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11. Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. März 1977 in Sachen Fallscheer und Mitbeteiligte gegen Widmer | |
Regeste |
Verrechnung im Konkurs (Art. 213 SchKG) |
2. Für die Anfechtung des die Verrechnung ermöglichenden Rechtsgeschäftes zwischen dem nachmaligen Konkursiten und seinem Gläubiger (einem späteren Konkursgläubiger) sind die Regeln über die paulianische Anfechtung (Art. 285 ff. SchKG) massgebend, nicht diejenigen des Art. 214 SchKG (E. 2). | |
Sachverhalt | |
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Mit Eingabe vom 28. August 1971 reichten die drei Abtretungsgläubiger beim Amtsgericht Luzern-Land gegen Maria Widmer-Mathis Klage ein. Sie verlangten die Bezahlung von Fr. 160'000.-- nebst 5% Zins ab verschiedenen, gestaffelten Stichtagen. Das Verfahren wurde bis zur Erledigung der Klage, die über den gleichen Anspruch auch gegen Strässle angehoben worden war, eingestellt. Mit Urteil vom 7. Mai 1976 hiess das Amtsgericht die Klage gut und verpflichtete die Beklagte, den Klägern Fr. 160'000.-- nebst 5% Zins seit 28. August 1971 zu bezahlen. Das Gericht hatte auf Grund der Akten die Überzeugung gewonnen, dass die Darstellung der Beklagten, sie habe nicht nur Fr. 140'000.-- bezahlt, sondern den ganzen Kaufpreis, nicht richtig sein könne. Ebenso hatte es die Einrede der Verrechnung mit zwei Verlustscheinsforderungen gegenüber der Mode Widmer AG verworfen, mit der Begründung, die Forderungen seien nicht substantiiert worden und die Verlustscheine könnten auch nicht als Schuldanerkennungen betrachtet werden, da die Ansprüche von der Gemeinschuldnerin nicht anerkannt worden seien.
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Die Beklagte appellierte gegen dieses Urteil und erneuerte ihren Antrag auf Abweisung der Klage. Das Obergericht des Kantons Luzern ging in Übereinstimmung mit der ersten Instanz davon aus, dass von der Kaufpreisschuld ein Betrag von Fr. 160'000.-- unbezahlt geblieben sei und dass die Klage deshalb gutgeheissen werden müsse, sofern die Verrechnungseinrede sich als unbegründet erweise. Im Gegensatz zum Amtsgericht gelangte es aber zur Auffassung, die von der Beklagten geltend gemachten Gegenforderungen von insgesamt Fr. 157'862.10 bedürften keiner weiteren Substantiierung, weil sie im Konkurs der Mode Widmer AG in den Kollokationsplan aufgenommen und von keiner Seite bestritten worden seien. Mangels Anfechtung des Kollokationsplans sei ihre Zulassung rechtskräftig geworden. Die Verrechnungseinrede sei daher zu schützen, was dazu führe, dass die Kaufpreisrestanz bis auf Fr. 2'137.90 als getilgt zu betrachten sei (Differenz zwischen Fr. 160'000.-- und Fr. 157'862.10). In diesem beschränkten Umfang hiess das Obergericht die Klage gut, wies sie im übrigen jedoch ab.
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Die Kläger haben gegen dieses Urteil Berufung an das ![]() | 4 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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a) Es trifft zu, dass Zweck des Kollokationsverfahrens im Konkurs die Feststellung der Passivmasse ist, d.h. die Ermittlung der Forderungen, die Anspruch auf einen Anteil am Konkursergebnis haben, und die Festlegung ihrer Rangordnung untereinander. Der rechtskräftige Kollokationsplan bildet Grundlage der Verteilung. Nach ihm bestimmt sich somit, in welchem Verhältnis sich die Gläubiger den Konkurserlös zu teilen haben. Dementsprechend geht es im Kollokationsprozess nicht um die rechtskräftige Beurteilung einer Forderung als solcher, sondern nur um die Frage, inwieweit ein Gläubiger Anspruch auf den Erlös aus der Liquidation der Aktiven des Gemeinschuldners haben soll (vgl. BGE 98 II 318 E. 4; BGE 65 III 30/31).
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Aus dieser beschränkten Wirkung der Kollokation, die sich aus dem Wesen der Zwangsvollstreckung ergibt, können die Kläger indessen nichts zu ihren Gunsten ableiten. Im Rahmen der durch den Konkurs herbeigeführten Liquidation der Aktiven der Gemeinschuldnerin entfaltet nämlich die unangefochtene Aufnahme der von der Beklagten eingegebenen Forderungen in den Kollokationsplan volle Wirkung. Der vorliegende Prozess geht darüber nicht hinaus. Die Kläger machen mit ihrer Klage gestützt auf Art. 260 SchKG einen Rechtsanspruch ![]() | 7 |
Auch für die Realisierung von Aktiven auf dem in Art. 260 SchKG vorgesehenen Weg ist der Kollokationsplan verbindlich, und er bleibt es auch für den Fall, dass der Anspruch der Masse - wie hier - erst nach dem formellen Abschluss des Konkursverfahrens geltend gemacht wird. Die klagenden Abtretungsgläubiger müssen sich demnach - im Gegensatz zu einem Gemeinschuldner, der die kollozierte Forderung nicht anerkannt hat (vgl. Art. 265 Abs. 1 SchKG) - entgegenhalten lassen, sie hätten die von der Beklagten zur Verrechnung gestellten, in den Kollokationsplan aufgenommenen Forderungen - durch den Verzicht auf Anfechtung des Planes - selber anerkannt. Diese sind nicht nochmals zu substantiieren, denn die Kläger fordern die Zahlung des noch geschuldeten Kaufpreises anstelle der Konkursmasse und die Konkursverwaltung hätte als deren Vertreterin gegen die Verrechnungserklärung nicht einwenden können, sie lasse die (eigene) Kollokationsverfügung nicht gelten. Mehr Einreden, als die Masse hätte erheben können, stehen aber den Klägern nicht zu.
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Unbehelflich ist schliesslich auch das klägerische Vorbringen, die Beklagte habe während des ganzen Konkursverfahrens nie eine Verrechnungsabsicht geäussert. Da sie die von den Klägern geltend gemachte Forderung zu Beginn des Prozesses stets bestritt, kann nämlich nicht gesagt werden, sie habe auf eine allfällige Verrechnung verzichtet.
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b) Die Richtigkeit des vorinstanzlichen Entscheides in diesem Punkt wird durch eine andere Überlegung bekräftigt. In Art. 213 SchKG wird das Recht eines Gläubigers zur Verrechnung im Konkurs ausdrücklich anerkannt, sofern er nicht erst nach der Konkurseröffnung Schuldner des Konkursiten oder der Masse geworden ist. Mit der Zulassung der Verrechnung im Konkurs wird verhindert, dass ein Gläubiger die dem Gemeinschuldner ihm gegenüber zustehende Forderung voll bezahlen muss, für sein eigenes Guthaben je nach dem Ergebnis ![]() | 10 |
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Es trifft zu, dass die Kläger bereits in der Klage- und später auch in der Replikschrift geltend gemacht hatten, durch den Verkauf von Geschäftsaktiven der Mode Widmer AG an die Beklagte sei in anfechtbarer Weise eine Benachteiligung der andern Gläubiger beabsichtigt worden. Das angefochtene Urteil setzt sich damit nicht auseinander. Es ist daher zu prüfen, ob die Vorinstanz Anlass gehabt hätte, auf diesen von den Klägern verfochtenen Rechtsstandpunkt näher einzugehen.
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a) Art. 214 SchKG erklärt die Verrechnung einer Forderung im Konkurs als anfechtbar, "wenn ein Schuldner des Gemeinschuldners vor der Konkurseröffnung, aber in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners, eine Forderung an denselben erworben hat, um sich oder einem andern durch die Verrechnung unter Beeinträchtigung der Konkursmasse einen Vorteil zuzuwenden". Diese Sonderbestimmung ist vor allem deshalb notwendig, weil die allgemeinen Regeln über die paulianische Anfechtung (Art. 285 ff. SchKG) voraussetzen, dass der Betreibungs- oder Gemeinschuldner ![]() | 13 |
b) Gemäss Art. 288 SchKG sind, ohne zeitliche Einschränkung, alle Rechtshandlungen anfechtbar, die der Gemeinschuldner in der dem andern Teil erkennbaren Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen. Darunter kann - wie bereits ausgeführt - auch ein Rechtsgeschäft fallen, das der Schuldner vor der Konkurseröffnung mit einem Gläubiger abgeschlossen hat, um diesem die Verrechnung zu ermöglichen. In BGE 57 III 144 E. 2 wird als Beispiel hiefür der Fall genannt, dass sich ein Gläubiger vom Schuldner Waren verkaufen lässt, um seine Forderung mit dem Kaufpreis verrechnen zu können. Es wird dabei ausgeführt, als anfechtbare Rechtshandlung falle nicht die Verrechnung als solche in Betracht, an welcher der Gemeinschuldner ja nicht direkt beteiligt sei, sondern das sie ermöglichende Rechtsgeschäft; die Verrechnung werde von der Anfechtung nur indirekt betroffen, indem der Gläubiger seiner Zahlungspflicht effektiv nachkommen müsse, statt von der Möglichkeit der Verrechnung Gebrauch machen zu können.
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Nach den von den Klägern schon im erstinstanzlichen Verfahren aufgestellten Behauptungen läge hier ein solcher Sachverhalt vor. Es wird geltend gemacht, der Ehemann der Beklagten, welcher einziger Verwaltungsrat der Gemeinschuldnerin gewesen sei, habe seiner Frau im Bewusstsein des drohenden Zusammenbruchs der Mode Widmer AG die in Frage stehenden Geschäftsaktiven verkauft, um ihr die Verrechnung eines Teils der Kaufpreisschuld mit ihren Gegenforderungen zu ermöglichen und sie dadurch den andern Gläubigern ![]() | 15 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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