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59. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 12. Oktober 1955 i.S. Suter gegen Kolpin. | |
Regeste |
1. Art. 25 Abs. 1, 27 Abs. 1 MFG. Angemessene Geschwindigkeit eines Motorradfahrers innerorts an Strassenkreuzung. Hat der Führer wegen eines ihm entgegenkommenden und nach links abbiegenden Fahrzeuges die Fahrt zu verzögern? | |
Sachverhalt | |
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B.- Otto und Marie Kolpin, Eltern des Verunfallten, sowie dessen Bruder Marc Kolpin klagten gegen Suter auf Ersatz des Schadens und Leistung von Genugtuung.
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Das Bezirksgericht Bremgarten verurteilte den Beklagten nach Abzug anbezahlter Fr. 15'000.-- zur Bezahlung von Fr. 500.-- für Sachschaden und Fr. 11, 732.-- für Versorgerschaden an Otto und Marie Kolpin sowie zur Leistung von Fr. 1500.-- als Genugtuung an alle drei Kläger zusammen, alles nebst Zins.
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Auf Appellation der Kläger und des Beklagten sprach das Obergericht des Kantons Aargau Otto und Marie Kolpin am 24. Juni 1955 für Versorgerschaden Fr. 10'288.-- nebst Zins zu und bestätigte in den übrigen Punkten das Urteil des Bezirksgerichts. Wie dieses ging es davon aus, dass der Beklagte den Unfall allein verschuldet habe.
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D.- Otto Kolpin ist am 26. Juli 1955 gestorben und von Marie und Marc Kolpin beerbt worden. Deren bevollmächtigter Vertreter hat am 7. Oktober 1955 erklärt, die Kläger liessen die Genugtuungsforderung des Marc Kolpin von restanzlich Fr. 500.-- fallen, womit die ihnen als Genugtuung zugesprochene Summe von Fr. 1500.-- sich auf Fr. 1000.-- ermässige. Im übrigen beantragen die Kläger, die Berufung sei abzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Dass Kolpin der Vorwurf zu schnellen Fahrens auch hätte gemacht werden müssen, wenn der Beklagte nicht erschienen wäre, behauptet dieser mit Recht nicht. Das Obergericht gibt zwar die Geschwindigkeit des Motorradfahrers nicht ziffermässig an, führt aber aus, nach der ![]() | 8 |
Unter diesen Umständen kann dem Motorradfahrer auch nicht vorgeworfen werden, er sei im Hinblick auf das Erscheinen und Verhalten des Beklagten und das Gebot des ständigen Beherrschens des Fahrzeuges (Art. 25 Abs. 1 MFG) zu schnell gefahren. Dieses Gebot ist nicht jedesmal verletzt, wenn der Führer die Gefahr eines Zusammenstosses nicht durch sofortiges Anhalten zu bannen vermag. Ja selbst die Behauptung des Beklagten, Kolpin habe vor dem Zusammenstoss nicht einmal gebremst, begründet den Vorwurf des Nichtbeherrschens seines Fahrzeuges nicht. Dieser Vorwurf wäre Kolpin nur zu machen, wenn er die Gefahr eines Zusammenstosses so frühzeitig hätte erkennen können, dass er durch Verzögerung der Fahrt den Zusammenstoss hätte vermeiden oder mildern können. Das wird vom Obergericht verneint, indem es ausführt, der Motorradfahrer habe mit der Beobachtung seines Vortrittsrechts durch den sehr langsam fahrenden Beklagten rechnen dürfen. Diese Feststellung bindet das Bundesgericht, denn sie beruht nicht auf einer Verkennung der Sorgfaltspflichten des Motorradfahrers. Die Tatsache allein, dass der Beklagte den Richtungsanzeiger nach links gestellt hatte, ![]() | 9 |
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Die Rüge des Beklagten, die Genugtuung für Otto Kolpin falle weg, weil dieser am 26. Juli 1955 gestorben sei, hält nicht stand. Genugtuungsansprüche sind nicht schlechthin unvererblich. Sogar solche aus Verlöbnisbruch, die das Gesetz doch als höchstpersönlich erachtet und daher als unübertragbar erklärt, gehen auf die Erben über, sobald sie eingeklagt sind, da sie dadurch zu gewöhnlichen Forderungen werden (Art. 93 Abs. 2 ZGB;BGE 41 II 339). Umsoweniger können eingeklagte Genugtuungsansprüche ![]() | 11 |
Dass die Genugtuung für Otto Kolpin zu hoch bemessen worden sei, macht der Beklagte mit Recht nicht geltend. Wie für die Bemessung des Anspruches der Marie Kolpin, den er für übersetzt hält, war zu berücksichtigen, dass das Verschulden des Beklagten schwer ist und ein Mitverschulden des Getöteten fehlt. Die Eheleute Kolpin sind durch den plötzlichen Verlust ihres zweiundzwanzigjährigen Sohnes, der ledig war und die Verbindung mit den Eltern noch nicht stark gelockert hatte, schwer getroffen worden, zumal sie nur zwei Nachkommen hatten. Ein Vergleich mitBGE 66 II 221, wo eine an Eltern zugesprochene Genugtuung von je Fr. 2500.-- als hoch bezeichnet wurde, hilft dem Beklagten schon wegen der seither eingetretenen Geldentwertung nicht. Die Beträge, welche die kantonalen Instanzen den Eltern Kolpin zuerkannt haben, bleiben im Rahmen des Ermessens und widersprechen somit dem Art. 42 MFG nicht.
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