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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
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10. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 20. März 1998 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Persönliche Freiheit: Zulässigkeit einer Blutentnahme. | |
Sachverhalt | |
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X. erhob gegen diese Verfügung Rekurs. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich wies den Rekurs mit Verfügung vom 13. Januar 1998 ab.
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Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 17. Februar 1998 stellt X. den Antrag, die Verfügungen der Bezirksanwaltschaft und der Staatsanwaltschaft seien aufzuheben.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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Aus den Erwägungen: | |
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b) Die Willkürrüge und die Rüge einer Verletzung des Legalitätsprinzips fallen mit der Rüge zusammen, das ungeschriebene verfassungsmässige Recht der persönlichen Freiheit sei verletzt worden. Die Fragen, ob das kantonale Recht willkürlich angewendet worden ist und ob die Staatsanwaltschaft das Legalitätsprinzip verletzt habe, sind zusammen mit der Frage zu prüfen, ob für den umstrittenen Eingriff in ein verfassungsmässiges Recht des Beschwerdeführers eine gesetzliche Grundlage bestehe.
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c) Die Blutentnahme stellt einen Eingriff in die körperliche Integrität und damit in das ungeschriebene verfassungsmässige Recht der persönlichen Freiheit dar (BGE 112 Ia 249 E. 3; BGE 98 Ia 412 E. 4, je mit Hinweisen). Solche Eingriffe sind, werden sie zwangsweise durchgeführt, nur zulässig, wenn sie auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sind. Zudem darf die persönliche Freiheit weder völlig unterdrückt noch ihres Gehaltes als Institution der Rechtsordnung entleert werden (BGE 112 Ia 249 E. 3, mit Hinweisen). Ob das öffentliche Interesse und die Verhältnismässigkeit mit Bezug auf eine bestimmte Massnahme gegeben sind, prüft das Bundesgericht mit freier Kognition. Dagegen untersucht es die Frage, ob eine Anordnung ![]() | 7 |
d) Nach der nicht veröffentlichten Rechtsprechung des Bundesgerichts bedeutet die Blutentnahme nur einen leichten Eingriff in die persönliche Freiheit, sofern im konkreten Einzelfall keine aussergewöhnlichen gesundheitlichen Risiken bestehen. Das Bundesgericht prüft daher Auslegung und Anwendung der von der Staatsanwaltschaft angerufenen kantonalen Gesetzesbestimmung nur auf Willkür hin.
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Die Staatsanwaltschaft findet die gesetzliche Grundlage für die umstrittene Blutentnahme in § 156 Abs. 1 des kantonalen Gesetzes vom 4. Mai 1919 betreffend den Strafprozess (Strafprozessordnung, StPO). Nach dieser Bestimmung darf der Angeschuldigte, wenn es die Umstände erfordern, einer körperlichen Durchsuchung und Untersuchung, nötigenfalls auch der Entnahme einer Blutprobe durch einen Arzt unterzogen werden. Das Bundesgericht erkannte in dem in EuGRZ 1996 470 veröffentlichten Entscheid vom 19. Dezember 1995 i.S. M., § 156 Abs. 1 StPO bilde eine genügende gesetzliche Grundlage, um dem wegen Sittlichkeitsdelikten verfolgten Angeschuldigten einige Haare für eine Untersuchung durch das Institut für Rechtsmedizin zu entnehmen. Entsprechend ist es auch nicht willkürlich, die Anordnung einer Blutprobe, ebenfalls wegen Sittlichkeitsdelikten, auf diese Bestimmung zu stützen.
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Der Beschwerdeführer wendet ein, nach § 156 Abs. 1 StPO dürfe nur Personen Blut entnommen werden, gegen welche konkrete Verdachtsmomente bestehen. Die Bestimmung genüge nicht, um die männliche Bevölkerung systematisch zu untersuchen. Der Beschwerdeführer übersieht bei seiner Argumentation, dass die kantonalen Behörden nicht wahllos die männliche Bevölkerung untersuchen, sondern dass gegen ihn ein konkretes Verdachtsmoment besteht: Er gleicht einem der drei veröffentlichten Robotbilder. Robotbilder sollen helfen, einen Straftäter allein aufgrund seines Aussehens zu finden. Wird eine Person allein wegen einer gewissen Ähnlichkeit mit einem Robotbild in eine Strafuntersuchung hineingezogen, so besteht gegen die Person regelmässig zunächst nur ein einziges Verdachtsmoment, nämlich die äussere Ähnlichkeit mit dem Robotbild.
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e) Der Beschwerdeführer rügt weiter, für die umstrittene Blutentnahme fehle ein öffentliches Interesse, und ausserdem sei sie auch unverhältnismässig. Der Beschwerdeführer weist jedoch selbst auf das grosse öffentliche Interesse hin, das an der Aufklärung von mehreren durch einen einzigen Täter verübten schweren Sexualdelikten besteht. Insoweit ist auch diese Rüge unbegründet.
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Es trifft hingegen zu, dass gegen den Beschwerdeführer bis heute nur ein einziges Indiz von schwacher Aussagekraft bekannt ist, eben seine Ähnlichkeit mit einem der Robotbilder. Deshalb ist in diesem Zusammenhang auch nur ein leichter Eingriff in die persönliche Freiheit des Beschwerdeführers verhältnismässig. Die kantonalen Behörden müssen daher die Blutprobe so durchführen, dass die persönliche Freiheit des Beschwerdeführers möglichst wenig berührt wird. Für den Fall eines negativen Ergebnisses müssen alle weiteren möglichen Beeinträchtigungen der persönlichen Freiheit des Beschwerdeführers aufgrund der einmal durchgeführten Blutprobe vermieden werden. Für die Strafverfolgungsbehörden gelten deshalb die gleichen Regeln, wie sie das Bundesgericht für die Behandlung erkennungsdienstlicher Unterlagen aufgestellt hat.
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