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3. Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. Januar 1982 i.S. Fussballclub Zürich gegen Nationalliga des Schweizerischen Fussballverbandes (Berufung) | |
Regeste |
Vereinsrecht; Abgrenzung von Spielregeln und Mitgliedschaftspflichten. |
2. Beschlüsse des Vereinsvorstandes können nur dann gerichtlich angefochten werden, wenn sie in die Mitgliedschaftsrechte der Vereinsmitglieder eingreifen (E. 2). |
3. Die Frage, ob ein Vereinsorgan eine Spielregel richtig angewendet habe, ist richterlicher Überprüfung nicht zugänglich, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Vereinsmitglieder (E. 3). |
4. Die Pflicht der in der Nationalliga zusammengeschlossenen Fussballclubs, gegenüber den Zuschauern für Ordnung auf dem Spielfeld zu sorgen, kann nicht nur eine Spielregel darstellen, sondern auch eine mitgliedschaftliche Pflicht, welche die Clubs unabhängig vom Verlauf der einzelnen Spiele als Verbandsmitglieder trifft. Die Frage, ob diese Pflicht verletzt sei und ob deswegen gegenüber dem fehlbaren Verein eine Sanktion ausgesprochen werden müsse, ist richterlicher Überprüfung insoweit nicht zum vornherein entzogen. Im vorliegenden Fall verstiess das Absehen von einer Sanktion nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Vereinsmitglieder (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Diese Verletzung veranlasste den Spielführer des FC Zürich zu einem unverzüglichen Protest beim Schiedsrichter. Im Spiel blieb der FC Sion mit 3:2 Toren siegreich. Am 28. April 1980 verlangte der FC Zürich, dass das Komitee der Nationalliga des Schweizerischen Fussball-Verbandes (SFV) das Spiel in Anwendung von Art. 73 Ziff. 3 lit. i in Verbindung mit Art. 14 des Wettspiel-Reglementes des SFV für den FC Sion 0:3 verloren (forfait) erkläre.
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Mit Entscheid vom 14. Mai 1980 wies das nach Art. 30 Abs. 2 des Reglementes für den Spielbetrieb der Nationalliga des SFV endgültig entscheidende Komitee den Protest des FC Zürich ab. Gleichzeitig wurde aber der FC Sion in Anwendung von Art. 37 und 38 des Reglementes für den Spielbetrieb der Nationalliga und von Art. 14 des Wettspiel-Reglementes mit einem Verweis und einer Busse von Fr. 6'000.-- belegt.
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"1. Es sei gerichtlich festzustellen, dass der Entscheid des Komitees der Nationalliga vom 14. Mai 1980 in Sachen Protest des Fussballclubs Zürich zum Spiel FC Sion: FC Zürich vom 26. April 1980 die Vereinsstatuten verletzt (Feststellungsklage).
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2. Der Entscheid des Komitees der Nationalliga vom 14. Mai 1980 in Sachen Protest FC Zürich gegen das Spiel FC Sion: FC Zürich vom 26. April 1980 sei aufzuheben und die Beklagte aufzufordern, einen mängelfreien Beschluss zu fassen (Gestaltungsklage)."
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Mit Urteil vom 5. Januar 1981 hiess der Gerichtspräsident die Klage gut und stellte fest, dass der Entscheid des Komitees der Nationalliga die Statuten bzw. Reglemente verletze; er hob diesen Entscheid auf und wies die Sache zur Fällung eines reglementskonformen Entscheids an das Komitee der Nationalliga zurück.
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In Gutheissung einer Appellation der Beklagten wies der Appellationshof des Kantons Bern mit Urteil vom 19. Mai 1981 die Klage ohne Prüfung der Begründetheit zurück.
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C.- Gegen dieses Urteil erhob der Kläger Berufung an das Bundesgericht mit dem Antrag, es sei die sachliche Zuständigkeit des ordentlichen Zivilrichters für die materielle Behandlung der Prozessangelegenheit festzustellen und das Urteil des Gerichtspräsidenten vollumfänglich zu bestätigen. Für den Fall, dass das Bundesgericht die Sache als vermögensrechtlich qualifizieren sollte, verlangt er, seine Eingabe sei als Nichtigkeitsbeschwerde entgegenzunehmen.
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Die Beklagte beantragt, auf die Berufung sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab aus folgenden
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Erwägungen: | |
1. a) Gemäss Art. 1 ihrer Statuten ist die Nationalliga eine als Verein verselbständigte Abteilung des Schweizerischen Fussball-Verbandes. Ihre Mitglieder, zu denen auch der Kläger gehört, sind ihrerseits Vereine. Das Komitee der Nationalliga wird von der Generalversammlung gewählt und bildet den Vereinsvorstand. Mit der Klage wird geltend gemacht, der Entscheid des Komitees vom 14. Mai 1980 verstosse im Sinne von Art. 75 ZGB gegen die Vereinsstatuten beziehungsweise -reglemente. Streitigkeiten um die ![]() | 12 |
b) Die Beklagte begründet ihren Nichteintretensantrag damit, es fehle dem Kläger am Rechtsschutzinteresse. Selbst wenn nämlich das Spiel vom 26. April 1980 in Gutheissung der Klage zugunsten des Klägers "forfait" erklärt würde, hätte dies keine Änderung der Rangierung des Klägers in der Meisterschaft 1980 zur Folge, ganz abgesehen davon, dass der Ausgang jenes Spiels und jener Meisterschaft nur noch von sporthistorischem Interesse sei. Damit vermengt die Beklagte aber das Interesse am Rechtsmittel mit jenem an der Klage. Dass der Kläger durch den Nichteintretensentscheid der Vorinstanz beschwert ist und er deshalb ein Interesse an dessen Anfechtung hat, liegt auf der Hand. Das genügt aber als Voraussetzung für die Berufung. Ob heute noch ein Interesse an der Gutheissung der Klage besteht, ist gegebenenfalls bei der materiellen Behandlung der Berufung zu prüfen.
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c) Auf die Berufung ist somit einzutreten. Der Verweis des Klägers auf seine Vorbringen im kantonalen Verfahren ist indessen unbeachtlich (BGE 104 II 192 E. 1). Das gleiche gilt für seine erst nach Ablauf der Berufungsfrist eingegangene Eingabe vom 9. Dezember 1981.
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2. Nach Art. 75 ZGB können Vereinsbeschlüsse, die das Gesetz oder die Statuten verletzen, von jedem Vereinsmitglied, das nicht zugestimmt hat, binnen Monatsfrist beim Richter angefochten werden. Mit dieser Bestimmung soll nicht nur dem einzelnen Vereinsmitglied Rechtsschutz gegen die korporative Mehrheit hinsichtlich seiner Mitgliedschaft eingeräumt, sondern - unbesehen von Marginale und Gesetzessystematik - darüber hinaus ganz allgemein für die Rechtmässigkeit des korporativen Lebens gesorgt werden (HEINI, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. II, S. 548/549). Indessen haben Lehre und Rechtsprechung die beiden Rechtsschutzbereiche insofern unterschiedlich gewichtet, als dem Schutz der Mitgliedschaftsrecht zufolge ihrer Personenbezogenheit besondere Bedeutung zukommen soll. Ein Beschluss, der Mitgliedschaftsrechte verletzt, kann daher auch dann richterlich überprüft werden, wenn er nicht von der Vereinsversammlung, dem obersten Organ des Vereins, sondern von einem abschliessend ![]() | 15 |
Der Umstand, dass der Beschluss eines der Generalversammlung untergeordneten Organs der Beklagten angefochten wird, steht dem Eintreten auf die Klage daher nicht zum vornherein entgegen.
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Eine solche Betrachtungsweise müsste aber dazu führen, dass jeder Fehlentscheid eines Spielrichters in einem einzelnen Wettkampf, der dann schliesslich über Erfolg oder Misserfolg in diesem Wettkampf entscheidet, als rechtsungleiche Behandlung angesehen ![]() | 18 |
Damit soll indessen nur festgehalten werden, dass es bei Spiel und Sport einen rechtsfreien Raum gibt, in dem nicht jede Unkorrektheit, die ohne weitere auf das Spiel bezogene Sanktion bleibt, einer ungleichen Behandlung von Vereinsmitgliedern gleichkommt (vgl. dazu auch BGE 103 Ia 410 ff. und BGE 97 I 488 ff. sowie die Urteile des Kassationsgerichts Zürich in SJZ 53/1957 S. 152 ff. und des Obergerichts Luzern in ZBJV 100/1964 S. 550 ff.). Tatsächlich ![]() | 19 |
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a) Auf begründeten Protest hin ist nach Art. 73 des Wettspiel-Reglementes ein Wettspiel mit 0:3 Toren forfait für jene Mannschaft verloren zu erklären, durch deren Verschulden unter anderem die normale Abwicklung des Spiels beeinträchtigt wird. Das soll gemäss Ziffer 3 lit. i dieser Bestimmung auch dann zutreffen, ![]() | 21 |
b) Nun hat zwar das Komitee der Nationalliga im Zusammenhang mit dem Protest des Klägers den fraglichen Art. 73 des Wettspiel-Reglementes präzisierend ausgelegt: Vom protestierenden Verein wird ein Nachweis darüber verlangt, dass eine bestimmte Beziehung zwischen dem das Spiel behindernden Zuschauer und dem im Sinne einer Spielstrafe zur Verantwortung zu ziehenden Wettkampfteilnehmer besteht. Und dieser Nachweis geht nicht im Sinne einer Tatsachenvermutung zu Lasten des Platzclubs, solange keine andern Umstände nachgewiesen sind. Damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, ob die hier den Wettkampfvereinen zugedachte Ordnungspflicht als mitgliedschaftliche Pflicht der einzelnen Verbandsmitglieder oder als reine Spielregel angesehen werden muss. Letzteres bejaht die Vorinstanz in Übereinstimmung mit KUMMER, der die Pflicht der Wettkampfvereine, für einen auch seitens der Zuschauer nicht gestörten Spielablauf zu sorgen, den Spielregeln im weiteren Sinne, und zwar den Regeln über die technischen Spielbehelfe, zuordnet (a.a.O. S. 76). Die entgegengesetzte Auffassung vertritt der Gerichtspräsident von Bern, der die Pflicht der Wettkampfvereine, für Ordnung auf dem Spielfeld auch gegenüber Zuschauern zu sorgen, als allgemeine, vom einzelnen Spielverlauf unabhängige, vereinsrechtliche Pflicht ansieht. Es ist in der Tat nicht zu übersehen, dass eine allgemeine Ordnungspflicht gegenüber Zuschauern sich nicht ohne ![]() | 22 |
c) Angesichts dieser Grenzsituation hat das Komitee der Nationalliga auf die vom Kläger verlangte Spielstrafe gemäss Art. 73 Ziff. 3 lit. i des Wettspiels-Reglementes verzichtet und gestützt auf Art. 37 und 38 des Reglementes für den Spielbetrieb der Nationalliga und auf Art. 14 des Wettspiel-Reglementes dem Platzclub FC Sion bloss einen Verweis und eine Busse auferlegt. Derartige Vereinsstrafen sind nach dem Gesagten einer richterlichen Überprüfung nicht von vornherein entzogen. Sie wurden indessen im konkreten Fall vom Betroffenen nicht in Frage gestellt. Der Kläger ist durch sie nicht berührt. Er macht vielmehr geltend, seine mitgliedschaftsrechtliche Stellung im Rahmen der Nationalliga sei dadurch verletzt worden, dass das Komitee der Nationalliga in rechtsungleicher Weise eine Spielstrafe nicht ausgesprochen habe, die im Zusammenhang mit einer mitgliedschaftsrechtlichen und nicht bloss spielregelmässigen Pflichtverletzung hätte ausgesprochen werden müssen. Der Prüfung dieser Frage hätte sich die Vorinstanz nicht grundsätzlich entziehen dürfen. Von einer Rückweisung der Sache kann indessen abgesehen werden, da jeder Nachweis fehlt, dass das Komitee der Nationalliga in gleichgelagerten Fällen einen andern Massstab zur Anwendung gebracht hat, der einer ungleichen Behandlung verschiedener Wettkampfvereine innerhalb der Nationalliga gleichkäme. Der Hinweis des Klägers darauf, dass das Komitee der Nationalliga beabsichtige, Vorfälle wie jenen vom 26. April 1980 in Sion auch in Zukunft in gleicher Weise zu "regeln", deutet vielmehr in die entgegengesetzte Richtung.
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Ist aber ein Verstoss gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Vereinsmitglieder nicht dargetan, so ist die Klage zum vornherein abzuweisen, ohne dass die Reglementskonformität des angefochtenen Beschlusses geprüft werden müsste. Ein anderweitiger Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte des Klägers ist nicht behauptet worden; ein Vorstandsbeschluss, der nicht Mitgliedschaftsrechte betrifft, ist aber nach dem in Erwägung 2 Gesagten der ![]() | 24 |
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