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11. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Bezirksrichterin A., Y. und Obergericht des Kantons Zürich (Staatsrechtliche Beschwerde) |
1P.83/2006 vom 27. März 2006 | |
Regeste |
Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde, Erschöpfung der kantonalen Rechtsmittel; Nichtigkeitsbeschwerde im Zürcher Zivilprozessrecht. | |
Sachverhalt | |
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Die Einzelrichterin am Bezirksgericht unterbreitete den Entscheid über das gegen sie gerichtete Ausstandsbegehren am 9. Dezember 2005 der Verwaltungskommission des Zürcher Obergerichts. Diese wies das Ausstandsbegehren mit Beschluss vom 6. Januar 2006 ab.
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Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 8. Februar 2006 beantragt X., der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben. Er rügt eine Verletzung von Art. 8, 9, 29 Abs. 2 und Art. 30 Abs. 1 BV bzw. Art. 6 Ziff. 1 EMRK.
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Das Bundesgericht überweist die Eingabe dem Kassationsgericht des Kantons Zürich zur Behandlung.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 1 | |
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Gemäss der angeführten Lehre und Praxis geht es beim Entscheid über den Ausstand, trotz der entsprechenden Wortwahl in § 101 des ![]() | 7 |
Die Ablehnungsbegehren wurden hier im Rahmen des Gesuchs um vorsorgliche Massnahmen in einem Zivilprozess gestellt. Nach § 284 Ziff. 7 ZPO/ZH in der Fassung vom 27. Januar 2003 sind Nichtigkeitsbeschwerden gegen Rekursentscheide betreffend vorsorgliche Massnahmen ausgeschlossen. Diese Ausschlussbestimmung ist vorliegend offensichtlich nicht betroffen, handelt es sich doch beim angefochtenen Beschluss nicht um einen Rekursentscheid über vorsorgliche Massnahmen. Im Übrigen sind die Ablehnungsbegehren nicht nur im Hinblick auf den - ausstehenden - Entscheid über die vorsorglichen Massnahmen, sondern für den gesamten hängigen Zivilprozess vor Bezirksgericht gestellt worden.
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1.5 Das Bundesgericht verzichtet in konstanter Praxis auf das Erfordernis der Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges, wenn an der Zulässigkeit eines Rechtsmittels ernsthafte Zweifel bestehen (BGE 125 I 394 E. 3 S. 396, BGE 125 I 412 E. 1c S. 416, je mit Hinweisen). Solche Zweifel sind hier angesichts der dargelegten kantonalen Verfahrensbestimmungen und der Praxis des Kassationsgerichts an sich nicht angebracht (E. 1.4).
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1.5.1 Bei FRANK/STRÄULI/MESSMER, a.a.O., Rz. 3 zu § 284 ZPO/ZH, wird unter Hinweis auf BGE 69 I 15 die Meinung vertreten, Rekusationsentscheide seien ohne Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar. Diese Auffassung ist seit der OG-Revision vom 4. Oktober 1991 überholt; Beschwerden wegen Verletzung der Garantie des verfassungsmässigen Richters (Art. 58 aBV bzw. Art. 30 Abs. 1 BV) fallen seit dieser am 15. Februar 1992 in Kraft getretenen Gesetzesrevision nicht mehr unter die Ausnahmen vom Erfordernis eines letztinstanzlichen kantonalen Entscheides. Ergänzend ist Art. 87 OG in der Revision vom 8. Oktober 1999 dahingehend geändert worden, dass gegen ![]() | 10 |
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1.5.3 Eine bundesgerichtliche Praxis ist zu ändern, wenn sich erweist, dass das Recht bisher unrichtig angewendet worden ist oder eine andere Rechtsanwendung dem Sinne des Gesetzes oder veränderten Verhältnissen besser entspricht (BGE 126 I 122 E. 5 S. 129 mit Hinweisen). Vertrauensschutz kann demgegenüber nicht geltend gemacht werden, ausser es seien Rechtsmittelfristen oder Formvorschriften für die Einlegung eines Rechtsmittels betroffen; vielmehr ist die neue Praxis - ohne Vorankündigung - sofort anwendbar, wenn die Zulässigkeit des Rechtsmittels als solche zur Diskussion steht (BGE 122 I 57 E. 3c/bb S. 60). So ist das Bundesgericht in einem Waadtländer Fall auf eine staatsrechtliche Beschwerde wegen fehlender Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs nicht eingetreten, obwohl es in der früheren Rechtsprechung noch an der Zulässigkeit desselben kantonalen Rechtsmittels gezweifelt hatte. Dabei war massgebend, dass das zuständige kantonale Gericht eine Praxisänderung vollzogen und veröffentlicht hatte, wonach das fragliche kantonale Rechtsmittel nun gegeben war (BGE 126 I 257 E. 1b ![]() | 12 |
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Der Kontroverse zum richtigen Verständnis von § 188 GVG/ZH kann hier jedoch keine entscheidende Bedeutung zukommen. Der angefochtene Beschluss wurde am 6. Januar 2006 gefällt. Seit 1. Januar 2006 steht die neue Zürcher Kantonsverfassung vom 27. Februar 2005 in Kraft (KV/ZH; LS 101). In Art. 18 Abs. 2 KV/ZH ist unter anderem ein Anspruch auf Rechtsmittelbelehrung verankert; dieses Grundrecht ist nicht der Übergangsbestimmung von Art. 138 KV/ZH unterstellt.
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Der in Art. 18 Abs. 2 KV/ZH verankerte Anspruch hat zur Folge, dass dem Beschwerdeführer aus der Unterlassung der Rechtsmittelbelehrung kein Nachteil erwachsen darf (vgl. Art. 107 Abs. 3 OG; diese Bestimmung gilt analog auch für die staatsrechtliche Beschwerde [BGE 124 I 255 E. 1a/aa S. 258 mit Hinweisen]). Die Beschwerde ist daher dem Kassationsgericht zur Behandlung zu überweisen (vgl. BGE 125 I 313 E. 5 S. 320). Da der vom Kassationsgericht zu treffende Entscheid an das Bundesgericht weitergezogen werden kann, ist ein Meinungsaustausch über die Zuständigkeitsfrage nicht erforderlich (vgl. BGE 123 II 145 E. 3 S. 152).
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