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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Jana Schmid, A. Tschentscher | |||
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71. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 16. Juni 1987 i.S. V. gegen F. (Berufung) | |
Regeste |
Art. 216 Abs. 2 OR. Umfang des Beurkundungszwanges. |
Ein zu marktüblichen Bedingungen gewährtes Darlehen muss nicht öffentlich beurkundet werden, auch wenn dessen Hingabe einen entscheidenden Beweggrund für den Abschluss des Kaufrechtsvertrages gebildet hat (E. 2b). | |
Sachverhalt | |
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Am selben Tag, am gleichen Ort und in Anwesenheit der nämlichen Personen schlossen die Parteien überdies einen schriftlich abgefassten Darlehensvertrag, in welchem sich V. zur Hingabe von Fr. 8 Mio. an F. und dieser zur Verzinsung derselben mit 5 Prozent pro Jahr - dem damals üblichen Hypothekarzinssatz - verpflichtete. Das Darlehen sollte bis zum 15. März 1986 dauern, jedoch vorzeitig endigen, sofern "diese Darlehenssumme unter den Parteien gemäss separatem Vertrag vor Ablauf der vorerwähnten festen Dauer verrechnet werden" könne. Zur Sicherung des Darlehens bestellten die Parteien auf der Liegenschaft des F. eine Grundpfandverschreibung im Nachgang zu den bestehenden Pfändern. Durch die Gewährung dieses Darlehens sollten Differenzen über die Höhe des Kaufpreises bereinigt werden, da F. sich erhoffte, bei günstiger Anlage der Darlehensmittel zusätzliche Einkünfte zu erzielen.
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B.- Mit Klage vom 23. November 1984 beantragte F., es sei festzustellen, dass der Kaufrechtsvertrag nichtig und unverbindlich sei. Er machte u.a. Formungültigkeit mangels öffentlicher Beurkundung des Darlehensvertrages geltend. V. widersetzte sich der Klage und übte das Kaufrecht fristgerecht aus.
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Mit Urteil vom 3. Dezember 1985 wies das Bezirksgericht die Klage ab. Demgegenüber erkannte das Kantonsgericht im Entscheid vom 3. Dezember 1986 auf Nichtigkeit von Kaufrechts- und Darlehensvertrag mangels umfassender öffentlicher Beurkundung und verwarf gleichzeitig die Einrede des Rechtsmissbrauchs.
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C.- Mit Berufung beantragt V. dem Bundesgericht, das Urteil des Kantonsgerichtes aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Aus den Erwägungen: | |
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Objektive Nebenabreden fallen mithin nur dann zufolge subjektiver Wesentlichkeit unter den Formzwang, wenn sie ihrer Natur nach vom Rahmen eines Kaufvertrages erfasst werden. Dabei müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Einerseits muss die eingegangene Verpflichtung ihren Rechtsgrund in einem Anspruch haben, der nicht ausserhalb des natürlichen Inhalts der Vereinbarung steht, indem das Versprochene die Gegenleistung für den Preis oder für die Überlassung des Eigentums darstellt. Anderseits muss die Verpflichtung in den Rahmen eines Kaufvertrages fallen, die rechtliche Situation der Kaufsache beeinflussen und unmittelbar den Geschäftsinhalt betreffen (BGE 90 II 37 f.). Formbedürftig sind daher von vorneherein nur Abreden, welche das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung des Kaufvertrages berühren. Es genügt nicht, wenn die eine Verpflichtung bloss Anlass zur andern ist, zwei Verträge beispielsweise in kausaler Abhängigkeit zueinander ![]() | 8 |
b) Die bundesgerichtliche Rechtsprechung bejahte den Formzwang für vertragliche Parzellierungs- und Überbauungsvorschriften, welche das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung beeinflussten (BGE 68 II 232 ff.), oder für eine Bauverpflichtung auf dem Kaufgegenstand (BGE 90 II 37 ff.), verneinte ihn dagegen für selbständige Provisionsversprechen (BGE 78 II 437 ff.), für die Vergütung eines Kaufauftrages (BGE 86 II 36 ff.), für die unentgeltliche Zuwendungskomponente im Rahmen einer gemischten Schenkung (BGE 101 II 60 ff.) oder für werkvertragliche Absprachen, sofern sie nicht in den Rahmen des Kaufvertrages fallen (BGE 107 II 216 Nr. 29). Im gleichen Sinne verneinte die kantonale Praxis den Beurkundungszwang für einen Kaufvertrag über Geschäftsinventar, obwohl dieser in engem Zusammenhang mit einem Grundstückkaufvertrag stand (ZBGR 57/1976 S. 16 ff.).
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c) Im vorliegenden Fall hat das Darlehen das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung des bedingten Kaufvertrages nicht berührt. Insbesondere ist es zu marktüblichen Bedingungen gewährt worden, was die Annahme ausschliesst, der Darleiher habe durch einen tiefen Zinssatz eine zusätzliche Leistung im Rahmen des Kaufvertrages erbracht. Die Hoffnung des Borgers, gegebenenfalls durch geschickte Geldanlage seinerseits einen höheren Zins zu erwirtschaften, berührt die Gegenleistung des Käufers nicht, da sie ausserhalb jeder kaufrechtlichen Zuwendung steht.
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Die beiden Verträge sind zudem nicht in dem Sinn gegenseitig voneinander abhängig gemacht worden, dass der eine ohne den andern nicht gelten sollte. Dass der Abschluss des einen Beweggrund für den andern gewesen ist, genügt nach dem Gesagten nicht, beide dem Beurkundungszwang zu unterstellen. Ebensowenig reicht hiefür die Verrechnungsmöglichkeit der Darlehensschuld mit der Kaufpreisforderung aus. Schliesslich sind Formvorschriften (in favorem negotii) eng auszulegen (BGE 89 II 191; GAUCH, a.a.O., S. 82). Dadurch soll im Interesse der Rechtssicherheit eine zweckwidrige Ausdehnung des Formzwanges vermieden werden.
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Aus all diesen Gründen fällt der Darlehensvertrag nicht unter den Formzwang. Das angefochtene Urteil ist mithin aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen, welche auch die übrigen Einwände des Klägers gegen die Gültigkeit des Kaufrechtsvertrages zu beurteilen haben wird.
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