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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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100. Auszug aus dem Urteil vom 29. Oktober 1971 i.S. Landammann und Standeskommission des Kantons Appenzell I.Rh. gegen Sparascio und Eidg. Justiz- und Polizeidepartement. | |
Regeste |
Erleichterte Einbürgerung (Art. 27 BüG). | |
Sachverhalt | |
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Im Februar 1970 ersuchte die bei ihren Eltern in Zürich, Bergacker 35, wohnhafte Daniela Anna Christa Sparascio das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) um erleichterte Einbürgerung in der Schweiz. Durch Verfügung vom 4. März 1971 hat das EJPD die Gesuchstellerin Daniela Anna Christa Sparascio in die Bürgerrechte der Kantone Zürich und Appenzell I.Rh. sowie der Gemeinden Zürich und Appenzell und damit ins Schweizerbürgerrecht gemäss Art. 27 BüG aufgenommen.
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Gegen diese Verfügung erheben Landammann und Standeskommission des Kantons Appenzell I.Rh. Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Sie beantragen die Aufhebung der angefochtenen Verfügung in dem Sinne, dass Daniela Anna Christa Sparascio lediglich ins Schweizerbürgerrecht sowie in die Bürgerrechte des Kantons und der Stadt Zürich, nicht aber in die Bürgerrechte des Kantons Appenzell I.Rh. und der Gemeinde Appenzell aufgenommen werde.
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Das EJPD beantragt die Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Nach Art. 27 Abs. 2 BüG erwibt die Tochter das Kantons- und Schweizerbürgerrecht, das ihre Mutter besitzt oder zuletzt besass, und damit das Schweizerbürgerrecht. Die Mutter der ![]() | 7 |
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Dadurch, dass das EJPD der Daniela Anna Christa Sparascio beide Kantons- und Gemeindebürgerrechte ihrer Mutter erteilte, hat es keineswegs gegen den Wortlaut oder den Sinn der BV verstossen. Nach Art. 44 Abs. 2 BV ordnet die Bundesgesetzgebung "die Erteilung und den Verlust des Schweizerbürgerrechts"; desgleichen stellt sie nach Art. 44 Abs. 4 "die Grundsätze für die Wiederaufnahme ins Bürgerrecht" auf. Der Bundesgesetzgeber hat im Bereich seiner Kompetenzen legiferiert. Mit keinem Wort und auch nicht indirekt lässt der Text der BV erkennen, es sei dem Bundesgesetzgeber verwehrt, einem Kind bei erleichterter Einbürgerung alle Kantons- und Gemeindebürgerrechte zu erteilen, die seine Mutter besitzt. Um das ![]() | 9 |
a) Unbehelflich ist zunächst der Hinweis darauf, dass bei Erteilung des mehrfachen Bürgerrechts einerseits "im Armenwesen Kosten und Schwierigkeiten entstehen", anderseits aber der unterstützungsbedürftigen Person keine Vorteile erwachsen, da sie ja auch dann, wenn sie in einer einzigen Gemeinde eingebürgert würde, hinreichend unterstützt werden muss.
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Nimmt man an, das sei richtig, so wird die Aufnahme des Kindes in alle Bürgerrechte seiner Mutter zwar entbehrlich, aber nicht sinnlos. Solange das Bundesrecht ein mehrfaches Bürgerrecht der Mutter zulässt, ist nicht einzusehen, warum dasselbe bei der Tochter ausgeschlossen sein sollte.
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Auch der Hinweis auf die in Art. 5 BüG vorgesehene Ordnung für das eheliche Kind eines ausländischen Vaters und einer schweizerischen Mutter legt keinen andern Schluss nahe. Die dortige Ordnung sieht vor, dass das Kind, das sonst staatenlos würde, das Bürgerrecht seiner Mutter bekommt (Abs. 1), es aber wieder verliert und das Bürgerrecht seines Vaters erwirbt, wenn dieser Schweizerbürger wird, bevor das Kind mündig ist (Abs. 3). Dieselbe Lösung hat das Bundesgericht als "nicht willkürlich" anerkannt für die Ehefrau eines Ausländers, die das Schweizerbürgerrecht beim Eheabschluss beibehalten hat, nach der Einbürgerung des Gatten es aber verliert und dafür dessen Kantons- und Gemeindebürgerrecht erwirbt (BGE 77 I 131ff.). Der Befund wäre bei freier Prüfung nicht anders ausgefallen.
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Diese Ordnung entspricht dem traditionellen Prinzip der Einheit des Bürgerrechts in der Familie (BGE 69 I 142f.), das u.a. auch in Art. 32 Abs. 1 und Art. 33 BüG zum Ausdruck kommt. Die Familie eines eingebürgerten Ausländers wird damit als Ganzes bürgerrechtsmässig nicht privilegiert, sondern gleichgestellt der Familie, deren Familienhaupt schon bei der Heirat Schweizer war.
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Der Entscheid des EJPD stimmt auch überein mit der zivilrechtlichen Ordnung. Nach Art. 161 Abs. 1 ZGB erhält die Ehefrau beim Abschluss der Ehe alle Kantons- und Gemeindebürgerrechte des Mannes (LEMP, Kommentar, N. 8 zu Art. 161).
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Das Prinzip der Einheit des Bürgerrechts ist allerdings durchbrochen in einer Familie, wo das Familienhaupt Ausländer, seine Gattin aber Schweizerin ist. Umso mehr drängt es sich auf, dass wenigsten alle schweizerischen unmündige Familienglieder die selben Kantons- und Gemeindebürgerrechte haben wie die Mutter. Auf diese Weise wird das Prinzip wenigstens innerhalb des schweizerischen Teils der Familiengemeinschaft aufrecht erhalten.
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b) An dieser Rechtslage ändern auch die Hinweise der Beschwerdeführer auf die Art. 28 Abs. 1, 29 und 30 BüG nichts. Bei der erleichterten Einbürgerung nach Art. 28 verhalten sich die Dinge gleich wie bei Art. 27 BüG. Art. 29 BüG stellt darauf ab, welche Kantons- und Gemeindebehörden den Ausländer als Schweizer behandelt haben. Im Fall der nachträglichen Option (Art. 30 BüG) kommt es auf das Kantons- und Gemeindebürgerrecht an, das der Gesuchsteller durch rechtzeitige Option erlangt hätte. Ob das auch mehrere Kantons- und Gemeindebürgerrechte sein können, braucht hier nicht erörtert zu werden.
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c) Die Beschwerdeführer deuten selber Schwierigkeiten an, die auftreten können, wenn bei der erleichterten Einbürgerung eines Kindes zwischen den verschiedenen Bürgerrechten seiner schweizerischen Mutter gewählt werden müsste. Diese Probleme entstehen bei der vom EJPD getroffenen Lösung nicht.
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d) Die Beschwerdeführer verweisen auf BGE 91 I 390, wo das Bundesgericht erklärt hat, das Prinzip der Einheit des Bürgerrechts in der Familie habe durch das BüG insgesamt verschiedene Einbrüche erfahren.
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Im genannten Entscheid ging es darum, abzuklären, welche Folgen es habe, wenn das im Ausland geborene Familienhaupt die zur Beibehaltung des Schweizerbürgerrechts nach Art. 10 BüG vorgeschriebene Meldung oder Erklärung aus Rechtsunkenntnis oder Nachlässigkeit nicht rechtzeitig abgegeben hat. Es wurde dabei festgestellt, dass die Verwirkungsfolge gemäss Art. 57 Abs. 3 sich nicht erstrecke auf Kinder, die beim Inkrafttreten ![]() | 20 |
Dabei ging es offensichtlich um ein sehr spezielles Problem des intertemporalen Rechts; es ist von der vorliegenden Streitsache so verschieden, dass daraus für sie nichts abgeleitet werden kann. Insbesondere folgt daraus nicht, dass die Einheit des Bürgerrechts nicht wenigstens gewahrt werden sollte unter den Familiengliedern, die Schweizer sind.
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