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5. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. Januar 1958 i.S. Zimmermann & Cie. AG gegen Zimmermann. | |
Regeste |
1. Art. 40 OG, Art. 3 BZP, Prüfung der Prozessvoraussetzungen. Hat das Bundesgericht zu prüfen, ob eine Partei im Beschwerdeverfahren nach Art. 68 ff. OG durch den Beistand oder vielmehr durch den Inhaber der elterlichen Gewalt zu vertreten ist? (Erw. 2). |
3. Art. 68 Abs. 1 lit. b OG, Beschwerde wegen Verletzung von Bestimmungen über den Gerichtsstand. |
a) Der Verstoss gegen Art. 59 BV kann nur mit staatsrechtlicher Beschwerde gerügt werden (Erw. 4). |
b) Einrede der örtlichen Unzuständigkeit wegen Sachzusammenhanges oder Einrede der Rechtshängigkeit? (Erw. 5). | |
Sachverhalt | |
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B.- Am 15. August 1957 erhob Dr. Haupt beim Handelsregisterführer ![]() | 2 |
Die Aktiengesellschaft appellierte gegen diesen Entscheid. Der Appellationshof des Kantons Bern erklärte am 22. November 1957 dieses Rechtsmittel als unzulässig und trat darauf nicht ein.
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C.- Die Aktiengesellschaft hat gegen den Entscheid des Gerichtspräsidenten III von Bern die Nichtigkeitsbeschwerde erklärt. Sie beantragt, das Bundesgericht habe im Beschwerdeverfahren Dr. Haupt nicht als Vertreter des Beschwerdegegners zuzulassen, sondern die Inhaberin der elterlichen Gewalt anzuweisen, diesen zu vertreten. In der Sache selbst stellt die Beschwerdeführerin den Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Gerichte des Kantons Zürich seien zuständig zu erklären.
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Zur Begründung dieses Antrages macht sie geltend: Der Beschluss über die Verlegung des Sitzes einer Aktiengesellschaft wirke im Innenverhältnis, d.h. für die Aktionäre, sobald er gefasst sei, nicht erst mit seiner Eintragung in das Handelsregister. Das gelte selbst dann, wenn ein Aktionär den Beschluss missbillige, ja sogar, wenn er ihn gerichtlich anfechte. Die Beschwerdeführerin habe daher ihren Sitz ![]() | 5 |
D.- Dr. Haupt beantragt namens des Rolf Zimmermann, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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3. Jeder Beschluss der Generalversammlung der Aktiengesellschaft, der eine Änderung der Statuten zum Gegenstande hat, muss von der Verwaltung beim Handelsregisteramt zur Eintragung angemeldet werden (Art. 647 Abs. 2 OR). Nach der allgemeinen Bestimmung des Art. 932 Abs. 2 OR könnte diese Eintragung Dritten erst vom ersten Werktage an, der auf ihre Veröffentlichung im Schweizerischen Handelsamtsblatt folgt, entgegengehalten werden. Art. 932 behält aber in Abs. 3 die Fälle vor, in denen kraft besonderer gesetzlicher Vorschrift "unmittelbar mit der Eintragung auch Dritten gegenüber Rechtswirkungen verbunden sind". Eine solche Vorschrift ist Art. 647 Abs. 3 OR, der für den Beschluss der Generalversammlung einer Aktiengesellschaft über die Änderung der Statuten bestimmt: "Er wird auch Dritten gegenüber unmittelbar mit der Eintragung in das Handelsregister wirksam." Diese Bestimmung geht unverkennbar davon aus, dass der Beschluss auch im Innenverhältnis mit der Eintragung in das Handelsregister zu wirken beginnt. Das Wort "auch" hätte sonst keinen Sinn (a.M. SIEGWART Art. 647 N. 13). Die gleiche Auffassung liegt dem französischen und dem italienischen Text zugrunde; "l'inscription est immédiatement ![]() | 9 |
Hiefür spricht auch die Entstehungsgeschichte der Bestimmung. In Art. 626 Abs. 3 aoR war hinsichtlich der Beschlüsse über Abänderung der Statuten von Aktiengesellschaften ausdrücklich gesagt: "Der Beschluss hat keine rechtliche Wirkung, bevor derselbe in das Handelsregister des Bezirkes, in welchem die Gesellschaft ihren Sitz hat, eingetragen ist." Der Wortlaut dieser Norm liess nicht daran zweifeln, dass sie nicht nur im Verhältnis zu Dritten galt, sondern die Wirksamkeit des Beschlusses auch im Verhältnis der Gesellschaft zu den Aktionären von der Eintragung in das Handelsregister abhängig machte (BGE 50 II 179f., BGE 55 II 105). Der Entwurf I von 1919 zur Revision des Gesetzes sah dann folgenden Art. 718 Abs. 2 vor: "Der Beschluss muss durch die Geschäftsführer beim Handelsregister angemeldet und auf Grund der gleichen Ausweise wie die ursprünglichen Statuten in das Handelsregister eingetragen und veröffentlicht werden und hat rechtliche Wirkung erst, nachdem er in das Handelsregister eingetragen ist." Der Entwurf II von 1923 nahm zum Beschluss über die Änderung der Statuten in Art. 662 Stellung, dessen Abs. 3 wie folgt lautete: "Er hat rechtliche Wirrkung erst, nachdem er in das Handelsregister eingetragen ist." Diese Bestimmung, an der die Expertenkommission sich nicht aufhielt, wurde wörtlich als Art. 646 Abs. 3 in den Entwurf des Bundesrates übernommen und in den Kommissionen der Bundesversammlung sowie in dieser selbst ohne Diskussion gutgeheissen. Im Ständerat bemerkte der Berichterstatter Thalmann (StenBull 1931 363): "Eine Statutenänderung kann gültig nur erfolgen ![]() | 10 |
Die im Schrifttum vertretene Auffassung, im Innenverhältnis wirkten Statutenänderungen schon von der Fassung des Beschlusses an (SIEGWART Art. 647 N. 11 ff.; SCHUCANY, Komm. zum schweiz. Aktienrecht Art. 647 N. 6), verkennt somit die grundsätzliche Einstellung des Gesetzes und wird denn auch von einigen Autoren abgelehnt (HIS Art. 933 N. 34 in Verbindung mit N. 32, Art. 937 N. 7; FUNK Art. 647 N. 5; F. VON STEIGER, Das Recht der Aktiengesellschaft in der Schweiz, 2. Auflage S. 298 f.; H. WEBER, Formelle Voraussetzungen statutenändernder Beschlüsse der Aktiengesellschaft, Zürcher Diss. 1953 82 ff.). Als Regel gilt vielmehr, dass der Beschluss auch den Aktionären gegenüber erst wirkt, wenn er im Handelsregister eingetragen ist. Daran ändert der Umstand nichts, dass das Bundesgericht unter der Herrschaft des Art. 626 Abs. 3 aoR angenommen hat, die Generalversammlung, die eine Statutenänderung beschlossen habe, könne schon vorgängig der Eintragung gestützt auf die neuen Bestimmungen Beschlüsse fassen und Wahlen vornehmen (BGE 60 I 385). Solche Handlungen sind möglich, doch hängt ihre Gültigkeit davon ab, dass die Statutenänderung nachträglich in das Handelsregister eingetragen werde. In diesem Sinne lässt sich durchaus sagen, dass im Innenverhältnis schon vor der Eintragung eine gewisse Wirkung des ![]() | 11 |
Eine andere Frage ist, ob der Grundsatz, dass Beschlüsse über Statutenänderungen auch den Aktionären gegenüber erst mit der Eintragung in das Handelsregister wirksam werden, Ausnahmen hat. Das kann jedoch dahingestellt bleiben, da jedenfalls ein Beschluss über die Verlegung des Gesellschaftssitzes nicht auszunehmen ist. Die in BGE 55 II 106vertretene Auffassung, "dass es zu unhaltbaren Zuständen führen müsste, wenn die Aktiengesellschaft den Gläubigern und den Aktionären gegenüber unter einem verschiedenen Statut leben könnte", ist für den Sitz auch unter neuem Recht berechtigt. Es besteht kein Grund, zwischen einem internen und einem externen Sitz zu unterscheiden, mit der Folge, dass die Gesellschaft dem Aktionär gegenüber emen andern Gerichtsstand und Betreibungsort hätte als gegenüber Dritten. Der Aktionär hat übrigens ein ebenso berechtigtes Interesse wie Dritte, den Sitz anhand des Handelsregistereintrages zuverlässig feststellen zu können. Wenn die Gesellschaft z.B. seine Rechte nicht anerkennt oder, wie im vorliegenden Falle, seinen rechtmässigen Vertreter von deren Ausübung ausschliesst, ihn folglich zur Generalversammlung nicht einlädt und ihm vielleicht auch deren Beschlüsse nicht oder nicht richtig beekanntgibt, bleibt ihm nichts übrig, als sich an den Eintrag im Handelsregister zu halten, um ihren Sitz und Gerichtsstand zu ermitteln. Damit wird verhütet, dass die Gesellschaft sich "nach innen" einen besonderen Sitz zulegt und ihn geheimhält, um sich der gerichtlichen Verfolgung ![]() | 12 |
4. Hat somit die Beschwerdeführerin ihren Sitz auch ![]() | 13 |
Die Berufung auf Art. 59 BV ist gegenstandslos, abgesehen davon, dass diese Bestimmung keine Vorschrift über die örtliche Zuständigkeit der Behörden ist, sondern lediglich der Gerichtshoheit der Kantone und fremden Staaten Grenzen setzt (BGE 66 II 183, BGE 72 I 176, BGE 81 I 338) und es daher, wie Art. 68 Abs. 1 lit. b OG ausdrücklich bestimmt, einer staatsrechtlichen Beschwerde bedarf, um ihre Verletzung zu rügen.
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5. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, sie habe in Zürich jedenfalls einen zweiten Gerichtsstand, und dieser gehe jenem von Bern vor, nachdem der Hauptprozess in Zürich zuerst angehoben worden sei, hält ebenfalls nicht stand. Der Hinweis auf den Beschluss über die Verlegung des Gesellschaftssitzes hilft nicht; dieser Beschluss wird nicht vor der Eintragung in das Handelsregister wirksam und kann daher nicht von Bundesrechts wegen der Gesellschaft vorher einen zweiten Gerichtsstand verschaffen. Die behauptete tatsächliche Verwaltung in Zürich sodann kann dort ebenfalls nicht einen bundesrechtlichen, sondern höchstens einen vom kantonalen Prozessrecht anerkannten Gerichtsstand begründen. Schon deshalb geht die Beschwerdeführerin fehl, wenn sie sich auf die Rechtsprechung beruft, wonach beim Zusammentreffen zweier bundesrechtlicher Gerichtsstände, namentlich in Scheidungsfällen, wo jeder Ehegatte an sich am eigenen Wohnsitz ![]() | 15 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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