![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
25. Auszug aus dem Urteil vom 25. Februar 1970 i.S. Hall gegen Regierungsrat des Kantons Bern. | |
Regeste |
Chiropraktorenberuf; zulässiger Inhalt einer kantonalen Verordnung. Art. 4 und 31 BV, Grundsatz der Gewaltentrennung. | |
Sachverhalt | |
![]() ![]() | 1 |
"Art. 1. Die Direktion des Gesundheitswesens erteilt im Kanton Bern wohnhaften, gut beleumdeten Schweizer Bürgern, die einen Fähigkeitsausweis im Sinne von Art. 2 dieser Verordnung besitzen, die Bewilligung zur Ausübung der Chiropraktik.
| 2 |
Art. 2. 1 Als Fähigkeitsausweis gilt das Zeugnis über das Bestehen der kantonalen Chiropraktorenprüfung (Art. 10 bis 17 und Art. 20).
| 3 |
2...
| 4 |
Art. 20. Chiropraktoren, die beim Inkrafttreten dieser Verordnung bereits im Kanton Bern tätig sind, werden von der Direktion des Gesundheitswesens zu einer vorwiegend praktischen Chiropraktorenprüfung zugelassen, sofern sie
| 5 |
a) im Kanton Bern niedergelassen und gut beleumdet sind;
| 6 |
b) ihre Fachausbildung an einem vom Eidgenössischen Departement des Innern anerkannten Ausbildungsinstitut für Chiropraktoren vor dem 1. Januar 1965 aufgenommen und
| 7 |
c) den zur Zeit ihrer Ausbildung vorgeschriebenen Lehrgang dieses Institutes erfolgreich absolviert haben. Ist diese Fachausbildung nach dem 31. Dezember 1964 abgeschlossen worden, so ist überdies eine mindestens einjährige Assistentenzeit bei einem in der Schweiz tätigen Chiropraktor nachzuweisen.
| 8 |
Gesuche um Zulassung zu dieser Prüfung sind mit den nötigen Zeugnissen innerhalb dreier Monate seit dem Inkrafttreten dieser Verordnung bei der Direktion des Gesundheitswesens einzureichen.
| 9 |
Wird die Prüfung innerhalb zweier Jahre bestanden, so erteilt die Direktion des Gesundheitswesens dem Bewerber die Praxisbewilligung.
| 10 |
Die Prüfung kann nur einmal wiederholt werden."
| 11 |
B.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 12. September 1969 verlangen Frau Eliane R. Hall, geb. Kuchen, Schweizerbürgerin, und ihr Ehemann Harry R. Hall, amerikanischer Staatsangehöriger, die Aufhebung der Art. 2 (richtig: 2 Abs. 1) und 20 der Chiropraktorenverordnung.
| 12 |
In der Beschwerde wird festgestellt, Eliane R. Hall habe in Bern die Maturitätsprüfung bestanden, nachher in USA Chiropraktik studiert und am 30. September 1953 an der Palmer School of Chiropractic in Davenport den Grad eines Doktors der Chiropraktik erworben. Am 8. Oktober 1953 habe sie überdies im Staate Georgia das Staatsexamen als Chiro praktorin bestanden.
| 13 |
Harry R. Hall habe am 5. März 1951 an der Palmer School ![]() | 14 |
Sie halten dafür, die angefochtene Verordnung verletze die Art. 4 und 31 BV. Die einzelnen Rügen und ihre Begründung ergeben sich, soweit erforderlich, aus den nachstehenden Erwägungen.
| 15 |
C.- Der Regierungsrat des Kantons Bern beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
| 16 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
17 | |
"Personen, denen ein Kanton auf Grund eines durch besondere Fachausbildung erworbenen und vom Bundesrat anerkannten Befähigungsausweises die Bewilligung zur Ausübung der Chiropraktik erteilt hat, sind berechtigt, innert den Schranken dieser Bewilligung für die Krankenversicherung tätig zu sein. Artikel 15 Absatz 1 und Artikel 17 Absatz 1 finden sinngemäss Anwendung."
| 18 |
Gestützt auf Art. 21 Abs. 4 KUVG erliess der Bundesrat am 15. Januar 1965 eine "Verordnung IV über die Krankenversicherung betreffend die Anerkennung kantonaler Befähigungsausweise der Chiropraktoren für die Krankenversicherung" (AS 1965 55). Deren Art. 1 sieht vor, dass kantonale Befähigungsausweise für Chiropraktoren "auf Grund einer in der Schweiz erfolgreich abgelegten Prüfung" anerkannt werden. Zur Prüfung zugelassen werden Bewerber mit schweizerischem oder anderem anerkanntem Maturitätsausweis, die ein vom Eidgenössischen Departement des Innern anerkanntes Ausbildungsinstitut mit vollen 36 Studienmonaten absolviert haben und während mindestens einem Jahr bei einem Chiropraktor mit anerkanntem Befähigungsausweis als Assistent tätig gewesen sind (Art. 2). Für die schon bisher tätigen Chiropraktoren enthält indessen Art. 5 Abs. 1 folgende Übergangsbestimmung:
| 19 |
20 | |
Die genannten Vorschriften des Bundesrechtes ermöglichen den Chiropraktoren, unter gewissen Voraussetzungen für die Mitglieder von Krankenkassen tätig zu sein. Dass der Kanton diese Voraussetzungen schaffe, wünschten im Kanton Bern die Chiropraktoren selber.
| 21 |
22 | |
Die Parteien gehen darin einig, dass die Chiropraktik zum Bereich der "niedern Chirurgie" im Sinne des genannten Erlasses gehört. Die Beschwerdeführer machen auch nicht etwa geltend, Art. 3 Abs. 2 ermächtige die Gesundheitsdirektion nur zu konkreten Verfügungen, nicht aber den Regierungsrat zu einem generellen Erlass. Die Parteien gehen denn auch offensichtlich davon aus, die Befugnis zum Erlass der umstrittenen Verordnung sei in der Vollzugsgewalt des Regierungsrates (Art. 38 KV) eingeschlossen. Streit herrscht nur über den zulässigen Inhalt der Verordnung.
| 23 |
24 | |
![]() | 25 |
b) Bedenken erwecken könnte die Beschränkung der Prüfung auf Schweizerbürger, wie es Art. 1 der Verordnung vorsieht. § 3 Abs. 2 des Gesetzes erwähnt das Bürgerrecht nicht. Ob zwischen dem Bürgerrecht und der Qualifikation zur Ausübung des Chiropraktorenberufes ein ursächlicher Zusammenhang bestehe, erscheint als sehr zweifelhaft, braucht indessen nicht geprüft zu werden, weil eine solche Rüge in der Beschwerde nicht erhoben wurde.
| 26 |
27 | |
Die Chiropraktorenverordnung ist ein generell abstrakter Erlass, der sich an eine unbestimmte Anzahl von Personen wendet. Für ihn gelten die Regeln, die die Rechtsprechung für die Beurteilung gesetzgeberischer Erlasse entwickelt hat.
| 28 |
![]() | 29 |
Diesen Kriterien der Rechtsprechung hält der angefochtene Erlass stand. Das Bundesrecht (Art. 1 der erwähnten Verordnung IV) stellt bezüglich der Prüfungsfächer und der Vorbildung der Prüflinge sehr strenge Anforderungen. Die kantonale Verordnung stimmt in ihren Artikeln 11 (Vorbildung der Prüflinge) und 13 (Prüfungsfächer) dem Sinne nach und weitgehend auch im Wortlaut mit den Artikeln 1 und 2 der Verordnung IV überein. Gelten aber erhebliche Anforderungen für alle Personen, die den Chiropraktorenberuf aufnehmen, so lag es nahe, auch die schon praktizierenden, aber in der Schweiz nicht geprüften Chiropraktoren mindestens einer summarischen Befähigungsprüfung zu unterwerfen. Art. 5 der Verordnung IV sieht das vor, indem er es den kantonalen Behörden anheimstellt, denjenigen Berufsangehörigen, die schon bisher praktiziert haben, Bewilligungen zu erteilen "auf Grund eines den Artikeln 1 und 2 nicht vollständig entsprechenden Bildungsausweises". Dieser soll nach Art. 20 der angefochtenen Verordnung durch Bestehen einer ,,, vorwiegend praktischen" Prüfung erbracht werden, einer Prüfung, von der es im "Vortrag" der Gesundheitsdirektion zum Verordnungsentwurf heisst, sie sei so zu gestalten, dass "seriöse, fachkundige Chiropraktoren" sie "jederzeit ohne besondere Vorbereitung bestehen können". Eine solche Prüfung ist nicht nur nicht sinn- und zwecklos, sondern lässt sich auf durchaus ernsthafte Gründe stützen. Erst recht kann keine Rede davon sein, dass unverständliche Unterscheidungen getroffen wurden. Im Gegenteil ist die Übergangsgeneration der Chiropraktoren gegenüber ![]() | 30 |
Die angefochtene Verordnung hielte dem Art. 4 BV übrigens auch dann stand, wenn man nicht die gegenüber den kantonalen Gesetzgebern aufgestellten Kriterien anwenden wollte, sondern sich mit gewöhnlicher Willkürprüfung begnügte. Auch bei solcher Prüfung und unter Beachtung des Umstandes, dass das Palmer College in Davenport zu den vom Eidgenössischen Departement des Innern anerkannten Ausbildungsinstituten gehört (AS 1965 1199), könnte nicht davon gesprochen werden, dass schon die blosse Abnahme einer vorwiegend praktischen Befähigungsprüfung jenseits einer mit vernünftigen Gründen vertretbaren Ordnung liege.
| 31 |
32 | |
Ob es sich beim Chiropraktorenberuf geradezu um eine neue wissenschaftliche Berufsart im Sinne des Art. 33 BV handle, kann hier offen bleiben. Jedenfalls stellt die Verordnung IV sowohl bezüglich der Vorbildung (vgl. Art. 2) als auch hinsichtlich der fachlichen Ausbildung (vgl. den Katalog in Art. 1) an diejenigen, die den Beruf neu ergreifen möchten, hohe Anforderungen. Im Vergleich dazu ist das hier umstrittene Erfordernis der vorwiegend praktischen Prüfung als für die Übergangsgeneration der Chiropraktoren günstige Bedingung zu werten. Wie sich dem erwähnten "Vortrag" der Gesundheitsdirektion entnehmen lässt, boten gerade die Übergangsbestimmungen des Art. 20 die grössten Schwierigkeiten bei ![]() | 33 |
Der Hinweis der Beschwerdeführer auf angeblich weniger weit gehende Anforderungen in andern Kantonen ist schon deshalb unbehelflich, weil alle Erlasse, auf die sich die Beschwerdeführer stützen, aus den 50-iger Jahren stammen und unter der heutigen Rechtslage (Revision des KUVG vom 13. März 1964, Erlass der Verordnung IV über die Krankenversicherung vom 15. Januar 1965) überholt sind.
| 34 |
Dass mit der umstrittenen Übergangsprüfung andere als polizeiliche (etwa gewerbepolitische) Zwecke angestrebt worden seien, machen die Beschwerdeführer zu Recht nicht geltend.
| 35 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
| 36 |
37 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |