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71. Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. November 1958 i.S. Samag Aktiengesellschaft gegen Marti. | |
Regeste |
1. Art. 23, 197 OR. Der Käufer hat die Wahl, sich auf die Normen über die Gewährleistung wegen Mängel der Kaufsache zu berufen oder den Vertrag wegen Irrtums als unverbindlich zu erklären. | |
Sachverhalt | |
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"Selbständige Existenz durch Gründung eines absolut interessanten und ausbaufähigen Geschäftes. Besonders geeignet für Ehepaar. Krisenfrei und nicht von Konjunktur abhängig. Absolut seriöses Angebot. Notwendiges Kapital ca. 15'000 bis 20'000 Fr."
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Edgar Marti, der mehr als 25 Jahre lang in einer Zürcher Firma als kaufmännischer Angestellter gearrbeitet hatte, meldete sich. Die Samag gab ihm an, er bedürfe einer ![]() | 3 |
Am 15. März 1954 liess Marti der Verkäuferin erklären, dass er den Vertrag gestützt auf Art. 23 ff. OR anfechte.
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B.- Am 18. Mai 1954 klagte Marti gegen die Aktiengesellschaft Samag mit dem Begehren auf Rückerstattung der anbezahlten Fr. 9000.-- nebst Zins zu 5% seit 4. Februar 1954.
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Das Bezirksgericht Zürich wies die Klage ab, das Obergericht des Kantons Zürich als Appellationsinstanz hiess sie dagegen am 11. Februar 1958 in vollem Umfange gut, weil der Kläger den Kaufvertrag unter dem Einflusse wesentlichen Irrtums abgeschlossen habe. Das Obergericht kam zum Schluss, der Kläger habe sich insofern geirrt, als entgegen der Verheissung im Inserat zur vollständigen und schuldenfreien Einrichtung des Reinigungsgeschäftes Fr. 30'000.-- bis 40'000.-- nötig seien. Ferner sei die von ![]() | 6 |
C.- Die Beklagte hat die Berufung erklärt. Sie beantragt, das Urteil des Obergerichtes sei aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Das Bundesgericht hat stets entschieden, dass der Käufer die Wahl hat, sich auf die Bestimmungen über die Gewährleistung wegen Mängel der Kaufsache zu berufen oder den Kaufvertrag wegen Irrtums als unverbindlich ![]() | 9 |
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Geht man davon aus, dass der Kläger nach einer Lehrzeit von nur zehn bis vierzehn Tagen das Geschäft nicht erfolgreich hätte führen können, sondern dazu einer Ausbildung von mindestens zwei bis drei Jahren bedurft hätte, so war der Irrtum, in den ihn die Beklagte durch ihre unrichtige Angabe versetzt hat, wesentlich im Sinne des Art. 23 OR. Gewiss betraf dieser Irrtum einen Beweggrund ![]() | 11 |
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Mit diesen Anbringen versucht die Beklagte die Vorstellungen, die der Kläger sich machte, als richtig hinzustellen, den Irrtum also zu widerlegen. Das ist unzulässige Beanstandung der Beweiswürdigung und daher nicht zu hören. Das Bundesgericht ist an die Feststellungen gebunden, die das Obergericht auf Grund der beiden Gutachten gemacht hat, dahin lautend, dass teils wegen periodisch flauen Geschäftsganges, teils wegen geringerer Leistungsfähigkeit der Maschine mit der verkauften Anlage nicht ein Jahresverdienst von Fr. 28'600.-- erzielt ![]() | 13 |
Aus diesen Feststellungen ergibt sich, dass der Kläger sich auch in dieser Hinsicht im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR in einem wesentlichen Irrtum befunden hat, als er den Vertrag abschloss. Die Beklagte geht am Kern der Sache vorbei, wenn sie einwendet, sie habe dem Kläger gar nicht einen bestimmten Umsatz fest zusichern können, da sie ihm nicht ein Geschäft, sondern nur Maschinen verkauft habe; sie habe dem Kläger nur die sich bietende Möglichkeit zeigen wollen; er hätte sich selbstverständlich die Kundschaft erst noch durch Fleiss und Tüchtigkeit erschaffen müssen; auch hätte er nicht alles, was ihm die Beklagte erzählte, für bare Münze nehmen sollen; er hätte ihre Behauptungen ohne grosse Mühe überprüfen können; sie seien ohne weiteres berechtigt gewesen, da die Praxis sogar gewagte Behauptungen zulasse. Es geht weder um die Frage, ob die Beklagte den Kläger absichtlich getäuscht oder sogar im strafrechtlichen Sinne betrogen hat, noch um die Frage, ob er ihren unrichtigen Angaben hätte misstrauen sollen. Tatsache ist, dass er sich auf sie verlassen und dass seine unzutreffende Vorstellung ihn zum Kaufe bewogen hat. Der Irrtum bezog sich auf den Beweggrund, betraf aber einen Sachverhalt, den der Kläger nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als notwendige Grundlage des Vertrages betrachten durfte, nachdem die Beklagte selber darauf ausgegangen war, durch Angaben über die Leistungsfähigkeit der Maschine und den angeblich erzielbaren Jahresverdienst im Kläger die betreffende Vorstellung zu erwecken und ihn dadurch zum Abschluss des Vertrages zu bewegen. Wer die Aussicht auf eine "selbständige Existenz" als Lockmittel für die Werbung von Käufern gebraucht und durch rechnerische Angaben von der Art der vorliegenden untermauert, muss sich, mag er selber gut- oder bösgläubig sein, bei seinen "Annahmen" behaften ![]() | 14 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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