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15. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen Verband B. und C. AG (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_384/2016 vom 6. März 2017 | |
Regeste |
Art. 9 BV; § 36 Abs. 1 Ziff. 1 VöB/TG; Vergaberecht; willkürliche Zuschlagserteilung an einen Anbieter, der ein Eignungskriterium nicht erfüllt. |
Im Vergaberecht ist der Sachverhalt massgebend, wie er sich im Zeitpunkt des Vergabeentscheids präsentiert und nicht derjenige bei der Beurteilung einer allfälligen Beschwerde (E. 2.5 und 2.6). | |
Sachverhalt | |
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B. Innert der Frist bis 18. September 2015, 12.00 Uhr, gingen beim Verband für das Los X. insgesamt vier Offerten ein. Darunter befanden sich die Offerten der A. AG vom 17. September 2015 mit einem Angebotspreis von Fr. 119.- pro Tonne Kehricht und der C. AG vom 18. September 2015 mit einem Preis von Fr. 117.80 pro Tonne Kehricht. Die Offertöffnung erfolgte am 21. September 2015 um 09.15 Uhr. Am 23. September 2015 wurde die A. AG vom Verband aufgefordert, fehlende Unterlagen zu den verwendeten Fahrzeugen nachzureichen. Am selben Tag wurde auch die C. AG aufgefordert, eine Kopie der fehlenden Zulassungsbewilligung (Transportlizenz) nachzuliefern. Für den Fall, dass die angesetzte Frist bis ![]() | 2 |
C. Gegen die Zuschlagsverfügung vom 27. Oktober 2015 - wie auch gegen eine andere Zuschlagsverfügung betreffend das Los Y., welche Gegenstand eines separaten Verfahrens bildete - erhob die A. AG beim Verwaltungsgericht Thurgau Beschwerde und beantragte, die angefochtene Vergabe betreffend die Lose X. und Y. seien aufzuheben und die Zuschläge an sie zu erteilen. Eventualiter seien die angefochtenen Zuschlagsverfügungen betreffend die Lose X. und Y. aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Am 4. November 2015 erteilte der verfahrensleitende Präsident des Verwaltungsgerichts der Beschwerde aufschiebende Wirkung und untersagte dem Verband B. einstweilen, den Vertrag abzuschliessen. Gleichzeitig erfolgte eine Aufteilung des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich der Lose X. und Y. Mit Urteil vom 9. März 2016 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab.
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D. Die A. AG erhob am 2. Mai 2016 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, eventuell subsidiäre Verfassungsbeschwerde. Sie beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und der Zuschlag ihr zu erteilen. Eventualiter sei der Entscheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Neuentscheidung im Sinne der bundesgerichtlichen Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Am 4. Mai 2016 wurde der Beschwerde antragsgemäss superprovisorisch die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
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In ihren Stellungnahmen zum Gesuch um aufschiebende Wirkung, jeweils datierend vom 11. Mai 2016, teilten der Verband B. sowie die C. AG dem Bundesgericht mit, dass sie bereits am 22. April 2016 den Vertrag abgeschlossen hätten. In der Folge wies der Abteilungspräsident mit Verfügung vom 1. Juni 2016 das Gesuch um aufschiebende Wirkung ab.
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Das Verwaltungsgericht sowie die C. AG beantragen jeweils, die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist, und die subsidiäre Verfassungsbeschwerde sei abzuweisen. Der Verband B. stellt den Antrag, auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sei nicht einzutreten und die Verfassungsbeschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Die A. AG nimmt zum Vernehmlassungsergebnis abschliessend Stellung und hält an ihren Rechtsbegehren fest.
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Aus den Erwägungen: | |
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2.1 Die Vorinstanz begründete ihren Entscheid folgendermassen: Zwar sei die in den Ausschreibungsunterlagen als Eignungskriterium geforderte Zulassungsbewilligung (Transportlizenz) im Zeitpunkt der Offerteinreichung bzw. Zuschlagserteilung seitens der Zuschlagsempfängerin noch nicht vorgelegen. Unter den gegebenen Umständen erweise sich der Mangel jedoch als geringfügig. Die Zuschlagsempfängerin verfüge über langjährige Erfahrung und habe die Aufträge der Beschaffungsstelle jahrelang tadellos erfüllt. Zum Zeitpunkt der Offerteingabe sei die Transportlizenz zwar noch nicht vorgelegen, aber bereits beantragt gewesen. Die Beschaffungsstelle habe in guten Treuen davon ausgehen dürfen, dass die Transportlizenz im Dezember 2015 und somit vor Vertragsbeginn am 1. Januar 2017 vorliegen werde. Der Mangel sei als geringfügig einzustufen und eine Aufhebung der Zuschlagsverfügung wäre deshalb unverhältnismässig. Im Weiteren wäre eine direkte Zuschlagserteilung an die Beschwerdeführerin ohnehin nicht möglich, weil diese ebenfalls unvollständige Offertunterlagen eingereicht habe. Es würde sich deshalb bei einer Gutheissung der Beschwerde ein Abbruch des Verfahrens und eine Rückweisung an die Vergabestelle aufdrängen. Ein neues Vergabeverfahren stelle jedoch einen prozessualen Leerlauf dar, da die Zuschlagsempfängerin mittlerweile im Besitz einer Transportlizenz sei und somit das fragliche Eignungskriterium erfülle. ![]() | 9 |
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2.3.1 Eignungskriterien sind grundsätzlich als Ausschlusskriterien zu definieren, d.h. dass bei Nichterfüllen auch nur eines Eignungskriteriums ein Ausschluss die Folge sein muss ![]() | 12 |
2.3.2 Die Zulassungsbewilligung ist eine notwendige Voraussetzung, um ein Strassentransportunternehmen im Personen- oder Güterverkehr betreiben zu können (Art. 3 Abs. 1 STUG). Eine fehlende Transportlizenz ist keine blosse Bagatelle. Das unterstreicht auch die Strafandrohung für Personen, die ohne eine solche Bewilligung als Strassentransportunternehmen tätig werden. Sie sind mit einer Busse bis zu Fr. 100'000.- zu bestrafen (Art. 11 STUG). Zwar gilt es zu berücksichtigen, dass die Zuschlagsempfängerin die Transportlizenz bereits vor der Offerteingabe beantragt hatte und die notwendigen Prüfungen für die Transportbewilligung sobald als möglich nachholte. Ebenfalls führte sie für die Vergabestelle bereits ![]() | 13 |
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2.4 Ob die Vorinstanz den Sachverhalt, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, in verschiedener Hinsicht willkürlich festgestellt hat, kann unter diesen Umständen offenbleiben. Es ist unerheblich, ob es der Zuschlagsempfängerin möglich war, ohne die Transportlizenz die Aufträge zugunsten der Vergabestelle tadellos ![]() | 15 |
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2.5.3 Ebenfalls nicht betroffen ist die Unzulässigkeit kantonalrechtlicher Novenverbote, wenn bloss eine kantonale Gerichtsinstanz besteht. Es geht nicht darum, dass der Sachverhalt im gerichtlichen Verfahren zu ermitteln ist und deshalb dem Gericht auch neue Tatsachen und Beweismittel unterbreitet werden können (vgl. dazu BGE 135 II 369 E. 3.3), sondern um die davon klar zu unterscheidende Frage, welcher Sachverhalt massgeblich ist. Gemäss den Grundsätzen des Vergaberechts ist der Sachverhalt im Moment der Erteilung des Zuschlags ausschlaggebend und nicht derjenige bei der Beurteilung einer allfälligen Beschwerde gegen den Vergabeentscheid. Ein Eignungskriterium, welches erst im Zeitpunkt des Beschwerdeentscheides und somit verspätet erfüllt ist, muss deshalb unberücksichtigt bleiben.
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2.6 Nach dem Ausgeführten ist die subsidiäre Verfassungsbeschwerde in dem Sinne gutzuheissen, als festzustellen ist, dass die Vorinstanz das kantonale Submissionsrecht in qualifiziert bundesrechtswidriger Weise gehandhabt hat. Sie ist willkürlich davon ausgegangen, dass die Offerte der Zuschlagsempfängerin nicht an einem schweren Mangel leidet und nicht vom Verfahren ausgeschlossen werden musste. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben. (...)
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