BGE 132 I 157 | |||
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19. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Steuerverwaltung sowie Verwaltungsgericht des Kantons Glarus (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) |
2A.211/2005 vom 12. April 2006 | |
Regeste |
Art. 8 Abs. 1 und Art. 127 Abs. 1 BV, Art. 7 Abs. 1 StHG, Art. 21 Abs. 2 des Glarner Steuergesetzes vom 7. Mai 2000, Art. 24 der Glarner Verordnung vom 22. November 2000 über die Bewertung der Grundstücke; Rechtsgleichheitsgebot; Legalitätsprinzip im Abgaberecht; Eigenmietwert. |
Legalitätsprinzip im Abgaberecht. Gesetz im formellen Sinn. Festsetzung von Abgaben durch das kantonale Parlament (E. 2.2). |
Vereinbarkeit der Glarner Regelung mit Art. 7 Abs. 1 StHG (E. 3). |
Rechtsgleichheitsgebot bei der Eigenmietwertbesteuerung (E. 4). |
Wohneigentumsförderung (Art. 108 BV; Art. 31 KV/GL) als zulässiger Grund für die unterschiedliche fiskalische Behandlung von Erst- und Zweitwohnungen (E. 5). Die allenfalls beschränkte Disponibilität einer Zweitwohnung rechtfertigt keine Reduktion des Eigenmietwerts (E. 6). Es darf unberücksichtigt bleiben, ob ein Eigentümer einer Zweitwohnung an seinem Hauptwohnsitz ebenfalls über Wohneigentum verfügt. (E. 7). | |
Sachverhalt | |
X. ist Eigentümer einer Liegenschaft im Kanton Glarus, die er als Zweitwohnung nutzt. An seinem Hauptsteuerdomizil im Kanton Bern lebt er in einer Mietwohnung. Die Steuerverwaltung des Kantons Glarus setzte in der Steuerperiode 2001 den steuerbaren Eigenmietwert für diese Zweitwohnung entsprechend dem Marktmietwert fest.
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Der Marktmietwert blieb unbestritten. Der Steuerpflichtige verlangte aber vor allen Instanzen erfolglos, dass der Eigenmietwert seiner Liegenschaft für die kantonale Steuer auf 60 % des Marktmietwerts herabgesetzt werde, gleich wie das im Kanton Glarus bei selbstgenutztem Wohneigentum am Wohnsitz gemacht wird.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
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2.2 Das Erfordernis der gesetzlichen Grundlage (Legalitätsprinzip) im Abgaberecht ist ein selbständiges verfassungsmässiges Recht, dessen Verletzung unmittelbar gestützt auf Art. 127 Abs. 1 BV (Art. 4 aBV) geltend gemacht werden kann. Danach bedürfen öffentliche Abgaben einer formellgesetzlichen Regelung - zumindest in den Grundzügen - über ihre Ausgestaltung, namentlich den Kreis der Steuerpflichtigen, den Gegenstand der Steuer und deren Bemessung (BGE 131 II 562 E. 3.1 S. 565; BGE 129 I 346 E. 5.1 S. 353 f.; BGE 128 I 317 E. 2.2.1 S. 320 f. mit Hinweisen). Als Gesetze im formellen Sinn gelten vorab die einem obligatorischen oder fakultativen Referendum unterworfenen kantonalen Erlasse. Doch können auch vom Parlament allein beschlossene Erlasse die Funktion des formellen Gesetzes erfüllen, wenn die kantonale Verfassung selber für die betreffende Materie die abschliessende Zuständigkeit des Parlaments vorsieht oder aber Raum dafür lässt, dass der Gesetzgeber die betreffende Rechtsetzungskompetenz an das Parlament delegiert. Die in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Vorgaben im formellen Gesetz, auf welche sich Abgabeerlasse nachgeordneter Behörden stützen müssen, gelten dementsprechend nur für die Delegation der Regelungskompetenz an Exekutivbehörden, nicht aber dort, wo das Parlament, sei es von Verfassungs wegen oder aufgrund einer Gesetzesdelegation, zur Festsetzung von Abgaben zuständig ist (BGE 126 I 180 E. 2 S. 182; BGE 124 I 216 E. 3a S. 218 f.; BGE 118 Ia 245 E. 3b S. 247 ff.). Ob die einer kantonalen Gesetzesvorschrift gegebene Auslegung zulässig ist, beurteilt das Bundesgericht auch bei Anrufung des speziellen abgaberechtlichen Legalitätsprinzips nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür; mit freier Kognition prüft es dagegen auf entsprechende Rüge hin, ob die aus der Bundesverfassung folgenden Anforderungen an die Ausgestaltung und Bestimmtheit der formellgesetzlichen Vorgaben und die damit zusammenhängenden Delegationsschranken eingehalten sind (BGE 126 I 180 E. 2a/aa S. 182 mit Hinweisen).
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Art. 21
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1 Steuerbar sind alle Erträge aus unbeweglichem Vermögen, insbesondere:
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1 (...)
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2 der Mietwert von Liegenschaften oder Liegenschaftsteilen, die dem Steuerpflichtigen aufgrund von Eigentum oder eines unentgeltlichen Nutzungsrechts für den Eigengebrauch zur Verfügung stehen; (...)
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2 Der Eigenmietwert ist unter Berücksichtigung des Marktwertes, der Förderung von Eigentumsbildung und Selbstvorsorge massvoll festzulegen. Der Landrat regelt die Einzelheiten durch eine Verordnung.
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Zum Eigenmietwert bestimmt der Glarner Landrat in der Verordnung vom 22. November 2000 über die Bewertung der Grundstücke (GstBV):
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Art. 24
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1 Der Eigenmietwert von selbstgenutzten Liegenschaften wie Einfamilienhaus, Stockwerkeigentum, Wohnung im Mehrfamilien- und Geschäftshaus sowie Nutzniessungen hieran ist massvoll (60 % des Marktwertes) festzulegen. Für Ferien- und Weekendhäuser ist der Marktwert heranzuziehen. Artikel 18 findet sinngemäss Anwendung.
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(...)
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Zu prüfen bleibt, ob die Vorschrift des Landrates gegen die Vorgaben des Steuergesetzes verstösst, was nach dem Gesagten lediglich unter dem Gesichtswinkel der Willkür zu beurteilen ist.
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2.5 Nach Art. 21 Abs. 2 StG/GL ist der Eigenmietwert "unter Berücksichtigung des Marktwertes, der Förderung von Eigentumsbildung und Selbstvorsorge massvoll festzulegen". Der Landrat unterscheidet in seiner Grundstückbewertungsverordnung zwischen "selbstgenutzten Liegenschaften" sowie "Ferien- und Weekendhäusern", indem er den Eigenmietwert von "selbstgenutzten Liegenschaften" auf 60 % des Marktwertes ("massvoll") festlegt, während für Ferien- und Wochenendhäuser der Marktwert heranzuziehen ist (Art. 24 Abs. 1 GstBV).
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Das Verwaltungsgericht schliesst aus der Entstehungsgeschichte und den Materialien, es gebe keine Hinweise darauf, dass mit der (redaktionellen) Neufassung der Eigenmietwertbesteuerung in Art. 21 Abs. 2 StG/GL die vorher geltende Unterscheidung zwischen Erst- und Zweitwohnungen aufgegeben werden wollte.
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Im Memorial für die Landsgemeinde 2000 wurde denn auch keine Änderung der bisherigen Regelung bei der Eigenmietwertbesteuerung angekündigt. Vielmehr wurde mit Blick auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass "die kantonale Regelung, den Eigenmietwert auf 2/3 des Marktwertes festzulegen, weiterhin toleriert werden" dürfte (Memorial 2000 S. 25).
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2.7 Unter diesen Umständen kann nicht von einer willkürlichen Verletzung von Art. 21 StG/GL gesprochen werden, wenn der Landrat die Neufassung der gesetzlichen Bestimmungen über den Eigenmietwert lediglich als redaktionelle Änderung verstand und Art. 24 Abs. 1 der Verordnung über die Bewertung der Grundstücke vom 22. November 2000 gleich beliess wie in der bis Ende 2000 gültigen Fassung vom 24. Juni 1992, ausser dass der "massvolle" Eigenmietwert von zwei Drittel (1992) auf 60 % (2000) herabgesetzt wurde.
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Erwägung 3 | |
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Erwägung 4 | |
4.1 Der Beschwerdeführer beruft sich auf das Rechtsgleichheitsgebot. Dieses Gebot ist verletzt, wenn ein Erlass rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen; er verstösst gegen das Willkürverbot, wenn er sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt oder sinn- und zwecklos ist. Die Rechtsgleichheit ist insbesondere verletzt, wenn Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich oder Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Dem Gesetzgeber bleibt im Rahmen der aufgeführten Grundsätze ein weiter Spielraum der Gestaltung, den das Bundesgericht nicht durch eigene Gestaltungsvorstellungen schmälert (BGE 110 Ia 7 E. 2b S. 13 f. mit Hinweisen). Der Grundsatz der Rechtsgleichheit (Art. 8 Abs. 1 BV) wird im Steuerrecht konkretisiert durch die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichmässigkeit der Besteuerung sowie durch das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 127 Abs. 2 BV).
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4.2 Für die Anwendung des Gleichheitssatzes spielt die Vergleichbarkeit der Sachverhalte eine beträchtliche Rolle (BGE 110 Ia 7 E. 2b S. 13 f.). Die Vergleichbarkeit in vertikaler Richtung, zwischen Personen in verschiedenen finanziellen Verhältnissen, ist bezüglich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit geringer als in horizontaler Richtung, bei Personen gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit (BGE 124 I 193 E. 3a S. 194 f.), wo die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers entsprechend enger ist (Urteil 2P.44/1993 vom 17. März 1995, publ. in: ASA 64 S. 662, E. 3a; BGE 112 Ia 240 E. 4b S. 244). Das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verlangt aber auch im horizontalen Verhältnis keine absolut gleiche Besteuerung, da auch hier die Vergleichbarkeit beschränkt ist. Der Verfassungsrichter muss sich daher bei der Überprüfung der unvermeidlich nicht vollkommenen gesetzlichen Regelung eine gewisse Zurückhaltung auferlegen, läuft er doch stets Gefahr, neue Ungleichheiten zu schaffen, wenn er im Hinblick auf zwei Kategorien von Steuerpflichtigen Gleichheit erzielen will (BGE 126 I 76 E. 2a S. 78 mit Hinweisen; BGE 128 I 240 E. 2.3 S. 243; zu den praktischen Bedenken bei den Reformbemühungen zur Eigenmietwertbesteuerung vgl. PETER GURTNER/PETER LOCHER, Theoretische Aspekte der Eigenmietwertbesteuerung, ASA 69 S. 597-616, 599).
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4.3 Die Gleichbehandlung im horizontalen Vergleich hat das Bundesgericht bei der Eigenmietwertbesteuerung bereits unter verschiedenen Aspekten geprüft, namentlich zwischen Wohneigentümern und Mietern (zuletzt in BGE 131 I 377), und innerhalb der Eigentümergruppen zwischen selbst- und fremdfinanzierenden Eigentümern (BGE 123 II 9), zwischen Neuerwerbern und Eigentümern von Altliegenschaften (Urteil A.280/1985 vom 25. April 1986, publ. in: ASA 55 S. 617, E. 3), vermietenden und selbstbewohnenden Eigentümern (Urteil P.428/1982 vom 13. April 1983 i.S. AVLOCA gegen Kanton Waadt, publ. in: ASA 53 S. 383, z.T. publ. in: BGE 109 Ia 252) sowie zwischen Selbstnutzungseinkünften (Eigenmiete als Naturaleinkommen) und übrigen Einkünften (BGE 124 I 159; BGE 114 Ia 221; BGE 99 Ia 344; ASA 42 S. 479).
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Erwägung 5 | |
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Das Bundesgericht hat mehrfach bestätigt, dass das Anliegen, die Selbstvorsorge durch Eigentumsbildung fiskalisch zu fördern (Art. 108 BV; früher: Art. 34quater Abs. 6 sowie Art. 34sexies aBV), einen zulässigen Grund für eine tiefere Festsetzung des Eigenmietwerts unter den Marktmietwert darstellt (BGE 125 I 65 E. 3c S. 68 mit Hinweisen). Das bedeutet allerdings nicht, dass der Eigenmietwert für sämtliche Haus- und Wohnungseigentümer gleich (tief) zu berechnen ist (vgl. BGE 103 Ia 107 und Urteil P.1364/1979 vom 18. März 1983, publ. in: ASA 54 S. 81, zur unterschiedlichen Bemessungsmethode des Eigenmietwerts für Einfamilienhäuser und Stockwerkeigentum).
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5.4 Sind aber Zweitwohnungen nicht Gegenstand der Wohneigentumsförderung, ist die Beschränkung der massvollen Besteuerung auf Erstwohnungen nicht zu beanstanden. Wenn der Kanton Glarus demnach die beiden Eigentümergruppen nicht gleich behandelt, so verstösst er damit nicht gegen das Rechtsgleichheitsgebot, denn die Unterscheidung beruht auf vernünftigen Gründen, auf die sich auch der Bundesgesetzgeber beim Erlass des Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetzes gestützt hat.
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7. Der Beschwerdeführer bringt schliesslich vor, er bewohne an seinem Hauptsteuerdomizil lediglich eine Mietwohnung. Damit eine rechtliche Differenzierung vertretbar ist, hat sie an einen erheblichen tatsächlichen Unterschied anzuknüpfen. Wenn die fragliche Regelung im Kanton Glarus unberücksichtigt lässt, ob ein Eigentümer eines Ferien- oder Wochenendhauses an seinem Hauptwohnsitz ebenfalls über Wohneigentum verfügt, ist das zumindest nicht willkürlich und stimmt auch mit der vom Bund im Zusammenhang mit dem Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetz getroffenen Lösung überein.
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