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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server, A. Tschentscher | |||
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2. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. Sulzer gegen Stadtrat von Zürich und Regierungsrat des Kantons Zürich sowie Bundesrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) |
1A.152/2004 vom 24. November 2004 | |
Regeste |
Art. 98 OG; Art. 26 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Verkehrsbeschränkungen. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht gegen einen Rechtsmittelentscheid des Bundesrates. Streit um Verkehrsbeschränkungen als zivilrechtliche Streitigkeit? |
Der Strassenanstösser kann gegen Verkehrsregelungen, die die bestimmungsgemässe Nutzung seines Grundeigentums weder verunmöglichen noch in unzumutbarer Weise erschweren, aus Art. 26 Abs. 1 BV nichts zu seinen Gunsten ableiten; Einwände dagegen sind keine zivilrechtlichen Ansprüche im Sinn von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 1.3). | |
Sachverhalt | |
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Mit Verfügungen vom 6. März und 9. Juni 1987 erweiterte der Polizeivorstand der Stadt Zürich die Fussgängerzone. Am 28. Januar 1993 verfügte der Polizeivorstand wiedererwägungsweise neue Verkehrsvorschriften für die Altstadt rechts der Limmat. Dabei wurde die "Leuengasse zwischen der Spiegelgasse und dem Haus Nr. 3 (inkl.)" und die Spiegelgasse der "Zone mit Fahrverbot" zugeteilt. Darin ist der Verkehr mit Motorwagen, Motorrädern und Motorfahrrädern grundsätzlich verboten. Erlaubt ist die Zufahrt zum Güterumschlag oder zum Ein- und Aussteigenlassen zwischen 05:00 und 12:00 Uhr; in der übrigen Zeit ist die Zufahrt für Hotellogiergäste und Taxis sowie Fahrzeuge mit schriftlicher Ausnahmebewilligung erlaubt. Der Stadtrat wies die dagegen erhobenen Einsprachen zwischen April und Juli 1995 ab. Das Statthalteramt des Bezirks Zürich vereinigte die dagegen erhobenen Rekurse und hiess sie am 30. April 1996 gut. Der Regierungsrat des Kantons Zürich wies den Rekurs der Stadt Zürich gegen diesen Statthalterentscheid am 9. Juni 1999 ab. Auf ein Wiedererwägungsgesuch der Stadt trat er am 15. Dezember 1999 nicht ein. Gestützt auf erneutes Wiedererwägungsgesuch des Zürcher Stadtrates kam der Regierungsrat am 4. Juli 2001 auf seinen Entscheid vom 9. Juni 1999 zurück, änderte diesen ab und bestätigte die Verfügung des Polizeivorstands vom 28. Januar 1993 mit verschiedenen Änderungen. Die Liegenschaft des Beschwerdeführers bleibt danach in der "Zone mit Fahrverbot", in welcher neu sämtlicher Verkehr - auch derjenige mit Fahrrädern - verboten ist. Der 1993 verfügte ![]() | 2 |
Aus den Erwägungen: | |
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1.2 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts, die sich an der Praxis der Strassburger Organe orientiert, beschränkt sich die Garantie von Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht auf Streitigkeiten zwischen Privaten oder zwischen Privaten und dem Staat in seiner Eigenschaft als Subjekt des Privatrechts und damit auf zivilrechtliche Streitigkeiten im engeren Sinn, sondern gilt auch für Verwaltungsakte einer hoheitlich handelnden Behörde, sofern diese massgeblich in Rechte und Verpflichtungen privatrechtlicher Natur eingreifen. Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. 1 EMRK ist, dass Existenz, Inhalt, Umfang oder Art der Ausübung von aus dem innerstaatlichen Recht ableitbaren Ansprüchen oder ![]() | 5 |
Erwägung 1.3 | |
1.3.1 Bis vor kurzem galt nach ständiger Rechtsprechung, dass ein Strassenanstösser kein besseres Recht auf die Benützung einer im Gemeingebrauch stehenden Strasse hat als jedermann, soweit ihm das kantonale Recht - was hier nicht geltend gemacht wird - eine besondere Rechtsstellung einräumt. Der Strassenanstösser verfügte nach dieser alten Praxis nur über eine tatsächliche Vorzugsstellung und nicht auf ein unter dem Schutz der Eigentumsgarantie stehendes Recht auf Zugang und Benützung einer an sein Land angrenzenden öffentlichen Strasse. Aus diesem Grund wurde ihm die Legitimation abgesprochen, sich unter Berufung auf die Eigentumsgarantie gegen die Aufhebung oder die Einschränkung des Gemeingebrauchs der Strasse mit staatsrechtlicher Beschwerde zur Wehr zu setzen (Darstellung der Rechtsprechung in BGE 126 I 213 E. 1b/aa).
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1.3.2 Diese Rechtsprechung gab das Bundesgericht im erwähnten Entscheid auf. Es erkannte, dass sich der Schutzbereich der Eigentumsgarantie nicht nur auf die unmittelbar aus dem Eigentum fliessenden rechtlichen Befugnisse, sondern auch auf gewisse faktische Voraussetzungen zur Ausübung dieser Befugnisse erstrecke. Insoweit sei das Interesse an deren Erhaltung nicht bloss faktischer Natur, sondern auch rechtlich geschützt (a.a.O., E. 1b/bb, S. 215). Zu beurteilen war, ob die Aufhebung einer direkten Zufahrt von einer ![]() | 7 |
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1.3.4 Für die Liegenschaft des Beschwerdeführers galt ab 1972 ein Nachtfahrverbot. Nach dem hier umstrittenen Verkehrsregime wird die Zufahrt zu seiner Liegenschaft für Automobile und Fahrräder grundsätzlich auf die Zeit von 05:00 bis 12:00 Uhr beschränkt; ausserhalb dieser Zeiten ist für die Zufahrt eine Ausnahmebewilligung notwendig. Dieses Verkehrsregime ist zwar einschneidend, der Beschwerdeführer legt indessen nicht dar, weshalb es für seinen Gewerbebetrieb in der Liegenschaft unabdingbar sein soll, dass er selber, seine Angestellten, seine Geschäftspartner und seine Kunden jederzeit mit dem Auto zur Liegenschaft gelangen können. Dies lässt sich auch nicht im Ernst behaupten, ist doch die Liegenschaft von verschiedenen Haltestellen des öffentlichen Verkehrs oder öffentlichen Parkierungsmöglichkeiten (z.B. dem Parkhaus Hohe Promenade) in wenigen Minuten zu Fuss erreichbar. Zudem hat der Regierungsrat in seinem Entscheid vom 4. Juli 2001 die Stadt unmissverständlich auf eine "grosszügige und flexible Handhabung der Kompetenzen bei der Erteilung von Ausnahmebewilligungen in dringlichen Fällen namentlich durch die Kontrollorgane bei den Pförtneranlagen" behaftet. Entgegen der Befürchtung des Beschwerdeführers besteht kein Grund zur Annahme, dass sich die Stadt nicht an diese verbindliche Vorgabe halten wird. Damit besteht Gewähr, dass der Beschwerdeführer bzw. seine Angestellten, Geschäftspartner oder Kunden auch in Zukunft während der Sperrzeiten zur Liegenschaft werden mit dem Auto zufahren können, sofern dies - z.B. für dringende Materialtransporte - erforderlich ist, ![]() | 9 |
1.3.5 Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass das umstrittene Verkehrsregime die bestimmungsgemässe Nutzung der Liegenschaft des Beschwerdeführers keineswegs verunmöglicht oder auch nur in unzumutbarer Weise erschwert. Bei der vom Bundesrat am 12. Mai 2004 letztinstanzlich entschiedenen Streitigkeit darüber handelt es sich daher um eine reine Verwaltungsangelegenheit, der Beschwerdeführer kann aus der Eigentumsgarantie von Art. 26 Abs. 1 BV daher nichts zu seinen Gunsten ableiten und hat damit auch keinen konventionsrechtlichen Anspruch auf eine gerichtliche Überprüfung des Falles. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nicht einzutreten.
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