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46. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. Lancôme Parfums et Beauté & Cie gegen Focus Magazin Verlag GmbH (Berufung) |
4C.331/2003 vom 20. Februar 2004 | |
Regeste |
Benutzungsschonfrist von Art. 12 Abs. 1 MSchG; Beginn der Frist bei Hängigkeit ausländischer Widerspruchsverfahren gegen in der Schweiz registrierte internationale Marken. |
Gründe, aus denen dem Inhaber der Gebrauch seiner Marke trotz hängiger Verfahren zuzumuten ist (E. 2). | |
Sachverhalt | |
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Die Klägerin hinterlegte am 31. Oktober 2002 beim IGE wiederum die Marke "COLOR FOCUS". Am 4. Februar 2003 wurde die Marke unter der IR-Nummer 507 332 eingetragen, worauf die Beklagte am 25. April 2003 erneut Widerspruch erhob. Das Widerspruchsverfahren wurde bis zur Entscheidung im vorliegenden Verfahren sistiert.
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Grundlage der internationalen Marke der Beklagten bildet die in Deutschland seit dem 25. Mai 1996 eingetragene Marke Nr. 394 07 564 "FOCUS". Gegen diese international für verschiedene Länder registrierte deutsche Basismarke der Beklagten wurden in Deutschland Widersprüche eingereicht.
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B. Am 30. Dezember 2002 gelangte die Klägerin an das Handelsgericht des Kantons Bern mit dem Begehren, der schweizerische Teil der internationalen Marke Nr. 663 349 "FOCUS" sei für die Waren in den Klassen 3 und 5 nichtig zu erklären und das rechtskräftige Urteil dem IGE mitzuteilen. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an, die Beklagte habe ihre Marke während fünf Jahren für Waren der Klassen 3 und 5 weder in der Schweiz noch in ![]() | 4 |
Das Handelsgericht wies die Klage am 2. September 2003 ab. Es legte Art. 12 Abs. 1 MSchG in dem Sinne aus, dass die fünfjährige Benutzungsschonfrist erst mit rechtskräftigem Abschluss eines ausländischen Widerspruchsverfahrens gegen die Basismarke zu laufen beginne, solange der schweizerische Teil von deren Schicksal gemäss Art. 6 Abs. 2 und 3 MMA abhänge; der Fristenlauf habe somit noch gar nicht begonnen. Eventuell erwog das Gericht, die Beklagte könnte ein gegen die Basismarke hängiges Widerspruchsverfahren als wichtigen Grund für den Nichtgebrauch im Sinne von Art. 12 Abs. 1 MSchG erfolgreich geltend machen; denn bis zur Erledigung dieses Widerspruchs herrsche dieselbe Unsicherheit über das Schicksal der internationalen Marke wie bei einem gegen sie selbst erhobenen Widerspruch. Schliesslich verwarf das Gericht die Behauptung der Klägerin, dass die umstrittene Marke in den Klassen 3 und 5 eine reine Defensivmarke sei.
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C. Die Klägerin hat am 28. November 2003 Berufung eingereicht und stellt folgende Rechtsbegehren:
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"1. Das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 2. September 2003 sei aufzuheben.
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2. Es sei der schweizerische Teil der IR-Marke 663 349 FOCUS für die Waren in Klasse 3 (...) nichtig zu erklären.
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3. Es sei der schweizerische Teil der IR-Marke 663 349 FOCUS für die Waren in Klasse 5 (...) nichtig zu erklären.
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4. (...)."
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
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Aus den Erwägungen: | |
1. Art. 12 Abs. 1 MSchG (SR 232.11) regelt die Folgen des Nichtgebrauchs der Marke. Hat der Inhaber die Marke während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nach unbenütztem Ablauf der Widerspruchsfrist oder nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens nicht gebraucht, so kann er sein Markenrecht nach Art. 12 Abs. 1 MSchG nicht mehr geltend machen, ausser wenn wichtige Gründe für den Nichtgebrauch vorliegen (sog. Benutzungsschonfrist). Die Beklagte hat die Marke "FOCUS" für die Waren der internationalen Klassen 3 und 5 unbestrittenermassen bis heute weder in der Schweiz noch in Deutschland gebraucht (vgl. ![]() | 12 |
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1.2 In der Lehre wird die Meinung vertreten, für internationale Marken beginne die Benutzungsschonfrist mit Ablauf der Frist, die dem IGE zur Verweigerung des Schutzes in der Schweiz zur Verfügung steht bzw. im Zeitpunkt, in dem eine vorläufige Schutzverweigerung zurückgenommen wird. Diese Frist beginnt für Marken, die dem Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken (MMA; SR 0.232.112.3; revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967) unterstehen nach 12 Monaten (Art. 5 Abs. 2 MMA), für Marken im Geltungsbereich des Protokolls zum Madrider ![]() | 14 |
1.3 Nach Art. 12 Abs. 1 MSchG hängt der Fristbeginn für die Benutzungsschonfrist davon ab, ob ein Widerspruchsverfahren angehoben wird. Dabei kann es sich nur um das im MSchG selbst geregelte - schweizerische - Widerspruchsverfahren handeln. Dem Wortlaut der Bestimmung ist nicht zu entnehmen, dass vergleichbare ausländische Verfahren dem hiesigen Widerspruchsverfahren gleichgestellt wären. Dieser grammatikalischen Auslegung entspricht der subjektiv-historische Wille des Gesetzgebers (E. 1.1 vorne). Nach den Materialien wurde der Aufschub des Beginns der Benutzungsschonfrist, wie erwähnt, allein mit der Einführung des Widerspruchsverfahrens (Art. 31-34 MSchG) begründet. Aus der systematischen Stellung der Folgen des Nichtgebrauchs der Marke im Gesetz kann unmittelbar nichts für die Beantwortung dieser Streitfrage geschlossen werden. Die internationale Registrierung einer Marke mit Schutzwirkung für die Schweiz entfaltet dieselbe Wirkung wie deren Hinterlegung beim IGE mit anschliessender Eintragung im schweizerischen Register (Art. 46 Abs. 1 MSchG). Diese Wirkung tritt nur dann nicht ein, sofern und soweit der international registrierten Marke der Schutz für die Schweiz verweigert wird (Art. 46 Abs. 2 MSchG). Widersprüche gemäss Art. 31 ff. MSchG können auch gegen internationale Registrierungen erhoben werden (DAVID, a.a.O., N. 5 zu Art. 46 MSchG). Aus der vom Gesetzgeber angestrebten Harmonisierung mit dem europäischen Recht lässt sich für die streitige Frage nichts ableiten. Art. 10 Abs. 1 der Markenrichtlinie (Erste Richtlinie 89/104 EWG des Rates vom ![]() | 15 |
(...)
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1.5 Der Aufschub des Fristbeginns aufgrund des Widerspruchsverfahrens nach Art. 12 Abs. 1 MSchG bezweckt, dem Markeninhaber die Aufnahme des Gebrauchs solange nicht zuzumuten, als er ernsthaft die Aufgabe seiner Marke zu befürchten hat. Diesem Zweck dient auch der Vorbehalt wichtiger Gründe für den Nichtgebrauch, zu denen ernsthafte rechtliche Angriffe auf die Marke gehören (vgl. DAVID, a.a.O., N. 7 zu Art. 12 MSchG; WILLI, a.a.O., N. 20 zu Art. 12 MSchG). Während des Bestehens eines wichtigen Grundes verlängert sich die Benutzungsschonfrist um die entsprechende Zeitspanne (DAVID, a.a.O., N. 7 in fine zu Art. 12 MSchG; WILLI, a.a.O., N. 23 zu Art. 12 MSchG). Solange die in der Schweiz registrierte internationale Marke gemäss Art. 6 Abs. 3 MMA von der Basismarke abhängt, deren Löschung in einem hängigen Verfahren unabhängig vom Willen des Markeninhabers möglich ist, ist diesem die notorisch aufwändige Einführung seiner Marke nicht zuzumuten. Dies gilt insbesondere während fristgebundenen Widerspruchs- oder Einspracheverfahren gegen die Registrierung der Ursprungsmarke, die dem schweizerischen Widerspruchsverfahren vergleichbar sind. Kann die Registrierung der Ursprungsmarke im Ausland derart mit einem fristgebundenen Rechtsmittel in Frage gestellt werden, dass die abhängige ![]() | 17 |
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2.1 Nach dem angefochtenen Urteil hat die Beklagte in Deutschland gegen die erstinstanzliche Löschung ihrer Marke in den Klassen 3 und 5 ein Rechtsmittel eingereicht. Dieses hat sie namentlich damit ![]() | 19 |
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Die Klägerin verkennt mit ihren Vorbringen, dass es den zuständigen deutschen Behörden oblag, zu entscheiden, ob der Widerspruch begründet war oder nicht. Der Beklagten kann nicht zugemutet werden, den Ausgang eines hängigen Widerspruchsverfahren abzuschätzen, um gestützt auf diese Beurteilung den Gebrauch des umstrittenen Zeichens aufzunehmen. Dass der Widerspruch geradezu rechtsmissbräuchlich erhoben worden wäre, um der Beklagten die Karenzfrist zu erhalten, behauptet die Klägerin nicht. Angesichts der vorliegend zu beurteilenden Fragen ist im Übrigen fraglich, ob überhaupt von Offensichtlichkeit gesprochen werden kann, wie dies die Klägerin behauptet. Dafür genügt jedenfalls nicht, dass die Wahrscheinlichkeit eher für den Standpunkt der Beklagten sprach. Es sind keine Gründe ersichtlich, die Hängigkeit des förmlichen Verfahrens nicht als hinreichend wichtigen Grund für den Nichtgebrauch anzusehen, wenn von einem behördlichen Entscheid der Bestand der Basismarke und damit auch der abgeleitete Schutz der schweizerischen Marke abhängt.
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2.3 Die Basismarke der Beklagten war für die Warenklassen 3 und 5 bis zum 11. Januar 2001 Angriffsgegenstand im Rahmen eines von einer unabhängigen Drittperson angehobenen deutschen Widerspruchsverfahrens. Dieser Umstand ist als wichtiger Grund im Sinne von Art. 12 Abs. 1 MSchG zu qualifizieren. Bis zum formellen Abschluss dieses Verfahrens - bis zur Abweisung des Widerspruchs bzw. bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist gegen den ergangenen Entscheid - war die Benutzungsschonfrist daher unterbrochen. Beim deutschen Widerspruchsverfahren handelt es sich um ein mit dem schweizerischen Widerspruchsverfahren vergleichbares ![]() | 23 |
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