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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: A. Tschentscher | |||
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90. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. Oktober 2000 i.S. A. (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Einsicht in das Grundbuch (Art. 970 und 970a ZGB). |
Ein Journalist, der Indizien für Spekulationsgeschäfte einer Immobiliengesellschaft nennt und beabsichtigt, über deren Gebaren auf dem regionalen Immobilienmarkt zu berichten, hat Anspruch darauf, dass das zuständige Grundbuchamt ihm die Grundstücke bekannt gibt, welche die Gesellschaft in einer bestimmten Zeitspanne erworben hat (E. 6). | |
Sachverhalt | |
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Gegen diese Verfügung führte A. erfolglos Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft. Die von ihm alsdann beim kantonalen Verwaltungsgericht eingereichte Beschwerde wies dieses mit Entscheid vom 5. April 2000 ebenfalls ab.
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Mit Eingabe vom 19. Juni 2000 führt A. Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Er rügt die Verletzung von Art. 970 Abs. 1 und 2 ZGB sowie eine Missachtung der Informationsfreiheit und beantragt, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die Bezirksschreiberei C. anzuweisen, ihm die mit Ersuchen vom 24. Juni 1998 erbetenen Auskünfte zu erteilen.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen: | |
2. Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass er nur die Mitteilung von Angaben verlange, die nach Art. 970a ZGB zu publizieren seien. Die Auskunft sei deshalb im Sinne von Art. 970 Abs. 1 ZGB voraussetzungslos, d.h. ohne Interessennachweis gemäss Art. 970 Abs. 2 ZGB, zu erteilen. Als Serienauskunft, die ein besonderes ![]() | 5 |
3. a) In der bis Ende 1993 geltenden Fassung von Art. 970 Abs. 1 ZGB wurde das Grundbuch ausdrücklich als öffentlich bezeichnet. Gemäss Abs. 2 der früheren Bestimmungkonnte indessen nur derjenige, der ein Interesse glaubhaft machte, verlangen, dass ihm näher zu bezeichnende Blätter samt den zugehörigen Belegen vorgewiesen oder dass ihm Auszüge aus solchen ausgefertigt wurden. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung brauchte dieses Interesse nicht rechtlicher Natur zu sein. Ein tatsächliches, beispielsweise wirtschaftliches oder wissenschaftliches Interesse reichte grundsätzlich aus, blosse Neugier dagegen nicht. Es hatte sich jedoch um ein einschlägiges, d.h. mit dem Zweck des Grundbuchs als Mittel zur Bekanntmachung der dinglichen Rechte an Grundstücken in Zusammenhang stehendes Interesse zu handeln. Dieses musste in einer Abwägung mit den entgegenstehenden Interessen des betroffenen Grundeigentümers den Vorrang beanspruchen können. Das Bundesgericht hielt schliesslich dafür, die Einsicht sei nur in dem zur Befriedigung des zu schützenden Interesses notwendigen Umfang zu gewähren (dazu BGE 117 II 151 E. 1 S. 152 f.; BGE 112 II 422 E. 5a und 5b S. 425 f.; BGE 112 Ib 482 E. 3 S. 482 f.; BGE 111 II 48 E. 3 S. 50).
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b) Dem unter der Herrschaft des früheren Rechts gestellten Begehren eines Journalisten um Einsicht in das Grundbuch mit dem Ziel, ![]() | 7 |
c) Die dargelegte Betrachtungsweise des Bundesgerichts findet sich auch in der Lehre. Zumindest wird sie von dieser im Allgemeinen (stillschweigend) übernommen (statt vieler: HOMBERGER, Zürcher Kommentar, N. 7 f. zu Art. 970 [a]ZGB; HEINZ HAUSHEER, Öffentlichkeit des Grundbuchs, in: ZBGR 69/1988 S. 1 ff., insbes. S. 5 ff.; TUOR/SCHNYDER/SCHMID, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 11. Auflage, Zürich 1995, S. 643 f.). Der erwähnten Praxis ist immerhin insofern Kritik erwachsen, als PIA PORTMANN-TINGUELY (AJP 1992 S. 910) dafür hält, die Schutzwürdigkeit des Forschungsinteresses eines Wissenschaftlers und diejenige des Interesses eines seriös recherchierenden Journalisten auf Information und Aufklärung der gesamten Öffentlichkeit würden in ungerechtfertigter Weise unterschiedlich gewichtet. Andere Autoren sind der Ansicht, ein für die Einsichtnahme geltend gemachtes Interesse sei dann schützenswert, wenn zwischen ihm und der Offenlegung eines oder mehrerer Bereiche oder Teile des Grundbuchs ein funktioneller Zusammenhang bestehe bzw. wenn der an der Einsichtnahme Interessierte eine qualifizierte Bezugsnähe zu dem in Frage stehenden Teil des Grundbuchs habe, d.h. einen persönlichen, aktuellen ![]() | 8 |
d) Das Verwaltungsgericht hat seinen Entscheid auf die dargestellte Rechtsprechung (insbesondere auf BGE 111 II 48 ff.) abgestützt. Unter Hinweis auf die bundesrätliche Botschaft vom 19. Oktober 1988 zum Bundesgesetz über die Teilrevision des Zivilgesetzbuches (BBl 1988 III 1069ff.) hat es erwogen, die Möglichkeiten zur Einsichtnahme in das Grundbuch seien mit der Revision der Bestimmungen über dessen Öffentlichkeit nicht erweitert worden; es dränge sich deshalb keine Änderung der Einsichts- bzw. Auskunftspraxis auf.
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4. a) Es trifft zu, dass in der erwähnten Botschaft des Bundesrats (Begleittext zur Revision von Art. 970 ZGB) ausgeführt wurde, eine Erweiterung der rechtlich geschützten Interessen für eine erfolgreiche Einsichtnahme in das Grundbuch sei nicht beabsichtigt (BBl 1988 III 1085 unten). An der gleichen Stelle wurde indessen - in gewissem Widerspruch dazu - darauf hingewiesen, die Revision habe vor allem zum Ziel, eine bundesrechtliche Grundlage zu schaffen, die es den Kantonen ermögliche, gewisse Grundbuchvorgänge ohne Nachweis eines besonderen Interesses allgemein zugänglich zu machen. Damit solle die früher vielerorts geübte kantonale Publikationspraxis wieder erlaubt werden, die das Bundesgericht als bundesrechtswidrig bezeichnet hatte (vgl. BGE 112 II 422 ff. und BGE 114 II 40 ff.). Ferner wurde in der Botschaft (a.a.O. S. 1086) darauf hingewiesen, die Kantone könnten durch Anordnung einer solchen Praxis den Zugang Privater zu Eintragungen im Grundbuch erweitern und erleichtern. Wegleitend für diese Änderung sei die Überlegung, dass man von den Nichteigentümern nur dann verlangen könne, die Eigentümerbefugnisse zu respektieren, wenn man sich öffentlich als Eigentümer zu erkennen gebe; eine Förderung der Anonymisierung des Grundeigentums liege nicht im Interesse der Eigentümer. In der Folge wurde den Kantonen mit Art. 8 des am 7. Oktober 1989 in Kraft gesetzten dringlichen Bundesbeschlusses vom 6. Oktober 1989 über eine Sperrfrist für die Veräusserung nichtlandwirtschaftlicher Grundstücke und die Veröffentlichung von Eigentumsübertragungen von Grundstücken gestattet, Eigentumsübertragungen von Grundstücken - ohne Einschränkung bezüglich bestimmter Angaben wie etwa des Rechtsgrundes oder der vom Erwerber erbrachten ![]() | 10 |
Im Zuge der am 4. Oktober 1991 verabschiedeten und auf den 1. Januar 1994 in Kraft gesetzten Teilrevision des Zivilgesetzbuches (Immobiliarsachenrecht; AS 1993 S. 1404 ff.) ist ein voraussetzungsloser Anspruch auf Auskunfterteilung über die Eigentumsverhältnisse an Grundstücken eingeführt worden (Art. 970 Abs. 1 ZGB). Nach dem bei der gleichen Gelegenheit neu eingefügten Art. 970a ZGB sind sodann die Kantone zur Veröffentlichung von Eigentumsübertragungen verpflichtet (ausgenommen bei Erwerb durch Erbgang). In Abs. 2 dieser Vorschrift werden die zu publizierenden Angaben festgelegt (namentlich Grundstücknummer, -fläche und -art, Gebäude, Parteien und Datum des Eigentumserwerbs durch den Veräusserer), und in Abs. 3 werden die Kantone ermächtigt, einerseits die Veröffentlichung weiterer Angaben (insbesondere der Gegenleistung) vorzusehen und andererseits auf die Publikation des Erwerbs kleiner Flächen sowie geringfügiger Anteile oder Wertquoten zu verzichten. Ziel dieser letztendlich beträchtlich über die ursprünglichen Revisionsabsichten hinausgehenden Neuregelung war vor allem, für mehr Transparenz der Eigentumsverhältnisse und des Grundstückmarktes zu sorgen (vgl. die in der Schweizerischen Zeitschrift für Beurkundungs- und Grundbuchrecht veröffentlichte Wegleitung bzw. Meinungsäusserung des Eidgenössischen Amtes für Grundbuch- und Bodenrecht, ZBGR 75/1994 S. 126, Ziff. 6.11, und ZBGR 77/1996 S. 409, Ziff. 3.5). Es sollte mit andern Worten der Bodenspekulation entgegengewirkt werden.
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b) Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, mit der erwähnten Teilrevision des Zivilgesetzbuches seien die Möglichkeiten zur Einsichtnahme in die im Grundbuch eingetragenen Eigentumsverhältnisse nicht erweitert worden, ist nach dem Gesagten unzutreffend (dazu auch PAUL-HENRI STEINAUER, Les droits réels, I. Bd., 3. Auflage, 1997, Rz. 581a; SIMONIUS/SUTTER, Schweizerisches Immobiliarsachenrecht, Basel 1994, I. Bd., § 7 Rz. 37 ff.). Zwar ändert die Gesetzesnovelle nichts daran, dass die Öffentlichkeit des Grundbuchs in verschiedener Hinsicht eingeschränkt bleibt (dazu JÜRG SCHMID, N. 3 f. zu Art. 970 ZGB). Insbesondere lässt Art. 970 Abs. 2 ZGB den Anspruch auf Einsicht oder auf einen Auszug nach wie vor vom Glaubhaftmachen eines (schutzwürdigen und vorgehenden) ![]() | 12 |
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a) Zwischen der Pflicht der Kantone zur Veröffentlichung bestimmter Angaben über den Erwerb von Eigentum an Grundstücken (Art. 970a ZGB) und der Regelung von Art. 970 ZGB, die nur eng begrenzte Angaben als voraussetzungslos erhältlich bezeichnet, im Übrigen aber das Glaubhaftmachen eines Interesses verlangt, besteht ein gewisses Spannungsverhältnis. Das Bundesgericht hat die Frage, ob in Fällen wie dem vorliegenden ein Interessennachweis erforderlich ist, schon einmal aufgeworfen, jedoch offen gelassen (Urteil vom 4. Februar 1999 i.S. Bundesamt für Justiz gegen B., E. 3).
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Zu beachten ist, dass dem Parlament die Diskrepanz zwischen den beiden Vorschriften durchaus bewusst war und es sie in Kauf genommen hat (vgl. dazu die Meinungsäusserung des Eidgenössischen Amtes für Grundbuch- und Bodenrecht, in: ZBGR 77/1996 S. 409, Ziff. 3.5). Deshalb verbietet sich die Annahme, Art. 970 Abs. 1 ZGB wäre in einem weiteren, auf Art. 970a ZGB abgestimmten Sinne formuliert ![]() | 15 |
b) Damit steht fest, dass die kantonalen Behörden zu Recht das Glaubhaftmachen eines schutzwürdigen Interesses vorausgesetzt haben. Ob der Beschwerdeführer eine sogenannte Serienanfrage gestellt (vgl. dazu die Meinungsäusserung des Eidgenössischen Amtes für Grundbuch- und Bodenrecht, ZBGR 77/1996 S. 409, Ziff. 3.5 mit Beispielen) und aus diesem Grund einen Interessennachweis zu erbringen habe, braucht bei dieser Sachlage nicht erörtert zu werden. Immerhin kann dazu bemerkt werden, dass ein Auskunftsbegehren über die Eigentumsverhältnisse von drei namentlich genannten Personen kaum in die Nähe eines eigentlichen Serien- oder Massenauskunftsbegehrens gerückt werden kann, das sich dadurch kennzeichnet, dass eine Vielzahl von Auskünften verlangt wird.
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6. a) Der Beschwerdeführer beabsichtigt, gestützt auf die verlangten Angaben über die Aktivitäten der X. AG auf dem regionalen Liegenschaftenmarkt zu berichten. Er hat verschiedene Indizien genannt, die darauf hindeuteten, dass die erwähnte Gesellschaft bzw. ihr nahe stehende Personen Spekulationsgeschäfte mit Wohnliegenschaften tätigten (rascher, gewinnbringender Verkauf der erworbenen Liegenschaften im Stockwerkeigentum). Seine Absichten erscheinen als plausibel und ernsthaft, zumal sie auch im Rahmen seiner üblichen Berufstätigkeit liegen. Das vorgebrachte Auskunftsinteresse ![]() | 17 |
Die dem Auskunftsinteresse gegenüberzustellenden Privatinteressen an der Geheimhaltung sind hier wenig bedeutend, zumal die in Frage stehenden Informationen zum Kreis der ohnehin veröffentlichten Angaben zählen.
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b) In Anbetracht des Ausgeführten erscheint das gestützt auf Art. 970 Abs. 2 ZGB für die Erstellung der verlangten Auszüge aus dem Grundbuch erforderliche Interesse des Beschwerdeführers als gegeben. Die kantonalen Behörden haben dessen Auskunftsbegehren zu Unrecht abgewiesen. In Aufhebung des angefochtenen Entscheids ist die Bezirksschreiberei C. deshalb anzuweisen, dem Beschwerdeführer die anbegehrten Auskünfte zu erteilen.
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