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38. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. X. und Mieterinnen- und Mieterverband Baselland und Dorneck-Thierstein gegen Kanton Basel-Landschaft (Staatsrechtliche Beschwerde) |
2P.313/2003 vom 27. Mai 2005 | |
Regeste |
Art. 8 BV; Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; Art. 9 Abs. 4 StHG; Besteuerung des Eigenmietwerts; Rechtsgleichheit; Rügeprinzip; Bundesrechtswidrigkeit des basel-landschaftlichen Pauschalabzugs für Mietkosten. |
Das basel-landschaftliche System der Eigenmietwertbesteuerung (Pauschalabzug zugunsten der Mieter zwecks Ausgleichs des Steuervorteils, den die Eigentümer aus den viel zu tiefen Eigenmietwerten ziehen) ist bundesrechtswidrig; Rügeprinzip (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Die Eidgenössische Steuerverwaltung veranlasste im Herbst 2000 eine Erhebung, welche zeigte, dass die Eigenmietwerte von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen im Kanton Basel-Landschaft durchschnittlich bloss knapp 35 Prozent des Marktmietwerts betrugen. Um die Gleichbehandlung von Mietern und Wohneigentümern zu erreichen, schlug der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft zunächst bloss eine Erhöhung des Mietkostenabzugs auf 1'500 Franken pro Person vor. Aufgrund der negativen ![]() | 2 |
"§ 27ter Mietwert selbstgenutzter Liegenschaften (Eigenmietwert)
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1 Die massvolle Festsetzung des Eigenmietwertes erfolgt in Übereinstimmung mit dem in der Kantonsverfassung erteilten Auftrag, das selbst genutzte Wohneigentum steuerlich zu begünstigen (§ 133 Absatz 2 Buchstabe c Kantonsverfassung). Zwecks verfassungsmässiger Gleichbehandlung von Wohneigentümern und Mietern beziehungsweise Pächtern wird ein Sozialabzug gemäss § 33 Buchstabe d gewährt.
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2 Das Gleichbehandlungsgebot gemäss Absatz 1 gilt als eingehalten, wenn das Einkommensvolumen, das - unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Eigenmietwertes von 60 % des Marktmietwertes - infolge der massvollen Festlegung des Eigenmietwertes nicht besteuert wird, dem Volumen aller Sozialabzüge gemäss § 33 Buchstabe d entspricht.
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3 (...)
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4 (...)
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5 Der Regierungsrat überprüft mindestens alle vier Jahre - erstmals ab dem Steuerjahr 2006 - anhand einer repräsentativen Erhebung, ob auf Grund veränderter Marktverhältnisse das Gleichbehandlungsgebot gemäss Absatz 1 und 2 noch eingehalten ist. Ergibt die Erhebung, dass sich das nicht besteuerte Einkommensvolumen gemäss Absatz 2 erheblich erhöht hat, so ![]() | 8 |
6 Ergibt die Erhebung gemäss Absatz 5, dass die Eigenmietwerte weniger als die Hälfte von 60 % des marktüblichen Mietwertes betragen, so werden, falls dannzumal die Inkraftsetzung der nächsten allgemeinen Katasterneuschätzung noch nicht erfolgt ist, die Eigenmietwerte gemäss Absatz 3 linear mit einem Zuschlag erhöht. Dieser Zuschlag ist so zu bemessen, dass die Eigenmietwerte nach ihrer Erhöhung wieder die Hälfte von 60 % des marktüblichen Mietwertes betragen.
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(...)
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§ 33 Bestimmung des steuerbaren Einkommens
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Vom Reineinkommen werden für die Steuerberechnung folgende Sozialabzüge in Abzug gebracht: (...)
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d je 1'500 Franken Sozialabzug für den Mieter und Pächter einer dauernd selbst bewohnten Liegenschaft, den mitsteuerpflichtigen Ehegatten sowie für jedes Kind, das mit dem Steuerpflichtigen in häuslicher Gemeinschaft lebt und für das ein Kinderabzug beansprucht werden kann. Dieser Sozialabzug wird zwecks verfassungsmässiger Gleichbehandlung von Wohneigentümern und Mietern beziehungsweise Pächtern gemäss § 27ter gewährt. Das Volumen aller Sozialabzüge gemäss diesem Abschnitt entspricht dem Einkommensvolumen, das - unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Eigenmietwertes von 60 % des marktüblichen Mietwertes - in Folge der massvollen Festlegung des Eigenmietwertes nicht besteuert wird."
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Am 5. Dezember 2003 haben X. und der "Mieterinnen- und Mieterverband Baselland und Dorneck-Thierstein" mit gemeinsamer Eingabe beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Sie rügen eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots (Art. 8 BV) und beantragen die Aufhebung von § 27ter Abs. 2 sowie § 33 lit. d letzter Satz der am 19. Oktober 2003 angenommenen Änderung des kantonalen Steuergesetzes.
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Soweit es darauf eintritt, heisst das Bundesgericht die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
2.1 Das Rechtsgleichheitsgebot von Art. 8 BV verlangt, dass Steuerpflichtige in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen gleich zu besteuern sind. Daraus hat das Bundesgericht in konstanter Rechtsprechung die Pflicht des Gemeinwesens abgeleitet, bei Wohnungseigentümern den Eigenmietwert zu besteuern, bzw. das Verbot, die Eigenmietwertbesteuerung (vollständig und undifferenziert) abzuschaffen, ohne ausgleichende Massnahmen für die übrigen Steuerpflichtigen zu treffen (vgl. BGE 124 I 145 E. 4a S. 154 mit Hinweisen). Der Eigentümer kann vom rohen Einkommen einen ![]() | 16 |
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3.1 Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots (Art. 8 BV; vgl. BGE 123 I 1 E. 6a S. 7): Es führe nicht zu einer Gleichbehandlung von Wohneigentümern und Mietern, wenn das Gesamteinkommen der Ersteren, welches wegen der zu tiefen Eigenmietwerte unbesteuert bleibe, dem Total aller Mietkostenabzüge entspreche, wie dies § 27ter Abs. 2 und § 33 lit. d StG/BL vorsähen. Die Grösse der beiden Gruppen von Steuerzahlern sei sehr unterschiedlich, zumal es im Kanton rund 170'000 Mieter, aber nur 45'000 Haushalte von Wohneigentümern gebe. Die Steuerersparnis für den einzelnen Mieter sei darum geringer als für den einzelnen Wohnungseigentümer, wenn bei beiden Gruppen je ein Einkommen von insgesamt 250 Mio. Franken unbesteuert bleibe: Die Mieter lebten durchschnittlich in Haushalten mit 1,9 Personen, was für den Kanton Basel-Landschaft 89'474 "Mieterhaushalte" mit je einem steuerbefreiten Einkommen von 2'794 Franken ergebe (recte: 2'850 Franken, weil die Gesamtsumme der Mietkostenabzüge 255 Mio. Franken beträgt [170'000 x 1'500] bzw. weil 1,9 multipliziert mit 1'500 2'850 ergibt). Demgegenüber würden 250 Mio. Franken auf die "Eigentümerhaushalte" verteilt ein unbesteuertes Einkommen von durchschnittlich je 5'605 Franken ausmachen. Dieser Vergleich zeige, dass der Mietkostenabzug 2'950 Franken pro Person betragen müsse, damit "Mieter- und Eigentümerhaushalte" gleichmässig entlastet würden (2'950 x 1,9 = 5'605). Deshalb reiche die Erhöhung des Abzugs auf 1'500 Franken, wie sie durch die streitige Gesetzesänderung erfolgt sei, nicht aus, um die Rechtsgleichheit bei der kantonalen Eigenmietwertbesteuerung herzustellen.
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Erwägung 4 | |
4.1 Zwar hat sich das Bundesgericht bereits zuvor mit dem basel-landschaftlichen Pauschalabzug für Mietkosten befasst, und diesen damals (noch) nicht für verfassungswidrig betrachtet. Entsprechend hat es zunächst mit Urteil 2P.261/1991 vom 16. Juli 1992 ![]() | 23 |
4.2 Diese Urteile sind heute indessen namentlich wegen der Verbindlichkeit neuen Bundesrechts überholt: Das basel-landschaftliche System der Eigenmietwertbesteuerung hielt nur deshalb vor der Verfassung stand, weil der Vorteil, den die Eigentümer aus den tiefen - unter der verfassungsrechtlichen Untergrenze von 60 Prozent liegenden - Eigenmietwerten zogen, durch den Pauschalabzug zugunsten der Mieter (in etwa) aufgewogen wurde. Das Steuerharmonisierungsgesetz, an welches die kantonalen Steuergesetze spätestens auf das Steuerjahr 2001 hin anzupassen waren (vgl. Art. 72 Abs. 1 StHG), regelt die zulässigen Abzüge vom steuerbaren Roheinkommen nunmehr abschliessend. Ein Abzug für Mietkosten ist im einschlägigen Art. 9 StHG nicht vorgesehen; vorbehalten werden dort einzig die Sozialabzüge des kantonalen Rechts (vgl. Abs. 4). Trotz der Terminologie, welche der kantonale Gesetzgeber in § 27ter Abs. 2 sowie § 33 lit. d StG/BL verwendet, handelt es sich hier offensichtlich nicht um einen Sozialabzug: Ein solcher dient der Berücksichtigung des sozialen Status des Steuerpflichtigen und des Einflusses, welcher dieser auf die individuelle (wirtschaftliche) Leistungsfähigkeit des Betroffenen hat (vgl. MARKUS REICH, in: Zweifel/Athanas [Hrsg.], Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/1: Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden, 2. Aufl., Basel 2002, N. 63 zu Art. 9 StHG). Im Vordergrund stehen dabei die familiären Verhältnisse des Steuerpflichtigen und die mit diesen verbundenen zivilrechtlichen Lasten (vgl. ERICH BOSSHARD/HANS-RUDOLF Bosshard/Werner Lüdin, Sozialabzüge und Steuertarife im schweizerischen Steuerrecht, Zürich 2000, S. 95 f. und 103). Wie gesagt, soll der basel-landschaftliche Mietkostenabzug demgegenüber den Vorteil ausgleichen, welcher den Wohneigentümern aufgrund der unzureichenden Besteuerung ihres Eigenmietwerts zukommt. Der Pauschalabzug hat seinen Ursprung also nicht in einer unterschiedlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Mietern und Eigentümern, sondern im Streben des Gesetzgebers, die Steuerlast für die Angehörigen der beiden Gruppen auszubalancieren (vgl. REICH, ![]() | 24 |
4.3 Die geschilderte Rechtslage, aus der sich die Bundesrechtswidrigkeit der streitigen Gesetzesänderung ergibt, ist hier indessen unbeachtlich, auch wenn insoweit ein Verstoss gegen den Vorrang des Bundesrechts (Art. 49 BV) vorliegt: Im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde gilt das Rügeprinzip (vgl. Art. 90 Abs. 1 lit. b OG), gemäss welchem das Bundesgericht nicht frei untersucht, ob ein kantonaler Hoheitsakt verfassungsmässige Rechte verletzt. Es prüft vielmehr nur rechtsgenügend vorgebrachte, klare Rügen (vgl. etwa BGE 119 Ia 197 E. 1d S. 201 mit Hinweisen), weshalb es nicht von Amtes wegen einschreiten darf, wenn sich der angefochtene Hoheitsakt aus einem anderen Grund als jenem, den die Beschwerdeführer mit ihrer Rechtsschrift vortragen, als verfassungswidrig erweist. Das Rügeprinzip schliesst indessen nicht aus, dass das Bundesgericht die festgestellte Verfassungsverletzung im Rahmen der Urteilsbegründung zum Ausdruck bringt. So wird dem betroffenen Kanton die Möglichkeit gegeben, den rechtswidrigen Zustand zu beheben, bevor dieser erneut Gegenstand einer - dannzumal allenfalls einschlägig begründeten - Beschwerde bildet.
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4.4 Es erstaunt nicht, dass die Beschwerdeführer in ihrer Eingabe beim Bundesgericht die Verletzung von Art. 49 BV nicht gerügt haben. Als Vertreter der Mieterschaft des Kantons Basel-Landschaft wollten sie diese weiterhin im Genuss der Steuervergünstigungen lassen, die sich aus dem (harmonisierungswidrigen) ![]() | 26 |
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