Die Rekurskommission erhebt für Verfahren über Ansprüche gemäss Art. 28 BGG nur bei Mutwilligkeit Kosten (E. 5).
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Sachverhalt
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 Ein Journalist ersuchte am 6. Dezember 2006 den Generalsekretär des Schweizerischen Bundesgerichts gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz (Bundesgesetz vom 17. Dezember 2004 über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung [BGÖ; SR 152.3]), in die Protokolle des Gesamtgerichts bzw. der Verwaltungskommission bezüglich der Zuteilung der Richter auf die einzelnen Abteilungen sowie der Verabschiedung des Organisationsreglements Einsicht nehmen zu können.
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 Mit Verfügung vom 4. Januar 2007 wies der Generalsekretär das Gesuch im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass das Öffentlichkeitsgesetz auf das Bundesgericht nur sinngemäss Anwendung finde und die gerichtlichen Leitungsorgane (Gesamtgericht, Verwaltungskommission und Präsidentenkonferenz) - wie der Bundesrat - von dessen Geltungsbereich ausgenommen seien; durch die Öffentlichkeit würde deren freie Meinungs- und Willensbildung beeinträchtigt; zudem beträfen die den Gesuchsteller interessierenden Geschäfte den Kernbereich der institutionellen Organisation der obersten richterlichen Staatsgewalt, weshalb kein Zugangsrecht zu den entsprechenden Protokollen bestehe.
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Die Rekurskommission des Bundesgerichts heisst die vom Gesuchsteller hiergegen eingereichte Beschwerde teilweise gut.
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Erwägungen:
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Erwägung 1
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Erwägung 2
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2.1 Das am 1. Juli 2006 in Kraft getretene Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung kehrt den Grundsatz der Geheimhaltung der Verwaltungstätigkeit ("Geheimhaltung mit Öffentlichkeitsvorbehalt") zu Gunsten des Öffentlichkeitsprinzips ("Grundsatz der Öffentlichkeit mit Geheimhaltungsvorbehalt") um (vgl. LUZIUS MADER, Das Öffentlichkeitsgesetz des Bundes - Einführung in die Grundlagen, in: Bernhard Ehrenzeller [Hrsg.], Das Öffentlichkeitsgesetz des Bundes, St. Gallen 2006, S. 9 ff., dort S. 15; STEPHAN C. BRUNNER, Vom Öffentlichkeitsprinzip zur transparenten Verwaltung, in: Ehrenzeller [Hrsg.], a.a.O., S. 75 ff., dort S. 76 f.). Jede Person, die amtliche Dokumente einsehen möchte, hat im persönlichen und sachlichen Geltungsbereich des Öffentlichkeitsgesetzes einen subjektiven, individuellen Anspruch hierauf, welchen sie gegebenenfalls gerichtlich durchsetzen kann (Bundesamt für Justiz, Erläuterungen zur Verordnung über das Öffentlichkeitsprinzip, a.a.O., Ziff. 1; MADER, a.a.O., S. 16 f.). Für das Bundesgericht gilt das Gesetz im Hinblick auf seine Organisationsautonomie und die Gewaltentrennung (Art. 188 Abs. 3 BV; Art. 13 BGG) " sinngemäss ", soweit es "administrative Aufgaben" oder "Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesstrafgericht" erfüllt (Art. 28 BGG; MADER, a.a.O., S. 19).
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2.2 Entscheidend für die Anwendung des Öffentlichkeitsprinzips am Bundesgericht ist somit, welche Aktivitäten - neben den Aufsichtsaufgaben über die anderen Bundesgerichte - unter den unbestimmten Rechtsbegriff der "administrativen Aufgaben" im Sinne von Art. 28 BGG fallen: Nach der Botschaft des Bundesrats vom  12. Februar 2003 sind damit amtliche Dokumente gemeint, welche "die Verwaltung" des Gerichts betreffen, "z.B. interne Weisungen, Evaluationen bezüglich administrativer Belange oder Dokumente betreffend Informatikprojekte" (BBl 2003 S. 1963 ff., dort S. 1985). Die Urteile und die diesen zugrundeliegenden Verfahrensakten, d.h. Unterlagen im Zusammenhang mit der rechtsprechenden Funktion als Kernaufgabe des Gerichts, werden vom Öffentlichkeitsgesetz hingegen nicht erfasst (vgl. Art. 3 BGG; BBl 2003 S. 1985; MADER, a.a.O., S. 19); diesbezüglich erfolgt die Information des Publikums im Rahmen von Art. 27 BGG (HANSJÖRG SEILER, in: Seiler/von Werdt/ Güngerich [Hrsg.], Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, N. 2 zu Art. 28 BGG; SPÜHLER/DOLGE/VOCK, Kurzkommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Zürich/St. Gallen 2006, N. 1 zu Art. 28 BGG). Die bloss "sinngemässe" Geltung des Öffentlichkeitsgesetzes erlaubt es dem Bundesgericht in erster Linie, von dessen Verfahrensbestimmungen abzuweichen (SEILER, a.a.O., N. 4 zu Art. 28 BGG; BBl 2003 S. 1985), gestatten es ihm jedoch nicht, im Rahmen der ihm eingeräumten Organisations- und Verwaltungsautonomie seine Verwaltungsaktivitäten dem Anwendungsbereich des Öffentlichkeitsprinzips gänzlich zu entziehen.
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Erwägung 2.3
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2.3.1 Hierzu besteht auch keine Veranlassung: Das Öffentlichkeitsprinzip dient der Transparenz der (Justiz-)Verwaltung und soll das Vertrauen des Bürgers in die staatlichen Institutionen und ihr Funktionieren fördern; es bildet zudem eine wesentliche Voraussetzung für eine sinnvolle demokratische Mitwirkung am politischen Entscheidfindungsprozess und für eine wirksame Kontrolle der staatlichen Behörden (Art. 1 BGÖ; LUZIUS MADER, a.a.O., S. 14; SEILER, a.a.O., N. 1 zu Art. 28 BGG; KURT NUSPLIGER, Bernisches Staatsrecht, 2. Aufl., Bern 2006, S. 68; MARKUS SIEGENTHALER, Öffentlichkeit der Verwaltung, in: Baeriswyl/Rudin [Hrsg.], Perspektive Datenschutz, Zürich 2002, S. 203 ff., dort S. 204 ff.). Soweit konkrete überwiegende öffentliche oder private Interessen einem unbeschränkten Zugang zu amtlichen Dokumenten entgegenstehen (vgl. hierzu MADER, a.a.O., S. 25 ff.; SIEGENTHALER, a.a.O., S. 221 ff.), sieht das Öffentlichkeitsgesetz selber geeignete Beschränkungsmöglichkeiten vor, so dass es sich nicht rechtfertigt, den Begriff der "administrativen Aufgaben" im Rahmen von Art. 28 BGG allzu eng zu verstehen.
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 2.3.2 Bereits nach dem BGÖ gelten nicht als amtliche Dokumente Texte, die nicht fertig gestellt oder zum persönlichen Gebrauch bestimmt sind bzw. solche, die unter eine spezialgesetzliche Geheimnis- oder Zugangsregelung fallen (Art. 3-5 BGÖ; MADER, a.a.O., S. 20 f.). Evaluationsberichte sind zwar grundsätzlich frei zugänglich, dies gilt indessen nicht, soweit sie die Leistungen einzelner Personen betreffen (Bundesamt für Justiz, Öffentlichkeitsgesetz: Leitfaden Gesuchsbeurteilung und Checkliste, Bern 2006, Ziff. 2.3). Amtliche Dokumente, welche die Grundlage für einen "politischen oder administrativen" Entscheid bilden, müssen bzw. dürfen erst zugänglich gemacht werden, wenn dieser getroffen ist; der Entscheid kann dabei eine rechtliche oder politische Position oder eine Vorgehensweise zum Inhalt haben, sich auf Fragen der Verwaltungsorganisation oder der Personalführung oder auf den Beizug Dritter zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben beziehen. In diesen Fällen rechtfertigt es sich regelmässig, den Zugang bloss aufzuschieben, doch darf der Zugriff nötigenfalls gestützt auf Art. 7 BGÖ auch gänzlich ausgeschlossen werden (Bundesamt für Justiz, Leitfaden Gesuchsbeurteilung und Checkliste, a.a.O., Ziff. 4.1).
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2.3.3 Nach dieser Bestimmung kann aufgrund einer Güterabwägung im Einzelfall der Zugang zu amtlichen Dokumenten im öffentlichen Interesse "eingeschränkt, aufgeschoben oder verweigert" werden, um die freie Meinungs- und Willensbildung einer Behörde (Art. 7 Abs. 1 lit. a), die zielkonforme Durchführung konkreter behördlicher Massnahmen (Art. 7 Abs. 1 lit. b), die innere und äussere Sicherheit (Art. 7 Abs. 1 lit. c), die aussenpolitischen Interessen (Art. 7 Abs. 1 lit. d; vgl. hierzu die Empfehlung des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten [EDÖB] vom 27. November 2006 i.S. X. gegen Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten), die Beziehungen zwischen Bund und Kantonen oder Kantonen unter sich (Art. 7 Abs. 1 lit. e) oder die wirtschafts-, geld- und währungspolitischen Interessen des Landes zu schützen (Art. 7 Abs. 1 lit. f). Das Öffentlichkeitsgesetz verpflichtet die zuständige Behörde auch, schutzwürdigen privaten Interessen Rechnung zu tragen, etwa wenn Berufs-, Geschäfts- oder Fabrikationsgeheimnisse betroffen sind (Art. 7 Abs. 1 lit. g; vgl. hierzu die Empfehlung des EDÖB vom 12. März 2007 i.S. X. gegen Bundesamt für Gesundheit), Informationen unter Vertraulichkeitsvorbehalt freiwillig zur Verfügung gestellt wurden (Art. 7 Abs. 1 lit. h BGÖ) oder die Privatsphäre Dritter berührt ist (Art. 7 Abs. 2 BGÖ).  Die Verletzung der jeweiligen öffentlichen oder privaten Interessen muss aufgrund der Zugänglichkeit des betreffenden Dokuments wahrscheinlich erscheinen. Als Beeinträchtigung kann zudem nicht jede geringfügige oder unangenehme Konsequenz des Zugangs zum gewünschten amtlichen Dokument gelten (zusätzliche Arbeit, unerwünschte öffentliche Aufmerksamkeit usw.). Schliesslich ist das Verhältnismässigkeitsgebot zu beachten: Erweist sich eine Beschränkung als gerechtfertigt, soll die Behörde hierfür die möglichst mildeste, das Öffentlichkeitsprinzip am wenigsten beeinträchtigende Form wählen (Bundesamt für Justiz, Leitfaden Gesuchsbeurteilung und Checkliste, a.a.O., Ziff. 2.4; MADER, a.a.O., S. 25 ff.).
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3.2 Bereits von ihrer Anlage her ist die Judikative eher dem Mehrheits- als dem - durch den Ausschluss des Mitberichtsverfahrens vom Öffentlichkeitsprinzip (Art. 8 BGÖ) geschützten -  Kollegialitätsprinzip (vgl. MADER, a.a.O., S. 28) verpflichtet: Im Rahmen der Rechtsprechung sind Anträge und Gegenanträge regelmässig an öffentlichen Sitzungen darzulegen und zu diskutieren (vgl. Art. 58 und 59 BGG), womit im Kernbereich der Aktivitäten der Dritten Gewalt die öffentliche Diskussion und der entsprechende Austausch von Argumenten die Regel bildet, auch wenn der begründete Entscheid in der Folge von der Abteilung als solcher getragen wird. Für den Ausschluss des Zugangsrechts zu den amtlichen Dokumenten des Mitberichtsverfahrens besteht - im Gegensatz zur Verwaltungstätigkeit des Bundesgerichts - im Organisationsrecht des Bundesrats zudem mit Art. 21 RVOG eine ausdrückliche formell-gesetzliche Grundlage, die vorsieht, dass die Verhandlungen des Bundesrats und das Mitberichtsverfahren "nicht öffentlich" sind. Für das Parlament gilt Art. 4 des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz, ParlG; SR 171.10), der grundsätzlich festhält, dass das Parlament öffentlich tagt. Den Zugang zu den Protokollen der Kommissionen und zu den entsprechenden Unterlagen regeln die Art. 4 ff. der Verordnung der Bundesversammlung vom 3. Oktober 2003 zum Parlamentsgesetz und über die Parlamentsverwaltung (Parlamentsverwaltungsverordnung, ParlVV; SR 171.115) wiederum spezialgesetzlich: Die Präsidentin oder der Präsident der zuständigen Kommission entscheidet hierüber aufgrund einer Interessenabwägung (vgl. Art. 7 ParlVV). Dass die Kommissionen, in denen wichtige gesetzgeberische Vorarbeit geleistet wird, nicht dem Öffentlichkeitsprinzip unterliegen, entspricht damit dem Grundsatz, wonach die Ausübung der in die jeweilige primäre Zuständigkeit der drei Staatsgewalten fallenden Tätigkeiten vom Öffentlichkeitsgesetz ausgenommen und eigenen Regeln unterworfen ist. Für die Parlamentsdienste, welche als Stabsstelle der Bundesversammlung dienen (Art. 17 ff. ParlVV), gilt das Öffentlichkeitsgesetz unbeschränkt (vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. c BGÖ).
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Erwägung 3.3
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Erwägung 4
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4.2 Anders verhält es sich in Bezug auf den Antrag, in die Protokolle des Gesamtgerichts und die entsprechenden Unterlagen bezüglich des Gerichtsreglements Einsicht nehmen zu können: Das Reglement bildet Grundlage der Selbstorganisation des höchsten Rechtsprechungsorgans des Landes; es handelt sich dabei aber um einen Justizverwaltungsakt, der als materielle Gesetzgebung in keinem unmittelbaren Zusammenhang zur Rechtsprechungsfunktion des Gerichts und damit zu seiner vom Öffentlichkeitsgesetz ausgenommenen Primäraufgabe steht. Das Reglement ist in Kraft; inwiefern ein auf das entsprechende Thema beschränkter Zugang zum  Protokoll des Gesamtgerichts (das Transparenzgebot überwiegende) schutzwürdige öffentliche oder private Interessen beeinträchtigen könnte, ist nicht ersichtlich. Zwar weist der Generalsekretär allgemein darauf hin, dass durch die Möglichkeit, in die Protokolle der gerichtlichen Leitungsorgane Einblick nehmen zu können, deren freie Meinungs- und Willensbildung berührt wird; diese Gefahr besteht vorliegend indessen nicht, da das entsprechende Geschäft abgeschlossen ist und es den Mitgliedern des Gerichts als Magistratspersonen zugemutet werden darf, zu ihren Anträgen, Ausführungen und Ansichten zu stehen. Als "wesentlich" gefährdet kann die freie Meinungs- und Willensbildung nur gelten, wenn sie sich als Folge der Veröffentlichung weitgehend nicht mehr verwirklichen liesse oder sie noch beeinflusst werden könnte, nachdem der Entscheid bereits getroffen ist (vgl. Bundesamt für Justiz, Leitfaden Gesuchsbeurteilung und Checkliste, a.a.O., Ziff. 2.4.1); hiervon kann im Zusammenhang mit dem Bundesgerichtsreglement nicht die Rede sein. Da auch keine privaten Interessen ersichtlich sind, welche gegen die beantragte Einsicht in die entsprechenden Materialien sprechen und weitere Abklärungen nötig machen würden, rechtfertigt es sich, die Beschwerde des Gesuchstellers in diesem Punkt gutzuheissen und ihm insofern den Zugang zu den gewünschten Unterlagen zu gewähren. Es wird am Generalsekretär liegen, gegebenenfalls noch über die Kosten der Einsichtnahme zu befinden. Diese richten sich nach dem Reglement vom 31. März 2006 über die Verwaltungsgebühren des Bundesgerichts (SR 173.110.210.2; Art. 64 Abs. 8 BGerR) und subsidiär nach dem Gebührentarif gemäss der Öffentlichkeitsverordnung (SR 152.31).
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