BGE 96 II 65 | |||
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14. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 29. Mai 1970 i.S. K. gegen K. | |
Regeste |
Ehescheidung. Tiefe Zerrüttung, Art. 142 ZGB. |
Aus dem Umstand, dass eine Ehe lange gedauert hat, darf nicht generell geschlossen werden, ihre Fortsetzung sei deshalb nicht unzumutbar. | |
5. Die Vorinstanz hat daraus, dass die Ehe bis zur Trennung immerhin 27 Jahre dauerte, geschlossen, dass die Parteien trotz aller Gegensätze viel Gemeinsames verbinde und eine Fortsetzung dieser Ehe schon deshalb nicht unzumutbar sei. | |
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die Frage der Unzumutbarkeit in der Regel nach einem strengen Masstab zu beurteilen, wenn eine Ehe lange gedauert hat (BGE 74 II 66). Das Abstellen auf die Dauer der Ehe darf jedoch nicht in einer starren oder schematischen Weise erfolgen. Insbesondere darf aus dem Umstand, dass der klagende Teil jahrelang in einer zerrütteten Ehe ausharrte, nicht geschlossen werden, es könne nicht so schlimm gewesen und die Fortsetzung der Ehe daher nicht unzumutbar sein; andernfalls würden jene Ehegatten, die aus besonders starkem Pflichtgefühl oder im Interesse unmündiger Kinder lange Zeit Geduld geübt haben, gegenüber jenen, die rasch den Scheidungsrichter anrufen, benachteiligt (vgl. nicht publizierte Urteile des Bundesgerichts vom 17. Sept. 1959 i.S. Herfellner, vom 30. April 1962 i.S.
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Bikel S. 4, vom 8. Juni 1965 i.S. Hofmänner S. 7 und vom 12. Mai 1966 i.S. Mattmann S. 7). Massgebend muss sein, ob auf Grund der Umstände des einzelnen Falles begründete Aussicht darauf besteht, dass bei Fortsetzung der Ehe mit einer Verbesserung der unerfreulichen Verhältnisse gerechnet werden kann.
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Diese Erwartung ist im hier zu beurteilenden Fall nicht gerechtfertigt. Der Beklagte hat weder vor der Anhebung des Prozesses noch im Laufe des Verfahrens Einsicht in die zur Hauptsache von ihm verursachten Eheschwierigkeiten gezeigt; den Versuch der Klägerin, diese Schwierigkeiten mit Hilfe eines Eheberaters zu überwinden, hat er zunichte gemacht, als es vielleicht noch möglich gewesen wäre, die Ehe zu retten. Unter diesen Umständen kann entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht angenommen werden, dass der über 60 Jahre alte Beklagte im Falle einer Fortsetzung der Ehe sein Verhalten wesentlich umstellen und der Klägerin mit mehr Liebe und Respekt begegnen würde als bisher. Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass die Tochter der Parteien zufolge ihrer Heirat nicht mehr mit diesen zusammenleben würde. Die wegen der Tochter entstandenen Spannungen bildeten lediglich eine Ursache der ehelichen Streitigkeiten, und zwar nicht die wichtigste.
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