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47. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 5. Juni 1996 i.S. X. AG gegen B. (Berufung) | |
Regeste |
Art. 266g Abs. 2 OR. Vermögensrechtliche Folgen der Kündigung eines Mietverhältnisses aus wichtigen Gründen. | |
Sachverhalt | |
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Am 10. August 1994 klagte die Vermieterin beim Kantonsgerichtspräsidenten des Kantons Obwalden gegen B. und stellte sinngemäss die Anträge, es sei die Unzulässigkeit der vorzeitigen Kündigung und das Weiterbestehen des Mietvertrages festzustellen. Eventualiter sei die X. AG für die vermögensrechtlichen Folgen der vorzeitigen Kündigung voll zu entschädigen. Dabei habe ihr B. den zu erwartenden Mietzinsausfall bis zum 31. Juli 1997 und Fr. 675.50 für ausserordentliche Umtriebe und Insertionskosten zu bezahlen.
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Der Kantonsgerichtspräsident erkannte mit Urteil vom 30. September 1994 im wesentlichen, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Mietvertrag gemäss Art. 266g OR auf den 31. Juli 1994 aufgelöst worden sei und B. die X. AG für vorzeitige Vertragsauflösung mit Fr. 12'000.-- zu entschädigen habe. Er ging dabei davon aus, die Aufrechterhaltung des Mietvertrages sei für B. aus finanzieller Sicht unzumutbar; sie habe bei Vertragsabschluss ![]() | 3 |
B. rekurrierte an die Obergerichtskommission des Kantons Obwalden, welche mit Urteil vom 24. Februar 1995 den Entscheid des Kantonsgerichtspräsidenten aufhob und die Entschädigung für die vorzeitige Kündigung auf Fr. 2'500.-- reduzierte.
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Die X. AG erhebt eidgenössische Berufung und beantragt im wesentlichen, das Urteil der Obergerichtskommission sei aufzuheben und B. sei zu verpflichten, die Vermieterin für die vermögensrechtlichen Folgen der vorzeitigen Vertragsauflösung mit Fr. 12'000.-- zu entschädigen.
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B. schliesst auf Abweisung der Berufung und stellt ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit es darauf eintritt.
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Aus den Erwägungen: | |
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Die Vorinstanz ging bei der Festsetzung der Entschädigung nach Art. 266g Abs. 2 OR davon aus, der relevante Schaden der Klägerin betrage Fr. 19'185.50 und das Einkommen der Beklagten übersteige ihr betreibungsrechtliches Existenzminimum nur gerade um rund Fr. 180.--, wobei Steuern noch nicht berücksichtigt seien. Selbst wenn angenommen würde, die Beklagte wäre in der Lage, monatliche Zahlungen in dieser Höhe zu leisten, würde die Abzahlung einer Entschädigung von Fr. 12'000.-- rund fünf Jahre dauern. Dies mache deutlich, dass die Beklagte und ihre Kinder unweigerlich in eine Notlage gerieten, wenn sie diesen vom Kantonsgerichtspräsidenten festgesetzten Betrag auf einmal oder in Raten bezahlen müsste. Dies liesse eine weitere Herabsetzung des Ersatzes als angezeigt erscheinen, zumal keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Klägerin auch durch eine massive Herabsetzung des Schadenersatzes ihrerseits in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten würde. Da keine Rede davon sein könne, dass Herr R. ![]() | 9 |
Die Klägerin rügt eine Verletzung von Art. 266g Abs. 2 OR und macht geltend, die Vorinstanz habe eine einseitige Interessenabwägung vorgenommen, welche einer Billigkeitsentscheidung gemäss Art. 4 ZGB widerspreche. So sei die Vorinstanz zu Unrecht davon ausgegangen, eine Schuld von Fr. 12'000.-- würde die Beklagte in eine Notlage im Sinne von Art. 44 Abs. 2 OR führen. Die Beklagte könne sich zudem gar nicht auf eine Notlage berufen, weil sie ihre finanziellen Schwierigkeiten selber verschuldet habe. Die Vorinstanz habe zudem völlig ausser acht gelassen, dass es der Beklagten ohne weiteres zumutbar wäre, im Hinblick auf die Schadenersatzleistung an die Klägerin ihren Lebensstandard zu senken. Die Vorinstanz habe weiter ungenügend berücksichtigt, dass sich die Beklagte nicht in hinreichender Weise um die Beibringung eines Ersatzmieters gekümmert habe und sich die finanziellen Verhältnisse der Beklagten künftig wieder verbessern könnten. Die Herabsetzung der vom Kantonsgerichtspräsidenten festgesetzten Entschädigung von Fr. 12'000.-- sei daher nicht gerechtfertigt gewesen.
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a) aa) Art. 266g Abs. 1 OR sieht vor, dass die Parteien ein Mietverhältnis aus wichtigen Gründen mit der gesetzlichen Frist auf einen beliebigen Zeitpunkt kündigen können. Dieses ausserordentliche Kündigungsrecht entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass Dauerschuldverhältnisse aus wichtigen Gründen vorzeitig beendet werden dürfen (BGE 92 II 299 E. 3b; HIGI, Zürcher Kommentar, N. 6 und 12 zu Art. 266g OR; BUCHER, Berner Kommentar, N. 200 ff. zu Art. 27 ZGB; BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, 2. Auflage 1988, S. 384; ![]() ![]() | 11 |
bb) Die Bestimmung der vermögensrechtlichen Folgen einer vorzeitigen Kündigung beruht weitgehend auf richterlichem Ermessen. Derartige Ermessensentscheide überprüft das Bundesgericht an sich frei. Es übt dabei aber Zurückhaltung und greift nur ein, wenn die Vorinstanz grundlos von in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen abgegangen ist, wenn sie Tatsachen berücksichtigt hat, die für den Entscheid im Einzelfall keine Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn sie umgekehrt Umstände ausser Betracht gelassen hat, die hätten beachtet werden müssen. Es greift ausserdem in Ermessensentscheide ein, wenn sich diese im Ergebnis als offensichtlich unbillig, als in stossender Weise ungerecht erweisen (BGE 119 II 157 E. 2a S 160; BGE 118 II 50 E. 4 S. 55 f. mit Hinweisen).
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b) Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz zu Recht angenommen, eine Entschädigung von Fr. 12'000.-- sei unbillig, weil sie die Beklagte und ihre Kinder voraussichtlich auf Jahre hinaus auf das Existenzminimum setzen würde und die Klägerin auch durch eine erhebliche Reduktion der Entschädigung nicht in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerate. Da eine ![]() | 13 |
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