BGE 147 I 450 | |||
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34. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. und B. gegen den Kanton Schwyz, handelnd durch den Regierungsrat des Kantons Schwyz (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_941/2020 vom 8. Juli 2021 | |
Regeste |
Art. 22 und Art. 36 Abs. 1 und 3 BV; Art. 30 und 40 EpG; Covid-19-Massnahmen; Veranstaltungsverbot; gesetzliche Grundlage; Verhältnismässigkeit. | |
Sachverhalt | |
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B. Der Regierungsrat des Kantons Schwyz erliess am 14. Oktober 2020 die Verordnung über Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie (RRB 739/2020; GS 26-21; SRSZ 571.212). (...)
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C. Die Verordnung wurde in der Folge mehrfach geändert:
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- Am 25. Oktober 2020 (RRB 761/2020; GS 26-23) wurden § 2 und 3 (Maskentragepflicht) erneut geändert. Ein neuer § 5 enthielt nun Vorschriften über Veranstaltungen und lautete wie folgt:
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§ 5 Veranstaltungen
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1 An Veranstaltungen im Familien- und Freundeskreis (private Veranstaltungen), die in nicht öffentlich zugänglichen Einrichtungen und Betrieben stattfinden, dürfen höchstens zehn Personen teilnehmen.
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2 Es ist verboten, Veranstaltungen mit über 30 Personen durchzuführen. Nicht mitzuzählen sind dabei Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit mitwirken, und Personen, die bei der Durchführung der Veranstaltung mitwirken.
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3 Von der Beschränkung der Personenzahl ausgenommen sind:
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a) politische Versammlungen der Legislativen auf kantonaler und kommunaler Ebene;
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b) politische und zivilgesellschaftliche Kundgebungen sowie Unterschriftensammlungen.
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- Am 30. Oktober 2020 (RRB 789/2020; GS 26-24) wurde § 2 aufgehoben. § 3 erhielt einen neuen Titel (...) und einen neuen Absatz 3 (...).
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§ 5 erhielt folgenden neuen Wortlaut:
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1 Es ist verboten, Veranstaltungen mit über 30 Personen durchzuführen. Nicht mitzuzählen sind dabei Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit mitwirken, und Personen, die bei der Durchführung der Veranstaltung mithelfen.
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2 Für Versammlungen politischer Körperschaften, politische und zivilgesellschaftliche Kundgebungen sowie Unterschriftensammlungen gilt Art. 6c Covid-19-Verordnung besondere Lage.
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3 (aufgehoben).
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(...)
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D. A. und B. erheben am 16. November 2020 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht mit den Anträgen, die Verordnung vom 14. Oktober 2020 samt den Teilrevisionen vom 20., 25. und 30. Oktober 2020 (...) seien per sofort aufzuheben und es sei festzustellen, dass die angefochtenen Verordnungen gegen Bundesrecht und die Grundrechte verstossen. (...)
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 3 | |
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3.2.1 Gemäss Art. 36 Abs. 1 BV bedürfen Einschränkungen von Grundrechten einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst (d.h. im formellen Gesetz, BGE 145 I 156 E. 4.1; BGE 143 I 253 E. 4.8-5) vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr. Für leichte Eingriffe reicht eine Grundlage im kompetenzgemäss erlassenen Verordnungsrecht ( BGE 145 I 156 E. 4.1). Der Vorbehalt des formellen Gesetzes dient der demokratischen Legitimation der Grundrechtseinschränkungen ( BGE 143 I 253 E. 6.1). Daneben verlangt das Legalitätsprinzip gemäss Art. 36 Abs. 1 BV im Interesse der Rechtssicherheit und der rechtsgleichen Rechtsanwendung eine hinreichende und angemessene Bestimmtheit der anzuwendenden Rechtssätze. Diese müssen so präzise formuliert sein, dass die Rechtsunterworfenen ihr Verhalten danach ausrichten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen können ( BGE 144 I 126 E. 6.1; BGE 143 I 310 E. 3.3.1; BGE 139 I 280 E. 5.1). Je gewichtiger ein Grundrechtseingriff ist, desto höher sind die Anforderungen an Normstufe und Normdichte. Schwere Grundrechtseingriffe benötigen eine klare und genaue Grundlage im Gesetz selbst ( BGE 139 I 280 E. 5.1; BGE 147 I 103 E. 14.2). Das formelle Gesetz muss selber die erforderliche Bestimmtheit aufweisen; auch wenn es den Inhalt der zulässigen Grundrechtseingriffe nicht detailliert regeln muss, hat sich dieser doch aus dem Gesetz zu ergeben bzw. muss unmittelbar darauf zurückgeführt werden können ( BGE 143 I 253 E. 6.1 und 6.3). Das Gebot der Bestimmtheit rechtlicher Normen darf allerdings nicht absolut verstanden werden. Der Gesetzgeber kann nicht darauf verzichten, allgemeine und mehr oder minder vage Begriffe zu verwenden, deren Auslegung und Anwendung der Praxis überlassen werden muss ( BGE 143 I 310 E. 3.3.1). Der Grad der erforderlichen Bestimmtheit lässt sich nicht abstrakt festlegen. Er hängt unter anderem von der Vielfalt der zu ordnenden Sachverhalte, von der Komplexität und von der erst bei der Konkretisierung im Einzelfall möglichen und sachgerechten Entscheidung ab ( BGE 144 I 126 E. 6.1; BGE 143 I 253 E. 6.1; BGE 141 I 201 E. 4.1; BGE 139 I 280 E. 5.1; BGE 128 I 327 E. 4.2). Bei polizeilichen Massnahmen, die gegen schwer vorhersehbare Gefährdungen angeordnet werden und situativ den konkreten Verhältnissen anzupassen sind, müssen der Natur der Sache nach Abstriche an der Genauigkeit der gesetzlichen Grundlage akzeptiert werden ( BGE 146 I 11 E. 3.1.2; BGE 143 I 310 E. 3.3.1; BGE 140 I 381 E. 4.4). Bei unbestimmten Normen kommt dafür dem Verhältnismässigkeitsprinzip besondere Bedeutung zu: Wo die Unbestimmtheit von Rechtssätzen zu einem Verlust an Rechtssicherheit führt, muss die Verhältnismässigkeit umso strenger geprüft werden ( BGE 143 I 310 E. 3.3.1; BGE 136 I 87 E. 3.1; BGE 128 I 327 E. 4.2).
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3.2.2 Soweit die Beschwerdeführer das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage überhaupt rechtsgenüglich beanstanden, was fraglich ist, wäre die Rüge unbegründet: Nach Art. 40 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 28. September 2012 über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemiengesetz, EpG; SR 818.101) ordnen die zuständigen kantonalen Behörden Massnahmen an, um die Verbreitung übertragbarer Krankheiten in der Bevölkerung oder in bestimmten Personengruppen zu verhindern. Sie koordinieren ihre Massnahmen untereinander. Nach Abs. 2 lit. a EpG können sie insbesondere Veranstaltungen verbieten oder einschränken. Wie das Bundesgericht in BGE 147 I 478 entschieden hat, bildet Art. 40 EpG die formell-gesetzliche Grundlage für ein Veranstaltungsverbot und ist der Regierungsrat des Kantons Schwyz zuständig, solche Einschränkungen zu erlassen. Diese können - unter den Voraussetzungen von Art. 8 der Verordnung vom 19. Juni 2020 über Massnahmen in der besonderen Lage zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie (Covid-19-Verordnung besondere Lage; AS 2020 2213) - auch über die bundesrechtlichen Vorschriften hinaus angeordnet werden.
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3.2.3 Das Gesetz regelt allerdings nur die Zielsetzung (die Verbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhindern) und die Rechtsfolge (Verbot/Einschränkung von Veranstaltungen), nicht aber die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit solche Massnahmen angeordnet werden können. Diese gesetzliche Unbestimmtheit ist durch das Verhältnismässigkeitsprinzip zu kompensieren (vorne E. 3.2.1; Urteil 1C_181/2019 vom 29. April 2020 E. 4.2, nicht publ. in: BGE 147 I 103 ; ZÜND/ERRASS, a.a.O., S. 84 ff.; ZUMSTEG, a.a.O., S. 806 f.). Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit verlangt, dass eine Massnahme für das Erreichen des im öffentlichen oder privaten Interesse liegenden Ziels geeignet und erforderlich ist und sich für die Betroffenen in Anbetracht der Schwere der Grundrechtseinschränkung als zumutbar erweist. Es muss eine vernünftige Zweck-Mittel-Relation vorliegen (vgl. BGE 140 I 2 E. 9.2.2; Urteil 1C_181/2019 vom 29. April 2020 E. 5.3, nicht publ. in: BGE 147 I 103 ). Dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz kommt besondere Bedeutung zu für die harmonisierende Konkretisierung konfligierender Verfassungsprinzipien ( BGE 142 I 195 E. 5.6-5.8; BGE 140 I 201 E. 6.7), wie z.B. dem Schutz von Leben und Gesundheit einerseits und den zu diesem Zweck verhängten Grundrechtseinschränkungen andererseits. Auch soweit eine grundrechtliche Schutzpflicht des Staates zur Abwehr von Gesundheitsgefährdungen besteht ( BGE 140 II 315 E. 4.8; BGE 139 IV 121 E. 4.6; BGE 126 II 300 E. 5a; Urteil des EGMR Vavricka gegen Tschechische Republik vom 8. April 2021 [47621/13] § 282 m.H.; ZÜND/ERRASS, a.a.O., S. 75 f.), können nicht beliebig strenge Massnahmen getroffen werden, um jegliche Krankheitsübertragung zu verhindern. Auch bei der Vermeidung technischer oder sonstiger menschenverursachter Risiken, welche aufgrund staatlicher Entscheide zugelassen werden, kann nicht ein Null-Risiko gefordert werden, sondern es ist gemäss dem Verhältnismässigkeitsprinzip nach dem akzeptablen Risiko zu fragen und eine Abwägung zwischen den involvierten Interessen vorzunehmen ( BGE 146 II 17 E. 8.4 und 9.3.2; BGE 143 II 518 E. 5.7; BGE 139 II 185 E. 11.3-11.5; BGE 139 IV 121 E. 4.6; BGE 131 II 431 E. 4.4.4; BGE 126 II 300 E. 4e/aa und 5b). Das gilt ebenso für die Verhinderung von Gesundheitsschädigungen, deren Auftreten nicht vom Staat zu vertreten ist (vgl. BGE 134 IV 193 E. 7.2; BGE 132 II 305 E. 4.4; BGE 117 IV 58 E. 2b). Auch diese Massnahmen müssen verhältnismässig sein, worauf in Art. 30 EpG ausdrücklich hingewiesen wird.
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Die Beschwerdeführer verweisen in diesem Zusammenhang darauf, dass in manchen Jahren im Winter eine mehr oder weniger starke, durch Virenübertragung verursachte Grippewelle auftritt, welche zu zahlreichen Todesfällen bzw. einer entsprechenden Übersterblichkeit führt (vgl. AB 2020 N 701 f., Fragestunde, Frage Walter Wobmann). Geht man davon aus, dass Viren durch Kontakte von Mensch zu Mensch übertragen werden und die Einschränkung zwischenmenschlicher Kontakte zu einer Reduktion von Infektionen führt (hinten E. 3.3.1), liesse sich ein erheblicher Teil dieser Todesfälle verhindern, wenn in jedem Winter entsprechende Massnahmen getroffen würden. Dennoch wurde dies bisher nie so gehandhabt, weil solche Einschränkungen offensichtlich als unverhältnismässig betrachtet wurden. Damit wurden bisher jeweils diese Todesfälle in Kauf genommen bzw. das entsprechende Sterberisiko als akzeptabel betrachtet. Wenn nun eine Epidemie auftritt, bei welcher die Sterblichkeit signifikant höher ist - dies trifft auf die Covid-19-Epidemie im Vergleich zu einer saisonalen Grippe zu (vgl. BGE 147 I 393 E. 5.2) - ist das zwar nicht ein prinzipieller, wohl aber ein rechtserheblicher gradueller Unterschied: Je grösser das Risiko ist, desto eher sind risikoreduzierende Massnahmen gerechtfertigt bzw. geboten ( BGE 143 II 518 E. 8.3.4; BGE 143 IV 9 E. 2.9; BGE 132 II 449 E. 4.3, BGE 132 II 305 E. 4.4). Ein Krankheitsrisiko, das in einem bestimmten Ausmass als sozialadäquat und akzeptabel betrachtet wird, kann inakzeptabel hoch werden und nach epidemierechtlichen Massnahmen rufen, wenn es dieses Ausmass überschreitet.
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3.2.4 Das Verhältnismässigkeitsprinzip verlangt, dass die angeordneten Massnahmen in einem angemessenen Verhältnis zu den Risiken stehen, die mit diesen Massnahmen vermieden werden. Soweit möglich, sind die Risiken zu quantifizieren; dabei ist nicht nur auf die denkbaren worst-case-Szenarien abzustellen, sondern auch die Wahrscheinlichkeit dieser Szenarien zu berücksichtigen ( BGE 127 II 18 E. 5d). Umgekehrt müssen auch die negativen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen der Massnahmen berücksichtigt werden ( BGE 132 II 305 E. 4.4 und 5.1). Auch in Bezug auf die im Gefolge der Corona-Krise angeordneten Massnahmen hat die Verhältnismässigkeit eine grosse Bedeutung (FRÉDÉRIC BERNARD, Lutte contre le nouveau coronavirus et respect des droits fondamentaux, Sicherheit & Recht 3/2020 S. 130 ff., 131, 140 f.; BENJAMIN MÄRKLI, Notrecht in der Anwendungsprobe - Grundlegendes am Beispiel der COVID-19-Verordnungen, Sicherheit & Recht 2/2020 S. 59 ff., 63). Es muss geprüft werden, wie hoch Schwere und Eintretenswahrscheinlichkeit der drohenden Krankheiten sind, ob die angeordneten Massnahmen geeignet sind, um die Verbreitung zu verhindern, und wie die Relation der negativen Konsequenzen der Krankheiten zu denjenigen der angeordneten Massnahmen ist; dabei ist der aktuelle Stand der Wissenschaft zu berücksichtigen (KASPAR GERBER, Wissenschaftliche Evidenz und Corona-Massnahmen des Bundes, Jusletter 14. April 2020 Rz. 22; vgl. Art. 4 Abs. 2 lit. c EpG). Die Massnahmen dürfen zudem nur solange dauern, wie es notwendig ist, um die Verbreitung einer übertragbaren Krankheit zu verhindern. Sie sind regelmässig zu überprüfen (Art. 40 Abs. 3 EpG).
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3.2.6 Hinzu kommt, dass der Natur der Sache nach eine gewisse Unsicherheit besteht bezüglich der zukünftigen Wirkung einer bestimmten Massnahme ( BGE 140 I 176 E. 6.2). Namentlich besteht bei neu auftretenden Infektionskrankheiten typischerweise eine hohe Unsicherheit über Ursachen, Folgen und geeignete Bekämpfungsmassnahmen ( BGE 132 II 449 E. 5.4; BGE 131 II 670 E. 2.3). Die zu treffenden Massnahmen können daher nicht im Voraus mit Bestimmtheit gesetzlich festgelegt werden, sondern müssen aufgrund des jeweils aktuellen, in der Regel unvollständigen Kenntnisstandes getroffen werden (MÄRKLI, a.a.O., S. 63; ZÜND/ERRASS, a.a.O., S. 85 f.; ZUMSTEG, a.a.O., S. 807), was einen gewissen Spielraum der zuständigen Behörden voraussetzt ( BGE 131 II 670 E. 2.3 und 3; vgl. bereits BGE 50 I 334 E. 4). Jedenfalls wenn es um möglicherweise gewichtige Risiken geht, können Abwehrmassnahmen nicht erst dann getroffen werden, wenn wissenschaftliche Klarheit vorliegt, sondern bereits dann, wenn eine erhebliche Plausibilität besteht ( BGE 132 II 305 E. 4.3 und 5.1; ALEXANDRE FLÜCKIGER, Le droit expérimental, Potentiel et limites en situation épidémiologique extraordinaire, Sicherheit & Recht 2020 S. 142 ff., 151 f.).
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3.2.7 Mit fortschreitendem Wissen sind die Massnahmen anzupassen. Widerlegen neue Erkenntnisse die bisherige Risikobeurteilung, müssen die Regelungen überprüft und gegebenenfalls entsprechend überarbeitet werden (Art. 31 Abs. 4, Art. 40 Abs. 3 und Art. 81 EpG; BGE 136 I 1 E. 4.2.1; BGE 132 I 7 E. 4.2; FLÜCKIGER, a.a.O., S. 150 ff.). Massnahmen, die in einem bestimmten Zeitpunkt aufgrund des damaligen Kenntnisstands als gerechtfertigt betrachtet wurden, können mit besserem Wissen später als unnötig erscheinen; umgekehrt ist denkbar, dass mit verbesserter Erkenntnis Massnahmen als geeignet oder erforderlich erscheinen, welche früher nicht in Betracht gezogen oder getroffen wurden ( BGE 139 II 185 E. 11.6.2) oder es kann sich erweisen, dass die früher getroffenen Massnahmen nicht ausreichen, um eine drohende Ausbreitung einer gefährlichen Krankheit zu verhindern, und deshalb strengere Massnahmen getroffen werden müssen (vgl. BGE 132 II 449 E. 4.3.1, BGE 132 II 305 E. 5.4.1). In diesem Sinne ist jede Beurteilung, die zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgenommen wird, zwangsläufig provisorisch, beruhend auf dem aktuellen Stand des Wissens ( BGE 139 II 185 E. 10.1.3). Dies bedingt allerdings, dass die Behörden ihren Wissensstand laufend erweitern. Mit zunehmender Dauer der Freiheitsbeschränkungen steigen auch die Anforderungen an die empirische Abstützung der Risikoabschätzung, namentlich weil die erwähnten Unsicherheiten (vgl. E. 3.2.6) abnehmen. Vor diesem Hintergrund kann eine Massnahme nicht schon deshalb als unrechtmässig betrachtet werden, weil sie bei besserer Kenntnis aus der Retrospektive allenfalls nicht als optimal erscheint. Dies wäre ein unzulässiger Rückschaufehler (vgl. BGE 142 II 243 E. 2.4; BGE 132 II 449 E. 5.4, BGE 132 II 305 E. 4.4, 5.1 und 5.3; BGE 131 II 670 E. 2.3; Urteil 6B_365/2010 vom 14. März 2011 E. 4.13.1, in: Plädoyer 2011 3 S. 74). Sodann kann es angezeigt sein, rigorose Massnahmen bereits zu ergreifen, bevor es zu schweren Beeinträchtigungen kommt, um zu verhindern, dass später noch strengere Massnahmen getroffen werden müssen (vgl. BGE 132 II 449 E. 4.3.2 und 5.3).
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3.3.3 Der Regierungsrat hat in den Erwägungen zu den Verordnungsänderungen vom 20., 25. und 30. Oktober 2020 ausgeführt, die Fallzahlen im Kanton Schwyz seien im gesamtschweizerischen Vergleich hoch und würden weiterhin steigen. Diese stark steigenden Fallzahlen seien im Kanton Schwyz auf Veranstaltungen im privaten Bereich, aber auch auf übrige Veranstaltungen (öffentliche Veranstaltungen und solche von Vereinen etc.) zurückzuführen. In der Beschwerdevernehmlassung macht der Regierungsrat geltend, er habe die Verordnung aufgrund der stark steigenden Covid-19-Fallzahlen erlassen und sich dabei gezielt auf Veranstaltungen konzentriert, da sich diese als häufigste Quelle der Ansteckungen erwiesen hätten. Angesichts der weiterhin steigenden Fallzahlen habe er auch an der Maskenpflicht festgehalten und am 25. Oktober 2020 weitere Verschärfungen vorgenommen. Da die Fallzahlen im Kanton Schwyz im Vergleich zum gesamtschweizerischen Mittel höher gewesen seien, habe er am 30. Oktober 2020 auch an Massnahmen festgehalten, die über die bundesrechtlichen hinausgingen. Er habe aber nicht allein auf die Fallzahlen abgestellt, sondern auf die epidemiologische Lage, wozu auch Positivitätsrate, R-Faktor, Aufrechterhaltung des contact-Tracing, Kapazitäten der Spitäler und weitere Faktoren gehörten. Die Fallzahlen in den Schwyzer Spitälern seien besorgniserregend angestiegen. Covid-19 habe sich weltweit ausgebreitet und sei von der WHO zur Pandemie erklärt worden. Die Übersterblichkeit sei ausgewiesen und es seien auch gesundheitliche Langzeitfolgen nicht ausser Acht zu lassen. Eine Maskenpflicht in Innenräumen sei eine geeignete Massnahme, um das Ansteckungsrisiko zu vermindern. Der Grundrechtseingriff sei gering, zudem könnten Ausnahmen gewährt werden. Die Verordnung sei zwar nicht befristet, aber entsprechend der Entwicklung der epidemiologischen Lage jeweils angepasst worden.
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3.3.4 Die Aussage der Beschwerdeführer, wonach die blosse Zahl der Infektionen oder positiven Testergebnissen nicht entscheidend sei, weil sie für sich allein nichts aussagt über die Zahl bzw. Wahrscheinlichkeit von (schweren) Erkrankungen, mag zutreffen. Die Beschwerdeführer zitieren aber selber Aussagen von Virologen oder Immunologen und Berichte, wonach die Sterblichkeit bei SARS-CoV-2 zwischen 0,3 und 0,7 % liege oder 95 % der Infektionen mit leichten oder gar keinen Symptomen verlaufen (was bedeutet, dass 5 % der Infektionen zu Symptomen führen), oder dass 3,56 % der positiv getesteten Personen hospitalisiert werden. Die positiven Testungen können somit immerhin ein Indikator sein, indem sich daraus die zu erwartenden Todesfälle sowie die symptomatisch verlaufenen Fälle und Hospitalisationen ungefähr abschätzen lassen. Zutreffend mag auch sein, dass die Übersterblichkeit in manchen Jahren (namentlich infolge starker Grippewellen) in vergleichbarer Höhe lag wie diejenige im Jahr 2019/2020. Der Vergleich ist aber irreführend: Erstens berufen sich die Beschwerdeführer in ihrer Beschwerde auf Statistiken, welche jeweils von der Kalenderwoche 31 eines Jahres bis zur Kalenderwoche 30 des Folgejahres reichen. Damit ist für das Jahr 2019/2020 nur die Sterblichkeit bis gegen Ende Juli 2020 erfasst, nicht aber die wesentlich stärkere Sterblichkeit ab Oktober 2020. In der Replik räumen die Beschwerdeführer denn auch ein, dass das 4. Quartal 2020 einen deutlichen Anstieg an Todesfällen aufweise, wenn auch nur bei den über 80-Jährigen. Zweitens trat die Übersterblichkeit in den früheren Jahren ohne jegliche Massnahmen ein, im Jahr 2019/2020 hingegen trotz der im Frühjahr 2020 ergriffenen Massnahmen; entscheidend ist, wie hoch die (Über-) Sterblichkeit ohne die getroffenen Massnahmen gewesen wäre. Aus diesem Grund sind auch die Ausführungen der Beschwerdeführer nicht entscheidend, wonach die Spitäler und die Intensivpflegestationen nicht überlastet gewesen seien; denn relevant ist, ob ohne die getroffenen Massnahmen im Kanton Schwyz eine solche Überlastung eingetreten wäre. Zwar hat der Regierungsrat nicht dargelegt, wie hoch die Übersterblichkeit bzw. die Auslastung der Spitäler ohne die getroffenen Massnahmen gewesen wäre. Es liegt aber auf der Hand, dass ein solcher hypothetischer Nachweis nicht mit wissenschaftlicher Genauigkeit erbracht werden kann und deshalb auch nicht als Voraussetzung für behördliches Eingreifen verlangt werden kann. Es muss ausreichen, dass eine hinreichende Plausibilität für eine solche Wirksamkeit besteht (vorne E. 3.2.6). Geht man davon aus, dass die Einschränkung zwischenmenschlicher Kontakte die Wahrscheinlichkeit von Erkrankungen reduziert (vorne E. 3.3.1), ist plausibel, dass ohne die angeordneten Massnahmen die (Über-)Sterblichkeit und die Belastungen der Spitäler höher gewesen wären. Die Beschwerdeführer kritisieren zwar, es sei nicht nachgewiesen, dass Veranstaltungen die häufigste Quelle für Ansteckungen seien; vielmehr seien 46-66 % aller Ansteckungen haushaltbasiert. Dass Veranstaltungen aber zu einer gewissen Häufung von Ansteckungen geführt haben, bestreiten die Beschwerdeführer nicht und ist auch ohne weiteres plausibel. Es bestand daher begründeter Anlass für eine Einschränkung von Veranstaltungen. Zu weit geht insbesondere die Auffassung der Beschwerdeführer, Massnahmen müssten immer auf dem neusten Stand der Wissenschaft basieren und die Behörden hätten täglich diesen aktualisierten Stand zu berücksichtigen. Dies ist schon deshalb nicht möglich (und kann daher auch nicht verlangt werden), weil in einer solchen durch Unsicherheit gezeichneten Situation zahlreiche Studien publiziert werden, die sich teilweise widersprechen, deren wissenschaftliche Seriosität nicht hinreichend feststeht und die auch laufend wieder durch weitere Erkenntnisse überholt werden.
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Die Beschwerdeführer ihrerseits substanziieren nicht, inwiefern die Schäden der Massnahmen höher seien als der Nutzen. Sie machen namentlich nicht geltend, eine vergleichbare Risikoeinschränkung wäre durch weniger schwerwiegende Grundrechtseingriffe erreichbar gewesen. Sie zitieren zwar verschiedene Berichte, wonach Unternehmen infolge der Corona-Krise erhebliche Umsatzeinbussen erlitten haben, sowie Studien, wonach die volkswirtschaftlichen Kosten des Lockdowns grösser seien als der gesundheitliche Nutzen. Aus den von ihnen zitierten Berichten ergibt sich aber nicht, dass diese Verluste spezifisch durch die hier angefochtenen Veranstaltungseinschränkungen verursacht wurden; teilweise ergaben sie sich aus den hier nicht zu überprüfenden (nicht publ. E. 1.8) vom Bundesrat angeordneten Massnahmen, teilweise aber auch durch weltweiten Nachfragerückgang infolge der in anderen Ländern bestehenden Situationen und getroffenen Massnahmen, auf welche der Kanton Schwyz ohnehin keinen Einfluss hat. Auch die in den zitierten Studien errechneten volkswirtschaftlichen Schäden beziehen sich entweder auf die im Ausland oder die vom Bundesrat angeordneten Massnahmen, weshalb sie schon deshalb keine Aussagekraft besitzen. Die Beschwerdeführer zitieren weiter Studien und Berichte, wonach als Folge der Corona-Massnahmen psychische Probleme (namentlich bei Jugendlichen und Schülern) aufgetreten seien; sie legen aber nicht dar, dass diese spezifisch durch die hier zu prüfenden Einschränkungen von Veranstaltungen verursacht wurden. Die von ihnen zitierten Quellen, wonach die Selbstmordrate und die psychischen Auffälligkeiten aufgrund von Corona-Massnahmen gestiegen seien, verweisen z.T. auf Erhebungen in Deutschland, wo die getroffenen Massnahmen strenger waren als in der Schweiz. Auch in den aus der Schweiz stammenden Berichten, welche die Beschwerdeführer zitieren, wird kein Konnex zwischen dem hier streitigen Veranstaltungsverbot und den psychischen Belastungen nachgewiesen. Es ist somit nicht hinreichend dargelegt, dass die negativen Auswirkungen der hier zu beurteilenden Massnahmen die positiven Wirkungen (Reduktion der Krankheitsfälle) überwiegen.
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3.4 Insgesamt erweist sich die angefochtene Verordnung, soweit sie hier zu überprüfen ist, in Anbetracht des dem Regierungsrat zustehenden Ermessensspielraums (vorne E. 3.2.8) als gesetzes- und verfassungskonform und namentlich als verhältnismässig.
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