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29. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 15. April 1997 i.S. R. gegen Gemeinderat Oberägeri, Baudirektion und Verwaltungsgericht des Kantons Zug (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 24sexies Abs. 5 BV, Art. 23b ff. NHG; Schutz der Moorlandschaften. |
Pflicht zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands: Gesetzliche Grundlage, Interessenabwägung, Verhältnismässigkeit (E. 4b, c). | |
Sachverhalt | |
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Am 9. Mai 1995 lehnte die Baudirektion des Kantons Zug es ab, dem Gesuch um nachträgliche Bewilligung dieses Umbaus zuzustimmen und wies die Gemeinde Oberägeri an, R. zu veranlassen, das Gadenhaus entsprechend der Zustimmungsverfügung der Baudirektion vom 15. Juli 1992 wiederherzustellen. Auf ein Wiedererwägungsgesuch trat die Baudirektion am 7. August 1995 nicht ein.
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Das kantonale Verwaltungsgericht wies eine gegen diese Verfügungen gerichtete Beschwerde am 22. August 1996 ab.
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R. hat gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts am 1. Oktober 1996 Beschwerde an das Bundesgericht erhoben. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung durch das Verwaltungsgericht.
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Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab
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aus folgenden Erwägungen: | |
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b) Gemäss Art. 105 Abs. 2 OG ist das Bundesgericht an die Feststellung des Sachverhaltes gebunden, wenn die Vorinstanz eine richterliche Behörde war und diese den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt hat.
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aa) Der Beschwerdeführer wirft dem Verwaltungsgericht vor, den Sachverhalt unrichtig festgestellt zu haben: Sein Grundstück liege nicht in der Moorlandschaft Rothenthurm. Er begründet diese Rüge ausschliesslich mit dem Hinweis, dass sein Grundstück offensichtlich kein Moor darstelle bzw. keinen "Moorbestand" bilde. Das hat das Verwaltungsgericht indessen nie behauptet. Es hat - nach Durchführung eines Augenscheins - vielmehr festgestellt, das Grundstück liege ausserhalb des Moores, aber innerhalb der Moorlandschaft Rothenthurm, welche im fraglichen Bereich das Gebiet zwischen Moor und Wald umfasse. Die Abgrenzung dieses Gebietes, welches inzwischen als Objekt Nr. 1 der Moorlandschaftsverordnung vom 1. Mai 1996 (SR 451.35; AS 1996 1839 ff.) erscheine, sei vom Bundesrat bereits im Jahre 1991 vorgenommen worden.
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cc) Unter diesen Umständen liegt keine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung durch das Verwaltungsgericht vor. Vielmehr ergibt sich, dass das Grundstück des Beschwerdeführers im Moorlandschaftsgebiet Rothenthurm, einer Moorlandschaft von besonderer Schönheit und nationaler Bedeutung im Sinne von Art. 24sexies Abs. 5 BV, liegt.
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c) Im weiteren rügt der Beschwerdeführer, es sei ihm nie schriftlich mitgeteilt worden, dass sein Grundstück dem Moorlandschaftsperimeter zugewiesen worden sei. Es mag zutreffen, dass dem Beschwerdeführer der entsprechende Beschluss des Bundesrates nicht individuell eröffnet wurde. Ob er darauf einen Anspruch gehabt hätte, kann insofern dahingestellt bleiben, als ihm daraus jedenfalls ![]() | 11 |
Im übrigen enthält die Zustimmungsverfügung der Baudirektion vom 15. Juli 1992 ausdrücklich die Feststellung, das Gadenhaus des Beschwerdeführers liege in der vom Bundesrat am 1. Februar 1991 beschlossenen Moorlandschaft "Rothenthurm". Ferner weist die Baudirektion auf die sich daraus ergebenden verfassungsrechtlichen Baubeschränkungen hin. Soweit der Beschwerdeführer geltend machen will, er sei über die Lage seines Grundstücks im Moorlandschaftsgebiet und die damit verbundenen Rechtsfolgen nicht im Bild gewesen, ist seine Aussage daher offensichtlich unzutreffend.
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aa) Gemäss Art. 24sexies Abs. 5 BV (angenommen durch Volk und Stände am 6. Dezember 1987) besteht in Mooren und Moorlandschaften von besonderer Schönheit und nationaler Bedeutung ausser für Einrichtungen, die der Aufrechterhaltung des Schutzzweckes und der bisherigen landwirtschaftlichen Nutzung dienen, ein absolutes Veränderungsverbot. Diese Bestimmung ist eigentümerverbindlich und unmittelbar anwendbar (BGE 117 Ib 243 E. 3; BGE 118 Ib 11 E. 2e; WALDMANN, a.a.O., S. 73 f.).
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Der vom Beschwerdeführer eigenmächtig vorgenommene Umbau widerspricht diesen Bestimmungen klar und eindeutig. Er dient weder dem Schutz der Moorlandschaft noch der bisherigen landwirtschaftlichen Nutzung. Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass er schon längere Zeit keine Landwirtschaft mehr betreibe. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern er daraus etwas zu seinen Gunsten ableiten könnte. Allenfalls wäre daraus zu schliessen, dass er die Bewilligung für den Abbruch und Wiederaufbau des Stall- und Scheunenteils zu Unrecht erhalten hat, da es sich dabei ja erklärtermassen um eine landwirtschaftliche Ersatzbaute handelte. Eine Neubeurteilung jener Bewilligung ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
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bb) Am 24. März 1995 sind Bestimmungen zum Vollzug der Verfassungsbestimmungen über den Moorschutz in das Natur- und Heimatschutzgesetz eingefügt worden. Dem selben Ziel dienen die verschiedenen Moorverordnungen sowie die Moorlandschaftsverordnung ![]() | 16 |
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind Bauten, die ohne Bewilligung errichtet wurden, grundsätzlich zu beseitigen. Der Abbruch von Bauten trotz fehlender Baubewilligung kann jedoch unterbleiben, wenn die Baute materiell nicht baurechtswidrig ist und nachträglich bewilligt werden kann. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Baute bei rechtzeitiger Einreichung des Baugesuches hätte bewilligt werden können, ist grundsätzlich auf den Rechtszustand abzustellen, der im Zeitpunkt der Errichtung der Baute galt. Eine Ausnahme rechtfertigt sich, wenn bei der Beurteilung einer Abbruchverfügung ein milderes Recht gilt, nach welchem die Baute zulässig wäre (BGE 102 Ib 64 E. 4 S. 69).
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Nachdem der Bundesrat die Abgrenzung der Moorlandschaft Rothenthurm bereits 1991 vorgenommen hatte (vgl. E. 2b hiervor) und somit bereits damals feststand, dass das Grundstück des Beschwerdeführers innerhalb der Moorlandschaft Rothenthurm liegt, hätte dieser Art. 24sexies Abs. 5 BV unabhängig vom Bestehen der Moorlandschaftsverordnung bereits im Zeitpunkt der ohne Bewilligung durchgeführten Umbauten beachten müssen. Dies umso mehr, als ihm diese Umstände wie erwähnt aufgrund der Zustimmungsverfügung der Baudirektion vom 15. Juli 1992 bekannt waren.
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cc) Bei der Beurteilung der Pflicht zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ist nun im Sinne des milderen Rechtes zu beachten, dass Art. 23d NHG in der Fassung vom 24. März 1995 eine Bestimmung über die Gestaltung und Nutzung der Moorlandschaften enthält, die eine Milderung der Vorschriften des Verfassungsartikels zur Folge hat. Während der Verfassungsartikel wie erwähnt vorschreibt, dass Einrichtungen, um zulässig zu sein, der Aufrechterhaltung des Schutzzweckes oder der bisherigen landwirtschaftlichen Nutzung dienen müssen, lässt Art. 23d Abs. 1 NHG darüber hinausgehend die Gestaltung und Nutzung der Moorlandschaften zu, soweit sie der Erhaltung der für die Moorlandschaften typischen Eigenheiten nicht widersprechen. Mit anderen Worten genügt statt der Schutzzieldienlichkeit die Schutzzielverträglichkeit, was in der Lehre als verfassungswidrig bezeichnet worden ist (WALDMANN, a.a.O., S. 283 f.). Art. 23d Abs. 2 NHG enthält sodann eine beispielhafte, ![]() | 19 |
Art. 23d Abs. 2 lit. b NHG erklärt - unter Vorbehalt von Abs. 1 - den Unterhalt und die Erneuerung rechtmässig erstellter Bauten und Anlagen für zulässig. Das Gadenhaus des Beschwerdeführers ist rechtmässig erstellt, Unterhalt und Erneuerung sind daher zulässig. Die vorgenommenen baulichen Massnahmen gehen indessen über Unterhalt und Erneuerung weit hinaus und umfassen, nachdem zunächst der Ökonomieteil neu aufgebaut wurde, dessen völlige Zweckänderung und den Ausbau zu Wohnzwecken. Derartige Umbauten sind allenfalls, unter Beachtung von Art. 23d Abs. 1 NHG, auch innerhalb einer geschützten Moorlandschaft zulässig, sofern die entsprechenden raumplanerischen Voraussetzungen erfüllt sind; dies z.B. durch die Schaffung einer Weilerzone oder die richtplanerische Ausscheidung eines Gebietes mit traditioneller Streubauweise gemäss Art. 24 der Raumplanungsverordnung vom 2. Oktober 1989 (RPV; SR 700.1; vgl. WALDMANN, a.a.O., S. 318 f.). Der Beschwerdeführer macht denn auch in allgemeiner Form geltend, das Gebiet Rossboden müsse seines Erachtens in eine Weilerzone verschoben werden. Dass die Gemeinde entsprechende Planungsabsichten hegt und mit einer Einzonung des Gebäudes des Beschwerdeführers zu rechnen wäre, ist aber in keiner Weise aktenkundig. Unter diesen Umständen kann die Umbaute nicht als zulässige Nutzung im Sinne von Art. 23d NHG gelten, ohne dass im einzelnen geprüft werden muss, ob dadurch ein Widerspruch zu den für die Moorlandschaft Rothenthurm typischen Eigenheiten entstehen würde.
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b) Der Beschwerdeführer beruft sich auf den Grundsatz von Treu und Glauben. Daraus kann er nichts für sich ableiten. Einerseits war ihm die Rechtslage bekannt; andererseits wurde ihm nie von zuständiger Seite zugesichert, dass er die ohne Bewilligung durchgeführten Bauarbeiten vornehmen dürfe. Im Gegenteil nahm die Baukommission Oberägeri am 7. Oktober 1993 ablehnend Stellung zu einem Gesuch des Beschwerdeführers um Bewilligung der Umgestaltung und Umnutzung seiner landwirtschaftlichen Baute.
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c) Der Beschwerdeführer räumt ein, unbewilligte und ungesetzliche Umbauten vorgenommen zu haben. Er habe sich darauf ![]() | 22 |
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Das Verwaltungsgericht hat auch die Anordnung der Baudirektion, dass der mit Verfügung vom 15. Juli 1992 bewilligte Zustand wiederherzustellen sei, bestätigt. Der Beschwerdeführer wendet ein, dies sei unverhältnismässig.
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b) Das Verwaltungsgericht hat erwogen, vorliegend bestehe kein Raum für eine solche Interessenabwägung. Die Übergangsbestimmung von Art. 24sexies Abs. 5 BV verlange ausdrücklich den Abbruch von Bauten, welche dem Zweck der Schutzzone widersprechen.
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Hierzu ist einerseits zu bemerken, dass die Übergangsbestimmung Bauten betrifft, welche nach dem 1. Juni 1983, aber vor dem Inkrafttreten des Moorschutzartikels am 6. Dezember 1987 errichtet wurden (vgl. WALDMANN, a.a.O., S. 327 ff.). Für seither errichtete rechtswidrige Bauten und Anlagen ergibt sich die Beseitigungspflicht nicht aus der Übergangsbestimmung, sondern aus dem materiellen Recht, also aus Art. 24sexies Abs. 5 BV und den Art. 23a ff. NHG (BGE 111 Ib 213 E. 6c S. 226 mit Hinweis; a.A. HALLER/KARLEN, Raumplanungs- und Baurecht, 2. Auflage, Zürich 1992, Rz. 889), wobei Art. 24e NHG in der Fassung vom 24. März 1995 nun auch spezifische Regeln über die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes enthält und insbesondere eine gesetzliche Grundlage für Ersatzleistungen schafft. Andererseits beantwortet Art. 24sexies Abs. 5 BV entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts die Frage nicht, ob ein Wiederherstellungs- oder Abbruchbefehl verhältnismässig sei. Es trifft zu, dass diese Verfassungsbestimmung die Interessenabwägung und Verhältnismässigkeit des Bau- bzw. Veränderungsverbotes in den geschützten Mooren und Moorlandschaften bereits vorab entschieden hat (BGE 117 Ib 243 E. 3b). Das ändert nichts daran, dass in Einzelfällen die Durchsetzung eines Wiederherstellungs- oder Abbruchbefehls unverhältnismässig sein kann, so dass die Prüfung der Verhältnismässigkeit nicht einfach unterbleiben darf (vgl. BGE 117 Ib 243 E. 3c). Zu denken ist vor allem an Fälle, in welchen es an der Verhältnismässigkeit im Sinne der Zwecktauglichkeit (Eignung) des Abbruches fehlt, indem dieser das betroffene Schutzgebiet stärker beeinträchtigen würde als ein Belassen des widerrechtlichen Zustandes (vgl. für weitere Beispiele WALDMANN, a.a.O., S. 337). Gerade hier wird allerdings durch eine ![]() | 27 |
c) Die vorliegend zu beurteilende Wiederherstellungsverfügung ist ohne weiteres als verhältnismässig anzusehen: Der Beschwerdeführer hat offensichtlich bösgläubig gehandelt. Die Abweichung vom Erlaubten ist nicht gering, wurde doch der als Stall- und Scheunentrakt bewilligte Gadenteil völlig zweckentfremdet und baulich gegenüber dem bewilligten Scheunen- und Stallteil deutlich sichtbar verändert. Sodann ist das öffentliche Interesse an einer konsequenten Durchsetzung der raumplanerischen, baupolizeilichen und vorliegend auch der Naturschutz-Vorschriften in Rechnung zu stellen. Das Argument des Beschwerdeführers, es würden auch andere widerrechtliche Bauten geduldet, schlägt demgegenüber wie erwähnt nicht durch.
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