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10. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Y. AG gegen X. AG (Berufung) |
4C.3/2007 vom 12. November 2007 | |
Regeste |
Steuerhinterziehung; ersatzfähiger Schaden; Art. 175 DBG. | |
Sachverhalt | |
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Im Juli 1990 kaufte die damalige Einzelfirma X. einen Porsche 911 Carrera für Fr. 79'000.-. Auf diesem Wagen, der 1991 auf die Klägerin überging, wurden jährlich Abschreibungen getätigt. Ende 1993 wurde er zum Restbuchwert von Fr. 10'000.- von A.A. persönlich übernommen. Im März 1993 erwarb die Klägerin einen Mercedes 600 SL Roadstar für Fr. 203'000.-, den sie 1993 um 40 % und 1994 auf Fr. 1.- abschrieb.
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Im Hinblick auf die Veranlagung der Klägerin für die Geschäftsjahre 1993/1994 hat der für juristische Personen zuständige Steuerkommissär des Kantons Thurgau am 25. April 1995 bei der Beklagten insbesondere Angaben über das 1993 von der Klägerin für Fr. 203'000.- erworbene Fahrzeug und über die Angemessenheit des Verkaufspreises des Ende 1993 zum Buchwert ins Privatvermögen überführten Porsche Carrera 911 verlangt. Die Beklagte antwortete am 3. Januar 1996.
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Am 12. Januar 1996 reichte die Beklagte für die Eheleute A. die Steuererklärung 1995/1996 ein, deren Bemessungsgrundlage ihre Einkünfte im Jahr 1993 und 1994 bildeten. In dieser Steuererklärung wurden weder bezüglich des übernommenen Porsche noch der Benutzung des Mercedes 600 SL Roadstar geldwerte Leistungen der Klägerin an die Eheleute A. deklariert.
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Am 22. März 1996 erliess der für juristische Personen zuständige Steuerkommissär die "Kantonale Veranlagung 1994" betreffend die Klägerin und nahm darin per Geschäftsjahr 1993 insbesondere folgende Aufrechnungen vor: "Unterpreisliche Entnahme Porsche Fr. 70'000.-" und "Abschreibung Mercedes 600 SL Roadstar Fr. 49'200.-"; Letzteres mit dem Hinweis, dass es sich um die aufgerechnete Abschreibung auf dem auf insgesamt Fr. 123'000.- geschätzten Luxusanteil des Mercedes handle. Für das Jahr 1994 wurde in der Veranlagung unter der Rubrik "Abschreibungen auf Luxusanteil Mercedes 600 SL Roadstar" Fr. 73'800.- aufgeführt.
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Auf Empfehlung der Beklagten hin akzeptierte die Klägerin die Veranlagungen für die Bemessungsperiode 1993/1994.
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Nach Meldung eines Steuerkommissärs eröffnete die thurgauische Steuerverwaltung am 8. April 1997 ein Nachsteuer- und Bussenverfahren gegen die Eheleute A. und erliess am 7. Oktober 1998 eine Nachsteuer- und Bussenverfügung. Damit wurden die geldwerten Leistungen der Klägerin nachbesteuert und den Steuerpflichtigen eine Busse von 100 % - entsprechend einem Betrag von Fr. 24'670.60 für die direkte Bundessteuer und von Fr. 58'127.20 für die Staats- und Gemeindesteuer auferlegt. Die Gebüssten zogen die Entscheide weiter, wobei das Verfahren betreffend die Staats- und Gemeindesteuer bis zum Entscheid über die direkte Bundessteuer sistiert wurde.
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Am 9. Dezember 1998 eröffnete die Steuerverwaltung des Kantons Thurgau auch gegenüber der Klägerin ein Nachsteuer- und Bussenverfahren betreffend die direkte Bundessteuer sowie die Staats- und Gemeindesteuer. Am 30. Juni 1999 wurde die Klägerin mit insgesamt Fr. 41'700.- gebüsst. Die Klägerin zog diese Bussenverfügungen weiter.
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Gegen die Nach- und Strafsteuern betreffend die direkte Bundessteuer erhoben sowohl die Klägerin als auch die Eheleute A. Einsprachen, welche am 4. Oktober 1999 abgewiesen wurden. Die Steuerrekurskommission des Kantons Thurgau bestätigte diese Entscheide. Die dagegen erhobenen Verwaltungsgerichtsbeschwerden wies das Bundesgericht mit Urteil vom 3. November 2000 ab (2A.187/2000 und 2A.195/2000, vom Bundesgericht vereinigt). Darin wurde in E. 3c/cc ausgeführt:
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"Es geht - sowohl beim Übernahmepreis für den Porsche als auch bei der streitigen Abschreibung für den Mercedes - nicht bloss um reine Bewertungsfragen, worüber in guten Treuen geteilte Meinungen möglich sein können. Die Beschwerdeführer wussten bzw. mussten wissen, dass ein ca. vierjähriger Porsche 911 Carrera mit 4000 km niemals bloss einen Marktwert von Fr. 10'000.- haben konnte. Analoges gilt für die Abschreibungen auf dem Mercedes, den die Beschwerdeführer unbestrittenermassen auch privat benutzten. Diesbezüglich wussten sie um die geldwerten Vorteile, die ihnen durch den privaten Gebrauch des Geschäftswagens der X. AG zuflossen. Sie haben daher ihr Einkommen und Vermögen nicht vollständig deklariert (vgl. E. 3b/cc) und den Erfolg, d.h. die unvollständige Veranlagung vom 2. Juli 1996, zumindest in Kauf genommen (Eventualvorsatz). Dies führt zur Verurteilung wegen vorsätzlicher vollendeter Steuerhinterziehung (vgl. auch [...]).
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In den Verfahren betreffend Staats- und Gemeindesteuern konnten die Klägerin sowie die Eheleute A. vor der Steuerrekurskommission und dem Verwaltungsgericht eine Reduktion des Bussenbetrags auf Fr. 22'431.20 für die Klägerin und Fr. 35'939.55 für die Eheleute A. erreichen.
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In der Folge machten die Klägerin und die Eheleute A. geltend, die Steuerbussenverfahren seien auf mangelhafte Beratung der Beklagten zurückzuführen, weshalb diese für den dadurch verursachten Schaden hafte. Am 10. Dezember 2004 traten die Eheleute A. sämtliche ihnen gegenüber der Beklagten zustehenden Schadenersatzansprüche der Klägerin ab.
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B. Mit Eingabe vom 4. März 2005 belangte die Klägerin die Beklagte beim Handelsgericht des Kantons St. Gallen auf Zahlung von Fr. 121'084.65 nebst 5 % Zins seit 1. Januar 2003. Damit verlangte die Klägerin Schadenersatz für die ihr und den Eheleuten A. auferlegten Steuerbussen von insgesamt Fr. 90'741.35, für entsprechende Verfahrensgebühren von Fr. 10'435.80 und Anwaltskosten von Fr. 19'907.50.
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Mit Entscheid vom 13. November 2006 verpflichtete das Handelsgericht die Beklagte in teilweiser Gutheissung der Klage, der Klägerin Fr. 82'189.75 zuzüglich 5 % Zins seit 1. Januar 2003 zu bezahlen.
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C. Die Beklagte hat den Entscheid des Handelsgerichts vom 13. November 2006 sowohl mit eidgenössischer Berufung als auch mit kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde angefochten. Letztere hat das Kassationsgericht des Kantons St. Gallen am 12. Juli 2007 abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte. Mit ihrer Berufung stellt die Beklagte die Anträge, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Das Bundesgericht heisst die Berufung gut, hebt das Urteil des Handelsgerichts des Kantons St. Gallen vom 13. November 2006 auf und weist die Klage ab.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
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Aus den dargelegten Gründen verpflichtete die Vorinstanz die Beklagte, der Klägerin als Schadenersatz zwei Drittel der ihr bzw. den ![]() | 21 |
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Erwägung 2.3 | |
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2.3.2 Allgemein gilt, dass eine Busse den Gebüssten durch eine Vermögensverminderung bestrafen soll. Wie jede Strafe ist auch die Busse höchstpersönlicher Natur, woraus folgt, dass eine ![]() | 24 |
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2.3.4 Weiter wird die Meinung vertreten, wenn und soweit ein Steuerpflichtiger eine Steuerbusse ohne eigenes Verschulden als Folge eines Fehlverhaltens eines Dritten zu bezahlen habe, liege keine höchstpersönliche Strafe und damit ein ersatzfähiger Schaden vor (KOLLER, a.a.O., ZSR 113/1994 I S. 204). Dies treffe zu, wenn ein Steuerberater in Verletzung seiner vertraglichen Haupt- oder Nebenpflicht den beratenen Steuerpflichtigen nicht über bestimmte steuerrechtliche Pflichten aufkläre und dieser deswegen ein ![]() | 26 |
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2.4 Die im vorliegenden Verfahren umstrittenen Steuerbussen sind den Eheleuten A. und der Klägerin aufgrund ihres eigenen Verschuldens in der Form von Vorsatz bzw. Eventualvorsatz auferlegt worden, wobei auch nach den Feststellungen des Handelsgerichts berücksichtigt wurde, dass die gebüssten Personen von der Beklagten beraten bzw. vertreten wurden. Damit sind die Bussen verschuldensabhängig ausgesprochen worden, weshalb sie als höchstpersönliche Strafen und damit als zivilrechtlich nicht ersatzfähige ![]() | 28 |
Das Handelsgericht hat daher Bundesrecht verletzt, wenn es annahm, die der vorliegenden Klage zu Grunde liegenden Steuerbussen seien zivilrechtlich ersatzfähig. Demnach können auch die Kosten, welche in den durch das Verschulden der Gebüssten verursachten Strafsteuerverfahren anfielen, nicht als ersatzfähiger Schaden qualifiziert werden (vgl. KOLLER, a.a.O., AJP 2003 S. 721). Daraus folgt, dass die Klage abzuweisen ist, ohne dass die übrigen Haftungsvoraussetzungen oder die Frage der Verjährung geprüft werden müssten.
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