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42. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 15. Oktober 1999 i.S. Deponie Teuftal AG gegen Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern und Verwaltungsgericht des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 41ter Abs. 2 BV, Art. 2 ÜbBest. BV, Art. 31 ff. USG; Vereinbarkeit der bernischen Abfallabgabe mit dem Bundesrecht (insbesondere mit der Mehrwertsteuer). |
Vereinbarkeit der Abgabe mit dem Umweltschutzgesetz (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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Die Deponie Teuftal AG betreibt eine Reaktordeponie im Kanton Bern. Am 11. Februar 1998 stellte ihr das kantonale Amt für Gewässerschutz und Abfallwirtschaft für das Jahr 1997 eine Abfall-abgabe von Fr. 2'879'825.-- in Rechnung. Dagegen erhob die Deponie Teuftal erfolglos Beschwerde bei der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern sowie beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern.
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Die Deponie Teuftal AG erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde ![]() | 3 |
Das Bundesgericht tritt auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ein und weist die staatsrechtliche Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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b) Nach Art. 41ter Abs. 2 BV dürfen Umsätze, die der eidgenössischen Mehrwertsteuer unterliegen, von den Kantonen und Gemeinden keiner gleichgearteten Steuer unterstellt werden. Unzulässig ist nicht jede kantonale Steuer, die an den Umsatz anknüpft; erforderlich ist vielmehr, dass die kantonale Steuer gleichgeartet ist (BGE 122 I 213 E. 3c S. 219; Höhn/Vallender, Kommentar BV, Rz. 21 zu Art. 41ter). Es fragt sich somit, ob die bernische Abfallabgabe eine gleichgeartete Steuer wie die Mehrwertsteuer ist. Für diese Beurteilung ist massgeblich, welches die entscheidenden Merkmale der Mehrwertsteuer sind und ob die bernische Abfallabgabe diese Merkmale aufweist. Hingegen braucht im Übrigen die abgaberechtliche Qualifikation dieser Abgabe nicht näher untersucht zu werden. Der Gesetzgeber ist grundsätzlich nicht an die von der Rechtswissenschaft entwickelte Kategorisierung der Abgabearten gebunden. Er ist im Rahmen seiner Zuständigkeit und der verfassungsmässigen Schranken frei, auch neue Abgaben einzuführen, die nicht in irgendwelche theoretische Schemata passen. Daher sind die von der Beschwerdeführerin angestellten Umkehrüberlegungen, wonach die Abfallabgabe als Steuer zu qualifizieren sei, weil sie mangels staatlicher Gegenleistung keine Kausalabgabe darstelle, nicht ausschlaggebend. Zu prüfen ist einzig, ob die Abgabe die gleichen Merkmale wie die Mehrwertsteuer aufweist.
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d) Auf die Kritik an BGE 122 I 213 braucht vorliegend nicht eingegangen zu werden. Die dort vorgenommene und teilweise kritisierte Unterscheidung nach umfassender oder spezieller Steuer kommt nur als präzisierendes, zusätzliches Kriterium zum Tragen, sofern überhaupt eine Verbrauchssteuer zur Diskussion steht (BGE 122 I 213 E. 3c S. 219; vgl. KLAUS A. VALLENDER, Die Genfer Armensteuer [taxe dite "droit des pauvres"] ist keine "gleichgeartete Steuer" im Sinne von Art. 41ter Abs. 2 BV - Bemerkungen zu einem Bundesgerichtsurteil vom 16. Juli 1996, StR 52/1997 S. 3 f.). Für die Annahme der Gleichartigkeit ist zudem vorausgesetzt, dass überhaupt derselbe Umsatz belastet wird (nicht publiziertes Urteil des Bundesgerichts vom 19. Juli 1995 i.S. K., E. 5). Vorliegend fehlt es schon an diesen Erfordernissen. Die Mehrwertsteuer belastet als Verbrauchssteuer den Konsum von Gütern, welche für den Abnehmer, der die Abgabe bestimmungsgemäss trägt, einen wirtschaftlichen Wert haben. Gerade deswegen ist der Verbraucher bereit, dafür einen Preis zu bezahlen, der den Steuerbetrag mit erfasst. Die in eine Deponie abgelieferten Abfälle sind jedoch nicht Waren, für welche der Empfänger ein Entgelt bezahlt. Im Gegenteil muss der Ablieferer dem Empfänger etwas dafür bezahlen, dass dieser die Abfälle ![]() | 8 |
f) Unerheblich ist schliesslich, dass im neuen Mehrwertsteuergesetz die kantonalen bzw. kommunalen Handänderungsabgaben und Billettsteuern ausdrücklich als nicht gleichgeartet wie die Mehrwertsteuer bezeichnet werden sollen (vgl. Art. 2 des Bundesgesetzes vom 2. September 1999 über die Mehrwertsteuer, BBl 1999 S. 7479 ff.). Die Zulässigkeit dieser beiden Abgaben wurde in der Lehre bisweilen bezweifelt, weshalb sich die Bundesversammlung zu einer entsprechenden Klarstellung veranlasst sah (vgl. Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats vom 28. August 1996, BBl 1996 S. 727). Das schliesst aber nicht aus, dass auch andere kantonale Abgaben als nicht gleichgeartet wie die Mehrwertsteuer zu qualifizieren sind.
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3. a) Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 2 ÜbBest. BV) in Verbindung mit den Bestimmungen des eidgenössischen Umweltschutzgesetzes über die Abfälle. Sie trägt vor, gemäss Art. 2 und 32 USG müssten die Verursacher bzw. Inhaber von Abfällen die Kosten der Entsorgung tragen. Aus dem mit der Abfallabgabe gespeisten Abfallfonds würden jedoch nicht die Kosten der Entsorgung der angelieferten ![]() | 10 |
b) aa) Zu beurteilen ist vorliegend in erster Linie die Bundesrechtsmässigkeit der streitigen Abgabe, nicht aber, ob sämtliche in Art. 35 des Abfallgesetzes vorgesehenen Verwendungsarten des Abfallfonds mit dem Bundesrecht vereinbar sind. Das bernische Abfallgesetz stammt aus dem Jahre 1986, die hier massgebende Fassung von Art. 35 aus dem Jahre 1993. Die bundesrechtlichen Bestimmungen im Umweltschutzgesetz über die Finanzierung der Abfälle wurden seither zweimal geändert und präzisiert (AS 1997 1155 und AS 1997 2243). Es mag sein, dass deshalb einzelne der im Abfallgesetz vorgesehenen Verwendungsarten des Abfallfonds nicht mehr im Einklang mit dem seither geänderten Bundesrecht stehen. Dadurch werden aber der Fonds als Gesamtes und die ihn speisende ![]() | 11 |
bb) Nach Art. 31b USG entsorgen die Kantone die Siedlungsabfälle. Sie sorgen gemäss Art. 32a USG dafür, dass die Kosten mit Gebühren oder anderen Abgaben den Verursachern überbunden werden. Damit soll verhindert werden, dass die Kosten der Abfall-entsorgung aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden. Das ist entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin keine abschliessende bundesrechtliche Regelung, sondern ein Gesetzgebungsauftrag an die Kantone, welche dabei einen grossen Gestaltungsspielraum haben (BBl 1996 IV 1223, 1229, 1234 f.; Urteil des Bundesgerichts vom 28. Januar 1998, Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtsprechung in Graubünden [ZGRG] 1998 S. 45; BENOÎT REVAZ, Financement de l'élimination des déchets: Principes et couvertures des taxes d'élimination, URP 1999 S. 306-321, 318). Die streitige Abfallabgabe ist gerade eine solche Abgabe, welche in Ausführung dieses bundesrechtlichen Auftrags bezweckt, die Entsorgungskosten (bzw. einen Teil davon) den Verursachern zu übertragen (vgl. VERONIKA HUBER-WÄLCHLI, Finanzierung der Entsorgung von Siedlungsabfällen durch kostendeckende und verursachergerechte Gebühren, URP 1999 S. 48 Anm. 57). Sie ist daher nicht grundsätzlich unzulässig.
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cc) Die Abfallabgabe wird auch nicht schon dadurch bundesrechtswidrig, dass die Abfallverursacher bereits eine Entsorgungsgebühr entrichten. Die Kantone haben, wie in E. 3b/bb ausgeführt, einen erheblichen Spielraum in der Ausgestaltung der in Art. 32a USG vorgesehenen Abgaben. Möglich sind auch Kombinationen von individuellen, mengenabhängigen Gebühren und festen Grundgebühren (HUBER-WÄLCHLI, a.a.O., S. 54 ff.; REVAZ, a.a.O., S. 315 f.). Umso mehr muss es zulässig sein, mehrere verschiedene, mengenabhängige Abgaben vorzusehen.
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ee) Dass der Bundesrat gemäss Art. 32e USG eine Abgabe zur Finanzierung der Sanierung von Deponien vorsehen kann, lässt die bernische Abfallabgabe ebenfalls nicht als unzulässig erscheinen. Denn deren Zweck ist bedeutend weiter gefasst als derjenige der eidgenössischen Sanierungsabgabe. Namentlich werden aus dem Abfallfonds auch allgemeine Tätigkeiten wie die Abfallplanung finanziert (Art. 35 Abs. 4 lit. a Abfallgesetz), welche gemäss Art. 31 USG von den Kantonen wahrzunehmen sind.
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ff) Es trifft zu, dass mit der bernischen Abfallabgabe nicht jeder Abfallverursacher die Entsorgung der gerade durch ihn verursachten Abfälle finanziert. Das Verursacherprinzip ist indessen nicht in einem derart engen Sinne zu verstehen. Es verlangt im Zusammenhang mit der Abfallentsorgung, dass die Gesamtheit der Abfallverursacher die Gesamtheit der Entsorgungskosten trägt und dass die von jedem Einzelnen bezahlten Abgaben einen gewissen Zusammenhang mit der von ihm verursachten Abfallmenge hat (HUBER-WÄLCHLI, a.a.O., S. 41; REVAZ, a.a.O., S. 314 f.), wobei aber die Kantone weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten haben (BBl 1996 IV 1229 f., 1234 f.; Urteil des Bundesgerichts vom 28. Januar 1998, ZGRG 1998 S. 45). Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung, ![]() | 16 |
c) Ist somit zumindest ein erheblicher Teil der durch den Abfallfonds geleisteten Zahlungen bundesrechtskonform, so braucht nicht mehr im Einzelnen untersucht zu werden, inwiefern die in Art. 35 Abs. 4 lit. b des Abfallgesetzes vorgesehene Finanzierung der Entsorgung von Sonderabfällen mit Art. 31c und Art. 32 USG vereinbar ist (vorne E. 3b/aa). Die streitige Abfallabgabe ist insgesamt nicht bundesrechtswidrig.
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