Einzelfall mit aller Sorgfalt zu prüfen, ob mit einer Strafanzeige eine Umgehung bezweckt wird und gegebenenfalls Missbräuchen den Riegel zu schieben. Indessen hat die Staatsanwaltschaft mit Grund ausgeführt, der Einwand des X., das vorliegende Strafverfahren sei von den amerikanischen Behörden nur vom Zaun gerissen worden, um an Bankdokumente heranzukommen, die sonst nicht eingesehen werden könnten, sei nachgerade leichtfertig. Es ergibt sich in der Tat mit genügender Deutlichkeit aus den Untersuchungsakten, dass die Strafanzeige von den USA nicht missbräuchlich eingereicht wurde, wobei durchaus offen bleibt, wie das durch die Anzeige eingeleitete Strafverfahren letztlich ausgehen wird. Die Behauptung der Beschwerdeführer, den USA werde es auf Grund der angefochtenen Verfügung leicht gemacht, das Bankgeheimnis auf dem Umweg über eine Strafanzeige zu lüften, ist nicht stichhaltig. Die Beschwerdeführer übersehen, dass es sich um den Sonderfall handelt, in dem ein fremder Staat, wie behauptet wird, durch eine dem gemeinen Strafrecht unterstehende Tat unmittelbar geschädigt wurde (vgl. S. 449 hievor).
| 4 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |