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56. Urteil der I. Zivilabteilung vom 1. Juli 1975 i.S. Saner und Mitbeteiligte gegen Schweizerische Lebensversicherungs- und Rentenanstalt. | |
Regeste |
Mietzinserhöhung, Anpassung an die Teuerung. |
2. Art. 15 lit. d BMM, Art. 11 VMM. Berechnung einer nach diesen Bestimmungen zulässigen Erhöhung von Mietzinsen für Bauten, die vor 1971 erstellt worden und nicht mit Hypotheken belastet sind (Erw. 2). | |
Sachverhalt | |
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Auf Klage der Vermieterin verfügte der Gerichtspräsident von Solothurn-Lebern am 18. September 1974, dass die Klägerin die Mietzinse ab 1. Oktober 1973 um 11,1% erhöhen dürfe.
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Die Beklagten rekurrierten an das Obergericht des Kantons Solothurn. Dieses bestätigte am 20. Februar 1975 die angefochtene Verfügung und erkannte, dass die den Mietern am ![]() | 3 |
B.- Die Beklagten haben gegen dieses Urteil Berufung und staatsrechtliche Beschwerde eingelegt. Mit der Berufung beantragen sie, Urteilsspruch Ziff. 2 des angefochtenen Entscheides aufzuheben und eine Erhöhung der Mietzinse ab 1. Oktober 1973 für unzulässig zu erklären, eventuell die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Die Klage der Vermieterin geht auf einen höheren Jahreszins für wiederkehrende Nutzungen, von denen ungewiss ist, wie lange sie dauern. Diesfalls ist gemäss Art. 36 OG der mutmassliche Kapitalwert (Abs. 4), d.h. der zwanzigfache Betrag der streitigen Jahresleistung als Streitwert einzusetzen (Abs. 5). Vor dem Obergericht stritten die Parteien sich noch um Erhöhungen von 11,1% auf Jahreszinsen von mindestens Fr. 4'500.-- oder um einen Mehrbetrag von Fr. 499.50 je Mieter. Das ergibt bei einem Mieter einen Kapitalwert von Fr. 9'990.--, bei elf Beklagten, deren Ansprüche einander nicht ausschliessen und daher zusammenzurechnen sind (Art. 47 ![]() | 7 |
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a) Das Obergericht hält im vorliegenden Fall eine Mietzinserhöhung von 11,1%, die zu 7,6% auf die Kaufkraftsicherung des risikotragenden Kapitals und zu 3,5% auf die Hypothekarzinserhöhung entfielen, für zulässig.
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Es führt aus, Art. 15 lit. d BMM sei erst anlässlich der parlamentarischen Beratungen eingefügt worden. Aus den dabei abgegebenen Voten erhelle (Sten.Bull. 1972 StR S. 346, NR S. 974 und 979/80), dass man die Kaufkraft des investierten Eigenkapitals sichern und hiefür im Durchschnitt 40% des Anlagewertes berücksichtigen wollte, gleichviel ob der Vermieter die Liegenschaft ganz oder nur teilweise aus eigenen Mitteln finanzierte. Mit dieser Regelung solle verhindert werden, dass der Vermieter auf nominell gleichbleibenden Schulden einen Inflationsgewinn erziele und dass die Mieter unterschiedliche, vom Prozentsatz des investierten Eigenkapitals abhängige Mietzinse bezahlen müssen. Nach diesen Grundgedanken des BMM dürfe die Klägerin bei einem Anstieg des Indexes um 22 Punkte zwischen Oktober 1970 und April 1973, ![]() | 10 |
Das Obergericht nimmt sodann an, die Klägerin habe die Liegenschaften aus eigenen Mitteln finanziert; gleichwohl dürfe sie die Mietzinse auch wegen des inzwischen gestiegenen Hypothekarzinsfusses anpassen, da sie das investierte Eigenkapital anderswo zu einem höheren Zinsfuss anlegen könnte; die Anpassung entspreche dem Sinn des Gesetzes. Die Kantonalbank Solothurn habe die Hypothekarzinse auf 1. Januar 1971 um 1/4% erhöht; es sei nicht bewiesen, dass die Klägerin diese Erhöhung bereits am 1. Oktober 1970 berücksichtigt habe. Der hiefür bewilligte Aufschlag von 3,5% decke sich mit den Richtlinien des Beauftragten des Bundesrates zur Überwachung der Preise, Löhne und Gewinne.
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b) Die Beklagten versuchen die Ausführungen des Obergerichtes zur Entstehungsgeschichte des Art. 15 lit. d BMM nicht zu widerlegen. Sie bestreiten auch nicht, dass danach und nach Art. 11 VMM das risikotragende Kapital unbekümmert um die hypothekarische Belastung einer Liegenschaft mit 40% des Anlagewertes zu berücksichtigen ist. Sie anerkennen ferner die von der Vorinstanz verwendeten Berechnungsgrundlagen.
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Die Beklagten bestreiten dagegen, dass die Klägerin die Mietzinse des Jahres 1973 um das Ergebnis von 7,6% aufschlagen dürfe, wie das Obergericht annehme. Art. 11 Abs. 2 VMM gehe von den Mietzinsen des Jahres 1970 aus und lasse nur eine Erhöhung von 40% der seitherigen Steigerung des Landesindexes für Konsumentenpreise zu; dies könne nur heissen, dass der Zuschlag von 7,6% nach den Zinsen von 1970 zu berechnen sei, die hier von den orts- oder quartierüblichen nicht abwichen, von der Klägerin aber in den Jahren 1971 und 1972 erheblich erhöht worden seien. Diese Aufschläge müsse sie sich bei der Ermittlung der Kaufkraftsicherung anrechnen lasse, die nur einen Sinn habe, wenn unter dem risikotragenden Kapital eine fixe Grösse verstanden werde; für Bauten, die vor 1971 erstellt wurden, ergebe sich diese Grösse aus dem Ertragswert von 1970. Der jeweilige Ertragswert sei nicht massgebend, da eine solche Lösung darauf hinausliefe, alle Mietzinse laufend zu 40% zu indexieren, was nicht nur dem Sinn und Zweck des Gesetzes, sondern auch den parlamentarischen Beratungen widerspräche.
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Entgegen den Einwänden der Beklagten ist die Streitfrage damit, dass die Klägerin die Mietzinse zwischen Herbst 1970 und Frühjahr 1973 aus irgendwelchen Gründen erhöht hat, also nicht erledigt. Wie es sich mit diesen Erhöhungen verhielt, kann zudem offen bleiben. Denn einerseits ist weder behauptet worden noch den Belegen zu entnehmen, dass die Vermieterin dabei die Kaufkraftsicherung des risikotragenden Kapitals mitberücksichtigt habe. Anderseits steht fest, dass sich ihre Mietzinse von 1970 im Rahmen der orts- oder quartierüblichen hielten und dass sich daran auch nach den letzten Erhöhungen im Jahre 1971 nichts änderte. Bei dieser Sachlage darf der Klägerin nicht verwehrt werden, die Mietzinse um 40% der bis April 1973 eingetretenen Steigerung des Landesindexes für Konsumentenpreise zu erhöhen, um der Kaufkraftsicherung des Eigenkapitals Rechnung zu tragen.
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Auf die Neufassung des Art. 11 VMM (AS 1975 S. 174 und 176 unter Ziff. II), die erst am 1. März 1975 in Kraft getreten ist, können die Beklagten sich nicht berufen; sie ergäbe im vorliegenden Fall übrigens keine andere Lösung.
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d) Erhöhungen des Hypothekarzinsfusses gehören zu den Kostensteigerungen, die nach Art. 15 lit. b BMM und Art. 9 VMM angerechnet werden dürfen. Eine Erhöhung des Zinsfusses um 1/4% ist nach den geltenden Richtlinien, was unbestritten ist, einer Mietzinserhöhung von 3,5% gleichzusetzen, darf folglich in diesem Umfange dem Mieter belastet werden. Die Belastung wird, wie bereits ausgeführt worden ist, durch den Zuschlag für die Kaufkraftsicherung des risikotragenden Kapitals nicht ausgeschlossen. Unbestritten ist ferner, dass der Vermieter den Ausgleich selbst dann verlangen darf, wenn er zur Finanzierung der Liegenschaft kein Fremdkapital benötigte (vgl. SCHÜRMANN/STÖCKLI/ZWEIFEL, a.a.O. Anm. 61 S. 46; RAISSIG, a.a.O. S. 30). Auf den neuen Text des Art. 11 VMM kommt auch in diesem Zusammenhang nichts an.
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Die Beklagten versuchen, die Anrechnung der Hypothekarzinserhöhung als missbräuchlich hinzustellen, weil die Vermieterin nach eigenen Angaben von 1970 bis 1972 Bruttorenditen zwischen 11,60 und 12,93% erzielt habe; sie verweisen für Einzelheiten auf Vorbringen im kantonalen Verfahren. Mit solchen Angaben lässt sich die Unangemessenheit eines Ertrages im Sinne von Art. 14 Abs. 1 BMM indes weder ![]() | 19 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Berufung wird teilweise gutgeheissen und Urteilsspruch Ziff. 2 des angefochtenen Urteils dahin abgeändert, dass für die beteiligten Mieter der Liegenschaften Bernstrasse 11 und 13 in Solothurn ab 1. Oktober 1973 eine Erhöhung der bisherigen Mietzinse um 11,1%, wovon 7,6% nach den Mietzinsen des Jahres 1970 zu berechnen sind, zulässig ist.
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