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54. Urteil der II. Zivilabteilung vom 26. September 1958 i.S. Eheleute L. | |
Regeste |
Ehescheidung nach Trennung. |
Verweigerung der Wiedervereinigung durch die Beklagte? (Art. 148 Abs. 2 ZGB). | |
Sachverhalt | |
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Infolge ehelicher Streitigkeiten, die nach der eigenen Darstellung des Ehemanns ihren Anfang nahmen, als er ohne besondern Grund sein Geld einzuschliessen begann, suchte sich die Ehefrau im November 1951 mit Gas das Leben zu nehmen. Der Ehemann reagierte mit Schlägen. Am 1. März 1952 wiederholte die Ehefrau ihren Versuch.
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B.- Am 24. März 1952 leitete der Ehemann beim Amtsgericht Solothurn-Lebern Scheidungsklage ein. Am 3. April 1952 misshandelte er seine Ehefrau bei einer Auseinandersetzung über finanzielle Dinge in der Weise, ![]() | 3 |
C.- Ende Februar 1954 verliess der Ehemann seine Stelle bei den SBB, wo er gemäss einem Polizeibericht vom 5. Juli 1954 zuletzt monatlich netto Fr. 610.-- nebst Fr. 54.- Teuerungszulage verdient hatte, wovon seit September 1953 jeweilen die Unterhaltsbeiträge von Fr. 300.-- abgezogen worden waren. Bei seinem Austritt zahlte ihm die Pensionskasse Fr. 3475.80 aus. Von Mitte März bis Ende Juli 1954 arbeitete er gegen einen Monatslohn von Fr. 210.-- nebst Kost und Logis als Milchführer in Schaffhausen. Hierauf begab er sich nach Frankreich, wo er eine Stelle als Karrer bei einem Landwirt annahm, der ihn mit 10 000 französischen Franken (= ca. Fr. 100.--) ![]() | 4 |
D.- Am 18. Dezember 1956 reichte der Ehemann von Frankreich aus beim Amtsgericht Aarberg als dem für seinen Heimatort zuständigen Gericht (Art. 7 g NAG) Klage auf Scheidung ein. Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage. Nach der Hauptverhandlung vom 28. Mai 1957 wurde er zwecks Vollzugs der gegen ihn ausgesprochenen Strafen verhaftet. Am 17. Juni 1957 erkannte das Amtsgericht Aarberg in Anwendung von Art. 142 und 148 ZGB auf Scheidung der Ehe. Der Appellationshof des Kantons Bern (II. Zivilkammer), an den die Beklagte appellierte, hat dieses Urteil am 20. März 1958 gestützt auf Art. 148 ZGB bestätigt.
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E.- Mit ihrer Berufung an das Bundesgericht beantragt die Beklagte Abweisung der Klage.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes, die neu zu überprüfen die (damit im Einklang stehenden) Erwägungen der Vorinstanz und die (ebenfalls keine andere Auffassung verfechtenden) Vorbringen der Parteien nicht Anlass geben, kann dem nach vorausgegangener Trennung ![]() | 8 |
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a) Wie die Vorinstanz mit Recht annimmt, ist der Beklagten nicht zum Verschulden anzurechnen, dass sie den ![]() | 10 |
b) Die Beklagte handelte auch nicht schuldhaft, indem sie dem Kläger die Tür wies, als er sie 1953 einmal besuchen wollte, um mit ihr zu sprechen. Damals war der erste Prozess noch hängig. Zudem stand die Beklagte damals ohne Zweifel noch unter dem Eindruck der schweren Misshandlung vom 3. April 1952. Es ist daher sehr wohl begreiflich, dass sie auf dem gerichtlichen Hausverbot beharrte, das sie erwirkt hatte, um sich vor weitern derartigen Angriffen zu schützen.
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c) Dass sie in der Folge nicht die Initiative zu einer Versöhnung ergriff, kann ihr entgegen der Auffassung der Vorinstanz ebenfalls nicht zum Vorwurf gemacht werden. Nach allem, was vorgefallen war, durfte der Kläger von ihr ein Entgegenkommen nicht erwarten, bevor er selber seinen guten Willen bekundete. Dies tat er nicht. Im Gegenteil belud er sich bald nach der rechtskräftigen Erledigung des ersten Prozesses mit neuer Schuld, indem er seine sichere und auskömmliche Stelle bei den SBB aufgab und sich damit ausserstand setzte, die Unterhaltsbeiträge für Frau und Kinder zu leisten, so dass die Beklagte gezwungen war, um öffentliche Unterstützung nachzusuchen. Unter diesen Umständen darf die Zurückhaltung der Beklagten nicht als Zeichen für Hartherzigkeit, Gefühlskälte, Lieblosigkeit und Selbstgerechtigkeit gewürdigt werden. Ebensowenig wird dieser Vorwurf durch die Tatsache gerechtfertigt, dass sie dem Kläger, als er sie einmal misshandelte, ins Gesicht spuckte und vor Amtsgericht Aarberg erklärte, wenn sie die Kraft gehabt hätte, hätte der Kläger auch von ihr Schläge bekommen; dass sie ihn nur angespuckt habe, sei das Mindeste gewesen. Die groben ![]() | 12 |
d) Dass die Parteien nach zweijähriger Dauer der Ehe infolge der Versetzung des Klägers nach Basel und Solothurn fast zwei Jahre lang getrennt leben mussten, kann entgegen dem angefochtenen Urteil nicht als praktisch ins Gewicht fallender objektiver Zerrüttungsfaktor anerkannt werden. Solche vorübergehende Trennungen aus äussern Gründen sind gerade beim gegenwärtigen Wohnungsmangel häufig und müssen von den Ehegatten wie andere unangenehme Ereignisse hingenommen werden. Im übrigen hatte der Kläger die Möglichkeit, seine freien Tage bei seiner Frau zu verbringen, da er als Bahnangestellter billig reisen konnte und die Fahrt nach Lyss von Basel aus nur ca. 11/2 Stunden, von Solothurn aus gar nur eine gute halbe Stunde dauert. Man hat es hier also mit ganz andern Verhältnissen zu tun als in dem vom Kläger erwähnten Falle P. (Urteil vom 7. November 1957), wo die Parteien wegen des Berufs des Ehemannes fast ständig getrennt leben mussten.
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e) Vom Unterleibsleiden der Beklagten war im ersten Prozess überhaupt nicht die Rede. Dies hinderte den Kläger nach der Rechtsprechung (BGE 71 II 201ff.,BGE 74 II 6) freilich nicht, sich im vorliegenden Prozess darauf zu berufen. Bei seinem Vorbringen, das erwähnte (von der Beklagten an sich zugegebene) Leiden habe ihn oft angeekelt, handelt es sich jedoch um eine blosse Behauptung. Es ist schwer erklärlich, dass er diese Sache nicht schon im ersten Verfahren vorbrachte, wenn er ihr wirklich wesentliche Bedeutung beimass. Hievon abgesehen ist zu sagen, dass unverschuldete körperliche Krankheiten in aller Regel nicht als Scheidungsgrund angerufen werden können (vgl.BGE 50 II 428) und dass im vorliegenden Falle von diesem Grundsatz um so weniger eine Ausnahme gemacht werden darf, als es sich um ein häufiges und an sich harmloses ![]() | 14 |
f) Die beiden Selbstmordversuche können der Beklagten nicht zum Verschulden angerechnet werden, auch wenn sie dabei nicht nur sich selber, sondern auch die in der Wohnung anwesenden Kinder in Gefahr brachte. Sie erklären sich offensichtlich daraus, dass die Beklagte wegen der schlechten Behandlung durch den Kläger in eine völlig verzweifelte Stimmung geraten war, die jede vernünftige Überlegung ausschloss. In Hinblick darauf, dass sie eine Reaktion auf das grob schuldhafte Verhalten des Klägers bildeten, dürfen sie auch nicht als objektive Zerrüttungsfaktoren gewürdigt werden, die neben dem Verschulden des Klägers zu berücksichtigen wären.
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g) Andere Zerrüttungsmomente werden heute nicht mehr angerufen. Insbesondere hat sich die in der Klage aufgestellte Behauptung, dass die Beklagte den Kläger bei den SBB angeschwärzt habe, nicht bewahrheitet.
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Die Klage ist daher wegen Alleinschuld des Klägers abzuweisen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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