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41. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. Dezember 1971 i.S. G. gegen Vormundschaftsbehörde R. | |
Regeste |
Vormundschaft/Beiratschaft (Art. 369/395 ZGB). | |
Sachverhalt | |
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Mit der vorliegenden Berufung an das Bundesgericht beantragt der Beklagte, es sei das Urteil des Obergerichts aufzuheben, von einer Entmündigung Umgang zu nehmen und an deren Stelle eine Mitwirkungs- und Verwaltungsbeiratschaft anzuordnen.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
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Aus den Erwägungen: | |
2. In der Sache selbst rügt der Berufungskläger, dass die Vorinstanzen die härteste der in Frage stehenden vormundschaftlichen Massnahmen, die Entmündigung, angeordnet haben, obschon seiner Ansicht nach eine Mitwirkungs- und Verwaltungsbeiratschaft gemäss Art. 395 ZGB vollkommen genügen würde und seiner beschränkten Hilfsbedürftigkeit durchaus angemessen wäre. Er verweist insbesondere auf ![]() | 4 |
Nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit vormundschaftlicher Massnahmen darf eine Entmündigung nur ausgesprochen werden, wenn sich der angestrebte Zweck nicht auf andere Weise erreichen lässt (BGE 96 II 375 lit. e, EGGER, Kommentar, 2. Aufl., N 26 zu Art. 369 ZGB, SCHNYDER, Die Stufenfolge der vormundschaftlichen Massnahmen und die Verhältnismässigkeit des Eingriffs, in ZBJV 1969, S. 268 ff.). Das Obergericht hat diesen Grundsatz nicht verkannt und die beiden Möglichkeiten Vormundschaft/Beiratschaft sorgfältig gegeneinander abgewogen. Es kam dabei zum Schluss, dass im vorliegenden Falle nur eine Entmündigung genügenden Schutz für den Beklagten selber und seine Umwelt bieten könne. Dem ist beizustimmen.
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Im Falle BGE 96 II 371 ff. litt die in Frage stehende Person an einer schubweise auftretenden Geisteskrankheit. Zwischen den einzelnen, in grössern Abständen einsetzenden Krankheitsschüben galt sie als "sozial geheilt", d.h., sie vermochte ihre Angelegenheiten ohne weiteres selbst zu besorgen und zeigte keine Krankheitserscheinungen, derentwegen sie des Beistandes oder der Fürsorge bedurft hätte. Es genügte daher, dass ein Beirat bestellt wurde, der bei unverhofftem Auftreten neuer Störungen verhindern konnte, dass die Verbeiratete auf wirtschaftlichem Gebiet unsinnige Verfügungen traf, und der sich in der Weise um das Wohlergehen der Schutzbefohlenen kümmerte, dass er auf allfällige Anzeichen eines beginnenden Krankheitsschubs achtete, um allenfalls notwendig werdende Massnahmen (wie Anforderung ärztlicher Hilfe) rechtzeitig anordnen zu können.
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Der hier zu beurteilende Fall ist völlig anders: Der Berufungskläger leidet seit Jahren an einer dauernden, unheilbaren Geistesschwäche (einer sog. pseudologia phantastica, d.h. an einer krankhaften Neigung zum Schwindeln), und es ist laut psychiatrischem Gutachten zu befürchten, dass sich sein Zustand mit zunehmendem Alter noch verschlimmern wird. Zwischen 1945 und 1963 erlitt er sechs Freiheitsstrafen mit zusammen über zwei Jahren Gefängnis, u.a. wegen versuchter Anstiftung zu falschem Zeugnis, fortgesetzten und wiederholten Betrugs, Urkundenfälschung, Veruntreuung und Diebstahls. Trotzdem ![]() | 7 |
Unter diesen Umständen erscheint eine Beschränkung der Handlungsfähigkeit im Sinne von Art. 395 ZGB tatsächlich als ungenügend. Einmal vermöchte diese Massnahme nicht zu verhindern, dass sich der Berufungskläger durch seine unbeholfene und wirklichkeitsfremde Handlungsweise erneut in eine wirtschaftliche Notlage bringen könnte. Zum andern bestünde die Gefahr weiter, dass er unter unwahren Angaben neue Geschäftsbeziehungen anknüpfen, bei fremden Frauen falsche ![]() | 8 |
Der angefochtene Entscheid stellt fest, dass der Berufungskläger dauernd der Überwachung und des Beistandes bedürfe. Selbst wenn diese Schlussfolgerung nicht eine Beweiswürdigung darstellt, sondern teilweise auf allgemeiner Lebenserfahrung beruht und insoweit vom Bundesgericht überprüfbar ist (BGE 88 II 469, BGE 89 II 130, BGE 95 II 169 lit. b), kann sie angesichts der im Entscheid festgehaltenen Tatsachen nur bestätigt werden. Eine solche dauernde Überwachung und Hilfe überschreitet jedoch den Rahmen einer Beiratschaft im Sinne von Art. 395 ZGB. Dazu kommt, dass bei einer älteren Person wie dem Berufungskläger, die an einer Geistesschwäche leidet und praktisch mittellos ist, die persönliche Fürsorge (möglicherweise verbunden mit einer Unterbringung in einer Anstalt) im Vordergrund steht. Dem Hilfsbedürftigen einen möglichst umfassenden Schutz zu bieten und ihm in allen persönlichen Angelegenheiten beizustehen ist aber vornehmlich eine Aufgabe des Vormundes, dem vom Gesetz dafür auch die nötigen Hilfsmittel in die Hand gegeben sind (Art. 406 ZGB und EGGER, N 3 zu dieser Bestimmung). Wenn daher die Vorinstanz der Auffassung war, im vorliegenden Falle vermöge nur eine Vormundschaft zu genügen, so hat sie das Bundesrecht richtig angewendet.
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