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19. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S.X. gegen Regierungsrat sowie Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) |
2A.509/2001 vom 3. April 2002 | |
Regeste |
Art. 4 und 7 ANAG; Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG; Art. 8 Abs. 1 BV; Art. 114 f. ZGB; Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung; Scheinehe; Rechtsmissbrauch. |
Rechtsmissbrauch im Zusammenhang mit Art. 7 ANAG kann auch im Falle eines sich (nach Massgabe des neuen Scheidungsrechts) der Scheidung widersetzenden ausländischen Ehegatten während der Dauer der Vierjahresfrist von Art. 114 ZGB vorliegen; unerheblich ist, dass der Scheidungsrichter die Aufrechterhaltung der Ehe als nicht unzumutbar im Sinne von Art. 115 ZGB erachtet (E. 2). |
Feststellungen des Scheidungsrichters über das Vorliegen einer Scheinehe sind für die Fremdenpolizeibehörden nicht verbindlich; massgebend ist (primär) die Sicht des ausländischen Ehegatten (E. 3.1); Rechtsmissbrauch bejaht (E. 3.2-3.4). |
Das allgemeine Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV) vermag keine Rechtsansprüche auf eine fremdenpolizeiliche Bewilligung zu begründen (E. 3.5). | |
Sachverhalt | |
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Im Sommer 1997 wurde die eheliche Wohngemeinschaft von X. und seiner Ehefrau beendet. Diese lernte im März 1998 ihren derzeitigen Lebenspartner kennen, mit dem sie einen (im April 1999 geborenen) Sohn hat. Eine erste Scheidungsklage der Ehefrau, der sich X. widersetzte, wurde anlässlich der Hauptverhandlung vor Bezirksgericht Zürich zurückgezogen, worauf das Gericht die Klage am 3. September 1999 als erledigt abschrieb. Auf einen gegen diesen Beschluss gerichteten Rekurs der Ehefrau trat das Obergericht des Kantons Zürich am 2. November 1999 nicht ein. Am 20. Oktober 1999 erstattete die Ehefrau Anzeige gegen X. wegen Nötigung.
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Mit Verfügung vom 10. November 2000 wies die Direktion für Soziales und Sicherheit des Kantons Zürich, Fremdenpolizei, das Gesuch von X. vom 29. November 1999 um Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung ab und setzte ihm Frist zur Aufgabe der Erwerbstätigkeit und zum Verlassen des Kantonsgebiets. Zur Begründung gab die Behörde an, es bestehe keine eheliche Beziehung mehr und die Absicht von X., das formale Band der Ehe aufrechtzuerhalten, laufe auf einen Missbrauch der Ehe zum Ertrotzen einer Aufenthaltsbewilligung hinaus.
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Einen gegen diese Verfügung erhobenen Rekurs wies der Regierungsrat des Kantons Zürich mit Beschluss vom 4. April 2001 ab, soweit er darauf eintrat.
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Mit Entscheid vom 19. September 2001 (versandt am 23. Oktober 2001) wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (4. Kammer) die von X. gegen den regierungsrätlichen Rekursentscheid erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab. Im Wesentlichen kam das Gericht zum Schluss, dass zwischen den Ehegatten keine eheliche Gemeinschaft mehr bestehe und Hoffnungen auf eine Wiederaufnahme derselben nicht mehr gehegt werden könnten, womit sich X. denn auch abgefunden habe. Die Berufung auf die Ehe zur Begründung einer Anwesenheitsberechtigung sei daher als rechtsmissbräuchlich zu werten.
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Mit Eingabe vom 23. November 2001 hat X. beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht, mit der er beantragt, den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 19. September 2001 aufzuheben und die Direktion für Soziales und Sicherheit des Kantons Zürich, Migrationsamt, anzuweisen, die Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung des Beschwerdeführers ordnungsgemäss zu ![]() | 7 |
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 1 | |
Erwägung 1.1 | |
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Vorliegend beantragt der Beschwerdeführer neben der Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung auch die Verlängerung der Arbeitsbewilligung. Aus der Begründung seiner Beschwerde ist zu schliessen, dass er der Arbeitsbewilligung keine selbständige Bedeutung beimisst und diese als Teil des Aufenthaltsrechts versteht. Insofern erübrigt sich die gesonderte Prüfung der Zulässigkeit dieses Rechtsbegehrens.
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1.1.2 Nach Art. 7 Abs. 1 ANAG (in der Fassung vom 23. März 1990) hat der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers grundsätzlich Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung (Satz 1) sowie nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung (Satz 2); der Anspruch erlischt, wenn ein Ausweisungsgrund vorliegt (Satz 3). Für die Eintretensfrage ist im Zusammenhang mit Art. 7 ANAG einzig darauf abzustellen, ob formell eine Ehe besteht; anders als bei Art. 8 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte ![]() | 11 |
1.1.3 Bei der Prüfung der materiellen Rechtmässigkeit eines fremdenpolizeilichen Entscheids sind für das Bundesgericht in der Regel die tatsächlichen Verhältnisse massgebend, wie sie zum Zeitpunkt des Entscheids der richterlichen Vorinstanz herrschten; dies ergibt sich aus Art. 105 Abs. 2 OG (vgl. unten E. 1.2.1). Für die Eintretensfrage hingegen, d.h. für die Frage, ob ein Anspruch im Sinne von Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG vorliegt, stellt das Bundesgericht grundsätzlich auf die im Zeitpunkt seinen Entscheides bestehende Rechts- und Sachlage ab (BGE 127 II 60 E. 1b S. 63 mit Hinweisen).
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1.1.5 Nachdem die Ehe des Beschwerdeführers mit seiner Schweizer Ehefrau fünf Jahre dauerte und er während dieser Zeit ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz gelebt hat, bevor die Scheidung rechtskräftig geworden ist, hat er grundsätzlich Anspruch auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung (BGE 122 II 145 E. 3b S. 147; BGE 121 II 97 E. 4c S. 104 f., mit Hinweisen). Auf ![]() | 14 |
Erwägung 1.2 | |
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1.2.2 Das Bundesgericht wendet im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde das Bundesrecht von Amtes wegen an; es ist ![]() | 16 |
Erwägung 2 | |
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2.2 Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn ein Rechtsinstitut zweckwidrig zur Verwirklichung von Interessen verwendet wird, die dieses Rechtsinstitut nicht schützen will (BGE 121 I 367 E. 3b S. 375; BGE 121 II 97 E. 4 S. 103). Im Zusammenhang mit Art. 7 ANAG ist dies der Fall, wenn der Ausländer sich im Verfahren um Erteilung einer fremdenpolizeilichen Aufenthaltsbewilligung auf eine Ehe beruft, welche nur (noch) formell und ohne Aussicht auf Aufnahme bzw. Wiederaufnahme einer ehelichen Gemeinschaft besteht (vgl. BGE 127 II 49 E. 5a S. 56; BGE 123 II 49 E. 4 und 5 S. 50 ff.; BGE 121 II 97 E. 2 und 4 S. 100 f. bzw. 103 ff.). Ein Rechtsmissbrauch darf aber nicht leichthin angenommen werden, namentlich nicht schon deshalb, weil die Ehegatten nicht mehr zusammenleben oder ein Eheschutz- oder Scheidungsverfahren eingeleitet worden ist. Gerade weil der ausländische Ehegatte nicht der Willkür des schweizerischen ausgeliefert sein soll, hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung vom ehelichen Zusammenleben abhängig zu machen (ausführlich: BGE 118 Ib 145 E. 3 S. 149 ff.). Erforderlich sind klare Hinweise darauf, dass die Führung einer Lebensgemeinschaft nicht mehr beabsichtigt und nicht mehr zu erwarten ist (BGE 127 II 49 E. 5a S. 56 f. mit Hinweisen). Ist dies erstellt, so kann es für die ausländerrechtliche Würdigung keine ![]() | 18 |
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Erwägung 3 | |
3.1 Vorliegend deuten der nicht unbeträchtliche Altersunterschied zwischen den Ehegatten, die kurze Bekanntschaft vor der Eheschliessung und die relativ kurze Zeit des ehelichen Zusammenlebens auf das Vorliegen einer Scheinehe hin. Auch verweist die Vorinstanz auf entsprechende Aussagen der Ehefrau im Scheidungsverfahren über die Motive der Ehe, welche allerdings insofern zu relativieren seien, als sich bei den Akten ebenfalls gegenteilige Äusserungen fänden. Die Feststellung des Bezirksgerichts Zürich in seinem Urteil vom 9. Mai 2000, es handle sich bei der Ehe des ![]() | 20 |
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3.3 Gestützt auf diese nicht bestrittenen Tatsachen durfte das Verwaltungsgericht ohne Verletzung von Bundesrecht annehmen, die Ehe des Beschwerdeführers habe im fraglichen Zeitpunkt nur noch formell bestanden und die Berufung darauf sei mit dem alleinigen Zweck erfolgt, ihm eine Anwesenheitsbewilligung zu ermöglichen. Auch wenn die Bemühungen der Ehefrau, sich von ihrem Ehemann zu scheiden, (vorerst) erfolglos blieben und der Vorwurf der Nötigung vom zuständigen Strafgericht nicht als erwiesen erachtet wurde, kann kein Zweifel bestehen, dass ihr Ehewillen definitiv erloschen war und für sie eine Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft jedenfalls ab Mitte 1999 nicht mehr in Frage kam. Selbst wenn der Beschwerdeführer - wie er vorbringt - selber noch an eine Wiedervereinigung geglaubt haben und mehrmals (aber erfolglos) dahingehend aktiv geworden sein sollte, konnte auch für ![]() | 22 |
3.4 Was der Beschwerdeführer im Weiteren einwendet, überzeugt nicht: Zunächst schliesst der Umstand, dass die Eingehung der Ehe nicht nachweislich fremdenpolizeilich motiviert war, nicht aus, dass sich eine Berufung darauf zu einem späteren Zeitpunkt als rechtsmissbräuchlich erweist (vgl. oben E. 2.1). Auf die Beweggründe der Gatten anlässlich der Eheschliessung, welche der Beschwerdeführer als von der Vorinstanz willkürlich gewürdigt erachtet, kommt es damit vorliegend nur beschränkt an. Im Weiteren spielen die Gründe für das Scheitern der Ehe bzw. für die Unmöglichkeit einer Wiederannäherung der Gatten, welche der Beschwerdeführer allein im Verhalten seiner Ehefrau erblickt, für die Beurteilung des Rechtsmissbrauchs keine Rolle, soweit - wie hier - mit einer Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft offensichtlich nicht mehr zu rechnen ist (BGE 127 II 49 E. 5d S. 59 f.). Dass der Beschwerdeführer im massgeblichen Zeitpunkt nach wie vor gewillt gewesen sei, die eheliche Gemeinschaft wieder aufzunehmen, erscheint im Übrigen bei Würdigung der gesamten Umstände des Falles unglaubwürdig, insbesondere nachdem er mit seiner Ehefrau übereingekommen war, eine Scheidung dereinst (nach Entstehung des Anspruches auf die Niederlassungsbewilligung) in Erwägung zu ziehen, welchen Schritt er in der Folge denn auch getan hat. Beruft sich der Beschwerdeführer - unabhängig vom Vorliegen einer konkreten Umgehungsabsicht - auf die auch aus seiner Sicht nur noch formell bestehende Ehe, so erscheint dies unter dem Blickwinkel von Art. 7 ANAG als rechtsmissbräuchlich. An dieser fremdenpolizeilichen Beurteilung ändert sich auch dadurch nichts, dass das Bezirksgericht Zürich die Scheidungsklage der Ehefrau ![]() | 23 |
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Der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer rechtsmissbräuchlich auf die Ehe zu seiner Schweizer Ehegattin beruft, hat an sich nicht zwingend zur Folge, dass die Bewilligung verweigert werden muss. Vielmehr steht es den kantonalen Behörden frei, die Aufenthaltsbewilligung trotz Fehlens eines Anspruches gestützt auf das ihnen nach Art. 4 ANAG zustehende Ermessen zu verlängern (Urteil des Bundesgerichts 2A.345/2001 vom 12. Dezember 2001, E. 3d). Die vom Beschwerdeführer ins Feld geführte Praxis, soweit sie effektiv in der von ihm dargelegten Weise besteht (vgl. dazu auch MARC SPESCHA, Handbuch zum Ausländerrecht, Bern 1999, S. 162, Fn. 16), wäre diesem behördlichen Ermessensbereich zuzuordnen. Von Bundesrechts wegen waren die kantonalen Behörden aber nicht zu einer Bewilligungserteilung verpflichtet, weshalb insofern eine Überprüfung der Bewilligungsverweigerung durch das Bundesgericht ausgeschlossen ist (Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG). Soweit vorliegend (sinngemäss) eine rechtsungleiche Rechtsanwendung geltend gemacht wird, vermag auch das allgemeine Rechtsgleichheitsgebot von Art. 8 Abs. 1 BV keinen Rechtsanspruch auf eine fremdenpolizeiliche Bewilligung zu begründen (Urteil des Bundesgerichts 2A.471/2001 vom 29. Januar 2002, E. 2c/dd in fine). Gleiches gilt, soweit der Beschwerdeführer das Vorgehen der Fremdenpolizeibehörden in diesem Zusammenhang als willkürlich (im Sinne von Art. 9 BV) bezeichnet (BGE 126 II 377 E. 4 S. 388).
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