BGE 131 III 467 | |||
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61. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. X. und Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau gegen A. AG (Berufung) |
4C.423/2004 vom 14. April 2005 | |
Regeste |
Arbeitsvertrag; gesetzwidrige Vereinbarung über die Dauer der Probezeit; Beginn des Fristenlaufs bei der ordentlichen Kündigung (Art. 335b und 335c OR). |
Für die Berechnung der Kündigungsfrist gilt der Grundsatz, dass diese mit der Zustellung der Kündigung bzw. am darauf folgenden Tag zu laufen beginnt und am entsprechenden Tag des der Dauer der Frist entsprechenden Monats endet (E. 2). | |
Sachverhalt | |
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Am 17. August 2000 kündigte die Arbeitgeberin den Arbeitsvertrag auf den 24. August 2000, stellte den Arbeitnehmer vom 21. August 2000 an frei und forderte ihn auf, am 24. August 2000 zur Übergabe sämtlicher Unterlagen bei ihr zu erscheinen.
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Mit Schreiben vom 21. August 2000 teilte der Arbeitnehmer der Arbeitgeberin mit, dass ihm die Kündigung nach Ablauf der Probezeit zugegangen sei und das Arbeitsverhältnis deshalb erst auf den 28. Februar 2001 aufgelöst werden könne. Trotz sofortiger Freistellung stünden ihm grundsätzlich sämtliche Lohnansprüche bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu. Nachdem die Arbeitgeberin zuerst an der Kündigung auf den 24. August 2000 festgehalten hatte, forderte sie den Arbeitnehmer am 5. September 2000 schriftlich auf, die Arbeit am übernächsten Tag wieder aufzunehmen, und verwies für den Säumnisfall auf Art. 337d OR. Als der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit erschien, sprach die Arbeitgeberin am 8. September 2000 die fristlose Kündigung aus.
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X. (nachfolgend: Kläger 1), der nach der fristlosen Kündigung arbeitslos war, erhielt von der öffentlichen Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau (nachfolgend: Klägerin 2) im September 2000 Fr. 525.10, im Oktober 2000 Fr. 5'776.10, im November 2000 Fr. 5'776.10 und im Dezember 2000 Fr. 5'513.55 ausbezahlt.
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Am 19. Januar 2001 reichten X. und die Arbeitslosenkasse gegen die A. AG Klage ein mit den Rechtsbegehren, die Beklagte zur Zahlung von Fr. 95'543.- brutto nebst 5 % Zins seit 8. September 2000 zu verpflichten unter gleichzeitiger Verpflichtung von X. zur Herausgabe des Geschäftsfahrzeugs. Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und erhob Widerklage auf Herausgabe des Geschäftsfahrzeugs und Zahlung von Schadenersatz wegen Vorenthaltens des Fahrzeugs. Das Fahrzeug wurde im Laufe des Verfahrens zurückgegeben.
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Auf Berufung der Kläger und Anschlussberufung der Beklagten verpflichtete das Kantonsgericht Schwyz die Beklagte mit Urteil vom 31. August 2004 zur Zahlung von Fr. 15'209.80 netto nebst 5 % Zins auf Fr. 2'463.70 seit 8. September 2000, auf Fr. 8'996.10 seit 1. Oktober 2000 und auf Fr. 3'750.- seit 1. Januar 2001 an den Kläger 1 sowie zur Weiterleitung der entsprechenden Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge an die zuständigen Sozialversicherungskassen und zur Zahlung von Fr. 525.10 netto nebst 5 % Zins seit 1. Oktober 2000 an die Klägerin 2.
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Die Kläger haben das Urteil des Kantonsgerichts mit Berufung angefochten. Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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1.1 Der Inhalt eines Vertrages bestimmt sich in erster Linie durch subjektive Auslegung, das heisst nach dem übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen (Art. 18 Abs. 1 OR). Nur wenn eine tatsächliche Willensübereinstimmung unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten. Während das Bundesgericht die objektivierte Vertragsauslegung als Rechtsfrage prüfen kann, beruht die subjektive Vertragsauslegung auf Beweiswürdigung, die vorbehaltlich der Ausnahmen von Art. 63 Abs. 2 und Art. 64 OG der bundesgerichtlichen Überprüfung im Berufungsverfahren entzogen ist. Der Vorrang der subjektiven vor der objektivierten Vertragsauslegung ergibt sich aus Art. 18 OR als Auslegungsregel. Die Verletzung dieses Grundsatzes kann deshalb mit der Berufung gerügt werden (BGE 121 III 118 E. 4b/aa S. 123 mit Hinweisen).
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1.3 Das Kantonsgericht ist nach der geschilderten Methode vorgegangen. Dabei ist es zum Ergebnis gelangt, dass die Parteien mutmasslich für die Zeit zwischen Mitte und Ende August 2000 die gesetzliche Kündigungsfrist gewollt haben und nicht die für die Zeit ab September vereinbarte längere Frist. Dafür kann sich das Kantonsgericht auf die Überlegung stützen, dass die Parteien bis Ende August offenbar eine sehr kurze Kündigungsfrist haben wollten. Es ist folglich nicht anzunehmen, dass sie für den Fall, dass sich die Vereinbarung einer kürzeren als der gesetzlichen Kündigungsfrist von einem Monat als rechtswidrig erweist, eine längere, nämlich die für die Zeit nach August 2000 vereinbarte Kündigungsfrist von sechs Monaten wollten. Diese Überlegung entspricht auch der Wertung, die Art. 20 Abs. 2 OR zugrunde liegt. Erweist sich eine vertragliche Vereinbarung nur teilweise als rechtlich unzulässig, ist nur der entsprechende Teil des Vertrages nichtig, sofern nicht anzunehmen ist, dass die Parteien den Vertrag ohne den nichtigen Teil nicht geschlossen hätten. Es ist somit von einer blossen Teilnichtigkeit auszugehen und der Vertrag ist in abgeänderter Form so nahe am Willen der Parteien aufrecht zu erhalten wie möglich. Lehre und Rechtsprechung gehen deshalb davon aus, dass eine von den Parteien für mehr als drei Monate vereinbarte Probezeit auf das erlaubte Mass zu reduzieren ist (BGE 129 III 124 E. 3.1; REHBINDER, Berner Kommentar, N. 2 zu Art. 335b OR; STREIFF/VON KAENEL, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, 5. Aufl., Zürich 1992, N. 5 zu Art. 335b OR; BRÜHWILER, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, 2. Aufl., Bern 1996, N. 5a zu Art. 335b OR).
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Wenn die Parteien für die Zeit bis Ende August 2000 eine möglichst kurze Kündigungsfrist wollten und sich die von ihnen vereinbarte als unzulässig erweist, liegt es auf der Hand, die etwas längere gesetzliche anzuwenden und nicht die noch längere, die für die Zeit danach vereinbart worden ist. Der hier zu beurteilende Fall lässt sich nicht mit jenem vergleichen, welchen das Bundesgericht in BGE 109 II 449 ff. entschieden hat. Dort ging es um einen befristeten Arbeitsvertrag mit einer Probezeit. Nach deren Ablauf lag ein befristeter Arbeitsvertrag vor. Die Teilnichtigkeit hatte deshalb zur Folge, dass der Vertrag nicht mehr kündbar war. Die Anwendung einer gesetzlichen Kündigungsfrist anstelle der vertraglich vereinbarten festen Vertragsdauer stand nicht zur Diskussion. Im vorliegend zu beurteilenden Fall liegt demgegenüber ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vor, bei dem die subsidiäre gesetzliche Kündigungsfrist die ungültige Vereinbarung ersetzen kann. Aus diesen Gründen erweist sich die Vertragsauslegung der Vorinstanz als bundesrechtskonform.
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Gelten je nach Dauer des Arbeitsverhältnisses unterschiedliche Kündigungsfristen, kommt jene zur Anwendung, die im Zeitpunkt des Beginns der Kündigungsfrist gilt. Es ist nicht darauf abzustellen, wann diese endet (Arbeitsgericht Zürich, Urteil vom 12. Oktober 1984, publ. in: Jahrbuch des Schweizerischen Arbeitsrechts [JAR] 1985 S. 226 f.).
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2.1 Fraglich erscheint aber, ob die Kündigungsfrist mit dem Zugang der Erklärung zu laufen beginnt oder die Frist vom Zeitpunkt an zurückzurechnen ist, auf den die Erklärung das Arbeitsverhältnis beenden soll (FAVRE/MUNOZ/TOBLER, Le contrat de travail, Lausanne 2001, N. 2.4 ff. zu Art. 336c OR). Diese beiden Zeitpunkte unterscheiden sich erheblich, wenn die Kündigung während eines laufenden Monats ausgesprochen wird, aber bloss auf Ende eines Monats das Arbeitsverhältnis beenden kann. Wäre die Kündigungsfrist vom Endtermin rückwärts zu berechnen, hätte sie im vorliegenden Fall erst am 1. September 2000 zu laufen begonnen und würde zeitlich in den Bereich fallen, für den vertraglich eine sechsmonatige Kündigungsfrist vereinbart worden ist. Begänne die Frist dagegen bereits mit der Zustellung der Kündigungserklärung zu laufen und würde das Arbeitsverhältnis bloss wegen des Endtermins der Kündigung bis zum Ende des Monats verlängert, hätte sie im vorliegenden Fall Mitte August 2000 zu laufen begonnen und wäre Ende September 2000 unbeeinflusst von der Vereinbarung der Parteien betreffend sechsmonatiger Kündigungsfrist abgelaufen.
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Soweit ersichtlich hat das Bundesgericht bis jetzt noch nie ausdrücklich zu dieser Frage Stellung genommen. In Bezug auf Kündigungen in der Probezeit stellt sie sich in der Regel nicht, weil nach Art. 335b Abs. 1 OR die Kündigung auf jeden beliebigen Zeitpunkt möglich ist. Demgegenüber spielt die Frage beim zeitlichen Kündigungsschutz eine Rolle, weil dort die Regel gilt, dass eine Arbeitsunfähigkeit die Kündigung nur dann nichtig macht bzw. die Kündigungsfrist verlängert, wenn sie in die Kündigungsfrist fällt (BGE 109 II 330 ff.; BGE 121 III 107 E. 2; BGE 124 III 474 E. 2 mit Literaturzitaten). Diese Rechtsprechung wurde zwar im Zusammenhang mit der Verlängerung der Kündigungsfrist nach einer Sperrfrist entwickelt. Es sind indessen keine Gründe ersichtlich, weshalb sie nicht allgemein für die Berechnung der Kündigungsfrist gelten soll. Daraus folgt, dass die Kündigungsfrist stets mit der Zustellung der Kündigung bzw. am darauf folgenden Tag zu laufen beginnt und am entsprechenden Tag des der Dauer der Frist entsprechenden Monats endet. Das Arbeitsverhältnis verlängert sich indessen wegen des Kündigungstermins über die Dauer der Kündigungsfrist hinaus bis zum Ende des Monats. Arbeitsverhinderungen, die in die Zeit zwischen der Zustellung der Kündigungserklärung und dem Beginn des darauf folgenden Monats fallen, sind somit beim zeitlichen Kündigungsschutz zu berücksichtigen (a.M. HANS-PETER EGLI, in: Kren Kostkiewicz/Bertschinger/ Breitschmied/Schwander [Hrsg.], Handkommentar OR, Zürich 2002, N. 14 zu Art. 336c in Verb. mit N. 1 zu Art. 335a OR). Arbeitsverhinderungen, die in die Zeit der blossen Verlängerung des Arbeitsverhältnisses fallen, bleiben dagegen ausser Betracht.
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2.2 Die Anwendung dieser Regeln auf den vorliegenden Fall führt zum Ergebnis, dass die Kündigungsfrist am 17. bzw. 18. August 2000 zu laufen begonnen hat und einen Monat später unbeeinflusst von der vertraglichen Vereinbarung der Parteien betreffend sechsmonatige Kündigungsfrist abgelaufen ist. Da die Kündigung auf Ende September 2000 terminiert war, endete das Arbeitsverhältnis in diesem Zeitpunkt. Das angefochtene Urteil, das zum gleichen Ergebnis gelangt ist, verletzt demnach kein Bundesrecht.
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