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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Philippe Dietschi | |||
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2. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. A. und Mitb. gegen Regierungsrat des Kantons Basel- Landschaft sowie Kantonsgericht Basel-Landschaft (Staatsrechtliche Beschwerde) |
2P.146/2005 vom 17. November 2005 | |
Regeste |
Art. 5, 8 Abs. 1, 9 und 10 Abs. 2 BV; Bewilligungserfordernis für das Halten von "potenziell gefährlichen Hunden". |
Kein Eingriff in den Schutzbereich der persönlichen Freiheit durch die blosse Bewilligungspflicht für die Hundehaltung (E. 3). |
Verwendung der Rassenzugehörigkeit von Hunden als Kriterium zur Abgrenzung der Bewilligungspflicht (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Gegen die Verfügungen wandten sich 23 betroffene Hundehalter an den Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft, der ihre ![]() | 2 |
B. Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 25./27. Mai 2005 beantragen 15 der betroffenen Hundehalter dem Bundesgericht, das Urteil des Kantonsgerichts vom 6. April 2005 aufzuheben.
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C. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
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1 Als potenziell gefährliche Hunde gelten:
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a) Bullterrier;
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b) Staffordshire Bull Terrier;
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c) American Staffordshire Terrier;
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d) American Pit Bull Terrier;
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e) Rottweiler;
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f) Dobermann;
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g) Dogo Argentino;
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h) Fila Brasileiro;
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i) Kreuzungen mit Rassen gemäss den Buchstaben a bis h sowie Hunde, die in Bezug auf die äussere Gestalt diesen Rassen und Kreuzungen ähnlich sind;
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j) andere Hunde, die aufgrund ihres Verhaltens als potenziell gefährlich aufgefallen sind.
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2 Im Zweifelsfall entscheidet die Kantonstierärztin bzw. der Kantonstierarzt.
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Es bleibt zu prüfen, ob die mit den angefochtenen Verfügungen zur Anwendung gebrachte kantonale Regelung inhaltlich vor den von den Beschwerdeführern angerufenen Grundrechtsgarantien standhält.
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Erwägung 3 | |
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3.2 Ob und wieweit das Verbot, einen Hund zu halten, eine elementare Möglichkeit menschlicher Entfaltung betrifft, die in den Schutzbereich dieses Grundrechtes fallen könnte (vgl. dazu Urteil 5C.198/2000 vom 18. Januar 2001, E. 2c mit Hinweis auf das Urteil P.23/1977 vom 5. Oktober 1977, publ. in: ZBl 79/1978 S. 34 f.), kann im vorliegenden Fall offen bleiben. Denn den ![]() | 21 |
Erwägung 4 | |
4.1 Die Beschwerdeführer erblicken in der in § 1 der Hundeverordnung vorgenommenen Umschreibung der bewilligungspflichtigen Hunde eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebotes (Art. 8 BV) sowie des Willkürverbotes (Art. 9 BV). Sie sind der Auffassung, es gebe keine vernünftigen Gründe, zwischen den in der Hundeverordnung aufgeführten acht Hunderassen, die per se als potenziell gefährlich gälten, und Hunden aller übrigen Rassen, die nur aufgrund ihres tatsächlichen Verhaltens als potenziell gefährlich eingestuft werden könnten, einen Unterschied zu machen. Das abstrakte Gefährdungspotential eines Hundes ergebe sich unabhängig von der Rasse aus seiner Grösse und seinem Gewicht. Es gebe keine gefährlichen Hunderassen, sondern nur gefährliche Hundeindividuen. Die vom Bundesamt für Veterinärwesen eingesetzte Arbeitsgruppe "Gesetzgebung betreffend gefährliche Hunde" rate dementsprechend davon ab, auf bestimmte Hunderassen bezogene Restriktionen anzuordnen. Der basel-landschaftliche Verordnungsgeber habe mit der Hundeverordnung rechtliche Unterscheidungen zwischen verschiedenen Hunderassen getroffen, die sich sachlich nicht begründen liessen, indem eine Reihe von weiteren gleichartigen Rassen wie beispielsweise Cane Corso, Rhodesian Ridgeback, Bordeaux Dogge, Englische Bulldogge, Deutsche Dogge und Mastino Napoletano nicht auf der Liste figurierten. Der Kanton Basel-Landschaft könne sich für seine Regelung sodann auf keine entsprechende Beiss-Statistik stützen. Die willkürliche Einführung einer Bewilligungspflicht für acht Hunderassen sei nicht geeignet, die Gefahr, von Hunden gebissen zu werden, abzuwehren. Nach Erhebungen im Kanton Neuenburg bestehe vor allem bei Berner und Appenzeller Sennenhunden sowie bei Schäferhunden ein doppelt so grosses Risiko von Bissverletzungen. Auch andere Erhebungen zeigten, dass Deutsche und Belgische Schäfer sowie weniger verbreitete Rassen wie etwa Bernhardiner und Tibet Terrier ![]() | 22 |
4.2 Die Beschwerdeführer heben an sich zu Recht hervor, dass die Rassenzugehörigkeit eines Hundes für sich allein noch keinen zuverlässigen Aufschluss über die Gefährlichkeit des Tieres gibt. Das Wesen eines Hundes wird, wie die in den Akten befindlichen Äusserungen in der Fachliteratur belegen, in wesentlichem Ausmass auch durch die Erziehung (Sozialisation) und durch Umwelteinflüsse geprägt (in diesem Sinn auch Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom 16. März 2004 zum Bundesgesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde, BVerfG 1 BvR 1778/01, E. C.I.1c/bb/4, mit Hinweisen auf zwei Urteile des deutschen Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Dezember 2002). Zudem kann es innerhalb der gleichen Rasse Zuchtlinien mit erhöhter oder geringer Aggressivität geben. Es trifft auch zu, dass die vorhandenen statistischen Unterlagen über die Beisshäufigkeit gewisser Rassen die vom basel-landschaftlichen Verordnungsgeber getroffene Auswahl bewilligungspflichtiger Hunde an sich nicht stützen könnten. In einer im Jahr 2002 erschienenen (Berner) Dissertation (URSULA HORISBERGER, Medizinisch versorgte Hundebissverletzungen in der Schweiz, Opfer-Hunde-Unfallsituationen, S. 51) wird festgestellt, dass neben Rottweilern gewisse andere, nicht auf der vorliegend streitigen Liste stehende Rassen oder Rassegruppen (Schäferhunde) ebenfalls signifikant häufiger Bissverletzungen verursachen, als dies ihrem Anteil an der Hundepopulation entsprechen würde. Auch die statistischen Zahlen des Kantons Neuenburg für das Jahr 2003 belegen die höhere Beisshäufigkeit anderer Rassen. Schliesslich weisen die Beschwerdeführer mit Grund darauf hin, dass gewisse grosse Molosser Hunde (so etwa Cane Corso, Bordeaux Dogge, Mastino Napoletano), die nach dem Konzept des Verordnungsgebers wohl ebenfalls als potenziell gefährlich gelten müssten, nicht auf der Liste der bewilligungspflichtigen Hunde stehen. All dies begründet in der Tat gewisse Zweifel an der Richtigkeit und Wirksamkeit der getroffenen Regelung. Den Einwendungen der Beschwerdeführer lässt sich jedoch entgegenhalten, dass die meisten der in § 1 Abs. 1 der Hundeverordnung aufgezählten Hunderassen in den vergangenen Jahren durch Beissvorfälle mit schweren Folgen für die Betroffenen aufgefallen sind, was ein entsprechendes Echo in den Medien gefunden hat. Auch wenn andere Rassen oder Rassengruppen ebenfalls ![]() ![]() | 23 |
de dafür anführen, die Haltung von Hunden dieser Rassen zur Gewährleistung besserer Sicherheit generell einer Bewilligungspflicht zu unterwerfen und im Übrigen die Bewilligungspflicht auf solche Hunde zu beschränken, welche aufgrund ihres individuellen Verhaltens als potenziell gefährlich aufgefallen sind. Die Beschränkung des präventiven Kontrollverfahrens auf einige bestimmte Hunderassen erscheint unter dem Gesichtswinkel des Gebotes der rechtsgleichen Behandlung nach dem Gesagten zwar nicht unbedenklich. Die vom Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft gewählte Lösung lässt sich als Sofortmassnahme zur Verbesserung des Schutzes des Publikums vor gefährlichen Hundeattacken aber solange vertreten, als die ihr zugrunde liegenden Annahmen nach den bisherigen Erfahrungen einigermassen plausibel erscheinen. Falls die der Hundeverordnung zugrunde liegende Risikobeurteilung, sei es, was die potenzielle Gefährlichkeit der explizit erfassten Hunderassen bzw. die Einstufung nicht erfasster anderer Rassen oder aber die Tauglichkeit des Kriteriums der Rassenzugehörigkeit überhaupt betrifft, durch neue zuverlässige und aussagekräftige Erhebungen widerlegt werden sollte, wäre die jetzige Regelung diesen Erkenntnissen anzupassen.
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