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34. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Eidgenössische Steuerverwaltung gegen X. Bank und vice versa (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_364/2012 / 2C_377/2012 vom 5. Mai 2015 | |
Regeste |
Art. 10 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich Dänemark zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-DK, in der ursprünglichen Fassung); effektive Nutzungsberechtigung. |
Die effektive Nutzungsberechtigung (und somit die Rückerstattung der schweizerischen Verrechnungssteuer an eine dänische Bank) ist zu verneinen, wenn die Antragstellerin die durch eine schweizerische Gesellschaft ausgeschüttete Dividende wohl vereinnahmt, diese Einkünfte aber aufgrund bereits im Zeitpunkt der Zahlung bestehender vertraglicher Leistungsverpflichtungen oder tatsächlicher Einschränkungen weiterleiten muss. Eine tatsächliche Einschränkung ist dann anzunehmen, wenn die beiden folgenden Merkmale kumulativ gegeben sind: Einerseits muss die Erzielung der Einkünfte von der Pflicht zur Weiterleitung dieser Einkünfte abhängig sein; andererseits muss die Pflicht zur Weiterleitung der Einkünfte von der Erzielung der Einkünfte abhängen (E. 5). |
In concreto: Weiterleitungspflicht in Zusammenhang mit sog. "Total Return Swaps" (E. 6). |
Rückforderung durch die EStV von bereits erstatteten Verrechnungssteuer-Beträgen (E. 8). | |
Sachverhalt | |
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B. Mit Entscheid vom 29. Juli 2010 wies die Eidgenössische Steuerverwaltung den Rückerstattungsantrag der Bank für 2007 in der Höhe von Fr. 45'060'313.- und denjenigen für 2008 in der Höhe von Fr. 8'505'000.- ab. Am gleichen Tag forderte die EStV gegenüber der X. Bank für 2006 einen Betrag von Fr. 37'856'735.88 (zuzüglich eines Vergütungszinses von 5 %) zurück, mit der Begründung, diese Summe entspreche dem Gesamtbetrag von Rückerstattungsgesuchen der Bank für das Jahr 2006, denen zu Unrecht stattgegeben worden sei. In allen Fällen sei die X. Bank nicht die effektive Nutzungsberechtigte gewesen, weshalb sie kein Anrecht auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer gemäss dem Doppelbesteuerungsabkommen habe. Dieses nehme die Bank zudem missbräuchlich in Anspruch.
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C. Am 13. September 2010 erhob die X. Bank Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Dieses hiess das Rechtsmittel mit Urteil vom 7. März 2012 (A-6537/2010) teilweise im Sinne der Erwägungen gut: Die Rückerstattungsanträge für 2007 und 2008 (im jeweiligen Gesamtbetrag von Fr. 45'060'313.- und Fr. 8'505'000.-) seien rechtskonform, so dass ihnen stattzugeben sei; die Rückforderung der EStV in der Höhe von Fr. 37'856'735.88 hinsichtlich der für 2006 bereits erfolgten Rückerstattung sei unbegründet und abzuweisen. Das Gericht wies die Beschwerde jedoch insoweit ab, als die Bank einen Verzugszins auf ihren Rückerstattungsansprüchen verlangte.
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D. Am 24. April 2012 hat die EStV Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht erhoben (Verfahren 2C_364/2012). Sie beantragt, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. März 2012 aufzuheben und ihren Entscheid vom 29. Juli 2010 zu bestätigen. (...)
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E. Am 27. April 2012 hat die X. Bank ihrerseits Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht (Verfahren 2C_377/ 2012). Sie beantragt, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. März 2012 in dem Sinne zu ergänzen, dass die Eidgenössische Steuerverwaltung verpflichtet werde, für die Rückerstattungen der Verrechnungssteuer in Bezug auf die Beträge von Fr. 45'060'313.- und Fr. 8'505'000.- seit dem 29. Juli 2010 (eventuell ab dem 13. September 2010) zum Satz von 5 %, eventuell 3,5 %, subeventuell 3 % einen Verzugszins zu entrichten. (...)
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen:
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II. VERFAHREN 2C_364/2012 | |
Erwägung 2 | |
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Erwägung 3 | |
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4.1 Gemäss den meisten von der Schweiz mit anderen Staaten abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen wird die Dividendenbesteuerung zwischen dem Staat der Einkommensquelle und dem Wohnsitzstaat des Empfängers verteilt. Art. 10 DBA-DK in der hier noch gültigen Fassung (vgl. dazu oben E. 2.2.1) stellt im internationalen Vergleich insoweit eine Besonderheit dar, als er die ausschliessliche Besteuerung im Wohnsitzstaat des Dividendenempfängers vorsieht (vgl. oben E. 2.2.1 u. 2.2.2). Die Bestimmung bezieht sich ausserdem zumindest nicht ausdrücklich auf das Kriterium der effektiven Nutzungsberechtigung, sondern verlangt für die vollumfängliche Rückerstattung der schweizerischen Verrechnungssteuer nur eine "Zahlung" an eine im anderen Staat "ansässige Person". Es liegt auf der Hand, dass eine solche Regelung zur ungerechtfertigten Inanspruchnahme der damit verbundenen Abkommensvorteile verleiten kann. Wenn sich die steuerliche Entlastung der Dividendenempfänger für in Dänemark ansässige Kapitalgesellschaften auf den vollen Betrag der Verrechnungssteuern beläuft, in anderen Ländern aber geringer ist oder - mangels eines Doppelbesteuerungsabkommens - überhaupt nicht gewährt wird, besteht ein besonderer Anreiz, die Beteiligung an einer schweizerischen Gesellschaft rein zur Steuerersparnis über eine in Dänemark ansässige Kapitalgesellschaft zu halten (sog. "treaty shopping"; vgl. BGE 110 Ib 287 E. 3b und c S. 290 f.; zum Ganzen siehe das Urteil 2A.239/2005 vom ![]() | 17 |
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4.3.1 Der Standpunkt ist in Zusammenhang mit der allgemeinen Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen zu sehen. Gemäss dieser Rechtsprechung richten sich Auslegung und Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens nach Völkervertragsrecht und Völkergewohnheitsrecht, namentlich nach den Grundsätzen des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (VRK; SR 0.111; vgl. BGE 140 II 167 E. 5.5.2 S. 180; BGE 139 II 404 E. 7.2.1 S. 422; siehe auch die Urteile 2A.239/2005 vom 28. November 2005 E. 3.4.1, in: StR 61/2006 S. 217; 2A.233/1996 vom 6. Dezember 1996 E. 8a, in: RDAF 1998 II S. 73 unter Hinweis auf BGE 122 II 234 E. 4c S. 238). Ein in Kraft stehender Vertrag bindet gemäss Art. 26 VRK die Vertragsparteien und ist von ihnen nach Treu und Glauben zu erfüllen. Treu und Glauben sowie Ziel und Zweck des Vertrages sind somit bei jeder Anwendung von internationalen Abkommen zu berücksichtigen. Jeder Vertragsstaat kann vom anderen erwarten, dass er in Beachtung der genannten Grundsätze handelt ![]() | 21 |
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Soweit ersichtlich haben sich die dänischen Behörden und Gerichte erst in jüngeren Jahren auf das Kriterium der effektiven Nutzungsberechtigung gestützt (vgl. BUNDGAARD, Ownership, a.a.O., S. 94 ff.; ders., Developments, a.a.O., S. 65; siehe u.a. auch DAVID DUFF, Beneficial Ownership: Recent Trends, in: Beneficial, a.a.O., S. 7 ff., 22 f.), dann aber in einem Sinne, der mit dem Schweizer Verständnis und demjenigen der genannten dänischen Lehre - soweit hier massgeblich - übereinzustimmen scheint. So brachte der Danish Eastern High Court im Fall ISS ohne Weiteres die Umschreibung des Beneficial Owners in der aktuellsten Fassung des Kommentars zum OECD-MA zur Anwendung; das ungeachtet darum, dass es beim betroffenen Verhältnis mit Luxemburg um ein DBA ging, ![]() | 26 |
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Erwägung 5 | |
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5.2.1 Der "effektiv Nutzungsberechtigte" ("beneficial owner") einer von einer Gesellschaft im Quellenstaat ausgeschütteten Dividende ist demgemäss in erster Linie derjenige, dem die Verfügungsberechtigung hinsichtlich dieser Dividende zukommt. Somit ist der Dividenden-Empfänger dann effektiv nutzungsberechtigt, wenn er die Dividende voll verwenden kann und deren vollen Genuss hat, ohne durch eine gesetzliche oder vertragliche Verpflichtung in dieser Verwendung eingeschränkt zu sein. Nach einer oft zitierten Definition von VOGEL ist der "beneficial owner" die Person, welche über die Hingabe des Kapitals oder Wirtschaftsgutes zur Nutzung oder über die Verwendung der Nutzungen, gegebenenfalls über beides, entscheiden kann (vgl. KLAUS VOGEL, in: Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen: Kommentar auf der Grundlage der Musterabkommen, Vogel/Lehner [Hrsg.], 5. Aufl., München 2008,N. 18 vor Art. 10-12, S. 824; siehe dazu u.a. auch XAVIER ![]() | 31 |
Wie aus der englischsprachigen Bezeichnung deutlich wird, geht es also um Merkmale des Eigentums und der wirtschaftlichen Kontrolle bzw. der tatsächlich ausgeübten Befugnisse (vgl. DANON, a.a.O., S. 40; OBERSON, 2014, a.a.O., Rz. 525 S. 169; DANIEL DE VRIES REILINGH, Manuel de droit fiscal international, 2. Aufl. 2014, Rz. 218 S. 75). Der deutsche Begriff betont sodann, dass die Nutzungsberechtigung nicht in einem engen technischen bzw. formaljuristischen Sinn, sondern unter Einbezug der wirtschaftlichen Umstände zu verstehen ist (vgl. u.a. DE VRIES REILINGH, a.a.O., Rz. 182 S. 65).
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Das gilt namentlich für allfällige Einschränkungen der Berechtigung. Die eine volle Verwendung begrenzende Verpflichtung ergibt sich zwar allgemein aus rechtlichen Dokumenten, kann aber auch auf Tatsachen oder Umständen beruhen, aus denen deutlich wird, dass der Empfänger nicht die volle Verfügungs- und Nutzungsberechtigung hat (vgl. OBERSON, 2014, a.a.O., Rz. 465 S. 150 f.). Die Berufung auf die effektive Nutzungsberechtigung soll verhindern, dass eine Person oder Gesellschaft mit nur beschränkten Befugnissen zwischengeschaltet wird, um in den Genuss der Vorteile des Doppelbesteuerungsabkommens zu kommen (vgl. OECD-Kommentar, Ziff. 12.1 u. 22; OBERSON, 2004, a.a.O., S. 226 ff.; DANON, a.a.O., S. 43; OBERSON, 2014, a.a.O., Rz. 516 S. 166). Dabei ist indessen unbeachtlich, ob die Zwischenschaltung im anderen Staat tatsächlich zu einem Steuervorteil führt (vgl. MATTEOTTI, a.a.O., S. 780).
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5.2.2 Die Vorinstanz geht wesentlich von der kürzlich durch BAUMGARTNER erarbeiteten bzw. dargestellten Begriffsbestimmung aus: Gemäss diesem ist die Berechtigung zu bejahen, wenn die Empfängerin der massgeblichen Einkünfte im Zeitpunkt ihrer Zahlung nicht nur sehr begrenzte Entscheidungen, sondern zumindest gewisse Entscheidungen selbständig treffen kann. Diese Entscheidungsbefugnis ist einer Person abzusprechen, wenn sie die Einkünfte aufgrund von bereits im Zeitpunkt der Zahlung bestehenden vertraglichen Leistungsverpflichtungen oder tatsächlichen Einschränkungen weiterleiten muss. Eine tatsächliche Einschränkung ist dann anzunehmen, wenn die beiden folgenden Merkmale kumulativ gegeben sind: ![]() | 34 |
Unter Einbezug der Gesamtheit der Umstände (substance over form) ist die Anspruchsberechtigung dann nicht gegeben, wenn dem Dividendenempfänger der ihm ausgeschüttete Kapitalertrag nicht verbleibt, weil er rechtlich oder wirtschaftlich zur Weiterleitung gezwungen ist. Das ist dann der Fall, wenn der Ansässige die Einnahmen nicht selber behält, sondern diese - aufgrund einer vertraglichen, gesellschaftsrechtlichen oder wirtschaftlichen Gestaltung der Verhältnisse - an den tatsächlich wirtschaftlich Berechtigten ausserhalb des Ansässigkeitsstaates (und steuerfrei bzw. -reduziert durch diesen hindurch) weiterleitet (vgl. zum Ganzen auch: DANON, a.a.O., S. 43 u. 45 f.; ders., Clarification de la notion de bénéficiaire effectif: remarques sur le projet de modification du commentaire OCDE d'avril 2011, S. 581 ff., 589; OBERSON, 2004, a.a.O., S. 221).
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Gemäss einer anderen Formulierung ist der Dividenden-Empfänger insoweit nicht der effektiv Nutzungsberechtigte, als sein Verfügungs- und Nutzungsrecht bezüglich der Dividende aufgrund einer vertraglichen oder rechtlichen Verpflichtung, die empfangenen Einkünfte weiterleiten zu müssen, eingeschränkt ist und diese Pflicht zur ![]() | 36 |
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Zum einen werden verschiedene Varianten von "direct conduit" bzw. "Durchlauf" gewählt: Aus dem Ansässigkeitsstaat werden die ausgeschütteten Dividenden sofort und als Dividenden (bzw. Erträge) in andere Staaten weitergeleitet, d.h. ausschliesslich aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses, das die zwischengeschaltete Gesellschaft mit ihren Aktionären verbindet; damit die Durchlaufstrategie wirksam ist, setzt sie zweierlei voraus: erstens, dass die aus dem Quellenstaat fliessenden Erträge im Staat der zwischengeschalteten Gesellschaft nicht besteuert werden; zweitens, dass dieser Ansässigkeitsstaat die an die Aktionäre weitergeleiteten Einkünfte nicht an der Quelle besteuert oder mit dem Staat des Endempfängers ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat, das vorteilhafter ist als dasjenige mit dem Quellenstaat (vgl. StR 61/2006 S. 217 ff.; JUNG, a.a.O., S. 786 f., 789 f.; OBERSON, 2004, a.a.O., S. 220 f.; DE VRIES REILINGH, a.a.O., Rz. 186 ff. S. 66 ff.; weiterer Anwendungsfall bei DE BROE/VON FRENCKELL, a.a.O., S. 267 f.)
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Zum anderen erfolgt die Weiterleitung aus dem Ansässigkeitsstaat oft aufgrund einer sog. "stepping stone"- oder "Sprungbrett"-Strategie: Dabei geschieht die Weiterleitung nicht in der Form von Ertrag, sondern von Aufwand: Der im Ansässigkeitsstaat eingenommene Ertrag wird durch die (an Nichtansässige gezahlten) Zinsen, Provisionen, Dienstleistungsvergütungen oder ähnliche Ausgaben sofort wieder gemindert oder annulliert. Ein zweiter Unterschied zum Durchlauf besteht darin, dass die Erträge im Zwischenstaat an sich besteuert werden, aber aufgrund des geltend gemachten Aufwandes nur in beschränktem Ausmass (vgl. zum Ganzen DANON/ STORCKMEIJER, Le concept de bénéficiaire effectif et les structures de relais directs, ASA 77 S. 105 ff., 106; MATTEOTTI, a.a.O., S. 780 f.; siehe auch den Anwendungsfall bei DANON, a.a.O., S. 44 f.; OBERSON, 2014, a.a.O., Rz. 519 S. 167; DE VRIES REILINGH, a.a.O., Rz. 196 ff. S. 69 f.; vollständig zitiert in LOCHER, 2005, a.a.O., S. 153 ff.).
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Das ist an sich richtig. Wenn aber die sich im Zeitpunkt der Dividendenausschüttung ergebende Situation im Gesamtzusammenhang aller relevanten Umstände zu prüfen ist, dann gehört zu diesen Umständen auch die spätere Weiterleitung der (Dividenden-)Erträge, zumindest insoweit, als diese Weiterleitung schon vor der Fälligkeit vereinbart wurde (vgl. dazu insb. unten E. 6.3-6.5).
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5.3 Die zweite Abhängigkeit gemäss BAUMGARTNER und der Vorinstanz (wonach die Weiterleitung der vereinnahmten Beträge von deren Erzielung abhängen muss; vgl. oben E. 5.2.2) ermöglicht insbesondere die sachgerechte Differenzierung in Konzernverhältnissen: Nicht jede Finanzierungstätigkeit im Konzern kann dazu führen, ![]() | 43 |
Mit diesem zweiten Kriterium wird die Frage angesprochen, wer die mit den Aktiengeschäften verbundenen Risiken zu tragen hat. So erwähnen einige Autoren diesen Gesichtspunkt der eingegangenen Risiken als Konkretisierungsmerkmal der effektiven Nutzungsberechtigung. Das gilt im hier massgeblichen Zusammenhang insbesondere für das Risiko, dass die im Quellenstaat ansässige Gesellschaft überhaupt keine Dividende ausschüttet (vgl. dazu u.a. BAUMGARTNER, a.a.O., S. 123 ff. u. 146 ff.).
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Neben diesem Dividenden-Risiko sind aber alle anderen Risiko-Faktoren (insb. das Kreditrisiko oder dasjenige eines Kursverlustes) daraufhin zu prüfen, ob Zahlungen selbst dann zu leisten sind, wenn in Wirklichkeit gar nichts eingenommen wurde, womit es sich gerade nicht um die "Weiterleitung" vereinnahmter Beträge handeln würde. Weiter ist der Hypothese, dass die Weiterleitungspflicht sich nur auf tatsächlich vereinnahmte Beträge beschränkt, der Fall gleichzustellen, dass ein bestimmtes Risiko im Voraus in einem als zumindest genügend gedachten Ausmass abgegolten wird (vgl. dazu unten E. 6.3.4 in fine).
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6.2.1 Zwischen den von ihr abgeschlossenen Swap-Geschäften und denjenigen hinsichtlich der Basiswerte des Aktienkorbs habe keine rechtliche Interdependenz bestanden; aus den Swap-Vereinbarungen lasse sich nämlich weder eine Verpflichtung zur Absicherung durch Kauf der entsprechenden Basiswerte ableiten noch eine Pflicht zur ![]() | 52 |
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6.3.2 Der Grund für eine solche ausnahmslose, zeitgleiche und vollumfängliche Absicherung liegt nahe: Wenn die Beschwerdegegnerin sich im Rahmen der Swap-Vereinbarung schon dazu verpflichtete, einen mit der Dividende und dem Kursgewinn auf Schweizer Aktien übereinstimmenden Betrag an ihre Gegenpartei ![]() | 56 |
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Zwar kann diesbezüglich nicht von einer (rechtlichen oder "faktischen") Verpflichtung der Beschwerdegegnerin gesprochen werden, war doch der fremdfinanzierte Erwerb der entsprechenden Basiswerte wohl durch die Ausgestaltung der Swap-Vereinbarungen ermöglicht, nicht aber in einer auf der Beschwerdegegnerin lastenden vertraglichen Pflicht begründet, sondern in einer ihr gegenüber durch die Gegenpartei eingegangenen Verpflichtung. Dennoch muss in Berücksichtigung der wirtschaftlichen Abläufe zweifellos von einer massgeblichen Interdependenz zwischen der Finanzierung und dem Erwerb der Basiswerte ausgegangen werden.
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Die Vorinstanz hat hervorgehoben, dass nicht die Beschwerdegegnerin, sondern letztlich die jeweilige Swap-Gegenpartei wirtschaftlich die mit den Einkünften verbundenen Risiken trug (vgl. E. 6.2.2 des angefochtenen Urteils). Gemäss den TRS-Vereinbarungen übernahm die Bank die Verpflichtung zur Bezahlung/Weiterleitung eines allfälligen Kursgewinns (auf dem betreffenden Aktienkorb) an die Gegenpartei; dagegen war diese verpflichtet, einen allfälligen Kursverlust (auf dem Aktienkorb) gegenüber der X. Bank zu übernehmen. Das Gleiche galt für das Risiko eines etwaigen Dividendenausfalls.
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Damit stimmt überein, dass die Bank sich nur mit einem Zins und einer Marge als Entgelt begnügte. Das konnte sie, weil ihre Risiken abgesichert waren. Ohne diese Absicherung durch den Kauf der ![]() | 61 |
Die Beschwerdegegnerin hat behauptet, zahlreiche Risiken getragen zu haben, insbesondere auch das Kreditrisiko (d.h. das Risiko, dass die Gegenpartei ihrer Verpflichtung zur Zahlung des Zinses und eines allfälligen Kursverlustes nicht nachkommen würde). Zu diesem konkreten Risiko hat sie indessen mehrfach selber eingeräumt, dass der ihr im Rahmen der Swaps geschuldete Zins zu Marktsätzen belastet wurde und die Marge das eingegangene Kreditrisiko bei weitem kompensierte. Somit wurden allfällige Rest-Absicherungsrisiken durch die im Rahmen der Swap-Vereinbarungen der Beschwerdegegnerin geschuldeten Leistungen in durchaus genügendem Ausmass entlohnt (vgl. dazu schon oben E. 5.3).
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6.4 Es kann dem Bundesverwaltungsgericht bei einer eng zivilrechtlichen Betrachtungsweise beigepflichtet werden, dass die Swap-Vereinbarungen die Beschwerdegegnerin nicht dazu verpflichteten, ihren Gegenparteien die Dividenden der betreffenden Schweizer Aktien weiterzuleiten, sondern vielmehr Beträge, welche diesen Dividenden vollumfänglich entsprachen. Doch vermag eine solche Betrachtungsweise weder den verschiedenen Elementen der Swap-Vereinbarungen noch deren Verbindung mit den im Rahmen der Aktien-Transaktionen erzielten Leistungen genügend Rechnung zu ![]() | 64 |
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In direkter Anlehnung an das "stepping stone"- oder "Sprungbrett"-Modell (vgl. oben E. 5.2.3) waren die ausgeschütteten Aktienerträge von der X. Bank zu 100 % als Aufwand an die Gegenparteien ![]() | 67 |
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Vorliegend geht es ausschliesslich um kurzfristige und vollumfänglich abgesicherte TRS-Geschäfte in Zusammenhang mit Aktien, in deren Zeitspanne die Dividendenausschüttung fiel; im Verhältnis zwischen der Schweiz und Dänemark wird die effektive Nutzungsberechtigung hier bei solchen Swap-Ausgestaltungen verneint, welche all diese Merkmale kumulativ aufwiesen und durch weitere spezifische Einzelelemente (vgl. insb. oben E. 6.3.3, 6.3.4, 6.4.1 u. 6.4.2) geprägt waren. Somit kann auch nicht gesagt werden, die Rückerstattung der Verrechnungssteuer werde bei TRS-Geschäften allgemein und ausnahmslos verweigert. Relevant ist die tatsächliche Ausgestaltung der abgeschlossenen Geschäfte.
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7.2 Aus dem gleichen Grund trifft auch nicht zu, dass die effektive Nutzungsberechtigung hier nur schon deshalb abgesprochen werde, weil der Betrag der vereinnahmten Dividenden nicht bei der ![]() | 72 |
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7.5 Die Beschwerdegegnerin beruft sich weiter darauf, dass die Vorinstanz festgehalten habe, zwischen den zu beurteilenden Aktienkäufen bzw. -verkäufen und den jeweiligen Zweitgeschäften bestehe "keine Interdependenz" (vgl. dazu auch die Parteigutachter der ![]() | 75 |
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8.1 Gegenüber Rückerstattungsanträgen von in der Schweiz ansässigen Dividendenempfängern sieht Art. 51 Abs. 2 VStG die spätere Nachprüfung ausdrücklich vor. Eine solche Nachprüfung ist aber weder im Doppelbesteuerungsabkommen mit Dänemark noch in der Vollzugsverordnung dazu geregelt. Gemäss Art. 3 Abs. 1 V DBA- DK prüft die Eidgenössische Steuerverwaltung den Antrag auf seine Berechtigung und seine Richtigkeit; notwendige ergänzende Auskünfte und Beweismittel holt sie direkt beim Antragsteller ein. Abs. 2 desselben Artikels betrifft die Vorgehensweise in dem Fall, ![]() | 78 |
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Dagegen hätte es mit dieser Bestimmung durchaus im Einklang gestanden, wenn die EStV die Rückerstattung vom 29. September 2006 anhand eines Formulars getätigt hätte, aus dem deutlich hervorgegangen wäre, dass die an die Beschwerdegegnerin geleistete Zahlung nach einer bloss summarischen ersten Beurteilung und nur unter Vorbehalt einer nachmaligen gründlicheren Überprüfung erfolgte, d.h. Akonto und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht.
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Aber Art. 51 VStG und Art. 3 V DBA-DK weisen entscheidende unterschiedliche Konzeptionen auf: Nach Art. 51 Abs. 1 VStG trifft die EStV - welche für die Rückerstattung der Verrechnungssteuer an juristische Personen zuständig ist - einen Entscheid, wenn sie einem Antrag nicht oder nur teilweise entspricht und sich der Anstand nicht auf andere Weise erledigen lässt. Förmliche Entscheide in Rückerstattungsverfahren sind eher selten. Kein Entscheid ergeht, wenn der Rückerstattungsanspruch als begründet erscheint und dem Antrag durch Überweisung des geltend gemachten Rückerstattungsguthabens an den Antragsteller entsprochen wird (vgl. u.a. KÜPFER/OESCH-BANGERTER, in: Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer, 2. Aufl. 2012, N. 1 zu Art. 51 VStG). Als Korrektiv zu dieser nicht auf einem Entscheid beruhenden Rückerstattung der Verrechnungssteuer sieht Abs. 2 von Art. 51 VStG den Vorbehalt einer späteren Nachprüfung vor. Diese kommt nur zum Zuge, wenn zuvor kein förmlicher Entscheid ergangen ist.
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Nach der für das Verhältnis mit Dänemark in Art. 3 V DBA-DK festgehaltenen Konzeption gibt es somit - anders als im landesinternen Verhältnis - keine Rückerstattung der Verrechnungssteuer ohne vorhergehenden Entscheid der EStV. Diese muss den Antrag auf seine Berechtigung und Richtigkeit prüfen, dann dem Antragsteller ihren Entscheid schriftlich eröffnen (vgl. oben E. 8.1). Deshalb kann eine Rückforderung erstatteter Verrechnungssteuer im Verhältnis mit einem in Dänemark ansässigen Rückerstattungsberechtigten nicht auf Art. 51 Abs. 2 VStG gestützt werden.
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8.4 Ebenso wenig lässt sich die Praxis der EStV auf Art. 12 VStrR (SR 313.0) zurückführen. Die Anwendung dieser Bestimmung würde voraussetzen, dass der unrechtmässige Vorteil, der korrigiert werden soll, seinen Grund in einer objektiv strafbaren Verletzung der Verwaltungsgesetzgebung des Bundes hat, d.h. beispielsweise im objektiven Tatbestand der Hinterziehung der Verrechnungssteuer. Hier geht es jedoch klarerweise nicht um eine solche strafbare Widerhandlung, sondern nur darum, ob der Beschwerdegegnerin für ![]() | 87 |
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Die Dreijahresfrist wurde hier zumindest mit dem Schreiben vom 11. März 2009 unterbrochen, in dem die Beschwerdeführerin der Bank mitteilte, dass die EStV betreffend die Anträge des Jahres 2006 von missbräuchlichen Transaktionen ausgehe und die ![]() | 91 |
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Es wird aus den Akten jedoch nicht restlos klar, inwieweit die EStV die Transaktionen des Jahres 2006 vor ihrem Rückforderungsentscheid vollumfänglich oder nur teilweise bzw. stichprobenhaft einer genauen Nachprüfung unterworfen hat. Nicht zuletzt angesichts der finanziellen Tragweite der betroffenen Geschäfte rechtfertigt es sich deshalb, die Sache zwecks (allenfalls nochmaliger) vollständiger Abklärung der Geschäfte 2006 im Sinne der vorstehenden Erwägungen an die EStV zurückzuweisen.
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III. VERFAHREN 2C_377/2012
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