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8. Urteil der I. Zivilabteilung vom 5. März 1957 i.S. Michel gegen Reinhardt. | |
Regeste |
1. Internationales Privatrecht. Welches Recht ist auf die Verjährung anwendbar? (Erw. 1). |
a) Die Veröffentlichung der Auflösung der Gesellschaft im Schweizerischen Handelsamtsblatt setzt die Verjährung gegen die Gesellschafter nur in Gang, wenn der Veröffentlichung eine gültige Eintragung im Handelsregister zugrunde liegt (Erw. 3). |
b) Art. 591 Abs. 1 schneidet dem Gesellschafter die Einreden aus Art. 127 ff. OR, die der Forderung als solcher entgegen3. Argehalten werden können, nicht ab (Erw. 4). |
3. Art. 135 Ziff. 2 OR. Das Betreibungsbegehren unterbricht die Verjährung auch dann, wenn der Zahlungsbefehl am unrichtigen Ort ergeht, der Schuldner sich aber nicht dagegen beschwert (Erw. 5). |
4. Art. 136, 593 OR. Die gegen die Kollektivgesellschaft wirkende Unterbrechung der Verjährung wirkt auch gegen die nicht ausgeschiedenen Gesellschafter (Erw. 6). | |
Sachverhalt | |
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Am 16. August 1922 vereinbarten Reinhardt und Michel unter anderem, die finanziellen Mittel der Gesellschaft seien "vorderhand in der Hauptsache für die Ausbeutung der Waldkonzession zu verwenden". Sie verlegten den Sitz der Gesellschaft nach Addis Abeba und bestimmten, von der Eröffnung einer Filiale in der Schweiz werde vorderhand abgesehen. Sie erklärten, Art. 10 des Vertrages vom 19. Dezember 1919 bleibe unverändert.
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Ein Gesuch der Gesellschaft um Eintragung in das Handelsregister von Bern wurde vom Regierungsrat des Kantons Bern am 20. Januar 1925 abgewiesen.
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Am 5. Juli 1942 starb Carl Reinhardt. Sein Erbe Rudolf Reinhardt, der den Nachlass unter öffentlichem Inventar annahm, stellte am 18. Mai 1946 beim Gerichtspräsidenten von Bern das Gesuch, J. A. Michel sei die Befugnis zur Vertretung der Gesellschaft C. Reinhardt & Cie in Liquidation einstweilen zu entziehen und es sei ein Liquidator zu ernennen. Am 14. Juni 1946 verglichen die Parteien sich dahin, dass sie Notar Niklaus in Bern als Liquidator einsetzten, und am 5. Juli 1946 meldeten sie die Gesellschaft in Liquidation gemeinsam zur Eintragung in das Handelsregister von Bern an, wobei sie als Auflösungsgrund den Tod des Carl Reinhardt angaben. Die Eintragung erfolgte und wurde am 15. Juli 1946 im Schweizerischen Handelsamtsblatt veröffentlicht.
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Am 17. September 1946 ersuchte Rudolf Reinhardt das Handelsregisteramt Bern, die Eintragung zu löschen, weil die Gesellschaft ihren Sitz in Addis Abeba habe. Die Akten wurden dem Regierungsrat des Kantons Bern überwiesen, ![]() | 5 |
2. Am 1. Januar 1925 versprachen die Eheleute Gustav und Jeanne Goetz-Kessel in Nizza der Firma C. Reinhardt & Cie ein Darlehen von höchstens franz. Fr. 800'000.--. Der Vertrag bestimmte unter anderem: | |
Art. 4 Abs. 2:
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"Au surplus, nous nous considérons suffisamment couverts par les Art. 561, 563, 564 et 568 du Code Civil Suisse du 1er janvier 1912 auquel la Société C. Reinhardt se déclare soumise par l'art. XI du contrat principal du mois de décembre 1919."
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Art. 9:
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"Le capital engagé par les époux Goetz-Kessel devra leur être remboursé dès que la trésorerie de la Société C. Reinhardt & Co. disposera des fonds nécessaires et en tout cas au plus tard à l'expiration de la dite société ou à sa liquidation éventuelle.
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Mr. J. A. Michel se déclare solidairement responsable avec son associé Mr. C. Reinhardt, et cela suivant le droit des obligations suisse, dont les époux Goetz-Kessel acceptent d'avance les prescriptions comme base, sans prévaloir aucune autre juridiction."
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Art. 10:
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"Les sommes successivement investies dans la Société C. Reinhardt & Co. en francs français seront commuées en francs suisses au cours du jour au für et à mesure des versements.
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Le remboursement devra se faire au siège social en Suisse par cette seule monnaie effective.
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En ce qui concerne les intérêts, ceux-ci peuvent toutefois être réglés en France en francs français au gré des parties à condition qu'il n'y ait pas de retard.
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Chacun des créanciers pourra à n'importe quel moment délivrer valable quittance, soit pour le capital, soit pour les intérêts, sans que les deux signatures soient nécessaires."
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Die tatsächlichen Leistungen der Eheleute Goetz beliefen sich auf franz. Fr. 750'000.--. Die Gesellschaft anerkannte am 1. Februar 1925 durch die Unterschrift Michels, ihnen dafür 226'965.80 Schweizerfranken zu schulden.
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Am 13. März 1933 starb Gustav Goetz. Er wurde von Jeanne Goetz-Kessel und seiner Tochter Suzanne Goetz beerbt.
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Am 10. März 1937 anerkannte Jeanne Goetz-Kessel, an diesem Tage von Michel "pour le compte de la société C. Reinhardt & Co" teils in Geld, teils in anderen Sachen franz. Fr. 187'500.-- als Anzahlung auf den Zins der Jahre 1929-1933 erhalten zu haben.
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Mit Zahlungsbefehl vom 25./28. September 1946 des Betreibungsamtes Bern forderte Jeanne Goetz-Kessel von der Firma C. Reinhardt & Cie in Liq. unter Berufung auf die Schuldanerkennung vom 1. Februar 1925 Fr. 226'965.80 nebst 5% Zins seit 1. Januar 1934. Der Liquidator Niklaus erhob Rechtsvorschlag.
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Jeanne Goetz-Kessel heiratete im Jahre 1948 den J. A. Michel. Sie und ihre Tochter liessen auf 9. Januar 1952 Rudolf Reinhardt durch den Gerichtspräsidenten von Bern zum Aussöhnungsversuch vorladen. Gegenstand desselben bildete das Begehren, er habe ihnen Fr. 226'965.80 nebst 5% Zins seit 1. Januar 1934, eventuell die Hälfte dieses Betrages, zu bezahlen. Eine Einigung kam nicht zustande.
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Am 25. Februar und 18. März 1952 traten Jeanne Michel-Goetz und Suzanne Goetz ihre Ansprüche aus dem Vertrage vom 1. Januar 1925 an René Michel, den Sohn des J. A. Michel ab.
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Diese hiess am 2. Mai 1956 die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung gut und wies die Klage ab. Die Kammer nahm an, die Vereinbarung vom 16. August 1922 habe den Zweck der Gesellschaft C. Reinhardt & Cie auf die Ausbeutung der Waldkonzession beschränkt. Am 30. Juni 1929 sei er unerreichbar geworden, weil die Gesellschaft seit 1922 die Konzessionsgebühren nicht mehr bezahlt habe, die Konzession dadurch hinfällig geworden sei und keine Möglichkeit bestanden habe, sie wieder zu erlangen. Die Gesellschaft sei daher seit 30. Juni 1929 aufgelöst. Gemäss Art. 9 des Vertrages vom 1. Januar 1925 sei damit das Darlehen zur Rückzahlung fällig geworden und habe die zehnjährige Verjährungsfrist zu laufen begonnen. Die Zinszahlung vom 10. März 1937 habe sie unterbrochen. Dann habe während mehr als zehn Jahren keine Unterbrechung mehr stattgefunden. Die Betreibung vom September 1946 habe die Verjährung gegenüber dem Beklagten nicht unterbrochen; da die Gesellschaft längst aufgelöst gewesen sei, hätten die einzelnen Gesellschafter betrieben werden müssen. Würde man von der Unerreichbarkeit des Zweckes absehen, so wäre die Gesellschaft spätestens mit dem Tode des Carl Reinhardt aufgelöst worden. Damit, dass die Auflösung am 15. Juni 1946 im Schweizerischen Handelsamtsblatt veröffentlicht worden sei, habe die fünfjährige Verjährungsfrist des Art. 591 OR zu laufen begonnen. Sie sei nicht unterbrochen worden. Dass der Regierungsrat den ungültigen Eintrag wieder habe löschen lassen, ändere nichts; denn der Grund für die Verkürzung der Verjährungsfrist auf fünf Jahre liege einzig darin, dass die Auflösung der Gesellschaft mit Sicherheit jedermann zur Kenntnis gelange, was vom Gesetzgeber dann angenommen werde, wenn die diesbezüglichen Tatsachen im Schweizerischen Handelsamtsblatt veröffentlicht worden seien.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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Unter der Veröffentlichung im Schweizerischen Handelsamtsblatt versteht Art. 591 die amtliche Veröffentlichung der Eintragung im Handelsregister gemäss Art. 931 OR. Das ergibt sich daraus, dass Art. 586 a OR die Verjährung mit dem Zeitpunkt beginnen liess, in dem die Auflösung der Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen wurde. Der Zweck der Revision erschöpfte sich darin, die Bestimmung dem Art. 932 Abs. 2 OR anzupassen, wonach gegenüber Dritten nicht schon die Eintragung im Handelsregister, sondern erst deren Veröffentlichung im Handelsamtsblatt Wirkungen auslöst.
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Art. 591 Abs. 1 OR setzt daher ausser der Veröffentlichung eine gültige Eintragung im Handelsregister voraus. Die Veröffentlichung heilt das Fehlen oder die Nichtigkeit der Eintragung nicht. Das Gesetz bestimmt nicht, dass alle Mitteilungen im Handelsamtsblatt, seien sie zu Recht oder zu Unrecht erfolgt, wirksam seien und als bekannt zu gelten hätten, sondern es verleiht der Veröffentlichung nur die Kraft, eine gültige Eintragung auch Dritten gegenüber wirksam zu machen (Art. 932 Abs. 2 OR), und nur ![]() | 30 |
Die Auflösung der Gesellschaft C. Reinhardt & Cie ist am 15. Juli 1946 im Schweizerischen Handelsamtsblatt veröffentlicht worden, aber auf Grund einer Eintragung, die der Regierungsrat des Kantons Bern am 14. Januar 1947 nichtig erklärt hat und die daher unwirksam ist. Die Veröffentlichung vom 15. Juli 1946 hat die Verjährung nach Art. 591 Abs. 1 OR nicht in Gang gesetzt.
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4. Art. 591 Abs. 1 OR will lediglich, dass der Gesellschafter, der ausgeschieden oder durch Auflösung der Gesellschaft belangbar geworden ist, sich durch eine besondere Einrede der Haftung für die Gesellschaftsschulden entschlagen könne. Die Bestimmung schneidet ihm die Einreden aus Art. 127 ff. OR, die der Forderung als solcher entgegengehalten werden können, nicht ab. Art. 591 Abs. 1 OR behält denn auch ausdrücklich den Fall vor, dass "wegen der Natur der Forderung eine kürzere Verjährungsfrist gilt". Ebenso kann der Gesellschafter sich auf eine Verjährungsfrist berufen, die fünf Jahre übersteigt, aber trotzdem vor jener des Art. 591 Abs. 1 abläuft, weil sie früher begonnen hat (HAFNER Art. 585 N. 8; HABERSTICH 408; SIEGWART Art. 591-593 N. 3). Ist die Forderung gegen die Gesellschaft verjährt, so steht auch dem ![]() | 32 |
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6. Gemäss Art. 593 OR vermag die Unterbrechung der Verjährung gegenüber der fortbestehenden Gesellschaft oder einem andern Gesellschafter die Verjährung gegenüber einem ausgeschiedenen Gesellschafter nicht zu unterbrechen. Aus dieser nur zugunsten des ausgeschiedenen Gesellschafters aufgestellten Bestimmung ergibt sich, dass ![]() | 34 |
Das war schon in der Literatur zu Art. 155 und 588 aoR anerkannt und ist auch heute vorherrschende Lehrmeinung (HAFNER Art. 588 Anm. 5; HABERSTICH 409 f.; SCHNEIDER/FICK 2. Aufl. Art. 588 N. 1; ROSSEL 248; ZELLER Art. 588 N. 2; WIELAND, Handelsrecht 633, 730; SIEGWART Art. 591-593 N. 4; MANGOLD, Die Verjährung der Haftung des Kollektivgesellschafters, Zürich 1947 22, 45; a. M. HARTMANN Art. 593 N. 3). Der Grundsatz entspricht der Natur der Kollektivgesellschaft und der Stellung des Gesellschafters zu ihren Verbindlichkeiten (Art. 568 OR). Die Gesellschaftsschulden sind für die Gesellschafter nicht fremde, sondern (gemeinsame) eigene Schulden (BGE 39 I 298,BGE 41 III 333,BGE 42 III 39,BGE 45 II 302,BGE 71 II 40). Wird die Verjährung gegen die Gesellschaft unterbrochen, so geschieht es für eine Forderung, die gegen die Gesellschafter selbst gerichtet ist, wenn auch für sie zunächst nur in die den Gesellschaftern gemeinsam gehörenden Vermögenswerte und erst unter den Voraussetzungen des Art. 568 Abs. 3 OR auch in das persönliche Gut der Gesellschafter vollstreckt werden kann. Der Gesellschafter ist mit der Gesellschaftsschuld enger verbunden als der Solidarschuldner mit der Verbindlichkeit der Mitschuldner oder der Bürge mit der Verpflichtung des Hauptschuldners. Da Art. 136 OR die Unterbrechung der Verjährung gegen den Solidarschuldner und den Hauptschuldner auch zulasten der anderen Solidarschuldner bzw. des Bürgen wirken lässt (Art. 136 Abs. 1 und 2 OR), kann die Verjährung gegen den Kollektivgesellschafter nicht von den Unterbrechungshandlungen gegen die Gesellschaft, der er noch angehört, unberührt bleiben.
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Es wäre auch nicht zu verstehen, weshalb das Vorgehen gegen die Gesellschaft die Verjährung gegen den Gesellschafter nicht sollte unterbrechen können, während Handlungen gegen einen Mitgesellschafter nach Art. 136 Abs. 1 ![]() | 36 |
Das Begehren der Gläubigerin vom September 1946 um Betreibung der Gesellschaft C. Reinhardt & Cie in Liq. hat somit die ordentliche Verjährungsfrist des Art. 127 OR auch gegen den Beklagten unterbrochen. In gleichem Sinne hätten die Zinszahlungen der Gesellschaft vom 2. Februar 1930 und 10. März 1937 gewirkt, wenn damals die Gesellschaft schon wegen Hinfalles der Waldkonzession aufgelöst gewesen und die Forderung fällig geworden sein sollte. Da die Verjährung auch seit September 1946 unterbrochen worden ist, nämlich im Januar 1952 durch die Vorladung des Beklagten zum amtlichen Sühneversuch ![]() | 37 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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