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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server, A. Tschentscher | |||
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27. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 3. Mai 2000 i.S. Eduard Waldburger AG gegen Regierung und Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 26 BV (Art. 22ter aBV); Rechtsstellung des Anstössers bei Aufhebung einer Zufahrt. |
Frage offen gelassen, ob in der Aufhebung der Zufahrt zu einem Grundstück ein Eingriff in das verfassungsmässige geschützte Eigentum liegt, wenn dank einer ebenfalls vorhandenen rückwärtigen Erschliessung die Nutzbarkeit des Landes erhalten bleibt (E. 3a). |
Anspruch auf mündliche Verhandlung und Protokollierung eines Augenscheins (E. 2). | |
Sachverhalt | |
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Am 18. Juni 1996/25. Februar 1997 genehmigte die Regierung des Kantons St. Gallen ein Projekt für die Erstellung eines Radstreifens beidseits der St. Gallerstrasse und das Anbringen neuer Bodenmarkierungen. Auf der Südseite der St. Gallerstrasse, wo sich die Grundstücke der Eduard Waldburger AG befinden, sieht es die Anordnung einer Zutrittsverbotslinie vor. Die Waldburger AG wehrte sich bei der Regierung und beim Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen ohne Erfolg gegen die Festsetzung der Zutrittsverbotslinie. Eine gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts erhobene staatsrechtliche Beschwerde hiess das Bundesgericht wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs gut. Das Verwaltungsgericht bestätigte nach Einholung einer verkehrstechnischen Expertise seinen früheren Entscheid. Die von der Waldburger AG dagegen erneut ergriffene staatsrechtliche Beschwerde weist das Bundesgericht ab, soweit es darauf eintritt.
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Aus den Erwägungen: | |
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b) Dagegen bedarf näherer Prüfung, ob auf die Beschwerde auch insoweit einzutreten ist, als damit eine Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 22ter aBV bzw. Art. 26 BV) gerügt wird.
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In einem Entscheid, in dem die Nichterneuerung einer kantonalen Bewilligung für einen privaten Seezugang im Streit lag, erklärte das Bundesgericht unter Verweis auf die erwähnte Praxis, ein Seeanstösser habe kein unter dem Schutz der Eigentumsgarantie stehendes Recht auf eine den Gemeingebrauch überschreitende Nutzung eines öffentlichen Gewässers und sei daher bei Aufhebung oder Einschränkung des Seeanstosses nicht berechtigt, die Wiederherstellung oder eine Entschädigung zu verlangen. Wenn jedoch ein Eigentümer sein ordnungsgemäss errichtetes, von der Bewilligung für den Seezugang nicht betroffenes Bootshaus nicht mehr ordnungsgemäss nutzen könne, weil ihm die Bewilligung zur Beibehaltung eines Bootshafens verweigert werde, liege eine Beeinträchtigung des Eigentumsrechts vor (Entscheid des Bundesgerichts vom 30. März 1984 in ZBl 87/1986 S. 372 E. 4). In einem neueren Entscheid trat das Bundesgericht auf die Beschwerde verschiedener Anstösser gegen ein saisonales Fahrverbot auf einer Kantonsstrasse ein. Es erwog unter anderem, die Anstösser könnten die Handels- und Gewerbefreiheit anrufen, wenn der bisherige Gemeingebrauch an einer Strasse aufgehoben werden solle, sofern der Weiterbestand dieses Gemeingebrauchs Voraussetzung für die Ausübung eines Gewerbes der Anstösser bilde. Ob sich die Anstösser darüber hinaus ebenfalls auf die Eigentumsgarantie hätten berufen können, liess das Bundesgericht offen (Entscheid vom 14. Oktober 1994 in ZBl 96/1995 S. 510 f. E. 3c und d).
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bb) In der Lehre ist die Unterscheidung zwischen bloss faktischen Vorteilen und rechtlichen, durch die Eigentumsgarantie geschützten Interessen verschiedentlich kritisiert worden. Wesentlicher als diese Unterscheidung sei die Frage, wie schwer ein Eingriff in die ![]() | 7 |
Es erscheint in der Tat problematisch, bei der Abgrenzung des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie darauf abzustellen, ob durch die fragliche Massnahme ein rechtliches oder bloss ein faktisches Interesse betroffen sei. Bereits in einzelnen bisherigen Entscheiden wurde anerkannt, dass auch der Entzug faktischer Vorteile den Eigentümer im Ergebnis gleichermassen treffen kann wie eine Einschränkung seiner rechtlichen Befugnisse (vgl. die zitierten Entscheide des Bundesgerichts vom 30. März 1984 und vom 14. Oktober 1994). An der Rechtsprechung, die Anstössern von vornherein das Recht abspricht, sich gegenüber einer Aufhebung oder Einschränkung des Gemeingebrauchs einer öffentlichen Sache auf die Eigentumsgarantie zu berufen, kann daher nicht festgehalten werden. Auf diese Weise wird der Tatsache Rechnung getragen, dass sich der Schutzbereich der Eigentumsgarantie nicht nur auf die unmittelbar aus dem Eigentum fliessenden rechtlichen Befugnisse, sondern auch auf gewisse faktische Voraussetzungen zur Ausübung dieser Befugnisse erstreckt. Das Interesse an deren Erhaltung ist insoweit nicht bloss faktischer Natur, sondern auch rechtlich geschützt.
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cc) Die Beschwerdeführerin sieht in der Festsetzung einer Zutrittsverbotslinie im Bereich ihrer Parzellen einen unzulässigen Eingriff in die Eigentumsgarantie. Zu dieser Rüge ist sie nach dem Dargelegten legitimiert. Ob die umstrittene Massnahme tatsächlich in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum eingreift und dieses verletzt, bildet Gegenstand der materiellen Beurteilung. Auf die Beschwerde ist daher auch insoweit einzutreten, als darin eine Verletzung der Eigentumsgarantie gerügt wird. Dasselbe gilt mit Bezug auf die geltend gemachte willkürliche Anwendung des kantonalen Strassengesetzes vom 12. Juni 1988 (StrG/SG), da die fraglichen Bestimmungen den Anstössern bestimmte Rechte einräumen.
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Die Kritik der Beschwerdeführerin ist verständlich. Namentlich kann dem Verwaltungsgericht nicht beigepflichtet werden, wenn es die Auffassung vertritt, auf das Protokoll eines Augenscheins könne verzichtet werden, wenn das Gericht an diesem Anlass vollzählig anwesend gewesen sei. Das Protokoll dient nicht nur dem Gericht selbst, sondern soll den Gang der Verhandlung auch für Dritte, z.B. das Bundesgericht, nachvollziehbar machen. Sofern die Äusserungen der Parteien im Urteil nicht hinlänglich wiedergegeben werden, kann auf ein Protokoll grundsätzlich nicht verzichtet werden.
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Vorliegend ist indes zu berücksichtigen, dass das Bundesgericht im Urteil vom 10. Juli 1998 die fehlende Auseinandersetzung mit den Argumenten der Beschwerdeführerin vor allem deshalb als gehörsverweigernd ansah, weil das Verwaltungsgericht seine Begründung auch nicht auf die von der Beschwerdeführerin beantragte Expertise stützen konnte. Inzwischen liegt eine Expertise vor, deren Ergebnisse, wie noch zu zeigen ist, schlüssig sind. Unter diesen Umständen ist es nicht verfassungswidrig, dass das Verwaltungsgericht auf die anlässlich des Augenscheins vorgebrachten Einwände der Beschwerdeführerin nicht mehr eingegangen ist. Dabei durfte das Gericht auch berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin eine nochmalige Verhandlung zum ganzen Prozessthema nicht mehr verlangt hatte, obwohl auf Grund seines Beweisbeschlusses vom 18. Februar 1999 ungewiss war, ob es von sich aus einen zweiten Augenschein durchführen würde, und eine nochmalige Verhandlung damit unsicher war. Keine Verweigerung des rechtlichen Gehörs lag im Verzicht auf den von der Beschwerdeführerin beantragten Augenschein zur Frage, ob es noch eine weitere private Zufahrt in die St. Gallerstrasse gebe oder nicht, weil das Verwaltungsgericht diese Frage mit Recht als nicht entscheidwesentlich ansah. Am 2. März 1999 hatte die Beschwerdeführerin ![]() | 13 |
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a) Die umstrittene Zutrittsverbotslinie bewirkt, dass nicht mehr direkt von der Kantonsstrasse zum Tanklager der Beschwerdeführerin gefahren werden kann. Ob darin ein Eingriff in das verfassungsmässig geschützte Eigentum liegt, erscheint fraglich, da die rückwärtige Erschliessung und damit die Nutzbarkeit des Landes der Beschwerdeführerin erhalten bleibt. Wie es sich in dieser Hinsicht verhält, kann aber offen bleiben. Selbst wenn von einem Eingriff in das Eigentum ausgegangen würde, wäre dieser jedenfalls nicht schwer, so dass nach der Rechtsprechung die Auslegung und Anwendung des massgebenden kantonalen Rechts nur auf Willkür hin überprüft werden könnte (BGE 123 I 313 E. 2b S. 317). Da die Beschwerdeführerin in materieller Hinsicht einzig die Anwendung des kantonalen Rechts beanstandet, vermöchte ihr die Eigentumsgarantie vorliegend keinen weiterreichenden Schutz zu vermitteln als das von ihr ebenfalls angerufene Willkürverbot.
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Es ist daher zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht ohne Willkür die Anwendbarkeit von Art. 65 Abs. 2 StrG/SG verneinen und seinen Entscheid auf Art. 101 Abs. 3 StrG/SG stützen konnte, und ob es diese Bestimmung willkürfrei ausgelegt hat. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zu Unrecht angenommen, die ![]() | 16 |
b) - d) (Willkürliche Auslegung des kantonalen Rechts verneint).
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