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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
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18. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 27. Juni 2001 i.S. Wottreng gegen Präsident des Obergerichts des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Einsicht in archivierte Strafakten durch Drittpersonen; Informations- und Wissenschaftsfreiheit, Art. 16 und 20 BV. |
Keine Verletzung des Grundsatzes der Gewaltenteilung durch den Verordnungsgeber (E. 3). |
Grundzüge der Kommunikationsfreiheit (E. 4b); die Informations- und Wissenschaftsfreiheit räumen keinen generellen Anspruch auf Beschaffung von Informationen aus nicht allgemein zugänglichen Quellen (archivierten Akten während Schutzfrist) ein (E. 4c und 4d). |
Prüfung der Anwendung des kantonalen Archivrechts; Persönlichkeitsschutz von Verstorbenen, Angehörigen und Drittpersonen (E. 5). | |
Sachverhalt | |
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Im Hinblick auf die Publikation über "Tino" ersuchte Willi Wottreng den Präsidenten des Obergerichts des Kantons Zürich um Einsicht in entsprechende Strafakten. Der Obergerichtspräsident wies das Gesuch wie auch ein Wiedererwägungsgesuch ab. Zur Begründung führte er aus, die Akteneinsicht sei nach dem kantonalen Archivrecht mangels Ablaufs der Schutzfrist ausgeschlossen und einer vorgängigen Archiveinsicht stünden berechtigte Interessen der Betroffenen entgegen; im Falle der Einsicht aus wissenschaftlichen ![]() | 2 |
Willi Wottreng hat gegen diesen abschlägigen Entscheid staatsrechtliche Beschwerde erhoben und im Wesentlichen eine Verletzung der Informationsfreiheit, der Pressefreiheit, der Meinungsfreiheit sowie der Wissenschaftsfreiheit im Sinne von Art. 16, 17 und 20 BV gerügt.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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Das Archivgesetz des Kantons Zürich vom 24. September 1995 (Archivgesetz, AG; LS 432.11) regelt das Archivwesen im Allgemeinen. Danach werden die Akten der öffentlichen Organe zunächst von diesen selber verwaltet (§ 7 AG). Wenn die Akten nicht mehr benötigt werden bzw. spätestens 30 Jahre nach ihrer Anlage sind sie den Archiven zur Übernahme anzubieten; bei der Auswahl wird insbesondere der Bedeutung der Akten Rechnung getragen (§ 8 Abs. 1 und 3 AG). Die Archivverordnung des Regierungsrates (Archivverordnung; LS 432.111) umschreibt in § 6 die Kriterien der Archivwürdigkeit von Akten. Für die Akten in den Archiven gelten Amtsgeheimnis und Datenschutz während einer Schutzfrist von 30 Jahren, von ihrer Anlage an gerechnet; für Akten mit Personendaten beträgt die Schutzfrist 30 Jahre seit dem Tod des Betroffenen (§ 10 Abs. 1 AG). Schon während der Schutzfrist können die öffentlichen Organe aus wichtigen Gründen die Akteneinsicht bewilligen (§ 10 Abs. 2 AG). Nach Ablauf der Schutzfrist kann das Archivgut im Rahmen der Benützungsbestimmungen frei eingesehen werden (§ 11 AG). Der Regierungsrat und die kantonalen Gerichte erlassen Ausführungsvorschriften (§ 17 AG). Sie können u.a. aus wichtigen Gründen für einzelne Aktengruppen die Schutzfrist verkürzen oder verlängern sowie ein teilweises Einsichtsrecht gewähren und das vorgesehene Einsichtsrecht beschränken (§ 18 lit. a AG).
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Die Archivverordnung umschreibt in § 4 Abs. 3 die wichtigen Gründe für die Einsichtnahme in archivierte Akten mit Personendaten vor Ablauf der Schutzfrist; solche liegen vor, wenn die ![]() | 7 |
Die Verordnung des Obergerichts über die Archive der Gerichte, der Friedensrichter-, Gemeindeammann-, Stadtammann- und Betreibungsämter (Gerichtsarchivverordnung; LS 211.16) sieht in § 21 vor, dass die Prozessakten und Spruchbücher während 70 Jahren, vom Zeitpunkt ihrer Anlage an gerechnet, für Dritte nicht zugänglich sind; Ausnahmebewilligungen erteilen die Präsidenten der entsprechenden Gerichtsstellen. Nach § 11 Abs. 2 Gerichtsarchivverordnung ist bei Gesuchen von Dritten die obergerichtliche Verordnung über die Akteneinsicht durch Gerichtsberichterstatter und andere Dritte (Akteneinsichtsverordnung; LS 211.15) zu beachten. Nach deren § 8 Abs. 2 wird Dritten Einsicht in Urteile, Akten und Protokolle gewährt, wenn die Parteien zustimmen oder wenn ein wissenschaftliches Interesse eine solche Einsicht rechtfertigt und nach Ansicht des Gerichtspräsidenten keine berechtigten Interessen der Parteien oder Dritter verletzt werden.
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a) Das Bundesgericht hat seit jeher das durch sämtliche Kantonsverfassungen explizit oder implizit garantierte Prinzip der Gewaltenteilung als verfassungsmässiges Recht anerkannt. Sein Inhalt ergibt sich aus dem kantonalen Recht (BGE 126 I 180 E. 2a/aa S. 182; BGE 124 I 216 E. 3b und 4 S. 219; BGE 121 I 22 E. 3a S. 25; BGE 118 Ia 245 E. 3b S. 247; BGE 108 Ia 178 E. 2 S. 180, mit Hinweisen). Bei der Beurteilung des Gewaltenteilungsgrundsatzes prüft das Bundesgericht die Auslegung des kantonalen Verfassungsrechts frei, jene des Gesetzesrechts hingegen unter dem Gesichtswinkel der Willkür (BGE 126 I 180 E. 1a/aa S. 182; BGE 124 I 216 E. 3b S. 219, mit Hinweisen).
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Im vorliegenden Fall beruft sich der Beschwerdeführer nicht auf spezifische Gewaltenteilungsgrundsätze nach kantonalem Recht, sondern macht lediglich geltend, die Gerichtsarchivverordnung und die Akteneinsichtsverordnung gingen mit strengeren Anforderungen ![]() | 11 |
b) Nach § 10 Abs. 1 AG beträgt die Schutzfrist archivierter Akten 30 Jahre, im Allgemeinen vom Zeitpunkt ihrer Erstellung und für Akten mit Personendaten vom Tod der Betroffenen an gerechnet. Diese Regelung sieht im Grundsatz keine Ausnahmen vor. Hingegen ermächtigt § 18 lit. a AG u.a. die kantonalen Gerichte ausdrücklich, aus wichtigen Gründen für einzelne Aktengruppen die Schutzfrist zu verlängern. Das Obergericht hat in seiner Verordnung die Sperrfrist für Gerichtsakten auf 70 Jahre vom Zeitpunkt ihrer Anlage an gerechnet festgelegt (§ 21 Gerichtsarchivverordnung). Damit wird für eine bestimmte Kategorie von Akten eine über die allgemeine Regelung hinausreichende Schutzfrist festgelegt.
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Aus dem angefochtenen Entscheid geht hervor, dass sich die Gerichtsarchivverordnung auf eine aufgehobene Bestimmung des Gerichtsverfassungsgesetzes stützt und gelegentlich an das neue Archivgesetz angepasst werden soll. Der Beschwerdeführer beanstandet diesen formellen Umstand nicht und macht nicht geltend, die Gerichtsarchivverordnung sei mangels formeller Abstützung im Archivgesetz selber nicht anwendbar. Es ist denn auch nicht selten, dass Verordnungen durch Änderungen der übergeordneten Gesetzgebung eine neue Grundlage erhalten und nicht sofort formell daran angepasst werden. Unter materiellem Gesichtswinkel von Bedeutung ist, dass das Archivgesetz selber für einzelne Aktengruppen aus wichtigen Gründen Abweichungen vorsieht und insbesondere Verlängerungen der Schutzfrist ausdrücklich erlaubt. Gerichtsakten stellen gegenüber all jenen Akten, die nach dem Archivgesetz aufbewahrt werden, eine spezifische Gruppe dar. Die Sonderbehandlung der Gerichtsakten kann sich auf wichtige Gründe stützen, da diese in verschiedensten Bereichen (des Privat-, des Straf- und des öffentlichen Rechts) nach einem besondern Schutz der Betroffenen rufen - auch wenn Gerichtsakten nicht von vornherein sensiblere Daten aufweisen als Archivgut von Behörden (etwa in Bereichen wie Vormundschaftswesen oder fürsorgerischem Freiheitsentzug). Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, die Verlängerung der Schutzfrist für Gerichtsakten beruhe nicht auf hinreichenden wichtigen Gründen im Sinne des Archivgesetzes. Ebenso wenig beanstandet er die Sperrfrist von 70 Jahren in der Gerichtsarchivverordnung, obwohl sie in einem gewissen Gegensatz zur Grundordnung im Archivgesetz mit einer allgemeinen Schutzfrist von lediglich 30 Jahren steht. Die Gewaltenteilungsrüge erweist sich angesichts dieser Umstände als unbegründet.
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c) Aufgrund von § 10 Abs. 2 AG können die öffentlichen Organe die Akteneinsicht aus wichtigen Gründen schon während der Schutzfrist gewähren. Was unter "wichtigen Gründen" zu verstehen ist, führt einerseits § 4 Abs. 3 Archivverordnung aus: Im überwiegenden Interesse der betroffenen Person, bei deren Zustimmung oder bei Vermutung von deren Zustimmung (lit. a) sowie zur Verwendung für Gesetzgebung, Rechtsprechung, statistische oder wissenschaftliche Zwecke oder für einen Entscheid über die Rechte der betroffenen Person (lit. b). Andererseits sehen § 21 in Verbindung mit § 11 Abs. 2 Gerichtsarchivverordnung und § 8 Abs. 2 Akteneinsichtsverordnung Ausnahmebewilligungen vor, wenn die Parteien zustimmen oder wenn ein wissenschaftliches Interesse die Einsicht rechtfertigt und keine berechtigten Interessen verletzt werden.
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Die Voraussetzungen für die vorzeitige Einsicht werden demnach für das allgemeine Archivgut und für Gerichtsakten unterschiedlich umschrieben. Sie erscheinen für die Gerichtsakten strenger als für das übrige Archivgut. Dieser Umstand vermag nichts daran zu ändern, dass sich die Gerichtsarchiv- und die Akteneinsichtsverordnung auf "wichtige Gründe" im Sinne von § 10 Abs. 2 Archivgesetz stützen können. Die Unterschiedlichkeit von allgemeinem Archivgut und gerichtlichem Archivgut mag unterschiedliche Regelungen der vorzeitigen Einsichtnahme rechtfertigen. In formeller Hinsicht sieht § 17 Archivgesetz ausdrücklich die Kompetenz des Obergerichts zum Erlass von Ausführungsbestimmungen vor; wie dargetan, ist dabei nicht von Bedeutung, dass sich die obergerichtliche Regelung formell noch auf aufgehobene Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes stützt. Soweit der Beschwerdeführer auch im Zusammenhang mit der Ausnahmeregelung betreffend die vorzeitige Einsicht in das Archivgut eine Verletzung des Gewaltenteilungsprinzips geltend macht, erweisen sich seine Rügen ebenfalls als unbegründet.
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d) Aufgrund dieser Erwägungen steht der Anwendung der speziellen Ordnung, wie sie nach der Gerichtsarchivverordnung in Verbindung mit der Akteneinsichtsverordnung für die Einsicht in ![]() | 17 |
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a) Zu Recht verlangt der Beschwerdeführer die Einsicht nicht gestützt auf das verfassungsmässige, verfahrensrechtlich ausgerichtete Akteneinsichtsrecht. Dieses garantiert den Parteien in hängigen Verfahren im Hinblick auf den Erlass einer Verfügung im Sinne eines voraussetzungslosen Verfahrensrechts die Einsicht in die Akten (Art. 29 Abs. 2 BV bzw. Art. 4 aBV). Der Anspruch gilt auch ausserhalb eines hängigen Verfahrens zur Wahrung der Rechte von Betroffenen oder Dritten (Art. 29 Abs. 2 BV bzw. Art. 4 aBV); diesfalls ist er davon abhängig, dass der Rechtssuchende ein schutzwürdiges Interesse geltend machen kann und keine öffentlichen Interessen des Staates oder berechtigte Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen; die Akteneinsicht kann zudem einen engen Bezug zur persönlichen Freiheit und zum Schutz der Privatsphäre aufweisen, soweit Personendaten betroffen sind (Art. 10 Abs. 2 und 13 Abs. 2 BV sowie Art. 8 EMRK bzw. Art. 4 aBV in Verbindung mit der persönlichen Freiheit; vgl. zum Ganzen BGE 113 Ia 1 E. 4 S. 4 ff., 257 E. 4 S. 261 ff.; BGE 122 I 153 E. 6 S. 161 ff.; BGE 125 I 257 E. 3b S. 269; BGE 126 I 7 E. 2 S. 9 ff.; BGE 127 I 6 E. 5a S. 10).
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b) Die neue Bundesverfassung garantiert als allgemeines Grundrecht der freien Kommunikation die Meinungsfreiheit (Art. 16 Abs. 1 und 2 BV). Dieses stellt gegenüber den speziellen Formen der Kommunikation ein subsidiäres Auffanggrundrecht dar (JÖRG PAUL MÜLLER, Grundrechte in der Schweiz, 3. Aufl. 1999, S. 248; ANDREAS AUER/GIORGIO MALINVERNI/MICHEL HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, Bd. II, Bern 2000, Rz. 512; RENÉ A. RHINOW, Die Bundesverfassung 2000, Basel 2000, S. 118; ULRICH HÄFELIN/WALTER HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 5. Aufl. 2001, Rz. 462; DENIS BARRELET, Les libertés de communication, in: Thürer/Aubert/Müller, Verfassungsrecht der Schweiz, Zürich 2001, S. 721 ff. Rz. 3 und 6; vgl. auch Art. 14 des BV-Entwurfs, Botschaft des Bundesrates, BBl 1997 I 157). Die Meinungsfreiheit bedeutet das Recht ![]() ![]() | 20 |
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c) Im Hinblick auf den vorliegenden Fall fragt sich nunmehr, ob und inwiefern sich der Beschwerdeführer für die gewünschte Einsicht auf die erwähnten Grundrechte der Informations- und Wissenschaftsfreiheit berufen kann.
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aa) Entsprechend der bisherigen bundesgerichtlichen Umschreibung der Informationsfreiheit beschränkt Art. 16 Abs. 3 BV den grundrechtlich gewährleisteten freien Zugang auf Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen. Dazu zählen etwa öffentliche Radio- oder Fernsehprogramme (vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte i.S. Autronic gegen die Schweiz vom 22. Mai 1990, Serie A Nr. 178 = EuGRZ 1990 S. 261 zu Art. 10 EMRK; BGE 120 Ib 64 zum Verbot von Dachantennen; vgl. ferner BGE 120 Ib 190 E. 2a S. 192 zur Filmzensur aus der Sicht des Kinobesuchers). Parlamentsverhandlungen (BGE 105 Ia 181) oder gewisse Register (BGE 124 I 176 E. 6 S. 182 zum Handels- und Steuerregister) gelten als allgemein zugänglich. Das Bundesgericht hat ferner öffentliche Verhandlungen von Gerichten unter dem Gesichtswinkel von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (vgl. Art. 30 Abs. 3 BV) als öffentlich zugängliche Informationsquelle der Allgemeinheit und der Journalisten bezeichnet (BGE 113 Ia 309 E. 4c S. 318; vgl. neuestens Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 2001 in: ![]() | 23 |
bb) In diesem Sinne hat der Bundesgesetzgeber die Informationsfreiheit mit dem Bundesgesetz vom 26. Juni 1998 über die Archivierung (Archivierungsgesetz, BGA; SR 152.1) hinsichtlich der Einsichtnahme in das Bundesarchiv konkretisiert. Obwohl dieses Bundesarchivierungsgesetz auf die vorliegende, allein nach dem kantonalen Recht zu beurteilende Angelegenheit keine Anwendung findet, rechtfertigt es sich, es in seinen Grundzügen kurz zu umschreiben.
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Das Archivgut des Bundes steht nach Ablauf der Schutzfrist der Öffentlichkeit unentgeltlich zur grundsätzlich freien Einsichtnahme zur Verfügung (Art. 9 Abs. 1 BGA). Schon vor Ablauf der Schutzfrist kann Einsicht gewährt werden, sofern keine gesetzlichen Vorschriften oder keine überwiegenden schutzwürdigen öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen. Diese vorgängige Einsicht ist nicht von einem speziellen Interessennachweis oder von speziellen Qualifikationen abhängig; es wurde bewusst auf das problematische und letztlich nicht überprüfbare sog. Wissenschaftsprivileg verzichtet (Botschaft zum Archivierungsgesetz, BBl 1997 II 962; vgl. zur Problematik der Privilegierung von Wissenschaftern und Journalisten VORBROD STELZER, a.a.O., S. 55 f.). Im Sinne der Informationsfreiheit kommt damit zum Ausdruck, dass die Einsicht - vorbehältlich der entgegenstehenden Interessen - grundsätzlich frei gewährt werden soll (vgl. zum Archivierungsgesetz allgemein MAHON, a.a.O., S. 308; JOHANNES THELER, Einige Anmerkungen zum neuen Bundesgesetz über die Archivierung, in: Festschrift für Louis Carlen, Fribourg 1999, S. 157 ff.; ANDREAS KELLERHALS MAEDER, Das Bundesgesetz über die Archivierung, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 50/2000 S. 98 ff.).
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Sowohl die Einsicht nach Ablauf der Schutzfrist als auch die vorgängige Einsicht bedeuten keine freie Verfügbarkeit über die gewonnenen Daten zu Lasten der betroffenen Personen. Vielmehr ![]() | 26 |
Bei der Anwendung des Archivierungsrechts im Einzelfall kann ferner über den Schutz betroffener Interessen durch die Grundordnung hinaus nach den tatsächlichen und konkreten Schutzbedürfnissen gefragt werden. In diesem Sinne hat das Bundesgericht in einer die Einsicht in das Bundesarchiv betreffenden Angelegenheit zwar ausgeführt, dass der Bundesrat mit der damals geltenden Archivierungsverordnung die Informationsfreiheit nicht verletzt hatte. Es prüfte indessen, ob in Anbetracht der konkreten Akten und der Vorbringen der Verwaltung tatsächlich staatliche Geheimhaltungsinteressen bestanden, verneinte dies und gewährte die Einsicht in das Archivgut im Hinblick auf eine historische Fernsehsendung auch schon vor Ablauf der Sperrfrist (Urteil vom 23. Dezember 1992 i.S. S., publiziert in: Plädoyer 1994 4 S. 55 f.).
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cc) In Bezug auf den vorliegenden Fall ergibt sich aus der kantonalen Gesetzgebung, dass die Schutz- und Sperrfrist für die Akten, in die der Beschwerdeführer Einsicht wünscht, noch nicht abgelaufen ist, weder nach der Grundordnung im Archivgesetz noch nach der anwendbaren Gerichtsarchivverordnung. Auch bei grundrechtskonformer Auslegung der kantonalen Gesetzgebung ergibt sich daher kein genereller Anspruch auf Einsicht. Die Einsichtnahme setzt vielmehr eine Ausnahmebewilligung voraus, die von der Behörde unter Beachtung entgegenstehender (insbes. privater) Interessen erteilt wird. Es ist geradezu der Zweck der vom kantonalen Gesetz- und Verordnungsgeber geschaffenen Archivverordnung, die Akten im privaten und staatlichen Interesse während einer bestimmten Zeit vor einem allgemeinen Zugriff zu schützen. Bei dieser Rechtslage können die archivierten Akten nicht als allgemein zugänglich im Sinne von Art. 16 Abs. 3 BV betrachtet werden. Die ![]() | 28 |
d) Weiter ist zu prüfen, ob sich der Beschwerdeführer für den vorliegenden Zusammenhang auf die Forschungsfreiheit nach Art. 20 BV berufen kann.
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aa) Die Frage nach einem aus der Wissenschaftsfreiheit fliessenden Anspruch auf Quellen- und Aktenzugang betrifft aus der Sicht von Art. 20 BV einen beschränkten Bereich des Grundrechts. Ähnlich wie für die Informationsfreiheit ist es in erster Linie Sache des Gesetzgebers, den Quellenzugang für die Wissenschaft zu umschreiben. In diesem Sinne werden etwa gestützt auf Art. 321bis StGB von einer speziellen Sachverständigenkommission Daten für die Forschung im Bereiche der Medizin oder des Gesundheitswesens freigegeben (vgl. GUNTHER ARZT, Kommentierung von Art. 321bis StGB, in: Urs Maurer/Nedim Vogt, Kommentar zum schweizerischen Datenschutzgesetz, Basel/Frankfurt a.M. 1995, S. 477 ff.; Beispiele für entsprechende Bewilligungen mit einschränkenden Auflagen in BBl 2000 S. 2530, 1998 S. 3925).
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bb) Weiter fragt sich, ob über entsprechende gesetzgeberische Konkretisierungen hinaus mit direkter Berufung auf Art. 20 BV Zugang zu amtlichen Akten verlangt werden kann. Dies kann trotz der ausdrücklichen Garantie der Wissenschaftsfreiheit nicht leichthin angenommen werden. Die Forschungsfreiheit vermag nicht ohne weiteres den Zugang zu Quellen zu öffnen, die unter dem Gesichtswinkel der allgemeineren Informationsfreiheit als nicht öffentlich zugänglich gelten. Die Beschränkung des verfassungsrechtlichen Informationszugangs nach Art. 16 Abs. 3 BV kann grundsätzlich nicht durch die Berufung auf Art. 20 BV durchbrochen werden. Hierfür bedürfte es vielmehr eines spezifischen Forschungsansatzes und einer sich daraus ergebenden forschungsmässigen Notwendigkeit, Einsicht in Akten (wie etwa in Daten, Statistiken oder Reihenuntersuchungen) zu nehmen. Andernfalls würde die Wissenschaftsfreiheit hinsichtlich der Frage des Quellenzugangs für eine nur schwer abzugrenzende Gruppe von Personen zu einem kaum begrenzbaren und daher konturlosen Anspruch gegenüber dem Staat (vgl. in methodischer Hinsicht zur sachlichen Begrenzung der persönlichen Freiheit etwa BGE 127 I 6 E. 5a S. 11; BGE 124 I 85 E. 2a S. 86, mit Hinweisen). Zudem müsste ein entsprechender aus der Wissenschaftsfreiheit abgeleiteter Anspruch im Einzelfall mit dem Schutz der Privatsphäre nach Art. 13 BV in Beziehung gesetzt und gegebenenfalls beschränkt werden. Gleichermassen wäre das ![]() | 31 |
cc) Im Hinblick auf den vorliegenden Zusammenhang ist davon auszugehen, dass zum Bereich der Forschung im Sinne von Art. 20 BV über naturwissenschaftliche Arbeiten hinaus auch solche geistes- und sozialwissenschaftlicher und historischer Natur gehören. Das vom Beschwerdeführer verfolgte Projekt und dessen Ausrichtung schliessen allein von ihrem sachlichen Gegenstand aus betrachtet die Anwendbarkeit von Art. 20 BV nicht aus.
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Hingegen gilt es zu berücksichtigen, dass Fragestellung, Methode und Durchführung des vom Beschwerdeführer verfolgten Projektes nicht zentral von der verlangten Einsicht in die archivierten Strafakten über "Tino" abhängen. Der Beschwerdeführer ist in der Lage, sein Werk über das Leben und Wirken von Martin Schippert auch ohne Einsicht in die Strafakten zu verfassen. Er verfügt hierfür über mannigfache Quellen. Die eigentlichen Strafakten vermögen von vornherein nur ein zeitlich und umfangmässig beschränktes Bild über den damaligen Chef der "Hell's Angels" abzugeben. Auch unter dem Gesichtswinkel der Wissenschaftlichkeit des zu erstellenden Werkes bedarf es der Einsicht in die Akten nicht zwingend; diese ist nicht allein schon deshalb in Frage gestellt, weil gewisse Quellen nicht ausgeschöpft werden können. Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer durch die Verweigerung der Akteneinsicht nicht in seiner Wissenschaftsfreiheit berührt ist und das Grundrecht durch die angefochtene Akteneinsichtsverweigerung nicht betroffen ist. Demnach erweist sich die Berufung auf Art. 20 BV als unbegründet.
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e) Aufgrund dieser Erwägungen kann sich der Beschwerdeführer nicht auf die spezifischen Grundrechte der Informations- und Wissenschaftsfreiheit berufen. Im vorliegenden Fall ist daher einzig zu prüfen, ob der auf das kantonale Recht gestützte angefochtene Entscheid vor dem Willkürverbot nach Art. 9 BV standhält. Dabei ist von der Akteneinsichtsverordnung des Obergerichts auszugehen.
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a) Es ist unbestritten, dass der bereits 1981 verstorbene "Tino" Martin Schippert sein Einverständnis für die Archiveinsicht durch den Beschwerdeführer nicht erteilt hat. Insofern fehlt es an einer der Voraussetzungen für die Akteneinsicht nach der anwendbaren Akteneinsichtsverordnung.
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Der Beschwerdeführer macht in diesem Zusammenhang allerdings geltend, aufgrund der konkreten Umstände dürfe davon ausgegangen werden, dass "Tino" Martin Schippert einer entsprechenden Einsicht zustimmen würde. In diesem Sinne erlaube § 4 Abs. 3 lit. a Archivverordnung die Einsicht, wenn die betroffene Person zustimmt oder ihre Zustimmung nach den Umständen vorausgesetzt werden kann. Im Hinblick auf die vorgesehene Publikation gelte es, die Persönlichkeit von "Tino" sowie den Umstand zu berücksichtigen, dass sich dieser zu Lebzeiten bei Friedrich Dürrenmatt und Sergius Golowin um Biographien bemüht hatte.
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Die Argumentation des Beschwerdeführers ist nachvollziehbar. Er stützt sich auf allgemeine Überlegungen zum Archivierungsrecht, wie sie in der Archivierungsverordnung Ausdruck gefunden haben. Im vorliegenden Fall kommt indessen, wie dargetan, die Akteneinsichtsverordnung zur Anwendung. Diese ist in erster Linie auf die Gerichtsberichterstattung und die Phase des eigentlichen Gerichtsverfahrens ausgerichtet. Sie vermag damit der besondern Situation der Einsicht in archivierte Akten nicht ohne weiteres gerecht zu werden und erwähnt demnach die Möglichkeit einer vermuteten Zustimmung von Verstorbenen überhaupt nicht. Gemäss dem angefochtenen Entscheid soll die Verordnung gelegentlich dem Archivgesetz als eigentliche Ausführungsverordnung angepasst werden.
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b) Die Einsicht in archivierte Akten ist nach § 8 Abs. 2 Akteneinsichtsverordnung ferner möglich, wenn ein wissenschaftliches Interesse sie rechtfertigt. Der Begriff des wissenschaftlichen Interesses im Sinne der Verordnung darf im Hinblick auf Art. 20 BV weit ausgelegt werden. Es können dazu sowohl natur- als auch geisteswissenschaftliche und historische Forschungen gezählt werden.
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Im vorliegenden Fall hat der Obergerichtspräsident die Frage ausdrücklich offen gelassen, ob das Interesse und das Projekt des Beschwerdeführers wissenschaftlicher Natur seien. Er hat die verlangte Einsicht nicht etwa mangels eines wissenschaftlichen Interesses oder eines forschungsmässigen Ansatzes verweigert. Wie es sich damit unter dem Gesichtswinkel des kantonalen Rechts verhält, braucht daher nicht näher geprüft zu werden. Es genügt festzuhalten, dass die Einsicht nicht etwa wegen fehlender Wissenschaftlichkeit verweigert worden ist.
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c) Im angefochtenen Entscheid wird schliesslich ausgeführt, dass eine Einsicht zwar nicht von vornherein ausgeschlossen sei, indessen mit der Auflage verbunden werden müsste, die Personendaten nur in anonymisierter Form zu verwenden. Da dies vom Beschwerdeführer entsprechend seinem Konzept aber nicht beabsichtigt sei, komme eine Akteneinsicht auch unter diesem Gesichtswinkel nicht in Frage.
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Die Auflage, eingesehene Personendaten nur in anonymisierter Form zu verwenden, ergibt sich nicht direkt aus der Akteneinsichtsverordnung. Der Obergerichtspräsident bezieht sich vielmehr auf den Persönlichkeitsschutz der Betroffenen. Nach § 8 Abs. 2 Akteneinsichtsverordnung kann die Einsicht nur gewährt werden, ![]() | 44 |
aa) Im angefochtenen Entscheid wird Gewicht auf den Persönlichkeitsschutz von Drittpersonen (Zeugen, Anzeiger, Geschädigte etc.) gelegt. Dass solche Personen grundsätzlich Anspruch auf Daten- und Persönlichkeitsschutz haben, wird vom Beschwerdeführer nicht in Frage gestellt.
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In der staatsrechtlichen Beschwerde erklärt sich der Beschwerdeführer bereit, Drittpersonen in seinem Bericht nicht namentlich zu nennen. Diese Bereitschaft stellt einen neuen prozessualen Umstand dar. Im kantonalen Verfahren war davon noch nicht die Rede. Da im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren auf den Zeitpunkt des angefochtenen kantonalen Entscheides abzustellen ist und Noven grundsätzlich unzulässig sind (BGE 121 I 367 E. 1b S. 370, mit Hinweisen), kann das Entgegenkommen des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt werden. Daraus folgt, dass dem Obergerichtspräsidenten keine Willkür vorgeworfen werden kann, wenn er dem Persönlichkeitsschutz von Drittpersonen besonderes Gewicht beilegte und aus diesem Grunde die Akteneinsicht verweigerte. Der Beschwerdeführer hat es indessen in der Hand, sein Einsichtsgesuch in einem neuen Verfahren vor dem Obergericht zu erneuern und darin seine diesbezügliche Bereitschaft zu erklären.
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bb) Der Schutz berechtigter Interessen betrifft daher in erster Linie "Tino" Martin Schippert selber. Dieser soll unter dem Gesichtswinkel der Persönlichkeitswahrung davor geschützt werden, dass nachträglich Daten unvorteilhafter Natur über ihn publik gemacht werden. Die Persönlichkeit kann sowohl durch die Mitteilung von Tatsachen und der Art ihrer Darstellung als auch durch die Würdigung von solchen verletzt werden. Unter dem Gesichtswinkel von Art. 28 ZGB hat das Bundesgericht in Bezug auf die Presse die Verbreitung wahrer Tatsachen zwar grundsätzlich gebilligt, hingegen Fälle vorbehalten, wenn es sich um Tatsachen aus dem Geheim- oder Privatbereich handelt oder die betroffene Person wegen der Form der Darstellung in unzulässiger Weise herabgesetzt wird (BGE 126 III 305 E. 4b/aa S. 306; BGE 122 III 449 E. 3b/c S. 456, mit Hinweisen). An diesem grundlegenden Schutzbedürfnis vermag der vom Beschwerdeführer ins Feld geführte Umstand nichts zu ändern, dass es sich bei "Tino" um eine Person der Zeitgeschichte handeln soll. Denn ![]() | 47 |
In Anbetracht dieser Rechtsprechung zum Persönlichkeitsschutz kann entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht davon ausgegangen werden, dass allein wegen des Umstandes, dass es sich bei "Tino" Martin Schippert um eine Person der Zeitgeschichte gehandelt haben mag, von jeglichem Schutz abgesehen werden soll. Vielmehr besteht auch bei "Tino" grundsätzlich ein Schutzbedürfnis. Die vom Beschwerdeführer nachgesuchten Informationen betreffen diverse Strafverfahren, beziehen sich damit auf den Privat- und Geheimbereich und sind daher im Falle einer Weiterverbreitung geeignet, sich persönlichkeitsverletzend auszuwirken. Es erweist sich damit als haltbar und mit Art. 9 BV klar vereinbar, dass der Obergerichtspräsident ein Schutzbedürfnis von "Tino" Martin Schippert im Hinblick auf die Veröffentlichung von Informationen aus den archivierten Strafakten bejaht hat.
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cc) Demgegenüber lassen sich Umstände ins Feld führen, welche gegen ein Schutzbedürfnis von "Tino" Martin Schippert sprechen und daher eine Akteneinsicht grundsätzlich erlauben könnten.
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Nach allgemeiner Rechtsauffassung geht der Persönlichkeitsschutz mit dem Tode der betroffenen Person unter. Der Tote kann nicht mehr Träger von Rechten und Pflichten sein. Mit dem Tode erlöschen die Persönlichkeitsrechte. Ein postmortaler Persönlichkeitsschutz wird im Allgemeinen abgelehnt (BGE 109 II 353 E. 4a S. 359; vgl. auch BGE 127 I 115 E. 6; ANDREAS BUCHER, Natürliche Personen und Persönlichkeitsschutz, 3. Aufl. 1999, Rz. 219 ff.). Unter diesem Gesichtswinkel betrachtet, könnte demnach vorgebracht werden, dass "Tino" Martin Schippert nicht über sein Leben hinaus vor Beeinträchtigungen in seiner mit dem Tod untergegangenen Persönlichkeitssphäre geschützt werden müsse. Daraus ![]() | 50 |
Auch unter Berücksichtigung solcher Überlegungen kann der angefochtene Entscheid nicht als unhaltbar im Sinne von Art. 9 BV bezeichnet werden. Es darf in Betracht gezogen werden, dass sich der Persönlichkeitsschutz tatsächlich über den Tod hinaus auswirken kann und entsprechende Lehrmeinungen vertreten werden (BGE 127 I 115 E. 4 und 6; WALTER OTT/THOMAS GRIEDER, Plädoyer für den postmortalen Persönlichkeitsschutz, in: AJP 2001 S. 627). Weiter gilt es zu berücksichtigen, dass sich das Archivrecht im Allgemeinen und der Ausdruck der berechtigten Interessen gemäss § 8 Abs. 2 Akteneinsichtsverordnung im Speziellen nicht zwingend nach der privatrechtlichen Ordnung im Sinne von Art. 28 ZGB richten. Die Beachtung "berechtigter Interessen" nach der Akteneinsichtsverordnung kann als kantonalrechtliche Archivierungsnorm vielmehr über Art. 28 ZGB und den Schutzbereich hinausreichen, wie er in einem Zivilverfahren gerichtlich durchgesetzt werden kann.
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dd) Neben der Person von "Tino" Martin Schippert gilt es im Sinne der Akteneinsichtsverordnung auch die Interessen von nahen Angehörigen zu berücksichtigen. Angehörige können hinsichtlich Publikationen über nahestehende Verstorbene ihre eigenen Persönlichkeitsrechte nach Art. 28 ZGB geltend machen und sich dabei auf ihre Pietätsgefühle und innere Verbundenheit mit diesen berufen (BGE 109 II 353 E. 4 S. 359; BGE 127 I 115 E. 6a). Diesen kommt daher bereits nach Bundeszivilrecht Schutz zu. Darüber hinaus kann ihnen nach kantonalem Archivrecht Schutz gewährt werden. Die Angehörigen haben ein berechtigtes Interesse daran, dass "Tino" nicht verunglimpft wird und keine negativen persönlichkeitsrelevanten Umstände über ihn publiziert werden. Diesem Schutzbedürfnis durfte der Obergerichtspräsident ohne Zweifel Rechnung tragen. Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde nicht geltend, es liege ein Einverständnis der Angehörigen vor oder der Obergerichtspräsident habe entsprechende Äusserungen in unhaltbarer Weise gewürdigt. Es erscheint demnach in keiner Weise willkürlich, wenn die gewünschte Akteneinsicht gerade auch im Hinblick auf die Persönlichkeitssphäre der nahen Verwandten verweigert worden ist.
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Dem kann schliesslich nicht entgegengehalten werden, dass sich die in die Akten Einsicht nehmende Person im Hinblick auf allfällige Publikationen ihrerseits an Art. 28 ZGB zu halten hat, wie oben ![]() | 53 |
ee) Der Beschwerdeführer bringt ferner vor, es gehe ihm sinngemäss um eine Rehabilitation von "Tino" Martin Schippert und er sei daher auf eine entsprechende Einsicht angewiesen. Es soll nicht in Frage gestellt werden, dass der Beschwerdeführer mit seinem Buchprojekt eine derartige Absicht verfolgt. Die Absicht und ihre tatsächliche Realisierung können indessen in keiner Weise überprüft werden, weshalb nicht entscheidend darauf abgestellt werden kann. Eine Pflicht zu einer der Publikation vorangehenden Vorlage, wie sie die alte Archivierungsordnung des Bundes enthielt (Art. 8 Abs. 2 lit. d des Reglements vom 15. Juli 1966 für das Bundesarchiv, AS 1966 S. 916 und 1973 S. 1591), kennt das kantonale Recht nicht.
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d) Eine Würdigung der gesamten Umstände zeigt, dass der angefochtene Entscheid vor dem Willkürverbot standhält. Mit dem Archivgesetz ist davon auszugehen, dass für die archivierten Akten während der Schutzfrist das Amtsgeheimnis und der Datenschutz gelten (§ 10 Abs. 1 AG). Die Schutzfrist ist im vorliegenden Fall noch nicht abgelaufen und das Archivgut daher nur ausnahmsweise zugänglich. Bei der Anwendung von § 8 Abs. 2 Akteneinsichtsverordnung, welcher eine vorzeitige Einsicht erlaubt, darf daher den Schutzbedürfnissen aller Betroffenen Rechnung getragen werden. Solche haben sich gegenüber "Tino" selber, seinen Angehörigen sowie Drittpersonen gezeigt. Sie dürfen nicht leichthin dem nachvollziehbaren Interesse des Beschwerdeführers an der Einsichtnahme untergeordnet werden. Eine zu weit gehende Gewährung vorzeitiger Einsichtnahme brächte zudem die Gefahr mit sich, dass die allgemeine und durch gewichtige Interessen gerechtfertigte Schutzfrist und damit das ganze System des Archivierungsrechts unterlaufen würde. Die Beschwerde erweist sich daher unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessen als unbegründet.
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