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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Jana Schmid, A. Tschentscher | |||
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20. Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. Juni 1973 i.S. Stadtgemeinde Zürich gegen Umberto Bonomo Söhne AG. | |
Regeste |
Forderungsklage eines vom Generalunternehmer nicht voll bezahlten, nicht durch ein gesetzliches Pfandrecht gesicherten Bauunternehmers gegen den Bauherrn. |
Ersatzanspruch des Materialeigentümers gegen den Grundeigentümer (Art. 672 ZGB). |
Gesetzgeberischer Grund, Voraussetzungen, Natur und Umfang dieses Anspruchs (Erw. 3-9). | |
Sachverhalt | |
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Am 26. Februar 1970 wurde über die Systembau AG der Konkurs eröffnet.
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B.- Innert der ihr gesetzten Frist erhob die Umberto Bonomo Söhne AG gegen die Stadtgemeinde Zürich beim Bezirksgericht Zürich Klage mit den Streitfragen:
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"1. Ist nicht festzustellen, dass der Klägerin gegenüber der Beklagten für eine Pfandsumme von Fr. 278'563.35 nebst 5% Zins ab 15. November 1969 ein Bauhandwerkerpfandrecht zusteht und ist nicht demzufolge die mit Verfügung Nr. 86/1969 vom 16. Dezember 1969 vom Einzelrichter des Bezirksgerichtes Zürich in nichtstreitigen Rechtssachen vorläufig angeordnete Eintragung definitiv einzutragen?
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2. Ist nicht eventuell festzustellen, dass die Beklagte für die fragliche Bauhandwerkerforderung von Fr. 278'563.35 in anderer Weise angemessene Sicherheit zu leisten hat?
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3. Ist nicht ferner die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin den Betrag von Fr. 278'563.35 nebst Zins von 5 % ab 15. November 1969 zu bezahlen und zwar
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a) aus Werkvertrag,
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b) eventuell aus ungerechtfertigter Bereicherung, alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Beklagten?"
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Mit Urteil vom 11. September 1970 wies das Bezirksgericht die Klage ab. Es erachtete die Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechtes zulasten der Schulhausliegenschaft, die zum Verwaltungsvermögen der Beklagten gehöre, aufgrund von Art. 9 und 10 des Bundesgesetzes über die Schuldbetreibung ![]() | 9 |
C.- Das Obergericht des Kantons Zürich, an das die Klägerin appellierte, erachtete die Sicherstellungsansprüche der Klägerin ebenfalls als unbegründet, stimmte dem Bezirksgericht auch darin zu, dass die Klägerin die Beklagte weder aus Vertrag noch als Geschäftsherrin oder aus ungerechtfertigter Bereicherung belangen könne, und entschied, die Voraussetzungen für einen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag seien nicht gegeben. Es nahm dagegen an, die Beklagte habe der Klägerin nach Art. 672 ZGB den objektiven Wert des von dieser gelieferten Materials und des weitern Bauaufwandes abzüglich der von der Systembau AG an sie geleisteten Zahlungen zu ersetzen, sofern das Baugrundstück durch ihre Aufwendungen einen entsprechenden Mehrwert erlangt habe. Mit Urteil vom 12. Dezember 1972 sprach es der Klägerin unter diesem Titel den Betrag von Fr. 241'488.62 nebst Zins zu, auf den die Parteien am Schluss des kantonalen Verfahrens, vom gerichtlichen Gutachten über die erwähnten Werte ausgehend, die restliche Werklohnforderung der Klägerin für den Fall der grundsätzlichen Gutheissung der Klage vergleichsweise beziffert hatten. Es nahm dabei an, der durch die Aufwendungen der Klägerin geschaffene objektive Mehrwert des Grundstücks entspreche dem Wert dieser Aufwendungen. Im übrigen wies es die Klage ab.
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D.- Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag auf vollständige Abweisung der Klage.
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Das Bundesgericht heisst die Berufung in dem Sinne gut, dass es das angefochtene Urteil aufhebt und die Sache zur Aktenergänzung und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückweist.
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Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag stehen der Klägerin gegenüber der Beklagten, wie die Vorinstanz mit Recht angenommen hat, nicht zu, weil die Klägerin nicht die Absicht hatte, im Sinne von Art. 419 OR ohne Auftrag zu handeln (BGE 75 II 226).
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Auf Art. 55 OR kann die Klägerin ihre Forderung gegen die Beklagte schon deshalb nicht stützen, weil die Systembau AG, die gegenüber der Klägerin unbefugterweise als Vertreterin der Beklagten aufgetreten ist, in ihrer Eigenschaft als Generalunternehmerin nicht eine Hilfsperson der Beklagten im Sinne von Art. 55 OR war.
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Schliesslich ist der Vorinstanz auch darin beizustimmen, dass die Beklagte der Klägerin nicht aus ungerechtfertigter Bereicherung (Art. 62 ff. OR) haftet. Die Bauarbeiten der Klägerin auf der Schulhausliegenschaft, die der Beklagten zugute kamen, gehören zu den Leistungen, welche die Systembau AG der Beklagten im "Pauschal-Werkvertrag" vom 4. August 1967 versprochen hatte. Die Gültigkeit dieses Vertrages ist nicht umstritten. Die in den Bauarbeiten der Klägerin liegende Zuwendung an die Beklagte stellte sich also, von der Beklagten aus betrachtet, als eine vertragliche Leistung der Systembau ![]() | 17 |
Zu prüfen bleibt also nur, ob die Klägerin von der Beklagten aufgrund des vom Obergericht angewendeten Art. 672 ZGB eine Entschädigung fordern könne.
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"Findet keine Trennung des Materials vom Boden statt, so hat der Grundeigentümer für das Material eine angemessene Entschädigung zu leisten.
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Bei bösem Glauben des bauenden Grundeigentümers kann der Richter auf vollen Schadenersatz erkennen.
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Bei bösem Glauben des bauenden Materialeigentümers kann er auch nur dasjenige zusprechen, was der Bau für den Grundeigentümer allermindestens wert ist."
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Diese Bestimmung schreibt vor, dass und in welchem Umfang die Vermögensverschiebung auszugleichen ist, die infolge des durch das Akzessionsprinzip bewirkten Übergangs einer mit fremdem Material erstellten Baute ins Eigentum des Grundeigentümers zu dessen Gunsten eintritt, wenn eine Trennung des Materials vom Boden unterbleibt (vgl. BGE 81 II 436, BGE 95 II 226 Erw. 2b). Indem diese Bestimmung den Anspruch des Materialeigentümers auf solchen "Ersatz" (vgl. den Randtitel) besonders regelt, unterscheidet sie sich von dcn Art. 726 ![]() | 23 |
Schon in den Erläuterungen zum Vorentwurf des ZGB wurde bei Behandlung der Vorschriften über Bauten, die mit fremdem Material oder auf fremdem Boden erstellt wurden (Art. 673/74 des Vorentwurfes = VE), auf die Vorschrift über die Verbindung beweglicher Sachen untereinander (Art. 720 VE) Bezug genommen, und zwar in dem Sinne, dass eine allfällige Regelung der vom Vorentwurf (und vom Gesetz) nicht besonders geordneten Fälle, in denen die Verbindung beweglicher Sachen mit einem Grundstück nicht vom Material- oder vom Grundeigentümer, sondern von einem Dritten hergestellt wird, der für die Verbindung beweglicher Sachen untereinander massgebenden Ordnung (Art. 720 VE) entsprechen könnte (Erl. 1. Ausgabe 3. Heft S. 84, 2. Ausgabe 2. Band S. 88). Dem Gesetzgeber war also bewusst, dass die Bestimmungen über den Bau mit fremdem Material oder auf fremdem Boden und die Bestimmungen über die Verbindung beweglicher Sachen untereinander verwandte Fragen regeln. Der Verfasser des Vorentwurfes, Prof. EUGEN HUBER, der die Rechtsvergleichung als unentbehrliches Element der Arbeit des Gesetzgebers betrachtete (Erl. 1. Ausg. 1. Heft, 2. Ausg. 1. Band, je S. 6 unten ff.; BGE 96 II 291 Erw. 7), kannte aber zweifellos auch die Bestimmung ![]() | 24 |
In BGE 81 II 436 und BGE 95 II 226 Erw. 2b hat das Bundesgericht freilich angenommen, der Erwerb des Eigentums am eingebauten fremden Material durch den Grundeigentümer beruhe auf der im Gesetz vorgesehenen Akzession, entbehre also nicht eines gültigen Grundes und lasse sich daher nicht im Sinne von Art. 62 Abs. 2 OR als ungerechtfertigt bezeichnen. Der Umstand, dass der Grundeigentümer das Eigentum am eingebauten Material kraft Gesetzes erwirbt, wäre jedoch kein Hindernis dafür, beim Fehlen der in Art. 672 ZGB enthaltenen Sonderregelung in Fällen, wo der Grundeigentümer nicht aufgrund von Art. 41 OR zu Schadenersatz verpflichtet werden kann, die Vorschriften der Art. 62 ff. OR über die ungerechtfertigte Bereicherung anzuwenden, so dass dieser Umstand nicht etwa als gesetzgeberischer Grund der Sonderregelung von Art. 672 ZGB gelten kann. Auch die Vermögensverschiebung infolge von Verarbeitung, Verbindung oder Vermischung beweglicher Sachen, die gemäss dem in Art. 726 Abs. 3 und 727 Abs. 3 ZGB ausgesprochenen, diese Möglichkeit als gegeben voraussetzenden Vorbehalt u.a. Bereicherungsansprüche auslösen kann, hat nämlich einen gesetzlichen Grund ![]() | 25 |
Der Grund für die Sonderregelung des Art. 672 ZGB kann auch nicht etwa einfach darin gefunden werden, dass diese Regelung dem bisherigen kantonalen Recht entsprochen hätte. Die Erläuterungen zum VE stellen im Gegenteil fest, dass diese Regelung vom kantonalen Recht (das nach HUBER, Schweiz. Privatrecht, III S. 178 ff. lit. b, zum Teil vom französischen Recht beeinflusst war) wesentlich abweiche (Erl. 1. Ausg., 3. Heft S. 84, 2. Ausg., 2. Band S. 88).
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Es bleibt also dabei, dass die in Art. 672 ZGB enthaltene Sonderregelung getroffen wurde, damit dem Materialeigentümer unter Umständen ein Ausgleich gewährt werden kann, den ihm die Anwendung der allgemeinen Grundsätze über die ungerechtfertigte Bereicherung nicht zu verschaffen vermöchte..(Das ZGB trägt der besonderen Lage der Bauhandwerker und -unternehmer, denen diese Regelung vor allem zugute kommt, auch in anderer Weise Rechnung; vgl. Art. 837 ff. ZGB).
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b) Nach seiner Entstehungsgeschichte und nach der Lehre ist Art. 672 ZGB auch dann nicht anwendbar, wenn die Verbindung des Materials mit dem Grundstück von jemandem vorgenommen ![]() | 29 |
c) Art. 672 Abs. 1 ZGB sagt, der Grundeigentümer habe, wenn keine Trennung des Materials von Boden erfolgt, "für das Material" eine angemessene Entschädigung zu leisten. Bei der Festsetzung dieser Entschädigung fällt jedoch nicht bloss der Wert des eingebauten Materials bzw. der diesem zu verdankende Mehrwert des Grundstücks in Betracht, sondern im Falle, dass der Materialeigentümer baut, ist nach dem Zweck der Vorschrift jedenfalls im Umfang der auf den Bau zurückzuführenden Wertvermehrung des Grundstücks der ganze Bauaufwand des Materialeigentümers (also auch dessen Arbeit) zu berücksichtigen (BGE 82 II 290 f. Erw. 5, BGE 95 II 228 Erw. 2; LIVER, ZBJV 1958 S. 30; MEIER-HAYOZ, 3. Aufl., N. 9 zu Art. 672 ZGB; vgl. Art. 672 Abs. 3 ZGB, wo vom Wert des Baues für den Grundeigentümer die Rede ist).
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d) In seinem Aufsatz über die Frage: "L'entrepreneur a-t-il droit à l'hypothèque légale en cas de construction sur le fonds d'autrui et de faillite du propriétaire?" (JdT 1970 I 130 ff.) kritisiert PIOTET (S. 132 ff.) u.a. den eben angeführten Entscheid ![]() ![]() | 31 |
Diese Argumente sind jedoch nicht schlüssig. Mit fremdem Material auf eigenem Boden bauender Grundeigentümer im Sinne von Art. 671/73 ist nicht nur der Grundeigentümer, der durch einen Unternehmer bauen lässt, sondern gegebenenfalls auch der Grundeigentümer, der selbst bzw. mit seinen eigenen Leuten baut. Entsprechend darf auch der in diesen Bestimmungen verwendete Begriff des bauenden Materialeigentümers nicht einfach auf denjenigen bezogen werden, der durch einen Unternehmer bauen lässt. Vielmehr ist darunter gemäss dem allgemein gefassten Wortlaut des Gesetzes jeder Eigentümer von Material zu verstehen, der sein Material zu einer Baute auf fremdem Boden verwendet, sei er zugleich der Bauherr oder ein im Auftrag eines solchen tätiger Unternehmer. Der Umstand, dass der Eigentümer des Materials dieses in Ausführung eines von ihm abgeschlossenen Vertrags einbaut, schliesst die Anwendung von Art. 672 ZGB nur dann von vornherein aus, wenn es sich um einen Vertrag mit dem Grundeigentümer handelt; nur ein solcher Vertrag kann der gesetzlichen Ordnung der Beziehungen zwischen dem Material- und dem Grundeigentümer vorgehen und den Übergang des Eigentums am Material auf den Grundeigentümer ohne weiteres rechtfertigen (vgl. lit. a hievor). Ein Vertrag zwischen dem bauenden Materialeigentümer und einem vom Grundeigentümer verschiedenen Bauherrn steht als res inter alios acta den gesetzlichen Ansprüchen des Materialeigentümers gegen den Grundeigentümer grundsätzlich nicht im Wege. Das gleiche gilt für einen Vertrag zwischen dem Grundeigentümer und einem vom Materialeigentümer verschiedenen Unternehmer. (Eine andere Frage ist es, inwiefern die gemäss einem solchen Vertrag zu leistenden und geleisteten Zahlungen den Umfang dieser gesetzlichen Ansprüche beeinflussen; vgl. hiezu Erw. 7 b/c hienach). Die Tatsache schliesslich, dass Art. 672 ZGB nicht in erster Linie zum Zweck erlassen wurde, den Materialeigentümer gegen das Risiko der Zahlungsunfähigkeit eines vom Grundeigentümer verschiedenen Vertragspartners zu schützen, verbietet nicht, dass diese Bestimmung, wenn die Voraussetzungen ihrer Anwendung zutreffen, dem Materialeigentümer unter Umständen einmal zu einer vom Vertragspartner nicht erhältlichen Zahlung ![]() | 32 |
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Ob zwischen der Klägerin und der Systembau AG, wiewohl diese der Klägerin gegenüber als Vertreterin der Beklagten aufgetreten war, entsprechend der Darstellung der Beklagten ein Vertrag zustandegekommen sei, kann offen bleiben, weil ein solcher Vertrag der Anwendung von Art. 672 ZGB nicht entgegenstünde (Erw. 4d hievor). Der Ersatzanspruch gemäss dieser Bestimmung, die dem Materialeigentümer (namentlich dem bauenden Materialeigentümer) einen besonderen Schutz gewähren will (Erw. 3 hievor), tritt neben eine allfällige Forderung aus Vertrag gegen einen vom Grundeigentümer verschiedenen Besteller (BGE 95 II 227 oben).
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Der Umstand, dass die Beklagte aufgrund ihres Vertrags. mit der Systembau AG auf die von der Klägerin erbrachten Leistungen Anspruch hatte, schliesst zwar die Annahme einer ungerechtfertigten Bereicherung der Beklagten im Sinne von Art. 62 OR aus (zweitletzter Absatz von Erw. 2 hievor), hindert aber die Anwendung von Art. 672 ZGB so wenig wie ein allfälliger Vertrag zwischen der Klägerin und der Systembau AG, da nur ein Vertrag zwischen Material- und Grundeigentümer der in dieser Bestimmung enthaltenen gesetzlichen Regelung vorgeht (Erw. 4d hievor).
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b) Der Anspruch auf Vergütung dessen, was der Bau für den Grundeigentümer allermindestens wert ist, auf den die Entschädigungsforderung des bösgläubig auf fremdem Boden bauenden Materialeigentümers gegen den gutgläubigen Grundeigentümer nach Art. 672 Abs. 3 ZGB beschränkt werden kann, ist offensichtlich kein auf einem unkorrekten Verhalten des Grundeigentümers beruhender Schadenersatzanspruch, für dessen Bemessung die Regeln über den Schadenersatz aus unerlaubter Handlung gelten könnten. Dieser Anspruch lässt sich vielmehr nach seinem gesetzgeberischen Grunde, der nur im Ausgleich eines dem Grundeigentümer zugefallenen Vorteils liegen kann, sowie nach seinem Gegenstande (Mindestwert der Baute für den Grundeigentümer) nur als Bereicherungsanspruch besonderer Art qualifizieren. Der massgebende Mindestwert der Baute für den Grundeigentümer ist ein subjektiver Wert, der nicht nur die mit dem Bauen verbundene Vermögenseinbusse des Materialeigentümers, sondern auch den auf die Baute zurückzuführenden objektiven Mehrwert des Grundstücks weit ![]() | 39 |
c) Gleicher Art wie die eben behandelten Ansprüche eines bösgläubigen Materialeigentümers gegen einen gutgläubigen Grundeigentümer sind auch die Ansprüche des Materialeigentümers bei gutem Glauben beider Teile, gleichgültig, ob der eine oder der andere baut. Auch in diesen Fällen kann dem Grundeigentümer mangels eines Verschuldens weder eine unerlaubte Handlung im Sinne von Art. 41 OR noch ein deliktsähnliches Verhalten vorgeworfen werden, sondern lässt sich seine Entschädigungspflicht nur mit der auf die Baute zurückzuführenden Wertvermehrung seines Grundstücks rechtfertigen. Auch der Entschädigungsanspruch des gutgläubigen Materialeigentümers gegen einen gutgläubigen Grundeigentümer ist also seinem Wesen nach ein Bereicherungsanspruch. Er unterliegt zwar hinsichtlich seiner Voraussetzungen nicht dem OR, sondern der Sonderregelung von Art. 672 in Verbindung mit Art. 671 ZGB, die für den Materialeigentümer unter Umständen günstiger ist, was sich vor allem darin zeigt, dass nach dieser Regelung anders als nach Art. 62 OR nur ein Vertrag zwischen Grund- und Materialeigentürmer, nicht auch ein Vertrag zwischen dem Grundeigentümer und einem vom Materialeigentümer verschiedenen Unternehmer die Entstehung einer unmittelbar auf Gesetz beruhenden Ausgleichsforderung des Materialeigentümers von vornherein ausschliesst (Erw. 4a und 4d im Unterschied zum zweitletzten Absatz von Erw. 2 hievor). Sobald aber die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 672 Abs. 1 ZGB erfüllt sind, richtet sich der Entschädigungsanspruch des gutgläubigen Materialeigentümers gegen den gutgläubigen Grundeigentümer nach den Regeln des Bereicherungsrechts (Art. 62 ff. OR), die für die Beurteilung eines solchen Anspruchs beim Fehlen der im ZGB getroffenen Sonderregelung in jeder Hinsicht massgebend wären (vgl. den drittletzten Absatz von Erw. 3 hievor).
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d) Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 671/73 ZGB nimmt an, ausserhalb des rechtsgeschäftlichen Verkehrs (wo der Schutz des guten Glaubens, soweit überhaupt vorgesehen, den auf einem entschuldbaren Irrtum beruhenden Glauben an das Vorliegen einer fehlenden Tatsache voraussetze) habe der Richter den (in Art. 3 ZGB nicht definierten) guten Glauben immer dann gelten zu lassen, wenn die betreffende Person in guten Treuen gehandelt hat, "wenn unredliches, moralisch verwerfliches Verhalten ausgeschlossen erscheint" (BGE 57 II 255f. Erw. 2, BGE 95 II 227 Erw. 2c; im gleichen Sinne BGE 81 II 276 Erw. 8, BGE 82 II 290 Erw. 4 und 291 Erw. 5 a.E.; ![]() | 42 |
Wer bei der Aufmerksamkeit, wie sie nach den Umständen von ihm verlangt werden darf, nicht gutgläubig sein konnte, ist nach Art. 3 Abs. 2 ZGB nicht berechtigt, sich auf den (möglicherweise tatsächlich vorhandenen oder nach Art. 3 Abs. 1 ZGB zu vermutenden) guten Glauben zu berufen (vgl. hiezu JÄGGI, N. 104 ff. zu Art. 3 ZGB, und DESCHENAUX, S. 226). In der Lehre ist streitig, ob dieseVorschrift nur dann anwendbar sei, wenn der gute Glaube auf der Unkenntnis eines Rechtsmangels beruht (so JÄGGI, N. 105, und DESCHENAUX, S. 227 Ziff. 3), oder ob diese Vorschrift einen weitern Sinn habe und folglich auch dann gelte, wenn der gute Glaube deswegen zu bejahen ist, weil das Unrechtsbewusstsein trotz Kenntnis des Rechtsmangels fehlt, m.a.W. ob in einem solchen Falle der Schutz des an sich vorhandenen guten Glaubens zu versagen sei, wenn der betreffenden Person bei gehöriger Überlegung hätte bewusst sein müssen, dass sie unrecht handle (so PIOTET, JdT 1970 II 134/35, in seinen kritischen Ausführungen zu BGE 95 II 221 ff., wo in Erw. 2c S. 227 dem bauenden Materialeigentümer der gute Glaube zugebilligt wurde, obwohl er sorgfältige Erkundigungen ![]() | 43 |
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b) Die Vermögenseinbusse der Klägerin entspricht dem noch ausstehenden Teilbetrag ihrer Werklohnforderung, der im kantonalen Verfahren auf Fr. 241'488.62 beziffert wurde (lit. C hievor). Die Beklagte behauptet nicht etwa, dieser Betrag übersteige die Summe, welche die Klägerin aufgrund des nach der Darstellung der Beklagten zwischen der Klägerin und der Systembau AG zustandegekommenen Werkvertrages noch zugut habe, m.a.W. der bauliche Aufwand der Klägerin sei bei der Berechnung ihrer Restforderung höher bewertet worden, als das nach Massgabe des behaupteten Vertrags hätte geschehen dürfen. (Wäre dies der Fall, so müsste der den vertragsmässigen Werklohn übersteigende Teil des Aufwandes der Klägerin bei der Berechnung der Entschädigung nach Art. 672 ZGB ausser Betracht bleiben, weil die Vermögenseinbusse der Klägerin ![]() | 45 |
c) Nach den in diesem Punkte nicht angefochtenen Feststellungen der Vorinstanz entspricht der von der Klägerin geschaffene objektive Mehrwert des Baugrundstücks dem objektiven Wert ihrer Aufwendungen, der nach dem eben Gesagten dem von ihr beanspruchten Werklohn gleichgesetzt werden darf. Die Beklagte wurde aber dadurch, dass ihr mit dem Eigentum an der Baute auch dieser Mehrwert zufiel, nicht gerade auch um diesen Mehrwert bereichert. Die Gesamtheit der auf ihrem Grundstück ausgeführten Arbeiten brachte ihr vielmehr nur dann einen Vermögenszuwachs, wenn der objektive Wert dieser Arbeiten den Betrag von Fr. 3'191,400.-- übersteigt, den sie der Systembau AG für die Erstellung des schlüsselfertigen Schulhauses als Pauschal-Werkpreis bezahlt oder zu zahlen hat. (Wahrscheinlich hat die Beklagte, wie sie behauptet, diesen Betrag bereits voll bezahlt; die Vorinstanz hat das zwar nicht positiv festgestellt; es ist für die Ermittlung einer allfälligen Bereicherung der Beklagten indessen unerheblich, ob diese den erwähnten Betrag schon ganz bezahlt hat oder zum Teil noch schuldet.) Dementsprechend ist die Beklagte durch die Bauarbeiten der Klägerin nur bereichert, wenn der von der Klägerin geschaffene objektive Mehrwert des Grundstücks den Teil des Pauschalpreises übersteigt, der bei proportionaler Aufteilung dieses Preises nach Massgabe des Wertes der Arbeiten der verschiedenen Bauunternehmer und -handwerker auf die Arbeiten der Klägerin entfällt. Diesen Anteil hat die Vorinstanz nicht ermittelt. Das ist nachzuholen.
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Nach dem normalen Lauf der Dinge wäre allerdings zu erwarten, dass der von der Klägerin in Rechnung gestellte Bauaufwand, mit dessen Wert der darauf zurückzuführende objektive Mehrwert des Grundstücks übereinstimmt, von dem auf diesen Aufwand entfallenden Teil des Pauschalpreises erreicht werde. Die Systembau AG hätte sonst an den von der Klägerin für sie ![]() | 47 |
"Vermutlich hat die Systembau AG der Stadt Zürich die Arbeiten viel zu billig offeriert. Mit den von der Stadt Zürich erhaltenen Geldern hat sie die aufgebotenen Unternehmer nicht entschädigen können. Die Gesamtleistung sämtlicher am Bau beteiligten Unternehmer übersteigt die Zahlungen der Beklagten erheblich, was die beträchtlichen Verluste der betroffenen Handwerker erklären würde.
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Diese sehr naheliegende ,Vermutung' wird im vorliegenden Fall zur vorsorglichen Behauptung erhoben und es wird dafür der Beweis durch Expertise offeriert."
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Wenn diese Behauptung zutreffen und demgemäss der dem Bauaufwand der Klägerin zu verdankende objektive Mehrwert des Grundstücks den auf diesen Aufwand entfallenden Teil des Pauschal-Werkpreises übersteigen sollte, wäre die Beklagte zum Nachteil der Klägerin um diesen Mehrbetrag bereichert. Diese Bereicherung wäre zwar im Sinne von Art. 62 OR nicht ungerechtfertigt, weil die Beklagte kraft ihres Vertrages mit der Systembau AG auf die fraglichen Materiallieferungen und Arbeitsleistungen Anspruch hatte (Erw. 2 hievor). Sie wäre aber der Klägerin nach der Sondervorschrift von Art. 672 ZGB, die in diesem Punkte für den Materialeigentümer günstiger ist (Erw. 6c hievor), gleichwohl zu ersetzen. Daher hat die Vorinstanz über die wiedergegebene Behauptung der Klägerin Beweis zu erheben und hierauf den eingeklagten Ersatzanspruch neu zu beurteilen.
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8. Gegenüber der Behauptung der Beklagten, sie sei nicht bereichert, weil sie die Systembau AG voll entschädigt habe, und die Klägerin habe höchstens einen Schadenersatzanspruch gegen diese Firma, wendet die Klägerin in der Berufungsantwort ein, nicht sie, sondern die Beklagte müsse "den Schadenersatz bei der Systembau AG suchen"; die Beklagte habe denn auch gegen Verwaltungsräte dieser AG einen Verantwortlichkeitsprozess eingeleitet und dabei auch die im vorliegenden Prozess gegen sie erhobene Forderung "namhaft gemacht" (gemeint offenbar: als Schadensposten aufgeführt); dringe die Beklagte mit ihrem Verantwortlichkeitsanspruch durch, so sei sie (gemeint offenbar: durch das Verhalten der Systembau AG und ![]() | 51 |
Dieser Betrachtungsweise kann nicht gefolgt werden. Verantwortlichkeitsansprüche von Gläubigern gegen Verwaltungsräte einer in Konkurs geratenen AG sind Schadenersatzansprüche und setzen daher voraus, dass durch Pflichtverletzungen dieser Personen ein Schaden tatsächlich eingetreten ist (Art. 754 Abs. 1 OR). Ob die Beklagte infolge ihrer Zusammenarbeit mit der Systembau AG einen Schaden erleiden wird, steht erst nach rechtskräftiger Erledigung des vorliegenden Prozesses fest. Vorher verfügt die Beklagte noch gar nicht über Verantwortlichkeitsansprüche gegenüber Verwaltungsräten der Systembau AG. Der von der Klägerin erwähnte Prozess hat daher auf die Beurteilung der Frage, ob die Beklagte als bereichert zu betrachten sei, keinen Einfluss.
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9. Es wird weder behauptet, noch bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin im Konkurs der Systembau AG eine Forderung aus Vertrag oder aus Art. 39 OR angemeldet, deren Zulassung erreicht und dafür eine Dividende zu erwarten oder gar erhalten habe, und die Beklagte macht nicht geltend, dass sich die Klägerin eine solche Dividende auf die eingeklagte Forderung aus Art. 672 ZGB anrechnen lassen müsse. Daher ist die Frage einer solchen Anrechnung im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen (ebensowenig die Frage, ob eine der Klägerin nach Art. 672 ZGB zukommende Ersatzleistung auf eine von ihr im Konkurs der Systembau AG geltend gemachte Forderung anzurechnen wäre).
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