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10. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Migrationsamt des Kantons Zürich sowie Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_19/2007 / 2C_45/2007 vom 2. April 2007 | |
Regeste |
Art. 5 Ziff. 1 lit. b und lit. f EMRK; Art. 13g Abs. 1, 2 und 6 lit. b ANAG (in der Fassung vom 16. Dezember 2005); Durchsetzungshaft eines aus Algerien stammenden Ausländers, der sich weigert, in seine Heimat zurückzukehren. | |
Sachverhalt | |
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Am 30. Januar 2007 nahm das Migrationsamt des Kantons Zürich X. in Durchsetzungshaft, nachdem er sich am 7. Dezember 2006 geweigert hatte, das Flugzeug nach Algier zu besteigen. Die Haftrichterin am Bezirksgericht Zürich prüfte diese am 1. Februar 2007 und bestätigte sie bis zum 28. Februar 2007. Hiergegen gelangte X. am 9. Februar 2007 mit dem Antrag an das Bundesgericht, den haftrichterlichen Entscheid aufzuheben und ihn unverzüglich aus der Haft zu entlassen (Verfahren 2C_19/2007).
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Am 21. Februar 2007 ersuchte das Migrationsamt des Kantons Zürich das Bezirksgericht, die Durchsetzungshaft von X. um zwei Monate zu verlängern, da er sich am 17. Februar 2007 erneut geweigert habe, den für ihn reservierten Rückflug nach Algier anzutreten, obwohl er zuvor erklärt habe, nunmehr bereit zu sein, in seine Heimat zurückzukehren. Der Haftrichter bewilligte die Verlängerung am 28. Februar 2007 bis zum 30. April 2007. X. gelangte am 5. März 2007 hiergegen wiederum mit dem Antrag an das Bundesgericht, den Entscheid des Haftrichters aufzuheben und ihn unverzüglich aus der Haft zu entlassen (Verfahren 2C_45/2007).
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Das Bundesgericht weist die Beschwerden ab, soweit das Verfahren 2C_19/2007 nicht gegenstandslos geworden ist.
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Erwägung 2 | |
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2.2 Die Durchsetzungshaft findet ihre konventionsrechtliche Rechtfertigung vorab in Art. 5 Ziff. 1 lit. b (Haft zur Erzwingung einer durch das Gesetz vorgeschriebenen Verpflichtung) und nicht wie die Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft ausschliesslich in Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK (Haft zur Sicherung eines schwebenden Ausweisungsverfahrens; vgl. BGE 130 II 56 E. 4.2.3, BGE 130 II 377 E. 3.1). Sie bezweckt, die ausreisepflichtige Person in jenen Fällen zu einer Verhaltensänderung zu bewegen, in denen nach Ablauf der Ausreisefrist der Vollzug der rechtskräftig gegen sie angeordneten Weg- oder Ausweisung - trotz der behördlichen Bemühungen - ohne ihre Kooperation nicht möglich ist (vgl. BGE 130 II 56 E. 4.2.3 S. 62 f.; AB 2005 S 375 ff. [Voten von Kommissionssprecherin Heberlein und Bundesrat ![]() | 6 |
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3.3 Da mit Algerien kein Abkommen über Sonderflüge für Personen besteht, die nur zwangsweise ausgeschafft werden können, kann der Beschwerdeführer bloss dorthin zurückgeführt werden, wenn er bereit ist, hierbei zu kooperieren, was er - um eine Haftentlassung zu erwirken - zwar in Aussicht gestellt, indessen nicht getan hat. Eine (weitere) Ausschaffungshaft erscheint zurzeit nicht möglich, da diese voraussetzen würde, dass sich der zwangsweise Vollzug der Wegweisung auch tatsächlich gegen seinen Willen in absehbarer Zeit realisieren liesse (vgl. BGE 130 II 56 E. 4.2.3). Dies könnte künftig allenfalls wieder in Betracht fallen, sollten die vom Bundesamt für Migration in seiner Vernehmlassung in Aussicht gestellten Verhandlungen mit den algerischen Behörden konkrete Resultate zeitigen.
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4.1 Soweit er geltend macht, beim Entscheid über die Durchsetzungshaft dürfe sein Verhalten vor dem 1. Januar 2007 nicht berücksichtigt werden, da dies einer unzulässigen Rückwirkung gleichkomme, übersieht er, dass keine solche vorliegt, wenn der Gesetzgeber - wie hier - auf Verhältnisse abstellt, die zwar unter der Herrschaft des alten Rechts entstanden sind, beim Inkrafttreten des neuen jedoch fortdauern. Es ist verfassungsrechtlich nicht verboten, für ![]() | 12 |
Erwägung 4.2 | |
4.2.1 Das Gleiche gilt hier: Der Beschwerdeführer ist am 16. Januar 2007 und damit nach Einführung der Durchsetzungshaft zu den Gründen befragt worden, aus denen er sich geweigert hat, am 7. Dezember 2006 das Flugzeug nach Algerien zu besteigen. Er erklärte dabei, nicht heimreisen, sondern weiterhin in der Schweiz - jedoch nicht im Gefängnis - bleiben zu wollen; würde er aus der Haft entlassen, ginge er nach Italien. Damit hat er sich erneut in unzweideutiger Weise geweigert, in seine Heimat zurückzukehren, was dafür spricht, dass er nach wie vor versucht, den Vollzug seiner Wegweisung zu vereiteln (vgl. Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG: "Untertauchensgefahr"; BGE 130 II 56 E. 3.1 S. 59 f; BGE 128 II 241 E. 2.1 S. 243; BGE 125 II 369 E. 3b/aa S. 375). Er war am 17. Februar 2007 denn auch wiederum nicht bereit, nach Algier zurückzukehren, was er diesmal damit rechtfertigte, es sich "anders überlegt" zu haben, da ![]() | 13 |
4.2.2 Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, Art. 13g ANAG diene nach seinem Wortlaut nur dazu, "der Ausreisepflicht Nachachtung zu verschaffen" und nicht die Rückkehr in den Heimatstaat sicherzustellen, verkennt er, dass mit der entsprechenden Pflicht nur eine Ausreise gemeint sein kann, die mit einer rechtmässigen Einreise in ein anderes Land verbunden ist: Die Schweiz darf zwischenstaatlich nicht bewusst zu einer illegalen Einreise in einen Drittstaat Hand bieten; dies ergibt sich ohne Weiteres aus den mit den Nachbarstaaten unterzeichneten Rückübernahmeabkommen, welche die Schweiz regelmässig "im Bestreben, gegen die illegale Einwanderung vorzugehen," dazu verpflichten, widerrechtlich von ihrem Territorium in diese Staaten einreisende (Dritt-)Ausländer zurückzunehmen (vgl. etwa das Abkommen vom 10. September 1998 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Republik über die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt [SR 0.142.114.549] oder vom 28. Oktober 1998 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Französischen Republik über die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt [SR 0.142.113.499]). Die Erfüllung der Zusage, illegal (d.h. ohne Papiere und Visum) in einen Drittstaat einzureisen, wäre im Übrigen durch die schweizerischen Behörden naturgemäss auch kaum überprüfbar; der Betroffene könnte sich damit begnügen, hier bloss wieder unterzutauchen. Da der Beschwerdeführer nur über einen Laissez-passer verfügt, der ihm erlaubt, in seinen Heimatstaat zurückzureisen, und er nicht geltend macht, sich rechtmässig in einen Drittstaat - insbesondere nach Italien - begeben zu können, lässt nur seine Heimkehr nach Algerien die Durchsetzungshaft dahinfallen. Wie der Haftrichter in seinem Entscheid vom 28. Februar 2007 zu Recht ausgeführt hat, kann die Zulässigkeit der Durchsetzungshaft nicht von allfälligen Wünschen oder Präferenzen des Betroffenen in Bezug auf seine Destination oder von seiner Bereitschaft abhängen, sich allenfalls illegal in einen Drittstaat zu begeben. Einzig der Heimatstaat ist verpflichtet, seine Staatsbürger wieder zurückzunehmen (BGE 130 II 56 E. 4.1.2 S. 60; IGNAZ SEIDL-HOHENVELDERN, Völkerrecht, 9. Aufl., Köln/Berlin/Bonn/München 1997, Rz. 1641; STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, 11. Aufl., Köln/ Berlin/München 2005, Rz. 576 und 583).
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