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51. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. November 1971 i.S. Hörni gegen Zürich-Unfall, Kunz und Richner. | |
Regeste |
Schadenersatz zwischen Motorfahrzeughaltern. |
2. Verletzung dieser Pflicht durch zwei Lastwagenführer, die einen Unfall verursachen; Kausalzusammenhang (Erw. 3 und 4). |
3. Art. 60 Abs. 2, 61 Abs. 1 SVG. Aufteilung des Schadens; Bedeutung von Betriebsgefahr und Verschulden (Erw. 5). | |
Sachverhalt | |
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Ausgangs von Schindellegi beschreibt die Strasse eine Linkskurve und dann, bei einer Steigung von 5% und einem Hang entlang führend, eine langgezogene Rechtsbiegung. Sie ist auf dieser Strecke mit einer Leitlinie versehen und 6,10 bis 6,20 m breit.
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Als Hörni angeblich mit etwa 35 km/h die Rechtsbiegung befuhr, kam ihm von Biberbrugg her ein Lastzug entgegen, der von Paul Richner gesteuert war und aus einem 2,25 m breiten "Mercedes"-Lastwagen und einem 2,30 m breiten Zweiachs-Anhänger bestand. Richner fuhr auf der Talseite der Strasse und hatte nach seinen Angaben eine Geschwindigkeit von 40 km/h. Beim Kreuzen streifte das linke Vorderrad des "Fiat"-Lastwagens die linken Räder des Anhängers. Der Lastwagen geriet daraufhin auf die linke Fahrbahn und stürzte über die steile Böschung in eine Baumgruppe, wobei er stark beschädigt und Hörni schwer verletzt wurde.
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B.- Am 27. April 1965 klagte Hörni gegen Richner, den Halter des "Mercedes"-Lastwagens Ulrich Kunz sowie gegen die Versicherungsgesellschaft Zürich-Unfall, bei der Kunz für seine Halterhaftpflicht versichert war, auf Zahlung von Fr. 173'077.15 für Schadenersatz und Genugtuung.
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Der Kläger appellierte an das Kantonsgericht Schwyz, das mit Urteil vom 16. Dezember 1969 den Entscheid des Bezirksgerichtes aufhob und die Klage abwies.
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Der Begründung des Urteils ist zu entnehmen, dass das linke Vorderrad des "Fiat"-Lastwagens die Leitlinie beim Kreuzen um 12 cm überfuhr, während die linken Räder des Anhängers sich dieser Linie bis auf 10 cm näherten und dessen Oberbau 1,2 cm in die Linie hineinragte. Das Kantonsgericht ist jedoch der Meinung, Hörni sei für den Unfall allein verantwortlich, da er entgegen der Vorschrift des Art. 26 Abs. 2 MFG die Rechtsbiegung nicht eng genommen, sondern ohne Grund 1,13 m vom rechten Strassenrand entfernt gefahren sei. Nach Art. 25 Abs. 1 MFG hätte er zudem beim Kreuzen einen angemessenen Abstand wahren und innerhalb der rechten Strassenhälfte bleiben müssen. Angesichts des entgegenkommenden Lastzuges sei es unvernünftig und rücksichtslos gewesen, einen Teil der linken Fahrbahn für sich zu beanspruchen. Durch seine Fahrweise habe er elementare Verkehrsregeln grob verletzt und die einzige adäquate Unfallursache gesetzt. Richner dagegen sei mit dem Lastzug innerhalb seiner Fahrbahn geblieben; seine Fahrweise könne ihm trotz des knappen Abstandes von der Leitlinienmitte nicht als kausales Mitverschulden angerechnet werden.
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C.- Der Kläger hat gegen das Urteil des Kantonsgerichtes die Berufung erklärt. Er beantragt, es aufzuheben und die Klage gutzuheissen.
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Das Bundesgericht weist die Klage gegen Richner ab, heisst im übrigen die Berufung aber dahin gut, dass es das Urteil des Kantonsgerichtes aufhebt und die Sache zur Ermittlung und Berechnung des Schadens an die Vorinstanz zurückweist.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Richner fuhr nach eigenen Angaben mit etwa 40 km/h und sah, dass ihm ein Lastwagen entgegenkam. Unter diesen Umständen war es pflichtwidrig unvorsichtig, sich auf der eher schmalen Durchgangsstrasse der Leitlinie beim Kreuzen so zu nähern, dass die Karrosserie des Lastzuges zum Teil in die Linie hineinragte. Schon das Gebot, gegenüber entgegenkommenden Fahrzeugen einen genügenden Sicherheitsabstand zu wahren, verpflichtete ihn, weiter nach rechts zu halten. Er hatte keine Gewähr, gefahrlos kreuzen zu können, lief vielmehr Gefahr, den "Fiat"-Lastwagen zu streifen und dadurch mit den eigenen Fahrzeugen seitlich abgetrieben zu werden.
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b) Hörni hat die angeführten Verkehrsregeln der Art. 25 und 26 MFG erheblich schwerer verletzt als Richner. Obwohl er sich mit dem Wagen auf der Bergseite und auf der breiteren Fahrbahn befand, überfuhr er die Leitlinie um 12 cm, liess dagegen zu seiner Rechten mindestens 1,13 m offen. Dass die beschränkte Sicht in der Biegung, Rücksichten auf allfällige Fussgänger und in die Fahrbahn ragende Sträucher oder Äste ihn angeblich veranlassten, einen solchen Abstand vom rechten Strassenrand einzuhalten, lässt sich im Ernst nicht behaupten. Weder das eine noch das andere berechtigte ihn, sich über wichtige Verkehrsverpflichtungen hinwegzusetzen. Unter den gegebenen Umständen ging seine Pflicht, die dem Gegenverkehr vorbehaltene Fahrbahn freizuhalten und beim Kreuzen einen angemessenen Abstand zu wahren, seinem Bedürfnis, auf der rechten Seite gegen Überraschungen möglichst gesichert zu sein, vielmehr vor (vgl. BGE 87 IV 25). Seine Einwendungen sind umso weniger zu verstehen, als er das entgegenkommende Fahrzeug nach eigenen Aussagen schon zu Beginn der Linksbiegung erblickt hatte und sein Wagen mit einer Rechtssteurung versehen war, er folglich den rechten Strassenrand gut beobachten und den Abstand von dieser Seite ohne besondere Mühe auf ein Mindestmass beschränken konnte. Seine Fahrweise entbehrt jeder Rechtfertigung.
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4. Das pflichtwidrige Verhalten des Klägers war nicht nur im natürlichen, sondern auch im Rechtssinne kausal für die ![]() | 16 |
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Die Vorinstanz ist mit dem gerichtlichen Experten der Meinung, die an sich höhere Betriebsgefahr des Lastzuges habe sich bei der Streifkollision nicht auswirken können. Der Kläger behauptet demgegenüber, der Halter des Lastzuges habe wegen dessen Beschaffenheit und dessen ungleich grösseren Gewichtes eine viel höhere Betriebsgefahr zu vertreten als er. Aus dem Gewicht und der Länge des Lastzuges kann indes schon deshalb nichts für eine besondere Betriebsgefahr hergeleitet werden, weil einzig der Anhänger von der Kollision ![]() | 18 |
Richner trifft ein eher leichtes, Hörni dagegen ein ziemlich schweres Verschulden am Unfall. Die Fahrweise des ersteren ist, wenn nicht entschuldbar, so doch teilweise verständlich, da er mit dem Lastzug auf der Talseite und zudem auf der schmäleren Fahrbahn fuhr. So geringfügig, wie das Bezirksgericht anzunehmen schien, ist das Verschulden Richners, der Berufsfahrer ist, freilich nicht. Statt der Gefahr einer Streifkollision pflichtgemäss vorzubeugen, hat er die nach den Umständen gebotene erhöhte Vorsicht vielmehr vermissen lassen. In erheblich grösserem Masse ist dies aber Hörni vorzuwerfen. Die Vorinstanz hält ihm mit Recht entgegen, dass er die Leitlinie, die mindestens 100 m vor der Unfallstelle begann, schlechterdings nicht übersehen konnte. Trotzdem hat er die Strassenmitte in der Biegung leichtsinnig überfahren. Dadurch hat er den schweren Unfall zum überwiegenden Teile selbst verschuldet. In Würdigung aller Umstände rechtfertigt es sich, ihm nur einen Drittel des Schadens ersetzen und ihn zwei Drittel selber tragen zu lassen.
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