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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Michelle Ammann, A. Tschentscher | |||
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27. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Schultheiss und Eulau gegen Kanton Basel-Stadt (Staatsrechtliche Beschwerde) |
2P.82/2006 vom 21. August 2007 | |
Regeste |
Art. 9 und 49 BV; freies Notariat; öffentliche Beurkundung; (neues) basel-städtisches Notariatsgesetz vom 18. Januar 2006. | |
Sachverhalt | |
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Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
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2.2 Diese Normierungsfreiheit der Kantone wird immerhin in zweierlei Hinsicht beschränkt, einerseits durch die bundesrechtlichen Mindestanforderungen, die sich aus dem materiellrechtlichen Zweck des Instituts ergeben (BGE 106 II 146 E. 1 S. 147; zu deren Umfang vgl. RUF, a.a.O., S. 46 ff. N. 162-164), und andererseits durch die punktuellen Regelungen, welche die Beurkundungsgeschäfte im Gesetzesrecht des Bundes erfahren (vgl. hierzu HANS MARTI, Notariatsprozess, Bern 1989, S. 35 f.). Keinerlei Einschränkung durch das Bundesrecht erfährt die kantonale Gesetzgebungskompetenz jedoch bezüglich der Zulassung der Notare zur ![]() | 4 |
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Erwägung 3 | |
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"Als beruflich selbständig gilt, wer als selbständigerwerbende Notarin oder als selbständigerwerbender Notar tätig oder bei einer Notarin oder einem Notar angestellt ist. Die Anstellung bei anderen Unternehmungen ist mit der Beurkundungsbefugnis unvereinbar, desgleichen die Ausübung von Handels- und Vermittlungstätigkeiten im Liegenschaftsbereich und die Ausübung von Organfunktionen oder die anderweitige Kontrolle von Unternehmungen, deren Zweck oder Haupttätigkeit der Handel mit Liegenschaften ist. Die Justizkommission kann Ausnahmen bewilligen für Anstellungsverhältnisse, die aufgrund ihres geringen ![]() | 7 |
Nachdem die Beschwerdeführer ihren Antrag entsprechend dem Eventualbegehren des Justizdepartements des Kantons Basel-Stadt präzisiert haben, wird vorliegend die Streichung des letzten Teils des zweiten Satzes von § 7 Abs. 2 nNotG verlangt ("... und die Ausübung von Organfunktionen oder die anderweitige Kontrolle von Unternehmungen, deren Zweck oder Haupttätigkeit der Handel mit Liegenschaften ist"). Zur Begründung tragen die Beschwerdeführer vor, die Ausstandsvorschriften des neuen Notariatsgesetzes (vgl. § 23 ff.) seien ausreichend, um Interessenkollisionen bei den Notaren auszuschliessen. Es sei deshalb überflüssig, gesetzlich eine generelle Unvereinbarkeit der Beurkundungsbefugnis mit der Organstellung bei einer Immobiliengesellschaft vorzusehen. Für die streitige Regelung fehle jeglicher sachliche Grund, weshalb sie gegen das Willkürverbot von Art. 9 BV (vgl. BGE 127 I 60 E. 5a S. 70) verstosse.
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3.3 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer erscheint die Unvereinbarkeitsbestimmung ohne weiteres als haltbar: Gemäss Lehre und Rechtsprechung ist die Unabhängigkeit und Neutralität des freiberuflich tätigen Notars von herausragender Bedeutung. Mit Blick hierauf hat das Bundesgericht eine Regelung des Kantons Genf für verfassungsmässig erklärt, welche den dortigen Notaren (fast) alle Formen von Nebenerwerbstätigkeiten verbietet (Urteil 2P.62/1989 vom 10. November 1989, publ. in: SJ 1990 S. 97). Es hat diesbezüglich erwogen, jegliche Beteiligung am Wirtschaftsleben führe zu einer gewissen Gefährdung der Unabhängigkeit des Notars. Es sei deshalb Sache des kantonalen Gesetzgebers, abzuwägen, in welchem Ausmass er Nebenbeschäftigungen seiner Notare gestatten oder deren Neutralität absichern wolle (vgl. auch Urteil 2P.151/1995 vom 12. Dezember 1996, publ. in: RDAT 1997 ![]() | 10 |
3.4 Nichts zugunsten der Beschwerdeführer lässt sich schliesslich aus dem Umstand ableiten, dass ein Rechtsanwalt, welcher die Interessen von Immobiliengesellschaften vertritt, dabei teilweise die gleichen Geheimnisse erfahren kann wie der Notar anlässlich einer Verurkundung von Rechtsgeschäften. Zum einen ist die Stellung des Rechtsanwalts - auch wenn dieser eine gewisse Mitverantwortung für das korrekte Funktionieren des Rechtsstaats trägt (vgl. BGE 130 II 270 E. 3.2.2 S. 277) und besonderen (bundesrechtlichen) Berufsregeln untersteht (vgl. Art. 12 des Bundesgesetzes vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte [BGFA; SR 935.61]) - nicht mit jener eines Notars zu vergleichen, welcher an der Staatsgewalt als solcher teilhat. Zum anderen untersagt § 7 Abs. 2 nNotG dem Notar nur die aktive (eigennützige) Teilnahme am Liegenschaftenhandel, so dass er, gleich wie ein Rechtsanwalt, Beratungsmandate von Immobiliengesellschaften grundsätzlich annehmen darf. Schliesslich versteht sich ![]() | 11 |
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"1 Das Gesuch um Verleihung der Beurkundungsbefugnis ist an die Justizkommission zuhanden des Regierungsrates zu stellen. Der Regierungsrat verleiht die Beurkundungsbefugnis auf Antrag der Justizkommission in der Regel auf die Dauer von sechs Jahren und erneuert sie vor Ablauf der Amtszeit ohne weiteres, längstens jedoch bis zum Erreichen des 75. Altersjahrs der Notarin oder des Notars. Ist die Ablehnung des Gesuchs oder die Nichterneuerung der Amtsdauer aus einem anderen Grund als demjenigen der Altersgrenze beabsichtigt, so ist die Notarin oder der Notar anzuhören.
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2 Die Ablehnung des Gesuchs sowie die Nichterneuerung der Amtsdauer aus einem anderen Grund als demjenigen der Altersgrenze unterliegt dem Rekurs an das Verwaltungsgericht.
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3 (...)"
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Nachdem die Beschwerdeführer ihren Antrag entsprechend dem Eventualbegehren des Justizdepartements des Kantons Basel-Stadt präzisiert haben, wird zum einen in § 8 Abs. 1 die Streichung des letzten Teils von Satz 2 ("... längstens jedoch bis zum Erreichen des 75. Altersjahrs der Notarin oder des Notars") verlangt. Zum anderen wird - sowohl in Satz 3 von § 8 Abs. 1 als auch in § 8 Abs. 2 - die Streichung des Passus "... aus einem anderen Grund als demjenigen der Altersgrenze ..." beantragt.
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Während § 8 die Verleihung der Beurkundungsbefugnis regelt, betrifft § 10 nNotG deren Erlöschen:
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"Die Beurkundungsbefugnis erlischt durch schriftliche Verzichtserklärung, Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze, Tod, Nichterneuerung der Amtsdauer, Konkurseröffnung, Ausstellung von Verlustscheinen und Entzug."
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4.3 Im Übrigen gehen die Vorbringen der Beschwerdeführer ohnehin an der Sache vorbei: Eine Regelung verstösst nur dann gegen das Willkürverbot, wenn sie sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt oder sinn- und zwecklos ist (BGE 129 I 1 E. 3 S. 3). Deshalb ist unerheblich, ob - angesichts einer relativ geringen Anzahl von älteren in der Stadt Basel praktizierenden Notaren - die Entwicklung von deren beruflichen Fähigkeiten mit mehr oder weniger Aufwand individuell überwacht werden könnte. Selbst wenn feststehen würde, dass ein derartiges System zu einer besseren Verwirklichung jener Ziele führen würde, welche mit der streitigen Altersgrenze verfolgt werden, wäre die Verfassungswidrigkeit der Altersgrenze damit noch nicht dargetan, zumal Letztere nach dem Gesagten weder sinn- noch zwecklos ist. Geradezu abwegig erscheint weiter der Vorschlag, der Staat könnte und müsste betagten Notaren die Beurkundungsbefugnis erst dann ![]() | 22 |
4.4 Schliesslich ist auf die Beschwerde nicht einzutreten, soweit im vorliegenden Zusammenhang auch eine Verletzung von Art. 27 BV gerügt wird (vgl. E. 2.2): Zwar stehen Rechtsanwälte anders als Urkundspersonen im Genuss der Wirtschaftsfreiheit (vgl. etwa BGE 132 I 201 E. 7.1 S. 205); die Beschwerdeführer können sich jedoch auch als Advokaten nicht auf dieses Freiheitsrecht berufen, wenn sie daraus mittelbar etwas für ihre Tätigkeit als Notare des Kantons Basel-Stadt ableiten wollen.
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"Zeuginnen und Zeugen der Beurkundung müssen die Anforderungen von Art. 503 ZGB erfüllen und dürfen der Notarin oder dem Notar nicht im Sinne von § 25 Abs. 1 nahestehen. Sie dürfen nicht Mitarbeitende des gleichen Büros sein."
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Die Beschwerdeführer beantragen die Aufhebung von Satz 2 dieser Bestimmung. Zur Begründung führen sie aus, die bundesrechtliche Regelung zur Unabhängigkeit der Zeugen sei abschliessender Natur, weshalb der in § 26 Satz 2 nNotG vorgesehene Ausschluss von Zeugen, welche im gleichen Büro wie der beurkundende Notar tätig seien, den Vorrang des Bundesrechts (Art. 49 BV) verletze. Die ![]() | 27 |
5.2 Die Einhaltung jener Formvorschriften, welche das Bundesrecht für öffentlich beurkundete letztwillige Verfügungen statuiert, stellt ein Gültigkeitserfordernis dar (PETER TUOR, in: Berner Kommentar, N. 4 ff. vor Art. 498 ZGB; ARNOLD ESCHER, in: Zürcher Kommentar, N. 5 vor Art. 498 ZGB; PETER BREITSCHMID, in: Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Zivilgesetzbuch II, 2. Aufl., Basel/Genf/München 2003, N. 8 zu Art. 498 ZGB), so dass ein Formverstoss grundsätzlich zur Ungültigkeit des betroffenen Testaments führt. Den Beschwerdeführern ist insoweit zuzustimmen, als diese Regelung des Bundeszivilrechts abschliessender Natur ist (BREITSCHMID, a.a.O., N. 16 zu Art. 503 ZGB; vgl. auch RUF, a.a.O., S. 348 N. 1321 und S. 202 N. 739), weshalb der kantonale Gesetzgeber keine zusätzlichen Gültigkeitsvorschriften erlassen kann. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es den Kantonen untersagt wäre, im Rahmen ihrer Kompetenz zur Regelung der öffentlichen Beurkundung (vgl. E. 2) weitere Ausschliessungsgründe für Zeugen vorzusehen. Solche zusätzlichen kantonalen "Unfähigkeitsgründe" stellen gegebenenfalls blosse Ordnungsvorschriften dar (TUOR, a.a.O., N. 2 zu Art. 503 ZGB; ESCHER, a.a.O., N. 2 zu Art. 503 und N. 7 vor Art. 498 ZGB), deren Missachtung lediglich von disziplinarrechtlicher Bedeutung ist und die Gültigkeit der Urkunde nicht zu beeinträchtigen vermag. Um eine derartige dem autonomen kantonalen Beurkundungsrecht zugehörige Ordnungsvorschrift handelt es sich beim hier streitigen § 26 Satz 2 nNotG. Diese Bestimmung soll als Unabhängigkeitsregel im Verhältnis zwischen Notar und Zeugen dazu beitragen, dass Letztere die ihnen gemäss einem Teil der Lehre zukommende Kontrollfunktion besser wahrnehmen können (vgl. hierzu BRÜCKNER, a.a.O., S. 131 f. N. 391 ff.; anderer Meinung sind die Berner Autoren, welche die Zeugen als blosse Hilfspersonen des Notars betrachten, die keiner Unabhängigkeit bedürfen: vgl. RUF, a.a.O., S. 348 f. N. 1321 ff.; DANIEL SANTSCHI, Die Ausstandspflicht des Notars, Langenthal 1992, S. 57 f. N. 167 ff.; vgl. auch MARTI, a.a.O., S. 70 f.). Dementsprechend gehen weder der ![]() | 28 |
Erwägung 6 | |
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"1 Die Notarin oder der Notar registriert alle Beurkundungen chronologisch und bewahrt von jeder Urkunde samt ihren Beilagen eine vollständige Kopie, auf Begehren der Klientschaft das Original, in der Urkundensammlung dauerhaft auf. § 54 Abs. 2 bleibt vorbehalten.
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2 Die Register und Urkundensammlungen stehen im Eigentum des Kantons. Sie sind bei Erlöschen der Beurkundungsbefugnis an das Notariatsarchiv abzuliefern, sofern nicht gemäss § 11 Abs. 4 vorgegangen wird.
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3 Der Regierungsrat ordnet das Nähere auf dem Verordnungswege."
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Nachdem die Beschwerdeführer ihren Antrag entsprechend dem Eventualbegehren des Justizdepartements des Kantons Basel-Stadt präzisiert haben, wird vorliegend die Streichung des zweiten Teils des ersten Satzes von § 56 Abs. 2 nNotG ("... stehen im Eigentum des Kantons") verlangt. Zur Begründung dieses Antrags bringen die Beschwerdeführer vor, gemäss der abschliessenden Regelung des Bundeszivilrechts stünden die Urkunden im Eigentum des Notars, welcher die für ihre Herstellung notwendigen Materialien kaufe und anschliessend den Text verfasse; für eine "anderslautende kantonale Regelung", welche das Eigentum an Registern und Urkundensammlungen dem Kanton zuspreche, verbleibe kein Raum. Der Notar sei zudem als "Hüter der ihm anvertrauten Informationen" auf den Schutz angewiesen, welcher ihm die Stellung als Eigentümer der Urkundensammlung verleihe. Sinngemäss machen die Beschwerdeführer damit eine Verletzung des Vorrangs des Bundesrechts (Art. 49 BV) geltend.
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6.2 Die streitbetroffenen Register und Urkundensammlungen werden zu ausschliesslich öffentlichen Zwecken erstellt und sind deshalb als öffentliche Sachen zu qualifizieren. Bei diesen Gegebenheiten ist der Kanton, welcher ohnehin zur Regelung der öffentlichen ![]() | 34 |
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