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33. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 3. September 2001 i.S. X. gegen Eidgenössische Bankenkommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 38 Abs. 2 und 3 BEHG, Art. 6 und 25 VwVG; Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes in der Amtshilfe; Parteistellung des unabhängigen Vermögensverwalters. |
Anforderungen an das Verfahren vor der Eidgenössischen Bankenkommission bei "instituts-" bzw. "kundenbezogenen" Informationen (E. 3a). |
Angaben über unabhängige Vermögensverwalter sind "kundenbezogen" und dürfen ohne Zustimmung des Betroffenen nicht formlos ins Ausland weitergeleitet werden (E. 3b-6). |
Bestätigung der Rechtsprechung, wonach die Bewilligung zur Weiterleitung von in Amtshilfe übermittelten Informationen an die Strafbehörden eines konkretisierbaren Verdachts im Einzelfall bedarf (E. 7). | |
Sachverhalt | |
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Gestützt auf die hierauf eingeholten Informationen teilte die Eidgenössische Bankenkommission der COB am 18. April 2001 unter anderem mit:
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"Transactions auprès de Y. AG
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Cet établissement a acquis en août 2000 et vendu dans la période visée 4'000 titres Flammarion. Ces achats ont été effectués pour le compte de quatre relations bancaires. Tous les titulaires des comptes en question ont conféré un mandat de gestion discrétionnaire à M. X., qui a pris la décision d'acquérir les titres sans en référer préalablement aux clients concernés.
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Transactions auprès de Z. AG
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Cet établissement a acquis à partir de la moitié de juin 2000 et vendu dans la période visée 1'500 titres Flammarion. Ces achats ont été effectués pour le compte d'une relation bancaire dont le titulaire du compte a, lui aussi, conféré un mandat de gestion discrétionnaire à M. X. Ces clients avaient signé des mandats de gestion en bonne et due forme en faveur de M. X. Celui-ci est par ailleurs au bénéfice d'une autorisation de fiduciaire financier délivrée par le Conseil d'Etat de la République et Canton du Tessin."
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Die Bankenkommission erteilte der "Commission des Opérations de Bourse" gleichzeitig - im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Justiz - die Bewilligung, die Informationen gegebenenfalls an die Straf(verfolgungs-)behörden weiterzuleiten. Jede andere ![]() | 7 |
X. hat gegen das Vorgehen der Bankenkommission am 18. Mai 2001 Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag, den Entscheid der Bankenkommission aufzuheben und sie anzuhalten, die "Commission des Opérations de Bourse" (COB) zu verpflichten, die erhaltenen Informationen in keiner Weise zu verwenden; eventuell sei die Beschwerde insofern gutzuheissen, als die "Commission des Opérations de Bourse" (COB) im Schreiben vom 18. April 2001 ermächtigt worden sei, die erhaltenen Angaben an die zuständigen Straf-(verfolgungs)behörden weiterzuleiten.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde im Sinne der Erwägungen teilweise gut.
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Aus den Erwägungen: | |
1. In Anwendung des Börsengesetzes ergangene Amtshilfeverfügungen der Eidgenössischen Bankenkommission unterliegen (unmittelbar) der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht (Art. 39 BEHG; vgl. BGE 126 II 126 E. 5c/bb S. 135). Das gleiche Rechtsmittel ist gegeben, wenn geltend gemacht wird, die Bankenkommission habe zu Unrecht keine Verfügung erlassen und damit eine formelle Rechtsverweigerung begangen (vgl. BGE 124 II 124 E. 1b S. 126; BGE 120 Ib 183 E. 1b S. 186): Nach Art. 97 Abs. 2 OG gilt auch das "unrechtmässige Verweigern oder Verzögern einer Verfügung" als ein im Sinne von Art. 97 Abs. 1 OG anfechtbarer Akt. Der Beschwerdeführer, dessen Personalien formlos weitergeleitet wurden, hat - unabhängig von der Berechtigung in der Sache selber - ein schutzwürdiges Interesse daran, überprüfen zu lassen, ob seine Parteistellung verneint und ob von der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens abgesehen werden durfte (Art. 103 lit. a OG; vgl. BGE 124 II 499 E. 1b S. 502; BGE 123 II 115 E. 2b/aa S. 118 u. E. 2c/bb S. 120). Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist somit einzutreten.
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2. Nach Art. 38 Abs. 2 BEHG kann die Eidgenössische Bankenkommission ausländischen Aufsichtsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen nicht öffentlich zugängliche Auskünfte und sachbezogene Unterlagen übermitteln. Dabei muss es sich um "Aufsichtsbehörden über Börsen- und Effektenhändler" handeln, die solche Informationen ausschliesslich zur direkten Beaufsichtigung der Börsen und des Effektenhandels verwenden (Art. 38 Abs. 2 lit. a BEHG; "Spezialitätsprinzip") und zudem an das Amts- oder Berufsgeheimnis ![]() | 11 |
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cc) Anders verhält es sich bei den "kundenbezogenen" Daten ("informations de nature personnelle"): Neben dem allfälligen "Auskunftsverfahren" sieht Art. 38 Abs. 3 BEHG hier ein sog. "Übermittlungsverfahren" vor, das den Regeln des Verwaltungsverfahrensgesetzes zu folgen hat, unter Umständen aber mit dem "Auskunftsverfahren" zusammengelegt werden kann (BGE 125 II 450 E. 2a S. 453 f.). Kundenbezogen sind alle Daten, die unter das Bank- oder Effektenhändlergeheimnis fallen und sich auf eine andere als die beaufsichtigte natürliche oder juristische Person beziehen (Urteil des Bundesgerichts 2A.352/2000 vom 9. März 2001 i.S. B. u. Mitb., E. 2c/bb; vgl. AMY, a.a.O., S. 371). Als Kunde hat in erster Linie der Träger des Bank- oder Effektenhändlergeheimnisses zu gelten; ihm - und nicht den unmittelbar Beaufsichtigten - soll der zusätzliche verfahrensrechtliche Schutz zugute ![]() | 14 |
b) aa) Bisher nicht zu beantworten hatte das Bundesgericht die hier aufgeworfene Frage, welcher Natur die Angaben über einen selbständigen Vermögensverwalter sind, der im Namen des Bankkunden dessen Portefeuille frei bewirtschaftet ("mandat de gestion discrétionnaire"). Die Doktrin nimmt - soweit sie die Frage thematisiert - an, entsprechende Informationen seien kundenbezogen (SCHAAD, a.a.O., Rz. 124 zu Art. 38 BEHG; wohl auch PETER NOBEL, Schweizerisches Finanzmarktrecht, Bern 1997, S. 207, Rz. 292). Nach ALTHAUS sind externe Vermögensverwalter, wie beispielsweise Treuhandgesellschaften, Rechtsanwälte und Notare, welche Aufträge über eine Bank abwickeln, an sich ebenfalls Bank- oder Effektenhändlerkunden. Nur wenn sie ihre Transaktionen nicht selbständig und unabhängig, sondern in einer eher einem Organ oder Mitarbeiter ähnlichen Stellung tätigten, seien sie vom verfahrensrechtlichen Schutz von Art. 38 Abs. 3 BEHG ausgeschlossen (ALTHAUS, a.a.O., S. 213).
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cc) Die Situation des unabhängigen Vermögensverwalters kann umgekehrt selber nicht mit jener des wirtschaftlich Berechtigten verglichen werden: Diesem fehlt die Parteistellung, da er die von ihm gewählte Konstruktion (selbständige Kundenqualität eines Dritten) gegen sich gelten lassen und die sich hieraus ergebenden Konsequenzen tragen muss (Urteil des Bundesgerichts 2A.352/2000 vom 9. März 2001 i.S. B. u. Mitb., E. 3a). Dank seines wirtschaftlichen und rechtlichen Einflusses auf den direkten Vertragspartner des Effektenhändlers oder der Bank kann er seine Interessen in geeigneter Weise wahren. Ist dies ausnahmsweise nicht der Fall, steht ihm - analog der Rechtsprechung im Bereich der Rechtshilfe in Strafsachen (vgl. Urteil vom 18. Mai 2000 i.S. L., E. 1e, veröffentlicht in: Pra 89/2000 Nr. 133 S. 790) - unter Umständen im Rahmen von Art. 38 Abs. 3 BEHG ebenfalls Parteistellung zu. Dies muss für den unabhängigen Vermögensverwalter immer gelten, hat er doch zum Vornherein keine Möglichkeit, seine Interessen anderweitig geeignet wahrzunehmen, da es sich bei seinem Kunden eben meist gerade um einen "unbeteiligten Dritten" handeln wird (Art. 38 Abs. 3 Satz 2 BEHG). Die Ungleichbehandlung mit dem als Organ oder Mitarbeiter einer Bank tätigen Vermögensverwalter rechtfertigt sich einerseits deshalb, weil dieser im unmittelbaren Aufsichtsbereich der Bankenkommission agiert und daher zu ihr in einem besonderen Rechtsverhältnis steht; andererseits kommt hier wiederum dem Arbeitgeber im "Auskunftsverfahren" Parteistellung zu, womit insofern ebenfalls ein minimaler Rechtsschutz besteht.
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5. Das Vorgehen der Bankenkommission überzeugt schliesslich auch mit Blick auf Art. 25 VwVG nicht: Danach kann, wer ein schutzwürdiges rechtliches oder tatsächliches Interesse nachweist, den Erlass einer Feststellungsverfügung über den Bestand, den Nichtbestand oder den Umfang öffentlichrechtlicher Rechte oder Pflichten verlangen (BGE 114 V 201 ff.). Mit Blick auf den Interpretationsspielraum, den Art. 38 Abs. 3 BEHG der Bankenkommission einräumt, wird in der Doktrin die Meinung vertreten, in Zweifelsfällen stehe dem durch die Amtshilfemassnahme angeblich Berührten ein Anspruch auf Erlass einer entsprechenden Feststellungsverfügung zu. Nach ALTHAUS hat die Bankenkommission in Grenzfällen zu prüfen, "ob der instituts- oder marktbezogene ![]() | 20 |
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a) Zwar hat das Bundesgericht festgestellt, dass die in Amtshilfe übermittelten Informationen generell der "Aufsicht über Börsen und den Effektenhandel" und nicht allein der Kontrolle der am Markt beteiligten Institute diene (BGE 125 II 65 E. 5b S. 72 f.), weshalb auch kundenbezogene Daten im Rahmen von Art. 38 BEHG Gegenstand von Amtshilfehandlungen bilden könnten. Es verwarf damit aber einzig den Einwand, die Amtshilfe sei bloss hinsichtlich "institutsbezogener" Informationen zulässig, also soweit die Beaufsichtigung der Effektenhändler auch die Mitteilung von Informationen über Kunden erforderlich mache, nicht aber sofern die ausländische Aufsichtsbehörde ausschliesslich ein direktes Interesse am Verhalten des Kunden habe (BGE 125 II 65 E. 5a S. 72). Daraus ergibt sich nicht, wie dies zu geschehen hat; die entsprechende Frage ist allein in Auslegung von Art. 38 Abs. 3 BEHG zu beantworten.
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b) aa) Das Bundesgericht hat am 5. April 2001 i.S. W. entschieden, dass eine Weiterleitung von Daten, die den Bankkunden betreffen, unzulässig sein könne, wenn ein klarer und unzweideutiger (schriftlicher) Vermögensverwaltungsauftrag vorliege und keine anderen Umstände darauf hinwiesen, dass der Kunde, über dessen Konto die verdächtigen Transaktionen abgewickelt wurden, in irgendeiner Form dennoch an den umstrittenen Geschäften selber ![]() | 23 |
bb) Der Beschwerdeführer legte in den Monaten Juni und Juli des Jahres 2000 über die Z. AG insgesamt 1'500 "Flammarion"-Aktien in sein eigenes Portefeuille. Gestützt auf die ihm erteilten Vermögensverwaltungsaufträge erwarb er anschliessend im Namen und auf Rechnung verschiedener Kunden, ohne deren Wissen, 4'000 weitere Titel, bevor er am 7. November 2000 sämtliche Aktien verkaufte. Hinsichtlich der eigenen Transaktionen kam dem Beschwerdeführer Kundenqualität zu. Zwar teilte die Bankenkommission der "Commission des Opérations de Bourse" auch in Bezug auf diese Geschäfte lediglich mit, es habe sich um im Rahmen eines Vermögensverwaltungsauftrags getätigte Käufe gehandelt; dies ändert jedoch - abgesehen davon, dass es nicht den Tatsachen entsprach - nichts daran, dass die den Beschwerdeführer betreffenden Informationen insofern im Zusammenhang mit Geschäften weitergeleitet wurden, die diesen als Kunden im engeren Sinne betrafen. Stünde es der Bankenkommission frei, den Kunden, wie sie dies hier bezüglich der über die Z. AG abgewickelten Geschäfte getan hat, jeweils als seinen eigenen unabhängigen Vermögensverwalter zu qualifizieren und seine Daten als instituts- bzw. marktbezogene Angaben ausser Landes zu geben, würde Art. 38 Abs. 3 BEHG seines Sinnes entleert.
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c) Der Einwand, der Beschwerdeführer sei zumindest als unabhängiger Vermögensverwalter durch die Weitergabe nicht in einem rechtlich geschützten eigenen Interesse betroffen, verkennt dass ein solches nach Art. 48 VwVG nicht erforderlich ist. Es genügt, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Akt berührt erscheint und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat; dieses kann auch bloss tatsächlicher Natur sein (vgl. ROTH, a.a.O., Rz. 77 zu Art. 38 BEHG).
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7. a) Es stellt sich damit die Frage, welche Folgen an die Missachtung von Art. 38 Abs. 3 BEHG durch die Bankenkommission zu knüpfen sind. Die umstrittenen Angaben befinden sich bereits im ![]() | 26 |
b/aa) Bei der "Commission des Opérations de Bourse" handelt es sich um eine börsenrechtliche Aufsichtsbehörde, welcher die Bankenkommission Amtshilfe leisten kann (BGE 127 II 142 E. 4 S. 145; BGE 126 II 86 E. 3 S. 88 f.). Im Vorfeld der Übernahme des Verlagshauses "Flammarion" durch die "Rizzoli"-Gruppe am 17. Oktober 2000 kam es zu unüblichen Handelsvolumen (3. Oktober: 1'834 Titel; 4. Oktober: 2'270 Titel; 9. Oktober: 1'463 Titel; 11. Oktober: 4'884 Titel; 12. Oktober: 3'376 Titel; bei einem sonstigen durchschnittlichen Volumen von 436 Titeln). Diese legten aufsichtsrechtliche Abklärungen mit Blick auf einen allfälligen Insiderhandel nahe und bildeten hinreichenden Anlass, die Bankenkommission um Amtshilfe zu ersuchen, zumal der von der "Rizzoli"-Gruppe gebotene Preis von 78.2 Euro pro Aktie deutlich über dem durchschnittlichen Preis von 33.7 Euro seit anfangs Jahr lag (vgl. BGE 127 II 142 E. 5c S. 146 mit Hinweis). Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er habe die umstrittenen Titel gestützt auf allgemein zugängliche Informationen und eine eigene Marktanalyse erworben, verkennt er, dass die Bankenkommission diese Einwände in ihrem Verfahren nicht zu prüfen hatte (BGE 127 II 142 E. 5c S. 147). Auch wenn im Zeitpunkt, in dem die Abklärungen aufgenommen wurden, wegen auffälliger Kursverläufe erst in abstrakter Weise der Verdacht auf eine Verletzung börsenrechtlicher Bestimmungen bestand, blieb die Amtshilfe zulässig (vgl. BGE 125 II 65 E. 6b/bb S. 74, 450 E. 3b S. 457). Es ist an der ausländischen Aufsichtsbehörde, aufgrund eigener Untersuchungen und gestützt auf die eingeholten Auskünfte über die Begründetheit des Verdachts zu entscheiden; dessen Berechtigung bildet nicht Gegenstand des Amtshilfeverfahrens (BGE 127 II 142 E. 5a S. 145).
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bb) Unzulässig ist indessen zurzeit die von der Bankenkommission der "Commission des Opérations de Bourse" erteilte Bewilligung, die übermittelten Informationen gegebenenfalls an die ![]() | 28 |
8. a) Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die Eidgenössische Bankenkommission formell zu Unrecht kein "Übermittlungsverfahren" im Sinne von Art. 38 Abs. 3 Satz 1 BEHG bzw. kein negatives Feststellungsverfahren nach Art. 25 VwVG durchgeführt hat. Materiell war ihre Amtshilfe indessen - bis auf die Bewilligung, die Auskünfte für ein allfälliges Insiderstrafverfahren benützen zu dürfen - bundesrechtskonform. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist deshalb im Sinne der Erwägungen teilweise gutzuheissen und die Bankenkommission zu verpflichten, die "Commission des Opérations de Bourse" darüber zu informieren, dass die in ihrem Schreiben vom 18. April 2000 erteilte Zustimmung zu einer allfälligen Weiterleitung an die zuständigen Strafbehörden mit vorliegendem Urteil hinfällig geworden ist und für eine entsprechende Verwendung der Informationen erneut um eine Bewilligung nachzusuchen wäre.
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