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29. Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. März 1963 i.S. Stadtgemeinde Zürich gegen Megnet. | |
Regeste |
1. Klage nach Art. 975 ZGB: Deren Gegenstand können auch gewisse Vormerkungen sein, ebenso Anmerkungen rechtsbegründenden Charakters (hier: die Anmerkung öffentlichrechtlicher Eigentumsbeschränkungen gemäss Art. 962 ZGB, wie sie nach zürcherischem Recht in gewissen Fällen nur mit Zustimmung des Grundeigentümers zulässig ist). (Erw. 1). |
3. Werden im kantonalen Urteil Lücken des kantonalen Gesetzes durch sinngemässe Anwendung von Grundsätzen des Bundesprivatrechts ausgefüllt (hier in bezug auf die Geltendmachung von Willensmängeln), so bleibt die angefochtene Entscheidung eine kantonalrechtliche und unterliegt nicht der Berufung an das Bundesgericht. Art. 43 Abs. 1 und Art. 60 Abs. 1 lit. a OG. (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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B.- Auf Grund neuer gesetzlicher Anordnungen (nämlich des kantonalen Gesetzes vom 6. Dezember 1931 über die Förderung des Wohnungsbaues mit kommunalen Ausführungsbestimmungen laut Stadtratsbeschluss vom 23. September 1933) liess die Stadtgemeinde Zürich von nun an für neue Wohnbaudarlehen öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkungen im Grundbuch anmerken, wonach die Stadt Zürich dauernd den Verkaufspreis und die Mietzinsen bestimmen oder die Liegenschaften zum Selbstkostenpreis erwerben konnte. Das erwähnte Gesetz bestimmt in § 5: "Bei Beteiligung des Staates am Wohnungsbau muss die Bauherrschaft öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkungen im Grundbuch anmerken lassen, durch die die Benützung der erstellten Gebäude zu Wohnzwecken zu einem niedrigen Mietzins sichergestellt und jeder Gewinn beim Verkauf ausgeschlossen werden. ..". § 7 räumt den Gemeinden eine entsprechende Stellung ein. § 8 lautet: "§ 5 findet auch auf bisher mit Unterstützung des Staates oder der Gemeinden erstellte Gebäude Anwendung, doch dürfen die öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen gegen den Willen des Eigentümers nicht über die bisherigen vertraglichen Bestimmungen hinausgehen." ![]() | 2 |
"Die Eigentumsbeschränkungen sind auch zu Lasten der mit Gemeindehilfe bereits erstellten Wohnbauten anzumerken. Sie dürfen gegen den Willen des Eigentümers nicht über die bestehenden vertraglichen Verpflichtungen hinausgehen. Gleichzeitig mit der Anmerkung der öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkungen sind die zugunsten der Stadt allenfalls eingetragenen Kaufs- und Vorkaufsrechte zu löschen."
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Anlässlich der Einführung des eidgenössischen Grundbuches im betreffenden Grundbuchkreis (Wiedikon-Zürich) wurden zu Lasten der von der Baugenossenschaft Utoblick erstellten Einfamilienhäuser, insbesondere auch der Liegenschaft des Klägers Megnet, am 21. Februar 1941 öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkungen angemerkt, die im wesentlichen den Artikeln 2-6 des Stadtratsbeschlusses entsprechen. Megnet hatte dazu eingewilligt mit folgender Erklärung:
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"... Die Vormerkung (Kaufs- und Vorkaufsrecht) ist, soweit die Stadt Zürich berechtigt, zu löschen und zu ersetzen durch die neue Anmerkung (öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkungen)
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- Art. 2/6 der Ausführungsbestimmungen betreffend die mit Gemeindehilfe erstellten Wohngebäude vom 23 September 1933.
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Zu Gunsten der Baugenossenschaft Suwita, als Rechtsnachfolgerin der Baugesellschaft Utoblick, bleibt die Vormerkung bestehen..."
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C.- Im Juni 1958 ersuchte Megnet den Stadtrat von Zürich, die erwähnte Anmerkung löschen zu lassen. Er machte geltend, er habe erst vor wenigen Tagen vernommen, dass die Ausführungsbestimmungen zum Wohnbauförderungsgesetz einen Art. 8 enthalten, wonach dem Eigentümer einer bereits erstellten Wohnbaute eine über die bestehenden vertraglichen Verpflichtungen hinausgehende Eigentumsbeschränkung nicht gegen seinen Willen habe auferlegt werden dürfen. Über diese ihm zustehende Entschlussfreiheit sei er seinerzeit nicht belehrt worden. Der Stadtrat lehnte indessen das Löschungsbegehren ab.
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D.- Am 17. März 1961 erhob Megnet gegen die Stadtgemeinde Zürich Klage mit dem Antrag, es sei festzustellen, ![]() | 9 |
E.- Das Bezirksgericht Zürich hat die Klage am 9. Juni 1961 abgewiesen. Das Obergericht des Kantons Zürich hat sie dagegen mit Urteil vom 24. November 1961 zugesprochen. Es stellt fest, dass die zu Lasten der Liegenschaft des Klägers angemerkten öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkungen sowohl in zeitlicher Beziehung (angesichts ihrer unbegrenzten Geltungsdauer) wie auch inhaltlich (nach verschiedenen, näher dargelegten Richtungen hin) über die bisherigen vertraglichen Beschränkungen hinausgehen. Somit hätten die neuen Beschränkungen nach dem kantonalen Wohnungsbaugesetz nur mit Einwilligung des Klägers Geltung erlangen können. Die von ihm seinerzeit erteilte Zustimmung leide jedoch an dem von ihm behaupteten Willensmangel. Er habe sich in einem Rechtsirrtum befunden, der als wesentlich in Betracht falle, "wo eine behördliche Stelle zur Aufklärung des Bürgers verpflichtet gewesen wäre und diese Aufklärung unterlassen hat". So verhalte es sich hier, da der Grundbuchverwalter im Lastenbereinigungsverfahren bei Einführung des Grundbuches der ihm nach den kantonalen Vorschriften obliegenden Befragungs- und Orientierungspflicht gegenüber dem Kläger nicht nachgekommen sei. Dieser sei des Irrtums, unter dessen Einfluss er die Zustimmung erteilte, erst Mitte Juni 1958 gewahr geworden und habe diese Erklärung (den "Vertrag") sogleich mit Brief vom 17. Juni 1958, also gemäss Art. 31 OR fristgerecht, angefochten. Daher sei die gemäss Art. 975 ZGB erhobene Klage auf Löschung der Anmerkung zu schützen. Diese Anmerkung habe rechtsbegründende Bedeutung; sie beruhe auf der Erklärung des Grundeigentümers, die "ein materielles Erfordernis der Rechtsänderung bildet". Infolge des nachgewiesenen Willensmangels sei jene ![]() | 10 |
F.- Gegen dieses Urteil hat die beklagte Stadtgemeinde Zürich eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde erhoben und ferner die vorliegende Berufung an das Bundesgericht eingelegt mit dem erneuten Antrag auf Abweisung der Klage.
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Der Kläger beantragt, auf die Berufung sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen.
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G.- Mit Entscheid vom 12. Oktober 1962 hat das Kassationsgericht des Kantons Zürich die Nichtigkeitsbeschwerde, soweit darauf einzutreten war, abgewiesen, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Die Annahme des Obergerichts, die am 21. Februar 1941 angemerkten Eigentumsbeschränkungen gingen zeitlich und inhaltlich über die zuvor vorgemerkten Belastungen hinaus, ist haltbar. Somit ist seine Entscheidung nicht zu beanstanden, dass es nach § 8 des kantonalen Wohnbaugesetzes für die Anmerkung der Eigentumsbeschränkungen einer Einwilligung des Grundeigentümers bedurfte. Bei dieser Rechtslage ist es möglich, dass der Kläger bei seiner Zustimmung zur Anmerkung einem Irrtum erlegen ist. Zur Rechtsnatur dieser Zustimmung nimmt das Obergericht nicht eindeutig Stellung. Es spricht zunächst von einem privaten Rechtsgeschäft, neigt dann aber im weitern Verlauf seiner Ausführungen der Annahme eines verwaltungsrechtlichen Kontraktes zu. Letztlich betont das Obergericht, so oder so seien die Vorschriften des Obligationenrechtes über die Willensmängel anzuwenden, sei es unmittelbar als massgebliches Bundesrecht, sei es mittelbar als lückenausfüllendes kantonales Recht. Je nachdem, ob das eine oder andere zutrifft, ist die Berufung an das Bundesgericht zulässig und die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde unzulässig oder aber jenes Rechtsmittel unzulässig und dieses zulässig (§ 345 Abs. 1 der zürcherischen ZPO). In Zweifelsfällen wie dem vorliegenden pflegt das Kassationsgericht von der Zulässigkeit der Berufung ![]() | 13 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Der Kläger betrachtet die - auf seiner Zustimmungserklärung beruhende - Anmerkung öffentlichrechtlicher Eigentumsbeschränkungen im Grundbuch als ungerechtfertigt, weil er bei Erteilung seiner Zustimmung unter dem Einfluss eines wesentlichen Irrtums gestanden habe. Die im Sinne des Art. 975 ZGB erhobene Klage geht in erster Linie auf Feststellung der Unverbindlichkeit jener Zustimmungserklärung und sodann auf entsprechende Berichtigung des Grundbuches durch Löschung der Anmerkung. In Lehre und Rechtsprechung ist anerkannt, dass Gegenstand einer solchen Klage nicht nur Einträge im eigentlichen Sinn des Wortes, sondern - über den Wortlaut des Art. 975 ZGB hinaus - auch Vormerkungen, wenigstens solche bestimmter Art, bilden können (BGE 76 I 234oben; WIELAND, Bem. 3, f, OSTERTAG, N. 8, und HOMBERGER, N. 12 zu Art. 975 ZGB). Mit Bezug auf Anmerkungen - die in den beschreibenden Teil des Grundbuchblattes gehören (Art. 78 ff. der Grundbuchverordnung) - wird im allgemeinen die Zulässigkeit einer Grundbuchberichtigungsklage nach Art. 975 ZGB verneint mit Hinweis darauf, dass ihnen bloss deklarative Bedeutung zukomme (vgl. HOMBERGER, N. 12 eingangs zu Art. 975 ZGB; ebenso SCHILLER, Die Unrichtigkeit des Grundbuches nach dem schweizerischen ZGB, Diss. 1927/28, S. 40, und HARNISCH, Die Grundbuchberichtigungsklage nach dem schweizerischen ZGB, Diss. 1941 S. 28). Das bedeutet indessen nicht, dass Anmerkungen, die der Rechtslage nicht oder nicht mehr entsprechen, oder die ![]() | 14 |
2. Daraus, dass die Löschungsklage nach Bundesrecht (Art. 975 ZGB) gegeben war, folgt jedoch nicht, dass das in erster Linie gestellte Feststellungsbegehren, auf das sich der Löschungsanspruch stützt, ebenfalls vom Bundesrecht beherrscht sei. Die Feststellung betrifft vielmehr ein auf kantonalem Recht beruhendes Rechtsverhältnis: die Frage der Gültigkeit der Belastung der Liegenschaft des Klägers mit bestimmten öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkungen des kantonalen Rechts, wie sie nach Art. 6 und 702 ZGB gegenüber dem Bundesprivatrecht vorbehalten bleiben (vgl. dazu HUBER, N. 68/69 und 70 ff. zu Art. 6 ZGB; LEEMANN, N. 8 und 11 zu Art. 702 ZGB). Die Rechtsnatur dieser Eigentumsbeschränkungen wird dadurch nicht verändert, dass sie nach kantonaler (vom Bundesrat genehmigter) Vorschrift gemäss Art. 962 ZGB im Grundbuch anzumerken sind. Auch das im zürcherischen Wohnbaugesetz für gewisse Fälle aufgestellte Erfordernis der Einwilligung des Grundeigentümers lässt die öffentlichrechtliche (und kantonalrechtliche) Natur der ![]() ![]() | 15 |
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Gegenüber der zuletzt angeführten Entscheidung hat freilich LIVER (ZbJV 95 S. 3 ff.) die Ansicht geäussert, trotz der kantonalrechtlichen Natur der Korporationsteilrechte, um die es sich in jenem Fall handelte, wäre die Frage, ob die von einem Mitglied der Korporation abgegebene Erklärung den Willen zum Ausdruck gebracht ![]() | 17 |
Auf die Behauptung der Berufungsklägerin, die Frist zur Geltendmachung des Willensmangels nach Art. 31 OR sei verwirkt, könnte übrigens schon gemäss Art. 43 Abs. 3 OG nicht eingetreten werden, weil die gegenteilige Annahme des Obergerichts auf einer rein tatsächlichen Feststellung beruht.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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