![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
1. Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Januar 1981 i.S. Jochims und Niebuhr gegen Cincera und Informationsgruppe Schweiz (Berufung) | |
Regeste |
Verletzung in den persönlichen Verhältnissen (Art. 28 ZGB). | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
2 | |
b) In Nr. 2 des erwähnten Informationsbulletins vom April 1975 fand sich unter dem Marginale "Kommunistischer Jugendverband der Schweiz (KJVS)" folgender Abschnitt:
| 3 |
"Der am 7./8. Dezember 1974 in Zürich gegründete Kommunistische Jugendverband der Schweiz (KJVS), (siehe Bulletin Nr. 0) bestellte ein Sekretariat aus den Mitgliedern Jaques Muller (Genf), Marianne Huguenin (Lausanne), Ruedi Herbst (Basel) und René Lechleitner (Zürich). Das Zentralsekretariat befindet sich an der Mutschellenstrasse 10, 8002 Zürich. An dieser Adresse ist Klaus Edlef Jochims (stud. phil. I, BRD) wohnhaft. Auch Dr. Phil. Bernd Dieter Heinrich Niebuhr (BRD) wohnte bis vor kurzem dort. Beide sind bekannt als Mitorganisatoren des Konfliktes am Publizistischen Seminar der Universität Zürich. Sie traten in den letzten Jahren immer wieder bei Aktionen linksextremer Gruppen in Erscheinung.
| 4 |
Das Zentralkomitee des KJVS besteht aus 27 Mitgliedern: ... (es folgen die Namen der 27 Mitglieder; Jochims und Niebuhr sind nicht darunter) ..."
| 5 |
Auf Seite 3 und 4 druckte das selbe Informationsbulletin unter dem Titel "Zusammenhänge" und dem Marginale "Mediengewerkschaft und schweizerische Journalisten-Union (SJU)" unter anderem folgenden Abschnitt ab:
| 6 |
"A. Schaller ist verantwortlich für das Vorwort zur Tagesschau-Analyse der "Arbeitsgruppe Kritische Publizistik". Diese Gruppe verfasste unter dem Titel "Welttheater für Eidgenossen" (politische Fernsehinformation im Kapitalismus) eine Broschüre mit dem offenen erklärten Vorsatz, "einen Beitrag zur Beseitigung kapitalistischer Herrschaft" zu leisten. Diese Gruppe besteht zur Hauptsache aus Mitgliedern marxistischer Zürcher Hochschulgruppen:
| 7 |
Herausgeber: ... (es folgen verschiedene Namen, darunter auch diejenigen Jochims und Niebuhrs) ..."
| 8 |
B.- Die Mitglieder der AKP, eingeschlossen Jochims und Niebuhr, fühlten sich durch die erwähnten beiden Artikel des Informationsbulletins in ihren persönlichen Verhältnissen verletzt. Sie leiteten am 2. September 1975 beim Bezirksgericht Zürich gegen Ernst Cincera und die "Informationsgruppe Schweiz" eine Klage ein, mit der sie im wesentlichen beantragten, es sei festzustellen, dass sie durch die fraglichen Publikationen in ihren persönlichen Verhältnissen verletzt worden seien, ![]() | 9 |
Das Bezirksgericht Zürich wies die Klage am 10. Mai 1978 ab. Die Kläger legten Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich ein mit dem Antrag auf Gutheissung ihrer Klage. Am 23. November 1979 zogen sämtliche Kläger mit Ausnahme von Jochims und Niebuhr die Berufung in der Sache selber zurück, hielten sie aber bezüglich der Kosten- und Entschädigungsfolgen aufrecht. Das Obergericht des Kantons Zürich nahm davon Vormerk und wies die Berufung der Kläger Jochims und Niebuhr mit Urteil vom 18. Dezember 1979 ab.
| 10 |
C.- Gegen diesen Entscheid erheben die Kläger Jochims und Niebuhr Berufung an das Bundesgericht mit dem Antrag auf Gutheissung ihrer Klage und Abänderung des erst- und zweitinstanzlichen Kostendispositivs. Die Beklagten beantragen die Abweisung der Berufung.
| 11 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
12 | |
Im selben Beitrag wurde erwähnt, die beiden Kläger seien bekannt als Mitorganisatoren des Konflikts am publizistischen Seminar der Universität Zürich und sie seien in den letzten Jahren immer wieder bei Aktionen linksextremer Gruppen in Erscheinung getreten. Die Kläger behaupten nicht, dass dies unwahr sei und dass sie auch dadurch in ihren persönlichen Verhältnissen verletzt worden seien.
| 13 |
2. Eine Verletzung in den persönlichen Verhältnissen ist im Sinne von Art. 28 ZGB unbefugt, wenn sie auf einem widerrechtlichen Eingriff beruht. Widerrechtlich ist ein Verhalten, das gegen die Gebote der Rechtsordnung verstösst, die dem ![]() | 14 |
15 | |
Wohl ist die Bekanntgabe des Wohnsitzes einer Person an sich nicht persönlichkeitsverletzend. Im vorliegenden Fall ist jedoch mit der Vorinstanz zu berücksichtigen, in welchem Zusammenhang diese Bekanntgabe erfolgte. Sie war eingebettet in einen Artikel, der das Marginale trug "Kommunistischer Jugendverband der Schweiz (KJVS)" und ausführte, dieser Verband habe in Zürich an der Mutschellenstrasse 10 ein Sekretariat errichtet, d.h. am selben Ort, an dem der Kläger Jochims wohne und der Kläger Niebuhr bis vor kurzem gewohnt habe, beide bekannt als Mitorganisatoren des Konflikts am publizistischen Seminar der Universität Zürich und in den letzten Jahren immer wieder in Erscheinung getreten bei Aktionen linksextremer Gruppen. Im ursprünglich eingeklagten zweiten Beitrag des selben Informationsblattes wurde auf das Werk "Welttheater der Eidgenossen" hingewiesen und mitgeteilt, dass dessen Herausgeber, darunter auch die beiden Kläger, zur Hauptsache aus Mitgliedern marxistischer zürcherischer Hochschulgruppen bestünden. Bei dieser Sachlage steht ausser Zweifel, dass die Beklagten beabsichtigten, beim Leser den Eindruck zu erwecken, es bestehe zwischen den Klägern ![]() | 16 |
b) Kommunistische und extremistische Ansichten und Aktivitäten werden in weiten Kreisen der schweizerischen Bevölkerung missbilligt. Personen mit derartiger Einstellung büssen bei vielen Mitbürgern an Ansehen ein und geraten in Verruf.
| 17 |
Ein der Wahrheit entsprechender Hinweis auf eine kommunistische oder extremistische Gesinnung stellt jedoch grundsätzlich keine Verletzung der Persönlichkeitsrechte dar (es sei denn, er werde ohne jeden sachlichen Bezug und nur deshalb getan, um dem Betroffenen zu schaden, was hier jedoch nicht zutrifft und auch nicht behauptet wird). Wer sich öffentlich politisch exponiert, kann nicht dadurch in seinem Ruf geschädigt werden, dass seine politische Einstellung bekanntgegeben wird (BGE 105 II 164 /165). Es ist deshalb im folgenden zu prüfen, ob der Eindruck, den die Beklagten durch ihre Publikation hervorriefen, der Wahrheit entsprach oder nicht, und welche Folgen sich daraus ergeben.
| 18 |
19 | |
Soweit der eingeklagte Artikel den Eindruck erweckte, die Kläger seien Linksextremisten marxistischer Richtung, entsprach dieser Eindruck den von der Vorinstanz verbindlich festgestellten Tatsachen. Soweit er jedoch den Eindruck ![]() | 20 |
b) Journalistische Ungenauigkeiten können indessen nach der jüngsten Rechtsprechung nur dann eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Betroffenen begründen, wenn sie diesen in einem falschen Licht erscheinen lassen (BGE 105 II 165). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Wenn die Kläger politisch linksextreme Auffassungen vertreten und auf Umsturz tendierende Marxisten sind, wie die Vorinstanz verbindlich feststellt, wird ihr Bild, das sie durch ihre bisherige politische Tätigkeit sich selbst geschaffen haben, nicht spürbar verfälscht, wenn sie zu Unrecht mit dem KJVS in Zusammenhang gebracht werden, weil dieser Verband weitgehend gleichartige Ziele verfolgt wie ein auf Umsturz tendierender Linksextremismus anderer Richtung. Der vorinstanzliche Entscheid, der im wesentlichen zum selben Ergebnis gelangte, bewegt sich demnach im Rahmen der jüngsten bundesgerichtlichen Rechtsprechung und verletzt das Bundesrecht somit nicht.
| 21 |
22 | |
![]() ![]() | 23 |
c) Zur Hauptsache stützen die Kläger ihre Berufungsbegründung auf folgende Argumentation: Auch die Mehrheit der Gewerkschaften und die sozialdemokratische Partei der Schweiz bezweckten die Abschaffung der kapitalistischen Produktionsweise und die Beseitigung der Herrschaft des Kapitals durch eine Überführung der Produktionsmittel aus dem monopolistischen Privatbesitz in den Besitz des Volkes und die Ersetzung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung durch eine Gemeinwirtschaft auf demokratischer Grundlage; die Mitglieder dieser Gewerkschaften und der sozialdemokratischen Partei müssten sich aber deswegen nicht gefallen lassen, in denselben Topf geworfen zu werden mit jenen Leuten, welche sich den Zielen des KJVS verschrieben hätten.
| 24 |
Diesen Ausführungen kann grundsätzlich beigepflichtet werden. Entscheidend ist jedoch, wie die Kläger selbst darlegen, ob jemand mit demokratischen und rechtsstaatlichen oder mit totalitären und diktatorischen Mitteln eine Systemänderung herbeizuführen versucht. Anhänger der ersten Richtung müssen sich den Vorwurf nicht gefallen lassen, sie seien Anhänger der zweiten Richtung. Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz indessen verbindlich festgestellt, dass die Kläger linksextreme marxistische Auffassungen vertreten "und zwar nicht im sinne einer gemässigten, nicht auf Umsturz ausgehenden schweizerischen Sozialdemokratie, sondern sie haben sich radikaleren Zielen verschrieben". Die Kläger gehören also nicht wie die Mitglieder vieler Gewerkschaften und der sozialdemokratischen Partei zu jenen, welche auf demokratische und rechtsstaatliche Weise eine Änderung unserer Wirtschaftsordnung herbeizuführen versuchen, sondern zu jenen, die sich "radikaleren Zielen verschrieben" haben, d.h. die mit undemokratischen Mitteln auf Umsturz und Revolution ausgehen (der Kläger Niebuhr war denn auch in der AZ vom 11. August 1972 als spiritus rector der Studentenkommission der "revolutionären Aufbauorganisation Zürich" bezeichnet worden). Bei dieser Sachlage hilft den Klägern der Vergleich mit den Gewerkschaften und den Mitgliedern der sozialdemokratischen Partei nicht. Ihr Verhalten wurde nicht deshalb missbilligt und angeprangert, ![]() | 25 |
d) Zusammenfassend ergibt sich also, dass die Kläger sich durch ihr bisheriges eigenes Verhalten selbst als linksextreme Marxisten nicht einer gemässigten, sondern einer radikalen Richtung geoffenbart haben. Wenn die eingeklagte Presseäusserung den an sich unrichtigen Eindruck erweckte, sie stünden in einer gewissen Verbindung zum KJVS oder seien zumindest dessen Sympathisanten, liess sie sie demnach in der Sicht des Durchschnittslesers nicht in einem falschen Licht erscheinen. Die Berufung erweist sich mithin als unbegründet, so dass sie abzuweisen ist.
| 26 |
27 | |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
| 28 |
29 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |