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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: | |||
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30. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. Konkursmasse B. gegen A. (Berufung) |
4C.180/2005 vom 28. November 2006 | |
Regeste |
Kaufvertrag; Wandelung; Schadenersatz; Art. 208 Abs. 2 und 3 OR. |
Grundsätze der Auslegung von Gesetzen (E. 2.4). |
Art. 208 Abs. 2 OR erfasst Schäden, welche dem Käufer durch Mängel der gelieferten Ware unmittelbar verursacht wurden. Dies ist zu bejahen, wenn der Schaden innerhalb der Kausalkette direkt durch den Mangel und nicht erst durch das Hinzutreten weiterer Schadensursachen hervorgerufen wurde (E. 2.5). |
Ein Schaden ist nicht bereits deshalb als mittelbare Folge eines Mangels zu qualifizieren, weil er sich erst beim normalen Gebrauch der Sache im Rahmen des üblichen oder vereinbarten Verwendungszwecks auswirkte (E. 3.2). |
Liefert der Verkäufer dem Käufer kranke Tiere, so stellt der durch die Übertragung der Krankheit verursachte Verlust des Tierbestandes des Käufers unmittelbaren Schaden dar (E. 3.3). | |
Sachverhalt | |
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B. Am 5. November 2003 klagte der Verkäufer (nachstehend: Kläger) beim Bezirksgericht Arbon nach Art. 85a SchKG auf Feststellung, dass die vom Käufer (nachstehend: Beklagter) in Betreibung gesetzte Forderung von Fr. 2'000'000.- nicht bestehe und verlangte die vorläufige Einstellung der Betreibung Nr. 1 des Betreibungsamtes Y.
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Das Bezirksgericht ging davon aus, der Kläger habe dem Beklagten auf Grund der Wandelung des Kaufvertrages den Kaufpreis von Fr. 4'800.- zurückzuerstatten und gemäss Art. 208 Abs. 2 OR die unmittelbar mit der Vertragsrückabwicklung und der Feststellung der Schadensursache angefallenen Kosten von insgesamt Fr. 2'175.10 zu ersetzen. Mangels eines Verschuldens habe der Kläger jedoch nicht für den Mangelfolgeschaden in der Form des Verlusts des restlichen Vogelbestandes aufzukommen. Mit Urteil vom 4. März 2004 stellte das Bezirksgericht demnach fest, die in Betreibung gesetzte Forderung bestehe nur im Betrag von Fr. 6'975.10 nebst 5 % Zins seit 2. August 2000.
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Am 9. August 2004 wurde über den Kläger der Konkurs ausgesprochen. Auf Berufung des Beklagten hin hob das Obergericht des Kantons Thurgau, in Unkenntnis des Konkurses des Klägers, das erstinstanzliche Urteil am 10. Februar 2005 auf und wies die Klage im Wesentlichen ab, indem es feststellte, dass die in Betreibung gesetzte Forderung von Fr. 2'000'000.- nebst 5 % Zins seit 2. August 2000 im Fr. 1'990'925.10 nebst 5 % Zins seit 2. August 2000 übersteigenden Betrag nicht bestehe. In diesem Umfang stellte das Obergericht die Betreibung Nr. 1 des Betreibungsamts Y. ein.
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C. Der Kläger erhob am 13. Mai 2005 eidgenössische Berufung mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts vom 10. Februar 2005 sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass die in Betreibung gesetzte Forderung von Fr. 2'000'000.- nebst 5 % Zins seit 2. August ![]() | 5 |
Mit Schreiben vom 29. Juli 2005 teilte das Kantonale Konkursamt des Kantons Freiburg dem Bundesgericht mit, der Gerichtspräsident des Greyerzbezirks habe mit Urteil vom 9. August 2004 über den Kläger den Konkurs ausgesprochen und der Beklagte habe in diesem Konkurs am 11. März 2005 die in Betreibung gesetzte Forderung von Fr. 2'000'000.- nebst Zins eingegeben. Daraufhin wurde das Berufungsverfahren vom Bundesgericht mit Beschluss vom 18. November 2005 gemäss Art. 207 SchKG sistiert.
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Mit Schreiben vom 4. August 2006 teilte das Kantonale Konkursamt des Kantons Freiburg dem Präsidenten der I. Zivilabteilung mit, der Konkurs des Klägers werde im summarischen Verfahren durchgeführt, der Kollokationsplan sei vom 30. Juni bis 20. Juli 2006 aufgelegt gewesen und die Konkursmasse wünsche, den Prozess an Stelle des Klägers weiterzuführen.
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Das Bundesgericht schreibt die Berufung als gegenstandslos ab, soweit damit die Aufhebung der Betreibung Nr. 1 des Betreibungsamtes Y. im Fr. 6'975.10 nebst Zins zu 5 % seit 2. August 2000 übersteigenden Betrag verlangt wird. Im Übrigen weist es die Berufung ab.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
2.1 Das Obligationenrecht sieht bei vollständiger Entwehrung und der Wandelung eine verschuldensunabhängige Haftung des Verkäufers für den durch die Entwehrung bzw. durch die Lieferung fehlerhafter Ware unmittelbar verursachten Schaden vor (Art. 195 Abs. 1 Ziff. 4 und Art. 208 Abs. 2 OR). In beiden Fällen ist der Verkäufer verpflichtet, den weiteren Schaden zu ersetzen, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle (Art. 195 Abs. 2 und Art. 208 Abs. 3 OR). Das Bundesgericht hat in einem Entscheid aus dem Jahre 1953 dem Sinne nach ausgeführt, die kausale Haftung gemäss Art. 195 Abs. 1 und Art. 208 Abs. 2 OR sei als Ausnahme von der allgemeinen verschuldensabhängigen vertraglichen Haftung des Schuldners einschränkend auszulegen. Gerechtfertigt sei, dass der Verkäufer auch ohne Verschulden den eingetretenen ![]() | 9 |
In Übereinstimmung mit diesem Entscheid nimmt ein Teil der Lehre an, der unmittelbare Schaden erfasse nur das negative Vertragsinteresse bzw. den eingetretenen Schaden (GIGER, Berner Kommentar, 2. Aufl., N. 38 zu Art. 208 OR; GUHL/KOLLER, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. Aufl., S. 388 Rz. 40; PIERRE ENGEL, Contrats de droit suisse, 2. Aufl., S. 43; PIERRE CAVIN, Kauf, Tausch und Schenkung, Schweizerisches Privatrecht [SPR], Bd. VII/1, S. 101; vgl. auch OSER/SCHÖNENBERGER, Zürcher Kommentar, 2. Aufl., N. 7 f. zu Art. 195 OR und N. 5 zu Art. 208 OR; PETER BALDI, Über die Gewährleistungspflicht des Verkäufers von Aktien, insbesondere beim Verkauf aller Aktien einer Gesellschaft, Diss. Zürich 1975, S. 54). Die Mehrheit der Lehre vertritt dagegen die Meinung, bezüglich der Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Schaden sei auf die Nähe bzw. die Intensität des Kausalzusammenhangs zwischen der Schadensursache und dem eingetretenen Schaden abzustellen. Ein unmittelbarer Schaden liege demnach vor, wenn er ohne Hinzutreten weiterer Schadensursachen in direkter Folge der fehlerhaften Lieferung entstanden sei. Dagegen werde mittelbarer Schaden durch zusätzliche Teilursachen verursacht, so dass er als entfernte Folge der Lieferung mangelhafter Ware erscheine (SCHÖNLE/HIGI, Zürcher Kommentar, 3. Aufl., N. 67 f. und 78 zu Art. 195 OR; KELLER/SIEHR, Kaufrecht, 3. Aufl., S. 63 und 90; SILVIO VENTURI, Commentaire romand, N. 11 zu Art. 208 OR; EUGEN BUCHER, Obligationenrecht, Besonderer Teil, 3. Aufl., S. 104 f.; GUHL/MERZ/KUMMER, Das Schweizerische Obligationenrecht, 7. Aufl., S. 61; HERBERT SCHÖNLE, Remarques sur la responsabilité causale du vendeur selon les art. 195 al. 1 et 208 al. 2 C.O., SJ 1977 S. 465 ff., S. 484; WILLI FISCHER, Der unmittelbare und der mittelbare Schaden im Kaufrecht, eine dogmatische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte sowie der Funktion der Gewährleistungsinstitute, Diss. Zürich 1984, S. 286 ff.; GUY STANISLAS, Le droit de résolution dans le contrat de vente, Sanction de l'inexécution des obligations contractuelles, Diss. Genf 1979, S. 139; FRANZ BURKI, Produktehaftpflicht nach schweizerischem und deutschem Recht, Diss. Bern 1975, S. 34; ROLF FURRER, Beitrag zur Lehre der ![]() | 10 |
Auch HONSELL geht davon aus, die Abgrenzung zwischen unmittelbarem und weiterem Schaden in Art. 208 Abs. 2 OR beziehe sich auf die Länge der Kausalkette. Er erachtet diese Abgrenzung jedoch als "unbrauchbar", da man nicht angeben könne, wo die Grenze im Einzelnen zu ziehen sei. Die Einschränkung auf die Schäden, die ohne weitere Schadensursachen in direkter Folge der Mangelhaftigkeit entstanden sind, sei "wertlos", weil die meisten Mangelfolgeschäden nichts weiter voraussetzten als den späteren Gebrauch der Sache durch den Käufer oder einen Dritten. Trotzdem könne man Mangelfolgeschäden unter den weiteren Schaden im Sinne des Abs. 3 subsumieren, denn die Kausalkette sei relativ lang. Für diese Subsumtion spreche auch die Verwandtschaft der Fälle zur so genannten positiven Vertragsverletzung nach Art. 97 OR, die ebenfalls Verschulden voraussetzten. So würden auch im Mietrecht Mangelfolgeschäden nur bei Verschulden ersetzt, weshalb für den Kauf nichts anderes gelten sollte. Auch das Produktehaftpflichtgesetz sehe eine verschuldensunabhängige Haftung nur für den Hersteller und Importeur vor. Es wäre ungereimt, den Verkäufer, der nicht selbst hergestellt hat und den auch sonst kein Verschulden trifft, für Mangelfolgeschäden kausal haften zu lassen (HEINRICH HONSELL, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, 8. Aufl., S. 106 ff.; derselbe, Basler Kommentar, 3. Aufl., N. 8 f. zu Art. 208 OR). VON BÜREN vertritt die Meinung, bei einem durch ein defektes Automobil bewirkten Erwerbsausfall, Unfall oder entgangenem Weiterverkaufsgewinn brauche die Kausalität keine langen Wege zu gehen, weshalb von unmittelbaren Schäden gesprochen werden könnte. Indessen seien solche Schädigungen nicht unmittelbar im Sinne von Art. 208 Abs. 2 OR, weil für den Verkäufer eine kausale Haftung für Schäden solcher Art völlig unerträglich wäre. Gerechtfertigt sei eine kausale Haftung bloss für die Umtriebe, die der Käufer im Zusammenhang mit der Wandelung oder Minderung gehabt habe (BRUNO VON BÜREN, Obligationenrecht, Besonderer Teil, S. 41 f.).
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2.3 Der Kläger rügte in der von der Konkursmasse genehmigten Berufung, das Obergericht habe Mangelfolgeschäden zu Unrecht als unmittelbare Schäden im Sinne von Art. 208 Abs. 2 OR qualifiziert. Zur Begründung führte der Kläger zusammengefasst aus, nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sei nur ein an der Kaufsache selber entstandener Schaden als unmittelbarer Schaden zu qualifizieren. Mangelfolgeschäden könnten demgegenüber keinen ummittelbaren Schaden darstellen, weil sie mittelbar durch die Mangelhaftigkeit der Kaufsache verursacht würden. Alsdann sei zu beachten, dass das alte Obligationenrecht die vertragliche Haftung bei leichtem Verschulden grundsätzlich auf den unmittelbaren Schaden beschränkte. Bei der Revision des Obligationenrechts sei diese Beschränkung im allgemeinen Teil gestrichen worden, weil sie in vielen Fällen zu spitzfindigen und willkürlichen Entscheiden geführt habe. Gleichwohl habe der Gesetzgeber diese Beschränkung für die Bestimmung der Schadenersatzpflicht des Verkäufers beibehalten. Für diese unterschiedliche Vorgehensweise lasse sich in den Materialien keine Erklärung finden. Jedoch sei der Wille des Gesetzgebers zu berücksichtigen, willkürliche Abgrenzungen von unmittelbarem und mittelbarem Schaden zu vermeiden, weshalb Art. 208 Abs. 2 OR eng auszulegen sei. Den Fall des kranken Tieres, das den Tierbestand des Käufers anstecke, habe schon das römisch-gemeine Recht gekannt. Die Haftung sei freilich auf die Fälle der Arglist oder Zusicherung seitens des Verkäufers beschränkt gewesen. Diese Regelung sei in Deutschland zunächst übernommen worden. Dass der schweizerische Gesetzgeber eine weitergehende Kausalhaftung für Mangelfolgeschäden habe einführen wollen, könne nicht angenommen werden. In ![]() | 13 |
2.4 Die Auslegung des Gesetzes ist auf die Regelungsabsicht des Gesetzgebers und die von ihm erkennbar getroffenen Wertentscheidungen auszurichten (BGE 128 I 34 E. 3b S. 41). Ausgangspunkt der Auslegung einer Norm bildet ihr Wortlaut. Vom daraus abgeleiteten Sinne ist jedoch abzuweichen, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass der Gesetzgeber diesen nicht gewollt haben kann. Solche Gründe können sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte der Norm, aus ihrem Zweck oder aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften ergeben. Insoweit wird vom historischen, teleologischen und systematischen Auslegungselement gesprochen. Bei der Auslegung einer Norm sind daher neben dem Wortlaut diese herkömmlichen Auslegungselemente zu berücksichtigen (BGE 130 III 76 E. 4 S. 82; BGE 130 II 65 E. 4.2 S. 71; BGE 127 III 318 E. 2b mit Hinweisen). Ergibt die Auslegung eines Bundesgesetzes auf eine Rechtsfrage eine eindeutige Antwort, so ist diese gemäss Art. 191 BV für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend. Diese dürfen daher nicht mit der Begründung von Bundesrecht abweichen, es sei verfassungswidrig oder entspreche nicht dem (künftig) wünschbaren Recht (BGE 130 II 65 E. 4.2 S. 71 f.; BGE 129 II 249 E. 5.4 S. 263, je mit Hinweisen). Eine Abweichung von einer Gesetzesnorm ist jedoch zulässig, wenn der Gesetzgeber sich offenkundig über gewisse Tatsachen geirrt hat oder sich die Verhältnisse seit ![]() | 14 |
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"1 Wird der Kauf rückgängig gemacht, so muss der Käufer die Sache nebst dem inzwischen bezogenen Nutzen dem Verkäufer zurückgeben.
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2 Der Verkäufer hat den gezahlten Kaufpreis samt Zinsen zurückzuerstatten und überdies, entsprechend den Vorschriften über die vollständige Entwehrung, die Prozesskosten, die Verwendungen und den Schaden zu ersetzen, der dem Käufer durch die Lieferung fehlerhafter Ware unmittelbar verursacht worden ist.
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3 Der Verkäufer ist verpflichtet, den weiteren Schaden zu ersetzen, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle."
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Art. 208 Abs. 2 OR lautet in der französischen und italienischen Version:
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"Le vendeur doit restituer à l'acheteur le prix payé, avec intérêts, et, comme en matière d'éviction totale, le frais de procès et les impenses; il indemnise, en outre, l'acheteur du dommage résultant directement de la livraison de marchandise défectueuse."
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"Il venditore deve restituire il prezzo pagato con gli interessi e risarcire inoltre, in conformità alle disposizioni sull'evizione totale, le spese di causa, i disborsi ed i danni direttamente cagionati al compratore con la consegna della merce difettosa."
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2.5.1 Art. 208 Abs. 2 OR geht von Schäden aus, welche dem Käufer durch die Lieferung fehlerhafter Ware verursacht wurden. Darunter fallen vom Wortlaut her auch durch die Fehler- bzw. Mangelhaftigkeit der Ware hervorgerufene Schäden. Betreffen diese nicht die Sache selbst, sondern andere Rechtsgüter des Käufers, so wird von Mangelfolgeschäden gesprochen (HONSELL, Basler Kommentar, a.a.O., N. 9 zu Art. 208 OR; ROLF DOERIG, Ersatz sogenannter "Mangelfolgeschäden" aus Kaufvertrag [Art. 208 OR], Diss. Zürich 1985, S. 92 ff.). Ob solche Schäden als unmittelbare oder mittelbare Schäden zu qualifizieren sind, hängt davon ab, wie diese Unterscheidung verstanden wird. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet der Begriff "unmittelbar", ohne räumlichen oder zeitlichen Abstand, ohne vermittelndes Glied (vgl. Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 3. Aufl., Mannheim 2002, S. 944; G. WAHRIG, Deutsches Wörterbuch, Hrsg. Renate Wahrig-Burfeind, Gütersloh 1996, S. 1631) bzw. "directement", en ligne directe, sans détour, sans intermédiaire (Grand Dictionnaire Encyclopédique Larousse, Bd. 3, ![]() | 22 |
2.5.2 Bezüglich der Entstehungsgeschichte von Art. 208 Abs. 2 und 3 OR ist zu beachten, dass die Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem bzw. direktem und indirektem Schaden bereits im gemeinen Recht vorgenommen wurde (GIGER, a.a.O., N. 24 zu Art. 195 OR; DOERIG, a.a.O., S. 20 ff.). Als Beispiel eines direkten Schadens nannte POTHIER (1699-1772), dass ein Bauer eine kranke Kuh erwirbt und seine weiteren Tiere zu Folge der Übertragung der Krankheit eingehen; eine weiter entfernte und indirektere Folge (une suite plus éloignée et plus indirecte) liege dagegen vor, wenn der Bauer auf Grund der Erkrankung seiner (Zug-)Ochsen seine Felder nicht bearbeiten und er in der Folge seine Schulden nicht mehr bezahlen könne (ROBERT-JOSEPH POTHIER, Traité des Obligations, Rz. 166 f., abgedruckt in: Oeuvres de Pothier, Hrsg. M. Siffrein, Paris 1821, Bd. 1, S. 189 f.). In Anlehnung an die Doktrin des gemeinen Rechts begrenzte der französische Code Civil von 1804 (im Folgenden: CCfr.) die vertragliche Haftung des Schuldners bei Nichterfüllung des Vertrages in Art. 1150 auf den Schaden, der zur Zeit des Vertragsschlusses vorausgesehen wurde oder vorauszusehen war, soweit der Schuldner den Vertrag nicht vorsätzlich (par son dol) nicht erfüllte. Auch bei vorsätzlicher Nichterfüllung hat der Schuldner gemäss Art. 1151 CCfr. den Schaden nur zu ersetzen, soweit dieser eine unmittelbare und direkte Folge (une suite ![]() ![]() | 23 |
Die Regelung des Kaufrechts wurde seit 1911 nicht revidiert. Eine Anpassung an die seitherige internationale Rechtsentwicklung ist daher nicht erfolgt.
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Weiter fällt in Betracht, dass die kausale Haftung des Verkäufers für den durch die Lieferung fehlerhafter Ware unmittelbar verursachten Schaden in Art. 208 Abs. 2 OR nach der im gleichen Absatz geregelten Verpflichtung des Verkäufers zum Ersatz der Prozesskosten und der Verwendungen entsprechend den Vorschriften über die vollständige Entwehrung genannt wird. Aus diesem Zusammenhang könnte geschlossen werden, der Gesetzgeber habe - da bei der Entwehrung die Kaufsache keinen Mangel aufweist - mit dem durch die Lieferung fehlerhafter Ware verursachten Schaden nicht die durch die Mängel verursachten Schäden, sondern nur die mit der Rückgabe der Ware verbundenen Unkosten gemeint. Indessen stellt die nebenordnende Konjunktion "und" bzw. "en outre" klar, dass der Schadenersatz für den durch die Lieferung fehlerhafter Ware unmittelbar verursachten Schaden zusätzlich zum Ersatz der Prozesskosten und den Verwendungen geschuldet ist. Dies entspricht auch der inhaltlich übernommenen Regelung in Art. 253 aOR. Danach war der Verkäufer bei der Wandelung verpflichtet, den gezahlten Kaufpreis samt Zinsen zurückzuerstatten und überdies dem Käufer den Schaden zu ersetzen, welcher demselben durch die Lieferung fehlerhafter Ware unmittelbar verursacht worden ist. Erst anschliessend sah Art. 253 aOR vor, dass im Übrigen die Bestimmungen des Art. 241 aOR (bezüglich des Kostenersatzes bei der vollständigen Entwehrung) entsprechende Anwendung finden. Demnach kann aus der Haftung für die Prozesskosten und die Verwendungen gemäss den Vorschriften über die vollständige Entwehrung nicht geschlossen werden, die Haftung für den durch die Lieferung fehlerhafter Ware verursachten Schaden erfasse nur die mit der Rückabwicklung des Kaufvertrages verbundenen Kosten des Käufers.
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Daran vermag nichts zu ändern, dass in der Lehre geltend gemacht wird, die kausale Haftung für Mangelfolgeschäden gemäss Art. 208 Abs. 2 OR stelle auch bei der Beschränkung auf die unmittelbare Verursachung im Vergleich zur allgemeinen verschuldensabhängigen Vertragshaftung und zur Schadenersatzpflicht bei anderen Verträgen über Sachleistungen eine systemwidrige, sachlich nicht gerechtfertigte Ausnahmeregelung dar (vgl. die Hinweise in E. 2.1; BUCHER, a.a.O., S. 104 f.; FISCHER, a.a.O., S. 287; vgl. ferner SCHÖNLE, a.a.O., S. 485 f.). Ob diese rechtspolitische Kritik berechtigt ist, haben gemäss dem Prinzip der Gewaltenteilung die gesetzgebenden und nicht die rechtsanwendenden Behörden zu entscheiden (vgl. E. 2.4 hiervor). Dass ein Abweichen von Art. 208 Abs. 2 OR ausnahmsweise zulässig sei, weil der Gesetzgeber beim Erlass dieser Bestimmung einem offensichtlichen Versehen erlegen oder ihre Anwendung auf Grund veränderter Umstände als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren sei, macht der Kläger nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich.
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Erwägung 3 | |
3.1 Der Kläger macht für den Fall, dass das Bundesgericht Mangelfolgeschäden nicht grundsätzlich vom Anwendungsbereich von Art. 208 Abs. 2 OR ausschliesst, geltend, dass die Einstallung der gekauften Papageien und die dadurch verursachte Stresssituation zum Ausbruch der Krankheit geführt habe. Der Schaden an der Zucht des Beklagten sei daher nicht ohne Hinzutreten weiterer Schadensursachen in direkter Folge der Mangelhaftigkeit entstanden. Vielmehr sei ![]() | 30 |
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Als Beispiel eines unmittelbaren Schadens wird in der Lehre unter Verweis auf POTHIER der Verlust des Viehbestands des Käufers zufolge der Übertragung einer Krankheit der gekauften Kuh angeführt (VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, 3. Aufl., 1. Bd., S. 89 Fn. 10; vgl. auch HANS-PETER KATZ, Sachmängel beim Kauf von Kunstgegenständen und Antiquitäten, Diss. Zürich 1973, S. 75, der die Übertragung von Holzwürmern von der gekauften Antiquität auf andere Objekte des Käufers als direkten Schaden qualifiziert). Weiter wird in der Lehre ein unmittelbarer Schaden angenommen, wenn die Mangelhaftigkeit einer Geschirrspülmaschine dazu führt, dass Wasser ausläuft und den Boden des Käufers beschädigt. Dagegen erscheine als Folge einer hinzutretenden Schadensursache, wenn das auslaufende Wasser in elektrische Installationen eindringe und hierdurch einen Kurzschluss mit Brand bewirke (KELLER/SIEHR, a.a.O., S. 90). Diese Beispiele zeigen, dass ein Mangelfolgeschaden nicht bereits deshalb als entfernte Folge eines Mangels zu qualifizieren ist, weil sich dieser erst beim normalen Gebrauch der Sache im Rahmen des üblichen oder vereinbarten Verwendungszwecks schädigend auswirkte (SCHÖNLE, a.a.O., S. 484).
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