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45. Urteil der I. Zivilabteilung vom 10. Juli 1956 i.S. Jaussi gegen Aeschbacher. | |
Regeste |
Wohnrechtsvertrag, Schadenersatz wegen Nichterfüllung, Berufung. |
Zulässigkeit eines Vertrags zwischen Schwiegervater und Schwiegersohn auf Leistung von Arbeit bei Hausumbau und Finanzierung desselben gegen Einräumung eines Wohnrechts (Erw. 4). |
Unmöglichkeit der Vertragserfüllung: Subjektive Unmöglichkeit genügt. Vorliegen solcher? Ermittlung des Schadens und Festsetzung des Ersatzes; Art. 97 Abs. 1 OR (Erw. 5). | |
Sachverhalt | |
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Im Jahre 1943 zogen die Eheleute Jaussi mit ihrer Tochter Klara in die für sie bereitgestellte Wohnung ein. Kurz darauf unterzeichneten die Eheleute Aeschbacher im Hinblick auf die von Gottfried Jaussi für den Umbau bezahlten Rechnungen einen Vorempfangsschein, durch den sie anerkannten, von den Eltern Jaussi auf Anrechnung an das Erbteil der Frau Aeschbacher Fr. 12'000.-- erhalten zu haben. Gottfried Jaussi führte auch nach 1943 noch verschiedene Arbeiten im Hause seines Schwiegersohnes aus.
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In der Folge verschlechterten sich die Beziehungen der Eheleute Aeschbacher, weshalb die Ehefrau im Frühjahr 1951 das Scheidungsverfahren einleitete. Daraufhin liess Aeschbacher im Juli 1951 seine Schwiegereltern aus dem Hause weisen. Im Scheidungsverfahren, das 1952 zur Auflösung der Ehe führte, machte Frau Aeschbacher den Vorempfang von Fr. 12'000.-- als Frauengutsforderung gegenüber dem Ehemann geltend. Dieser bezahlte hieran Fr. 8000.--. Über die restlichen Fr. 4000.-- wurde in der vom Gericht genehmigten Scheidungskonvention nichts gesagt.
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Nach seiner Ausweisung machte Gottfried Jaussi in einem Aussöhnungsverfahren gegenüber Aeschbacher für die an dessen Haus geleistete Arbeit eine Forderung von Fr. 10'915.10 geltend. Eine Klage reichte er indessen nicht ein. Dagegen betrieb er Anfang Januar 1953 Aeschbacher auf Bezahlung von Fr. 14'915.10, wobei er als Grund der Forderung angab: "Vorempfangsschein und Rechnung für geleistete Arbeit". Aeschbacher erhob Rechtsvorschlag.
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Am 20. Februar 1953 bezahlte Aeschbacher an einen gewissen Zimmermann, den Gottfried Jaussi und seine Tochter Alida, geschiedene Aeschbacher mit der Eintreibung ihrer Forderungen beauftragt hatten, Fr. 3000.-- "à conto Vorempfangsschein zu Handen von Familie Jaussi".
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B.- Klara Jaussi belangte Aeschbacher auf Bezahlung eines Betrages von Fr. 11 915.10 nebst Zinsen und Kosten auf Grund der folgenden Rechnung:
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Barleistungen gemäss Vorempfangsschein Fr. 12'000.--
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Entschädigung für ausgeführte Bauarbei-
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ten " 10'915.10
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Total Fr. 22'915.10
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abzüglich Zahlungen Aeschbachers " 11'000.--
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Restschuld Fr. 11 915.10
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Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage.
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C.- Der Appellationshof des Kantons Bern schützte mit Urteil vom 31. Januar 1956 die Klage im Betrage von Fr. 1000.-- nebst Zins und Kosten und wies sie im übrigen ab.
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Der Zuspruch der Fr. 1000.-- wurde damit begründet, dass es sich dabei um den Restbetrag der von Aeschbacher geschuldeten Frauengutsforderung laut Vorempfangsschein handle.
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Einen Entschädigungsanspruch des Gottfried Jaussi für die von ihm am Hause des Beklagten geleistete Arbeit verneinte der Appellationshof mit der Begründung, Jaussi habe diese Arbeiten nicht auf Grund eines obligationenrechtlichen Vertrages ausgeführt, sondern ausschliesslich im Hinblick darauf, dass er nach der Meinung der Beteiligten mit seiner Frau bis zum Tode unentgeltlich im Hause des Beklagten wohnen könne. Es handle sich somit um Abmachungen und gegenseitige Leistungen zwischen Eltern und Kindern im Rahmen ihres besonderen familienrechtlichen Verhältnisses, die nach dem Willen der Beteiligten keine Lohn- oder Entschädigungsansprüche begründen sollten. Mit dem vom Beklagten veranlassten Verlassen des Hauses durch die Eheleute Jaussi sei der Grund für die Zuwendungen des Gottfried Jaussi weggefallen, ![]() | 17 |
D.- Mit der vorliegenden Berufung beantragt die Klägerin Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung von Fr. 9847.10 nebst Zinsen und Kosten, eventuell die Rückweisung des Falles an die Vorinstanz zu neuer Beurteilung.
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Der Beklagte beantragt, es sei auf die Berufung nicht einzutreten. Eventuell schliesst er auf Abweisung der Berufung und auf dem Wege der Anschlussberufung auf gänzliche Abweisung der Klage.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Wenn die Berufungsbegründung auch nicht als mustergültig bezeichnet werden kann, so rügt sie immerhin eindeutig, dass die Vorinstanz das Vorliegen eines obligationenrechtlichen Vertrages zwischen dem Beklagten und Gottfried Jaussi verneint habe. Das ist aber, wie im folgenden zu zeigen sein wird, gerade der Kern des heutigen Streites. Ob die Berufung dieses obligationenrechtliche Verhältnis, falls ein solches vorliegen sollte, rechtlich ![]() | 22 |
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Infolge der Auflösung der Ehe Aeschbacher-Jaussi entstand dann auf Grund des Vorempfangsscheins eine Frauengutsschuld des Beklagten gegenüber seiner geschiedenen Frau in der Höhe von Fr. 12'000.--. Seine Schuldpflicht aus diesem Titel hat der Beklagte anerkannt, indem er daran im Scheidungsverfahren Fr. 8000.--- und später weitere Fr. 3000.-- abzahlte. Die restlichen Fr. 1000.-- hat er nun auch noch zu begleichen auf Grund des Urteils der Vorinstanz, das in diesem Punkte nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens bildet.
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Damit sind die Barleistungen des Gottfried Jaussi in der Hauptsache als abgegolten zu betrachten. Es kann sich nur noch fragen, ob er, bezw. die Klägerin als seine Rechtsnachfolgerin, für die beim Wohnungsbau geleistete Arbeit vom Beklagten etwas zu fordern habe. Dieser Anspruch wird von der Klägerin im Berufungsverfahren noch auf Fr. 9847.15 beziffert.
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4. Die Klägerin glaubt zu Unrecht, den genannten Betrag auf Grund eines Werkvertrages zwischen dem Beklagten und Gottfried Jaussi fordern zu können. Ein solcher scheidet nach den verbindlichen tatsächlichen ![]() | 26 |
In diesem Sinne lag aber eine vertragliche Abmachung der Beteiligten vor. Wie die Klägerin im kantonalen Verfahren zutreffend ausführte, stellte das Einräumen der Wohnung die vertragliche Gegenleistung des Beklagten für die von Gottfried Jaussi erbrachten (Geld- und) Arbeitsleistungen dar. Dass die Klägerin im Berufungsverfahren ihren Anspruch nicht mehr in dieser Weise begründete, ist belanglos. Es genügt, dass ein Anspruch dieser Art als Rechtsgrund der eingeklagten Forderung aus dem Sachverhalt abgeleitet werden kann, der dem Richter zur Beurteilung unterbreitet wird.
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Im Anschluss an die Feststellung, es habe die Meinung gehabt, dass die Eltern Jaussi bis zu ihrem Tode unentgeltlich im Hause des Beklagten wohnen könnten, hat die Vorinstanz weiter erklärt, Gottfried Jaussi habe nicht die Absicht gehabt, "darüberhinaus" für seine Arbeit etwas zu fordern. Die Vorinstanz verkennt jedoch, dass es im vorliegenden Streit nicht darum geht, ob Gottfried Jaussi über die Einräumung eines Wohnrechtes hinaus für seine Arbeit etwas zu fordern habe, sondern dass es vielmehr darauf ankommt, ob den Eltern Jaussi ein Rechtsanspruch zustehe, bis zum Ableben im Hause des Beklagten wohnen zu können.
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Die Möglichkeit einer obligationenrechtlichen Abmachung dieses Inhalts wird von der Vorinstanz zu Unrecht verneint. Es ist nicht einzusehen, wieso nicht auch unter Verwandten eine solche Vereinbarung getroffen werden könnte, zumal es sich im vorliegenden Fall mit Rücksicht auf die von Gottfried Jaussi geleistete Arbeit nicht um die unentgeltliche Einräumung eines Wohnrechts handelte.
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Nach Art. 97 Abs. 1 OR hat der Schuldner, wenn die Erfüllung einer Verbindlichkeit nicht oder nicht gehörig bewirkt werden kann, für den daraus erwachsenden Schaden Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last fällt.
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Unmöglichkeit der Vertragserfüllung im Sinne dieser Bestimmung liegt auch bei bloss subjektiver Unmöglichkeit vor, und eine solche ist schon dann als verwirklicht anzusehen, wenn nach Treu und Glauben im Verkehr dem Schuldner die weitere Erfüllung nicht mehr zumutbar ist.
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Mit einer subjektiven Unmöglichkeit in diesem Sinne hat man es hier zu tun. Dem Beklagten konnte nicht zugemutet werden, seinen ehemaligen Schwiegereltern auch nach der Scheidung weiterhin das Wohnrecht zu gewähren und auf diese Weise ständig Begegnungen mit seiner vormaligen Ehefrau ausgesetzt zu sein. Die Ausweisung der Eheleute Jaussi war daher die natürliche Lösung einer subjektiv unmöglich gewordenen Situation.
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Für den aus dieser Unmöglichkeit der Vertragserfüllung erwachsenen Schaden hat der Beklagte nach der oben genannten Bestimmung Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihm kein Verschulden zur Last fällt. Praktisch läuft das auf die Frage des Verschuldens des Beklagten an der Scheidung der Ehe hinaus, da die Unmöglichkeit der Erfüllung auf diese zurückzuführen ist.
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Die Vorinstanz, an die der Fall zu neuer Beurteilung zurückzuweisen ist, hat daher zur Frage der Exkulpation ![]() | 35 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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