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25. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. E. Gilgen-Müller und P. Aebi gegen Regierungsrat und Grossen Rat des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde) |
1P.494/2001 vom 14. August 2002 | |
Regeste |
Art. 49 Abs. 1 BV; zuständige kantonale Behörde gemäss Art. 25 Abs. 2 RPG. |
Art. 84 Abs. 1 des Berner Baugesetzes, der diese Kompetenz auf die (derzeit insgesamt 26) Regierungsstatthalter überträgt, erfüllt diese Anforderung nicht (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Art. 84 des geänderten Baugesetzes lautet:
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1. Der Regierungsstatthalter entscheidet über die Zonenkonformität in der Landwirtschaftszone und über Ausnahmegesuche nach den Artikeln 24 bis 24d RPG. Er holt Amts- und Fachberichte von den betroffenen kantonalen Amtsstellen ein.
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2. Er teilt die Ausnahmeentscheide der zuständigen Stelle der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion mit.
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3. Die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion und die Volkswirtschaftsdirektion erlassen Richtlinien über die Zonenkonformität von Vorhaben in der Landwirtschaftszone und über Ausnahmen nach den Artikeln 24 bis 24d RPG. Die zuständigen Stellen der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion sowie der Volkswirtschaftsdirektion beraten den Regierungsstatthalter in diesen Fragen.
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4. [Unverändert.]
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Am 26. Juli 2001 erhoben Elisabeth Gilgen-Müller und Peter Aebi staatsrechtliche Beschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag, ![]() | 7 |
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt Art. 84 Abs. 1 BauG wegen Verletzung des Vorranges von Bundesrecht auf.
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Aus den Erwägungen: | |
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Art. 25 Kantonale Zuständigkeiten
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1. Die Kantone ordnen Zuständigkeiten und Verfahren.
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1bis Sie legen für alle Verfahren zur Errichtung, Änderung oder Zweckänderung von Bauten und Anlagen Fristen und deren Wirkungen fest.
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2. Die zuständige kantonale Behörde entscheidet bei allen Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen, ob sie zonenkonform sind oder ob für sie eine Ausnahmebewilligung erteilt werden kann.
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Dies entspricht materiell der bereits zuvor geltenden Regelung: Bis zum 1. September 2000 bestimmte Art. 25 Abs. 2 aRPG: "Ausnahmen nach Art. 24 werden durch eine kantonale Behörde oder mit deren Zustimmung bewilligt." Diese Regelung wurde durch Art. 25 Abs. 1 der Raumplanungsverordnung vom 2. Oktober 1989 (AS 1989 S. 1985) wie folgt ergänzt: "Die zuständige kantonale Behörde (Art. 25 Abs. 2 RPG) prüft bei allen Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen, ob sie eine Ausnahmebewilligung (Art. 24 RPG) benötigen." Dieselbe Regelung enthielt bereits Art. 16 der Raumplanungsverordnung vom 26. März 1986 (AS 1986 S. 626).
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3.1 Art. 25 Abs. 1 RPG statuiert den Grundsatz der Organisationsautonomie der Kantone. Dieser Grundsatz wird in Abs. 2 insofern eingeschnränkt, als die Zuständigkeit einer kantonalen Behörde vorgeschrieben wird: Während es den Kantonen üblicherweise freisteht, ihre Aufgaben an die Gemeinden zu delegieren, verlangt Art. 25 Abs. 2 RPG (wie schon Art. 25 Abs. 2 aRPG) nach einhelliger Rechtsprechung und Lehre, dass Ausnahmebewilligungen für Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen entweder durch eine kantonale Behörde oder mit deren Zustimmung zu erteilen sind (BGE 109 Ib 125 ![]() | 15 |
Fraglich ist jedoch, ob Art. 25 Abs. 2 RPG weitergehende Anforderungen stellt und verlangt, dass eine einzige kantonale Behörde über sämtliche Bauvorhaben ausserhalb der Bauzone entscheidet, d.h. eine Delegation an eine Mehrzahl dezentralisierter Kantonsbehörden verbietet. Diese Auffassung vertreten die Beschwerdeführer und das Amt für Raumentwicklung; sie wird vom Regierungsrat des Kantons Bern bestritten.
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3.2.2 Auch in Art. 26 RPG hat der Gesetzgeber die Formulierung "eine kantonale Behörde" (Abs. 1) bzw. "die kantonale Behörde" (Abs. 3) verwendet. In diesem Zusammenhang (Genehmigung der ![]() | 19 |
3.3 Im Folgenden ist daher zu prüfen, welche Regelungsabsicht der Gesetzgeber mit der streitigen Bestimmung verfolgte (zur Methodik vgl. BGE 128 I 34 E. 3b S. 40 f.). Hierüber kann die Entstehungsgeschichte von Art. 25 Abs. 2 RPG und seinen Vorgängerbestimmungen (Art. 25 Abs. 2 aRPG; Art. 29 Abs. 5 Raumplanungsgesetz vom 4. Oktober 1974 [BBl 1974 II 816]) Aufschluss geben.
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Die Befürworter der Vorlage hielten die kantonale Zustimmung für erforderlich, um eine für den ganzen Kanton einheitliche Rechtspraxis zu gewährleisten (BR Furgler, AB 1973 S 117; SR Bodenmann, AB 1974 S 454; NR Muheim, AB 1974 N 1336 zu Art. 35 des Gesetzesentwurfs). Sie befürchteten, dass die Gemeindebehörden Pressionen ausgesetzt sein würden und nicht in aller Freiheit und Unabhängigkeit entscheiden könnten (NR König, AB 1974 N 102; NR Kloter, AB 1974 N 103, S. 1137; NR Müller, AB 1974 N 1136). Die kantonale Behörde habe dagegen den Überblick über die Praxis und werde sich an diese Praxis halten wollen und halten müssen, um sich nicht dem Vorwurf einer willkürlichen Entscheidung auszusetzen; ihre Entscheide würden auch in viel grösserem Umfang publik gemacht und unterlägen in viel grösserem Umfang der politischen Kontrolle durch die kantonalen Regierungen bzw. die kantonalen Parlamente (NR König, AB 1974 N 102).
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In einzelnen Voten wurde auf die Möglichkeit der Delegation an dezentrale Kantonsbehörden, z.B. auf Bezirksämter, hingewiesen, um auch in grossen Kantonen eine praktikable Lösung zu erreichen (NR Weber, AB 1974 N 106; BR Furgler, AB 1974 N 109; SR Urech, AB 1974 S 456). Diesem Vorschlag wurde widersprochen, weil es in den meisten Kantonen keine dezentralisierte Organisation gebe (Voten SR Schlumpf, AB 1974 S 456; NR Brosi, AB 1974 N 1135/1136). Andere Parlamentarier vertraten die grundsätzliche Auffassung, die neue Bestimmung verpflichte die Kantone, eine einzige kantonale Behörde für die Erteilung von Bewilligungen neuer Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen für zuständig zu erklären (so der Berichterstatter der ständerätlichen Kommission, SR Bodenmann, AB 1974 S 200; vgl. auch NR König, AB 1974 N 105: Kantonsregierung als Genehmigungs- bzw. Zustimmungsbehörde).
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Den Beratungen zum RPG 1974 lässt sich somit keine eindeutige Stellungnahme zur Zulässigkeit der Delegation an dezentrale Behörden entnehmen.
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"Bei der Ordnung der Zuständigkeiten haben die Kantone dafür zu sorgen, dass Ausnahmen nach Art. 24 durch eine Behörde des Kantons oder wenigstens mit deren Zustimmung bewilligt werden".
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Dieses Verständnis wird durch die Erläuterungen zum Bundesgesetz über die Raumplanung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements und des Bundesamts für Raumplanung bestätigt, die von Mitarbeitern des Bundesamts und Fachleuten verfasst wurden, die an der Erarbeitung und Beratung des RPG beteiligt gewesen waren. Dort heisst es (a.a.O., Rz. 5 zu Art. 25 RPG, S. 311 f.):
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"Baubewilligungen für zonenwidrige Bauten und Anlagen ausserhalb des Baugebietes rühren an heikle Fragen: Wann sind Bauwerke standortgebunden? Was sind überwiegende Interessen? Welche Anliegen der Raumplanung sind uns wichtig? Mit schlichter Gesetzesauslegung von Fall zu Fall ist ihnen nicht beizukommen. Alle diese Fragen wollen für das gesamte Kantonsgebiet mit gewisser Einheitlichkeit beantwortet werden: Ausnahmen ausserhalb der Bauzonen sind oft ein Politikum; rechtsgleiche Behandlung der Gesuche ist deshalb oberstes Gebot. Solcher Anspruch litte aber unheilvollen Schaden, wenn Bewilligungen nach Art. 24 ausschliesslich in der Hand von Gemeinde oder Bezirk lägen. Also muss eine Behörde, die für den ganzen Kanton zuständig ist, mitwirken können. Für solche Regelung spricht weiter, dass Bewilligungen für Ausnahmen ausserhalb der Bauzonen mit mehr Eigenständigkeit und Überblick erteilt werden, weil dann sämtliche Gesuche dafür an einer einzigen Stelle zusammenlaufen. Der Nachteil - zentrale Behörden arbeiten häufig nach festen, einfachen Kriterien - wiegt bei den angeführten Vorteilen nicht schwer." [Hervorhebungen im Original]
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Hier wird somit eindeutig gegen die Delegation der Entscheidbefugnis an Behörden Stellung genommen, die - wie die Regierungsstatthalter - nur für ein Teilgebiet des Kantons zuständig sind.
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Art. 25 Abs. 2 aRPG wurde im Parlament ohne Diskussion angenommen (vgl. AB 1978 S 471 und AB 1979 N 338), d.h. auch mit Zustimmung der ehemaligen Gegner einer einzigen kantonalen Bewilligungsbehörde, die ihre Opposition offensichtlich aufgegeben hatten.
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"Angesichts des Umstandes, dass die Zonenkonformität von Bauten und Anlagen in der Landwirtschaftszone künftig in einem erweiterten Sinn verstanden werden soll [...], kann sich die Beantwortung der Frage, ob ein konkretes Vorhaben zonenkonform sei, mitunter schwierig gestalten. Gerade kleinere Gemeinden dürften von der Komplexität der in diesem ![]() | 34 |
Die Zuständigkeit einer kantonalen Behörde rechtfertigt sich danach zum einen aufgrund der Komplexität der Materie, zum anderen im Interesse einer "gesamtkantonal einheitlichen Rechtsanwendung". Dabei unterstellt die Botschaft, dass die zuständige Behörde - wie bisher - "mit sämtlichen Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen" befasst ist. Der Bundesrat geht somit von der Zuständigkeit einer einzigen kantonalen Behörde aus, die für den ganzen Kanton zuständig ist. Die eidgenössischen Räte stimmten dem Entwurf des Bundesrats zu Art. 25 Abs. 2 RPG ohne Diskussion zu (AB 1997 N 1870; AB 1997 S 221).
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Die Botschaften des Bundesrats richten sich an die eidgenössischen Räte. In diesem Zusammenhang sind Hinweise auf bundesrechtswidrige Praktiken einzelner Kantone zumindest ungewöhnlich. Zwar wird die Auffassung des Berner Regierungsrats nicht ausdrücklich desavouiert; der Bundesrat distanziert sich aber auch nicht von der gegenteiligen Auffassung des Bundesamts für Raumplanung (heute: Bundesamt für Raumentwicklung [ARE]), das schon unter der Herrschaft des alten Rechts (Art. 25 aRPG) die Auffassung vertreten hatte, die Berner Zuständigkeitsordnung, welche die Kompetenz auf 26 Regierungsstatthalter verteile, sei bundesrechtswidrig, weil sie eine einheitliche und rechtsgleiche Anwendung von Art. 24 RPG im Kanton gefährde (vgl. Schreiben des Bundesamts für Raumplanung vom 29. Januar 1991 und vom 12. Juli 1988). Es liesse sich daher ebenso gut argumentieren, der Bundesrat hätte, in Kenntnis der vom zuständigen Bundesamt vertretenen Auslegung von Art. 25 Abs. 2 aRPG, dessen Auffassung korrigieren und darauf hinweisen müssen, dass eine Delegation an dezentralisierte kantonale Behörden zulässig sei. Die Botschaft des Bundesrates weist jedoch, wie oben (E. 3.3.3) dargelegt worden ist, in die entgegengesetzte Richtung.
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3.6 Diese Auslegung wird durch die kantonale Gesetzgebung bestätigt: Mit Ausnahme des Kantons Bern haben alle Kantone die Zuständigkeit gemäss Art. 25 Abs. 2 RPG an eine kantonale Zentralbehörde übertragen, die für das gesamte Kantonsgebiet zuständig ist (vgl. §§ 63 lit. e und 64 des Aargauer Gesetzes über Raumplanung, Umweltschutz und Bauwesen vom 19. Januar 1993 [zuständiges Departement bzw. Koordinationsstelle]; Art. 82 Abs. 2 lit. a des Gesetzes vom 28. April 1985 über die Einführung des Bundesgesetzes über die Raumplanung des Kantons Appenzell-Ausserrhoden [Baudirektion]; Art. 63 des Baugesetzes vom 28. April 1985 des Kantons Appenzell-Innerrhoden [Baudepartement]; § 117 Abs. 1 des Baselbieter Raumplanungs- und Baugesetzes vom 8. Januar 1998 [Bau- und Umweltschutzdirektion]; § 33 der Bau- und Planungsverordnung des Kantons Basel-Stadt vom 19. Dezember 2000 [Bauinspektorat ist generell für Entscheide über Bauvorhaben zuständig]; Art. 59 Abs. 1 des freiburgischen Raumplanungs- und Baugesetzes vom 9. Mai 1983 [zuständige Direktion]; Art. 2 ff. der Genfer Loi sur les constructions et les installations diverses vom 14. April 1988 [das Baudepartement ist generell ![]() | 39 |
3.7 Es finden sich nur wenige Literaturstellen zur Zulässigkeit einer Dezentralisierung. Im RPG-Kommentar der Schweizerischen Vereinigung für Landesplanung wird die Auffassung vertreten, die den Kantonen zugewiesene Kompetenz dürfe nicht an dezentralisierte ![]() | 40 |
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3.8.1 Gemäss Art. 191 BV sind die Bundesgesetze für das Bundesgericht massgebend. Das Bundesgericht muss mithin die in den Bundesgesetzen enthaltenen Bestimmungen anwenden, selbst wenn sie der Verfassung widersprechen sollten. Es muss sie aber verfassungskonform auslegen, soweit ein Auslegungsspielraum besteht (BGE 126 IV 236 E. 4b S. 248; BGE 116 Ia 368 f.; BGE 115 II 129 E. 6 S. 132; WALTER KÄLIN, Staatsrechtliche Beschwerde, 2. Aufl., S. 15 ff.). Im Folgenden ist deshalb zu prüfen, ob mit Rücksicht auf die Organisationsautonomie der Kantone und im Hinblick auf die beschränkte Regelungskompetenz des Bundes eine andere Auslegung von Art. 25 Abs. 2 RPG geboten ist.
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3.8.2 Die kantonale Organisationshoheit ist ein zentrales Element des schweizerischen Föderalismus. Sie wird in der neuen Bundesverfassung zwar nicht explizit festgehalten, wird aber aus Art. 47 BV ("Der Bund wahrt die Eigenständigkeit der Kantone") abgeleitet. Auch wo die Kantone Bundesrecht umzusetzen haben, belässt der Bund ihnen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung (Art. 46 Abs. 2 BV). In dieser ![]() | 43 |
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3.8.4 Die Einschränkung der Siedlungstätigkeit ausserhalb der Bauzonen ist ein zentrales Anliegen des RPG. Dementsprechend ![]() | 45 |
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Dies schliesst allerdings eine Qualifikation als kantonale Behörde nicht aus: Gemäss Art. 93 Abs. 1 KV/BE sind die Amtsbezirke die Verwaltungseinheiten des Kantons. Es handelt sich nicht um eigenständige Gebietskörperschaften wie Kanton und Gemeinden, sondern um dezentralisierte Verwaltungseinheiten zur Erfüllung kantonaler Aufgaben. Die Bezirksverwaltung ist damit Teil der kantonalen Verwaltung (URS BOLZ, in: Walter Kälin/Urs Bolz [Hrsg.], Handbuch ![]() | 48 |
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Wie das ARE überzeugend darlegt, schliesst dies - in Bezug auf den kantonalen Entscheidungsträger - eine gewisse Dezentralisierung, z.B. durch die Bildung von Aussenstellen innerhalb einer Behörde, nicht aus, solange die Aussenstellen hierarchisch und weisungsmässig der Zentrale unterstellt bleiben, also nicht über autonome Entscheidungsbefugnisse verfügen, und mittels geeigneter organisatorischer Vorkehren dafür gesorgt wird, dass die einheitliche und rechtsgleiche kantonale Rechtsanwendung trotz der räumlichen Ausgliederung gewahrt bleibt. Diese Voraussetzungen wären beispielsweise bei einer Zuständigkeit des Berner Amts für Gemeinden und Raumordnung (AGR) erfüllt, das neben der Amtszentrale und der Abteilung Kantonsplanung in Bern über vier Aussenstellen für die Kreise Bern, Biel, Thun und Burgdorf verfügt. Die Mitarbeiter der Aussenstellen sind in die Verwaltungshierarchie eingebunden und einer gemeinsamen, zentralen Behördenleitung unterstellt, die für die Einheitlichkeit und Rechtsgleichheit der Entscheide ihrer Mitarbeiter verantwortlich ist.
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4.3 Die Regierungsstatthalter sind für das Gebiet eines Amtsbezirks zuständig. Derzeit gibt es im Kanton Bern 26 Amtsbezirke. Art. 84 Abs. 1 BauG bewirkt somit, dass es insgesamt 26 "kantonale" Bewilligungsbehörden gibt. Eine derartige Aufsplitterung der Zuständigkeit ist mit dem durch Art. 25 Abs. 2 RPG verfolgten Zweck einer einheitlichen und rechtsgleichen Praxis im gesamten Kantonsgebiet von vornherein schlecht vereinbar. Es ist zwar einzuräumen, dass Rechtseinheit auf verschiedene Weise sichergestellt ![]() | 51 |
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Die Beschwerdeführer und das ARE bestreiten dies: Die Regierungsstatthalter entschieden autonom, ohne Weisungen seitens einer zentralen Behörde. Die Richtlinien der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion könnten die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung nicht im erforderlichen Masse sichern, da es ihnen an der notwendigen Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit im Einzelfall fehle.
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Das Aufsichtsrecht umfasst das Recht, allgemeine Weisungen, z.B. in Form von Verwaltungsanordnungen, zu erteilen (ANDRÉ GRISEL, Traité de droit administratif, vol. I, Neuchâtel 1984, S. 197; BLAISE KNAPP, Précis de droit administratif, 4. Aufl., Basel 1991, Rz. 13 S. 5; FRITZ GYGI, Verwaltungsrecht, Bern 1986, S. 74; ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 2. Aufl., Rz. 987). Dies bestätigt Art. 20 der Verordnung über die Regierungsstatthalter, wonach die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion eine Dienstinstruktion erlässt, in welcher die hauptsächlichsten Obliegenheiten der Regierungsstatthalter aufgeführt ![]() | 55 |
Dagegen ist in der Literatur und Rechtsprechung streitig, ob mit dem Aufsichtsrecht generell auch ein Weisungsrecht im Einzelfall verbunden ist (dafür: HÄFELIN/MÜLLER, a.a.O., Rz. 987 S. 235 i.V.m. Rz 998 f. S. 237; a.A. KNAPP, a.a.O., Rz. 18 S. 6; GRISEL, a.a.O., S. 197). Die Frage braucht jedoch nicht generell entschieden zu werden. Massgeblich ist die jeweilige spezialgesetzliche Ausgestaltung des Aufsichtsrechts und der mit der Dezentralisierung verfolgte Zweck: Sollen lokale Verwaltungsbehörden ohne Autonomie geschaffen werden, die vollständig in die Hierarchie der Zentralverwaltung eingebunden sind, oder soll der Behörde eine gewisse selbständige, weisungsungebundene Beurteilungs- oder Entscheidungsbefugnis zukommen?
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Während die Befugnis zur Erteilung genereller Weisungen in Art. 20 der Verordnung über die Regierungsstatthalter ausdrücklich festgehalten ist, fehlt eine entsprechende Regelung für die Einzelweisungsbefugnis. Immerhin spricht die Stellung der Amtsbezirke als Verwaltungseinheiten des Kantons ohne eigene Rechtspersönlichkeit (Art. 93 Abs. 1 KV/BE) und diejenige des Regierungsstatthalters als Vertreter des Regierungsrats (Art. 93 Abs. 3 lit. a KV/BE) für die Auffassung des Regierungsrats, wonach Weisungen der zuständigen Direktion gegenüber dem Regierungsstatthalter auch im Einzelfall möglich sind (so auch GYGI, a.a.O., S. 67, der die Berner Bezirksverwaltung als "vertikale Dekonzentration" qualifiziert, d.h. als Dezentralisierung ohne Autonomie).
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Allerdings erfolgte die Delegation der Zuständigkeit gemäss Art. 84 Abs. 1 BauG an die Regierungsstatthalter in der Absicht, Entscheide über das Bauen ausserhalb der Bauzone einer bürgernahen, mit den lokalen Verhältnissen vertrauten Instanz zu übertragen (Tagblatt des Grossen Rates vom 30. Januar 2001, Voten GR Michel S. 31; GR Brönnimann S. 32; GR Sägesser S. 32). Diesem Anliegen entspricht es, den Regierungsstatthaltern faktisch - innerhalb der Grenzen des Gesetzes und der kantonalen Richtlinien - eine gewisse Autonomie einzuräumen und ihnen nicht im Einzelfall Weisungen zu erteilen. Ein systematischer Gebrauch des Weisungsrechts wäre auch angesichts der besonderen Stellung des ![]() | 58 |
Dementsprechend sieht Art. 84 Abs. 2 BauG im Regelfall eine nachträgliche Kontrolle der Ausnahmeentscheide des Regierungsstatthalters durch die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion vor. Diese Kontrolle ist jedoch, wie das ARE zutreffend darlegt, von beschränkter Wirksamkeit: Ohne die zugehörigen Akten und Pläne ist es in der Regel nicht möglich festzustellen, ob eine Ausnahme zu Recht oder zu Unrecht erteilt worden ist. Ein systematisches Hinterfragen der erteilten Ausnahmebewilligungen ist zudem schon aus personellen Kapazitätsgründen nicht möglich. Im Regelfall wird sich die nachträgliche Kontrolle daher auf wenige publikumswirksame oder dem Amt für Raumordnung bekannte Fälle sowie evidente - auch ohne Akten und Pläne ersichtliche - Verstösse gegen das Gesetz oder die Richtlinien beschränken.
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4.7 Diese Anforderung erfüllt die Berner Zuständigkeitsregelung nicht: Art. 84 Abs. 1 BauG überträgt die Kompetenz auf 26 selbständige Behörden - die Regierungsstatthalter -, die keiner gemeinsamen zentralen Behördenleitung unterstehen. Zwar unterliegen sie ![]() | 61 |
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