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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server, A. Tschentscher | |||
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33. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 27. Juni 1996 i.S. Schweizerischer Bund für Naturschutz (SBN), Schweizer Heimatschutz (SHS), World Wildlife Fund Schweiz (WWF), Dr. Emanuel Isler und Dr. Ambros Isler gegen Regierungspräsidium Freiburg im Breisgau und Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Rodungsbewilligung für den Bau einer staatsvertraglich vereinbarten zollfreien Strasse. |
Konsequenzen der völkerrechtlichen Bindung für das innerstaatliche Rodungsbewilligungsverfahren (E. 4e). | |
Sachverhalt | |
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Die geplante Verbindungsstrasse liegt, soweit sie schweizerisches Territorium durchquert, auf Gebiet der Gemeinde Riehen. Nach dem Rahmenplan überschreitet sie die Landesgrenze auf der linken Seite des Flusses Wiese, überquert diesen Fluss nach rund 70 m, verläuft alsdann bis zur Weilstrasse der Wiese entlang, wobei sie abgesenkt und rund 120 m vor der Weilstrasse in einen Tunnel verlegt wird. Der Tunnel verläuft unter der Weilstrasse durch und führt unter dem natürlichen Terrain auf die Landesgrenze in der Mühlematt. Im Bereich der Landesgrenze tritt die Strasse aus dem Tunnel und steigt auf deutscher Seite auf das natürliche Terrain an. Das rechte Wieseufer ist von der Landesgrenze an abwärts bis nahe an die Weilstrasse ![]() | 2 |
Gemäss § 1 Abs. 2 der technischen Vereinbarung hatte das Regierungspräsidium Freiburg i.Br. - betreffend den auf schweizerischem Gebiet liegenden Teil der Verbindungsstrasse - Ausführungspläne, Absteckungspläne, Vermessungsunterlagen, Submissionsunterlagen und das Bauprogramm dem Baudepartement des Kantons Basel-Stadt zur Genehmigung zu unterbreiten. Am 17. Januar 1992 genehmigte das Baudepartement Unterlagen, die ihm am 8. Mai 1991 vorgelegt worden waren. Gegen diesen Genehmigungsbeschluss rekurrierte der World Wildlife Fund Schweiz (WWF), Sektion Basel, an den Regierungsrat mit dem Antrag auf Aufhebung der Genehmigung und Durchführung eines ordentlichen Verfahrens zur Prüfung der Umweltverträglichkeit des Projekts. Der Regierungsrat trat mit Entscheid vom 25. August 1992 auf das Rechtsmittel nicht ein. Einen dagegen erhobenen Rekurs wies das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht am 20. August 1993 mit der Begründung ab, dass erst nach der Ratifizierung des Staatsvertrages von 1977 in Kraft getretene Umweltschutzbestimmungen auf das umstrittene Strassenprojekt nicht anwendbar seien und dass die Genehmigung des Baudepartements Punkte betreffe, die lediglich der Verwirklichung des bereits rechtskräftig beschlossenen Projekts dienten. Das Urteil des Appellationsgerichts erwuchs in Rechtskraft.
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Zur Realisierung der Verbindungsstrasse werden Waldflächen beansprucht. Am 13. Juli 1993 stellte das Regierungspräsidium Freiburg i.Br. beim Kantonsforstamt Basel-Stadt ein Gesuch um Rodung von 2'090 m2 Wald auf den Parzellen Nr. A013600 und A013700. Das Gesuch wurde publiziert und öffentlich aufgelegt. Nach Durchführung des Auflage- und Einspracheverfahrens erteilte der Regierungsrat mit Beschluss vom 4. April 1995 die nachgesuchte Rodungsbewilligung unter zahlreichen Bedingungen und Auflagen und wies die Einsprachen ab. Als Rodungsersatz ordnete er die Wiederaufforstung von 1'040 ma an Ort und Stelle und die Ersatzaufforstung von 1'050 m2 auf der Parzelle Nr. B147501 an.
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Gegen die Rodungsbewilligung haben einerseits der SBN, der Schweizer Heimatschutz (SHS) sowie der WWF und andererseits Emanuel und Ambros Isler ![]() | 5 |
Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerden ab
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aus folgenden Erwägungen: | |
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a) Ein von der Bundesversammlung genehmigter Staatsvertrag wird mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden für die Vertragsstaaten völkerrechtlich verbindlich; er erlangt zusammen mit der völkerrechtlichen auch landesrechtliche Wirkung. Er kann vom Bürger vor Gericht angerufen bzw. von den Behörden als Grundlage einer Entscheidung herangezogen werden, wenn er - wie im vorliegenden Fall - unbedingt und eindeutig genug formuliert ist, um in einem konkreten Fall direkt angewendet zu werden (Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht im Rahmen der schweizerischen Rechtsordnung, Gemeinsame Stellungnahme des Bundesamtes für Justiz und der Direktion für Völkerrecht vom 26. April 1989, VPB 53 Nr. 54 S. 404 mit Hinweisen).
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b) Gemäss dem Staatsvertrag von 1977 ist die Eidgenossenschaft befugt, die Bauausführung der Verbindungsstrasse in polizeilicher Hinsicht und bezüglich der Einhaltung der Vereinbarungen und Pläne zu überwachen (Art. 1 Abs. 2). Die für den Bau erforderlichen Grundstücke werden vom Kanton Basel-Stadt zur Verfügung gestellt. Sie sind nötigenfalls auf dem Wege der Landumlegung oder der Enteignung zu beschaffen. Für den Fall des Landerwerbs durch Enteignung überträgt die Eidgenossenschaft dem Kanton das Enteignungsrecht im Sinn von Art. 3 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Enteignung vom 20. Juni 1930 (SR 711). Das Enteignungsverfahren beschränkt sich auf die Behandlung der angemeldeten Forderungen; Einsprachen gegen die Umlegung oder gegen die Enteignung sowie Begehren, die eine Planänderung bezwecken, sind ausgeschlossen (Art. 1 Abs. 4). Linienführung und Bau der Strasse bestimmen sich nach dem vom Regierungsrat am 16. Dezember 1975 genehmigten Auflageprojekt (Art. 2 Abs. 1). In Art. 2 Abs. 2 wird die Strassenführung beschrieben, und es wird auf den dem Vertrag beigefügten ![]() | 9 |
c) Die Wiener Konvention über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (VRK; SR 0.111) ist für die Schweiz am 6. Juni 1990 in Kraft getreten. Das Übereinkommen findet zwar auf den vorliegend zur Diskussion stehenden, bereits 1977 abgeschlossenen Staatsvertrag keine direkte Anwendung (Art. 4 VRK). Dem steht jedoch nicht entgegen, dass sich die Vertragsauslegung an den in Art. 31 ff., insbesondere in Art. 31 Abs. 1 VRK festgelegten allgemeinen Grundsätzen orientiert (vgl. BGE 117 V 268 E. 3b S. 269), zumal diese in ihrem wesentlichen Gehalt Völkergewohnheitsrecht kodifizieren (BGE 120 Ib 360 E. 2c S. 365) und mithin der bisherigen Praxis des Bundesgerichts entsprechen (s. BGE 116 Ib 217 E. 3a mit weiteren Hinweisen; speziell zum Vertrauensgrundsatz vgl. BGE 38 I 551 E. 4a S. 585; BGE 94 I 669 E. 4 S. 673). Nach Art. 31 Abs. 1 VRK ist ein Staatsvertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen.
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d) Lage und Umfang der projektierten Verbindungsstrasse sind im Staatsvertrag von 1977 detailliert festgelegt. Das dem Rodungsgesuch zugrundeliegende Projekt entspricht dieser vertraglichen Festsetzung, was unbestritten ist. Ziel und Zweck des Vertrages sind, die Verbindungsstrasse am vorgesehenen Ort zu bauen und hernach zu betreiben. Der Staatsvertrag regelt abschliessend, unter welchen Voraussetzungen der Vertragszweck erreicht werden soll. Die Bauausführung richtet sich nach dem Auflageprojekt und den im Genehmigungsbeschluss enthaltenen Bedingungen und Auflagen. Weitergehende Voraussetzungen können dem Vertragstext nicht ![]() | 11 |
e) Die Eidgenossenschaft kann sich der völkerrechtlichen Verpflichtung nicht unter Berufung auf inländisches Recht entziehen; das Völkerrecht hat grundsätzlich Vorrang (vgl. BGE 119 V 171 E. 4 S. 176 ff.; BGE 109 Ib 165 E. 7b S. 173). Dies verlangt von den Rechtsanwendungsinstanzen eine völkerrechtskonforme Handhabung des Landesrechts. In bezug auf die vorliegend umstrittenen Rodungsvoraussetzungen wirkt sich dies materiell in zweierlei Hinsicht aus: Zum einen ist mit der Ratifizierung des Vertrags abschliessend über die Standortgebundenheit des Werks entschieden worden und die Rodungsbehörde kann diese unter keinem Aspekt mehr in Frage stellen. Zum anderen besteht kein Raum mehr für eine Interessenabwägung; diese liegt der eingegangenen Verpflichtung zugrunde, den Bau der Strasse ohne Vorbehalt zugunsten landesinterner Bewilligungsverfahren zu ermöglichen. Damit ist durch den Staatsvertrag von 1977 vorgegeben, dass den wichtigen Gründen, die hier für eine Rodung angeführt werden können, kein überwiegendes Interesse an der Walderhaltung entgegensteht. Bei dieser Rechtslage erscheint fraglich, ob das Projekt überhaupt einer Rodungsbewilligung bedurfte oder ob nicht eine Verfügung über die Ersatzaufforstung genügt hätte; jedenfalls ist es nicht zu beanstanden, dass die für die Erteilung der Rodungsbewilligung zuständige kantonale Instanz die Vorgaben des Staatsvertrages von 1977 bei der Handhabung der waldrechtlichen Bestimmungen beachtete. Insofern verletzt der angefochtene Beschluss kein Bundesrecht und es erübrigt sich, auf den gegenteiligen Standpunkt der Beschwerdeführer weiter einzugehen.
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